Open Access
{"created":"2022-01-31T14:12:38.504569+00:00","id":"lit19142","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Schulze, E.","role":"author"},{"name":"G. Trier","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 70: 143-151","fulltext":[{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Identit\u00e4t des Vernins und des Guanosins, nebst einigen Bemerkungen \u00fcber Vicin und Convicin.\nVon\nE. Schulze und G. Trier.\n(Aus dem agrikulturehemischen Laboratorium des Polytechnikums in Z\u00fcrich.; (Der Redaktion zugegangen am 4. November 1910.)\nIn einem vor kurzem in dieser Zeitschrift ver\u00f6ffentlichten Beitrag zur Kenntnis des Vernins1) wurden den in fr\u00fcheren Abhandlungen \u00fcber das Vernin von K. Schulze und seinen Mitarbeitern gemachten Mitteilungen mehrere neue hinzugef\u00fcgt und auf einige dem Vernin \u00e4hnliche Pentoside hingewiesen. Insbesondere erschien das von Levene und Jacobs2) durch Spaltung von Guanyls\u00e4ure und Hefenucleins\u00e4ure erhaltene Guanosin, C10H15N6O5 + 2 H20, in allen beschriebenen Eigenschaften dem Vernin zu entsprechen. Die Vermutung der Identit\u00e4t der beiden Verbindungen wurde vorl\u00e4ufig in die Worte zusammengefa\u00dft: \u00abEs sind uns zurzeit keine Tatsachen bekannt, die im Widerspruch mit der Annahme stehen, da\u00df Guanosin und Vernin identisch sind.\u00bb\nDurch die im folgenden mitgeteilten Tatsachen ist nun die Identit\u00e4t der beiden Pentoside mit Sicherheit festgestellt worden.\nEs war zun\u00e4chst die Natur des bei der Spaltung des Vernins entstandenen Zuckers aufzukl\u00e4ren. Da\u00df eine Pentose vorliege, konnte mit einiger Sicherheit angenommen werden, da schon im Jahre 1904 von E. Schulze und N. Castoro3) die Pentosenreaktion am Vernin gefunden wurde, ferner eine mit geringen Substanzmengen ausgef\u00fchrte Furfurolbestimmung eine\n*) Diese Zeitschrift, Bd. LXVI, S. 12K [1910]. Siehe dort auch die fr\u00fchere Literatur.\n*) Ber. d. Deutsch, ehern. Ges., Bd. XLII, S. 2409. 2474 2703 3247 [1909].\n3) Diese Zeitschrift. Bd. XLI, S. 455 [1904].","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"E. Schulze und G. Trier,\nm\nder Annahme ungef\u00e4hr entsprechende Ausbeute von Furfurol lieferte und weil schlie\u00dflich die Formel des Vernins als C10H13N-O- deutlich auf ein Guanin-Pentosid hinwies. Die spezifische Drehung des bei der Spaltung des Vernins mit 1 \u00b0/oiger Schwefels\u00e4ure erhaltenen Zuckersirups konnte mit \u2014 17,7\u00b0 angegeben werden, doch wurde bemerkt, da\u00df sie wahrscheinlich etwas h\u00f6her liege. F\u00fcr die Versuche zur weiteren Charakterisierung des erhaltenen Zuckers, der auch nach mehrw\u00f6chentlichem Stehen nicht krystallisierte, standen uns nur 0,533 g des Sirups zur Verf\u00fcgung.\nEs handelte sich also darum, durch Darstellung eines m\u00f6glichst charakteristischen Derivats die Art der Pentose festzustellen. Hierzu erschien uns am geeignetsten das p-Brom-phenylosazon, welches f\u00fcr die Arabinosereihe gleichzeitig von Levene und Jacobs1) sowie von Rewald2) beschrieben worden ist. Von beiden Seiten waren die Eigenschaften des p-Brom-phenylosazons der Arabinose in gleicher oder doch recht \u00e4hnlicher Weise angegeben worden; Rewald fand einen Schmelzpunkt von 180\u00b0 und deutliche Rechtsdrehung, Levene und Jacobs einen Schmelzpunkt von 180\u2014185\u00b0 und Rechtsdrehung. Das p-Bromphenylosazon der Zucker der Xylosereihe schmilzt um etwa 20\u00b0 h\u00f6her und ist optisch inaktiv.\nWir stellten uns zun\u00e4chst Vergleichspr\u00e4parate dar, indem wir einerseits |-Arabinose, anderseits 1-Xylose in die entsprechenden p-Bromphenylosazone \u00fcberf\u00fchrten. Der Verninzucker gab, nach der von Levene und Jacobs angegebenen Weise behandelt, ein p-Bromphenvlosazon, welches mit dem von den oben genannten Autoren beschriebenen p-Bromphenylosazon der Pentosen der Arabinosereihe \u00fcbereinstimmte und sich beim direkten Vergleich mit dem aus 1-Arabinose von uns erhaltenen bis auf die Drehungsrichtung vollst\u00e4ndig identisch erwies. Details siehe unten bei der Zusammenstellung der Eigenschaften von Guanosin und Vernin. Die f\u00fcr den Verninzucker ermittelten Eigenschaften mu\u00dften also zu der Anschauung f\u00fchren, da\u00df, wie\n') Levene und Jacobs. Ber. d Deutsch, chem. Ges., Bd. XLII. S. 3247 [190\u00bb].\n\u00bb) Rewald, Ber. d. Deutsch, chem. Ges.. Bd. XLII, S. 3134 [1909].","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Identit\u00e4t des Vernins und des Guanosins usw. 145\nira Guanosin von Levene und Jacobs, auch im Vernin das Guanin an die als d-Ri b\u00f6se erkannte Pentose gebunden ist.\nWar somit die Identit\u00e4t des Vernins mit dem Guanosin im h\u00f6chsten Grade wahrscheinlich, so suchten wir doch noch die letzten Zweifel zu beseitigen und gingen daran, Guanosin durch Spaltung von Hefenucleins\u00e4ure darzustellen, um es mit dem Vernin direkt vergleichen zu k\u00f6nnen. Die Gewinnung des Guanosins gelang uns indessen trotz mehrfacher Versuche nicht in der gew\u00fcnschten Weise. Wir verwendeten k\u00e4ufliches Natrium nucleinicum, welches in kleineren Partien in Einschmelzr\u00f6hren, unter weitm\u00f6glichster Beachtung der von Levene und Jacobs gegebenen beiden Vorschriften1} hydrolysiert und weiter behandelt wurde. Es wurden stets Pr\u00e4parate erhalten, die etwa die L\u00f6slichkeitsverh\u00e4ltnisse des Vernins zeigten, beim Um-krystallisieren aus hei\u00dfem Wasser aber stets gallertig sich ausschieden und durch kein Mittel zu deutlicher Kristallisation zu bringen waren.\nAuf unsere Bitte stellte uns sodann Herr Prof. P. A. Levene in New York in freundlichster Weise ein Pr\u00e4parat seines Guanosins zur Verf\u00fcgung. Dieses Pr\u00e4parat war vollkommen frei von Phosphors\u00e4ure, l\u00f6ste sich vollkommen in kochendem Wasser und zeigte nach zwei- bis dreimaligem Umkrystallisieren ganz das gleiche Aussehen, wie es f\u00fcr das Vernin als recht charakteristisch angegeben wurde. Es bildete d\u00fcnne N\u00fcdelchen, die abfiltriert und zwischen Papier gepre\u00dft, als atlasgl\u00e4nzende Masse sich vom Filter abl\u00f6sen lie\u00dfen. Das Pikrat entsprach dem aus dem Vernin erhaltenen. Es bildete kugelige Aggregate von feinen N\u00fcdelchen, die gleichzeitig mit einem Pr\u00e4parat von Verninpikrat schmolzen.\nWir geben im folgenden eine \u00dcbersicht der Eigenschaften von Guanosin und Vernin. Die Angaben \u00fcber das Guanosin, soweit sie von Levene und Jacobs herr\u00fchren, sind durch die Zeichen L. und J. kenntlich gemacht. Alle \u00fcbrigen Angaben sind von E. Schulze und seinen Mitarbeitern im Laufe ihrer Untersuchungen \u00fcber das Vernin ermittelt worden:\n') Levene und Jacobs, Ber. d. Deutsch, chein. Ges.. Bd. XLII. S. 2477 und 2704 [1909].","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"Vernin\nGuanosin\nBemerkungen\nFormel CtoHts06N5 + 2 H\u201e0. CloHl3O0N6+2H2O (L.u. J.).\n' !\nKrystall- Krystallisiert in d\u00fcnnen Na- Kann in gleicher Form cr-gestalt dein oder flachen Prismen:^ halten werden.\ndie abgepre\u00dften Krystalle L. u. J. : Krystallisiert in bilden eine atlasgl\u00e4nzende langen d\u00fcnnen, seiden-Masse.\tartigen Nadeln vom Aus-\nsehen des Tyrosins.\nIn kaltem Wasser wenigjL. u. J.: In kaltem Wasser l\u00f6slich, leicht in hei\u00dfem, kaum l\u00f6slich, aber leicht Unl\u00f6slich in Alkohol, in hei\u00dfem Wasser. L\u00f6slich L\u00f6slich in Alkalien und in Alkalien und verd\u00fcnnten\nL\u00f6slich-\nkeit\nverd\u00fcnnten Minerals\u00e4uren.\nMinerals\u00e4uren.\nWird aus der alkalischen L. u. J. : Aus der alkalischen , L\u00f6sung durch Essigs\u00e4ure als L\u00f6sung wird es durch Essig--\u00ceGallerte gef\u00e4llt, krystalli- s\u00e4ure als Gallerte gef\u00e4llt, in\nsiert aber bald in bekannter der sich allm\u00e4hlich sch\u00f6ne\nWeise.\nI\nOptisches Dreht in n/to-NaOH gel\u00f6st\nVerhalten in ca. 2%iger L\u00f6sung;\n20\n= \u2014 ()0\u00b0.\nSchmelz- \u2018Sintert und zersetzt sich punkt unter Verkohlung gegen\n240\u00b0.\nKrystallb\u00fcschel bilden.\nL. u. J. : In n/to-NaOH in ca. 3\u00b0/oiger L\u00f6sung;\n[a]\u2018f)\u00b0 = \u2014 59,5\u00b0 und 60,5\u00b0.\nReak- Reduziert nicht Fehling-tionen j sehe L\u00f6sung.\nMit Phloroglucin und Salzs\u00e4ure Pentosenreaktion.\nMit Diazobenzolsulfos\u00e4ure in alkalischer L\u00f6sung keine Rotf\u00e4rbung.\nWird in saurer L\u00f6sung durch Phosphorwolframs\u00e4ure gef\u00e4llt. ' Auch Mercurinitrat gibt eine F\u00e4llung.\nSilbernitrat ruft einen gallertartigen Niederschlag; hervor, der sich in Ammoniak l\u00f6st.\nL. und J.: Rasch erhitzt Beim gleichzeitigen Er-sintert es bei 237\u00b0 unter.hitzen verhielten sich\nVerkohlen zusammen. Ebenso (L. u. J.).\nEbenso (L. u. J.).\ni\nEbenso.\nbeide Pr\u00e4parate in gleicher Weise.\nEbenso.\nEbenso.","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Identit\u00e4t des Vernins und des Guanosins usw. 1 \\1\nYernin\nGuanosin\nBemerkungen\nPikrat Das Pikrat krystallisiert in kugeligen Aggregaten, die aus B\u00fcscheln feiner Nadeln bestehen.\nSchmelzpunkt inkonstant (unterZersetzung) meist um 185\u00b0 gefunden.\nEbenso.\nBei gleichzeitigem Erhitzen trat die Zersetzung beider Pr\u00e4parate in gleicher Weise .ein. Mischprobe gab keine Schmelzpunktsdepression.\nSpaltung Durch Kochen mit 1 \u00b0/o iger L. u. J.: Durch Kochen mit Schwefels\u00e4ure gespalten in\t\u2018/to-norm.-Schwefels\u00e4ure\n1.\tGuanin\tgespalten in:\n2.\tPentose. \\ 1. Guanin\n2. Pentose (d-Ribose).\nEigen- Die Pentose dreht in etwa\tL. und J.:\n5\u00b0/oiger L\u00f6sung:\t[a]D == \u2014 19,3\u00ab\nMi) 19 = \u2014 17,7\u201c in etwa 3.5\u00b0;\u00bb iger L\u00f6sung, (wahrscheinlich aber\nsch\u00e4ften\nder\nPentose\nOptisches\nVerhalten\nF\u00fcr 1-Ribose nach van Ekenstein und Blanksma1)\nMd = +\nF\u00fcr die Pentose aus\nh\u00f6her).\tInosin geben Haiser\nund Wenzel*)\n1\tMd = - 1\u00bb,\u00ab\u00b0 an.\np-Brom- Das p-Bromphenylosazon L.u. J.: Das p-Bromphenyl- Steudel und Brigl8) phenyl- der Pentose krystallisiert osazon der Pentose (d-Ri-l erhielten aus der Pen-osazon in hellgelben sechsseitigen b\u00f6se) krystallisiert in hell-'tose der Guanyls\u00e4ure Bl\u00e4ttchen, die gegen 180\u00ab gelben sechsseitigen Bl\u00e4tt- ein p-Bromphenylosa-sintern und bei 182\u2014183\u00ab chen, die gegen 175\u00ab sintern zon, welches bei 177\u00ab schmelzen. Sehr schwer und beim weiteren Erhitzen zu sintern begann und l\u00f6slich in hei\u00dfem Wasser, zwischen 180-185\u00ab (korr.) bei 180\u2022 schmolz, leicht l\u00f6slich in Alkohol, schmelzen.Zeigtdiegleichen Mit Arabinose-p-brom-Pyridin und \u00c4ther. L\u00f6slichkeitsverh\u00e4ltnisse. . phenylosazon Das p-Bromphenylosazon L.u. J. : Das p-Bromphenyl- gemischt gab es keine dreht in 2\u00b0/oiger L\u00f6sung osazon dreht in 2\u00ab('\u00abigerj Schmelzpunktsin der Neubergschen Neubergscher Mischungi depression. Pyridinalkoholmischung im ; im 0,5 dm-Rohr nach 24 Std.j Letztere Beobach-\n1 dm-Rohr nach 24 Stunden - 0,78\u00ab.\n\u2014 0,36\u00ab\ttung hatten wir auch\n(d.i.im 1 dm-Rohr\u20140,72\u00b0). jan d(*m Osazon aus\nder Verninpentose gemacht.\nVan Ekenstein und Blanksma, zit. von Lcvene und Jacobs, Ber. der ^titsch, ehern. Ges., Bd. XLII, S. 3247 [1909].\n*) Haiser und Wenzel, Monatsh. f. Chemie, Bd. XXX. S. 147 (1909).\n') Steudel und Brigl. Diese Zeitschrift, Bd. LXVIII. S. 50 [1910].","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148\nE. Schulze und G. Trier,\nMit der Erkenntnis der Identit\u00e4t des Vernins und des bei der Spaltung von Nucleins\u00e4uren auftretenden Guanosins ist nun auch die physiologische Bedeutung des Vernins erkannt. Vernin ist ein Bestandteil der Nucleins\u00e4uren h\u00f6herer wie niederer Pflanzen, sowie des Tierk\u00f6rpers.1) Es wird sowohl bei der k\u00fcnstlichen Spaltung, wie im nat\u00fcrlichen Stofl-wechsel aus dem Molek\u00fcl der Nucleins\u00e4uren, d. h. auch der Nucleine frei.\nVernin (Guanosin) ist im freien Zustand gefunden worden: 1. in h\u00f6heren Pflanzen, und zwar sowohl in jungen gr\u00fcnen Pflanzen, wie in etiolierten Keimpflanzen, in unreifen und reifen Samen, im Bl\u00fctenstaub; 2. in Pilzen (Mutterkorn);2) 3. in tierischen Organen (Pankreas).!) Als Bestandteil von Nucleins\u00e4uren nachgewiesen: 1. Nucleins\u00e4uren h\u00f6jierer Pflanzen (Tritico-nucleins\u00e4ure); *) 2. Nucleins\u00e4uren von Pilzen (Hefenucleins\u00e4ure): 3. Nucleins\u00e4uren tierischer Organe (Guanyls\u00e4ure).\nDie Pentose des Guanosins (Vernins) ist nach Levene und Jacobs3) mit jener des Inosins identisch und als d-Ribose erkannt. Dieser Zucker ist fr\u00fcher niemals in der Natur aufgefunden worden, doch ist sein Vorkommen weniger \u00fcberraschend, wenn man in Betracht zieht, da\u00df der der Ribose entsprechende Alkohol, der Adonit, als einziger nat\u00fcrlich vorkommender Pentit schon seit einer Reihe von Jahren bekannt ist.4) Der Adonit ist also nicht, wie noch j\u00fcngst Treboux3) annehmen durfte, der einzige Vertreter der Ribosegruppe im Pflanzenreich.\nAuf die Wahrscheinlichkeit des Vorkommens der Ribose\n\u2018) Man vergleiche Levene u. Jacobs, \u00ab\u00dcber das Vorkommen des freien Guanosins in der Pankreasdr\u00fcse\u00bb. Biochem. Zeitschrift. Bd. XXV11L S. 127 [1910].\n*) Siehe die Zusammenstellung bei E. Schulze, Diese Zeitschrift, Bd. LXVI, S. 128 [1910].\n3)\tLevene und Jacobs, Ber. d. Deutsch, ehern. Ges., Bd. XLII, S. 9247 [1909]. \u2014 Siehe, auch Haiser und Wenzel, Monatshefte f\u00fcr Chemie, Bd. XXXI, S. 857 [1910].\n4)\tE. M e r c k, Jahresbericht 1892.\u2014Archiv der Pharmazie, Bd.CCXXXl, S. 129 [1893],\n5)\tTreboux, St\u00e4rkebildung aus Adonit im Blatte von Adonis ver-nalis, Ber. d. Deutsch, bot. Gesellsch., Bd. XXVII, S. 428 [1909].","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Identit\u00e4t des Vernins und des Guanosins usw. 149\nim Pflanzenreich hat \u00fcbrigens schon Emil Fischer hingewiesen: \u00abSeine Entdeckung (des Adonits) erg\u00e4nzt die neueren Beobachtungen \u00fcber die weite Verbreitung der Pentosen im Pflanzenreiche und macht es wahrscheinlich, da\u00df man hier auch der Ribose oder ihrem optischen Isomeren begegnen wird.*1)\nAnmerkung: Bei der Hydrolyse von Hemicellulosen aus den Samenkernen von Corylus avellana und Cucurbita Pepo erhielten k\u00fcrzlich E. Schulze und Ch. Godet (Diese Zeitschrift, Bd. LXI, S. 314 [1909]) Pentosen, die nicht zur Krystallisation zu bringen waren und die weder mit Arabinose noch Xylose identisch zu sein schienen. Es wurde damals ge\u00e4u\u00dfert: \u00abMan k\u00f6nnte zur Erkl\u00e4rung annehmen, da\u00df hier eine leicht l\u00f6sliche und schwer krystallisierende Pentose, die bis jetzt nicht bekannt war, sich vorfand; doch entbehrt selbstverst\u00e4ndlich eine solche Vermutung bis jetzt noch der gen\u00fcgenden St\u00fctze.\u00bb\nDa es recht gut m\u00f6glich ist, da\u00df die Pentose jener Hemicellulosen mit d-Ribose identisch ist, so sollen diese Hemicellulosen in einer neuen Untersuchung daraufhin gepr\u00fcft werden. Sowohl Corylus avellana als Cucurbita Pepo geh\u00f6ren zu jenen Pflanzen, in welchen Vernin nachgewiesen wurde.\nEs ist bekanntlich oft recht schwierig festzustellen, ob eine bei der Hydrolyse eines hochmolekularen Stoffes isolierte Verbindung als prim\u00e4res Spaltungsprodukt aufgefa\u00dft werden darf. Insbesondere bei solchen komplexen Stoffen^ die der Hydrolyse einen gro\u00dfen Widerstand entgegensetzen, ist die M\u00f6glichkeit sehr gro\u00df, da\u00df die schlie\u00dflich erhaltenen Produkte weiteren, sekund\u00e4ren Vorg\u00e4ngen ihre Entstehung verdanken. Jedenfalls tr\u00e4gt es zur Erkenntnis des Aufbaues komplexer Stoffe wesentlich bei, wenn es gelingt, ihre Spaltungsprodukte in freier Form in pflanzlichen oder tierischen Organen nachzuweisen. Zu jenen schwer aufspaltbaren Verbindungen geh\u00f6ren nun auch die Nucleins\u00e4uren und gerade bei diesen hat die weitergehende Ver\u00e4nderung ihrer Spaltungsst\u00fccke (insbesondere der Kohlenhydratkomplexe) eine n\u00e4here Erkenntnis ihres Aufbaues sehr erschwert.\nMan k\u00f6nnte sich nun die Frage vorlegen, ob nicht au\u00dfer den schon lange bekannten, in ihrer Beziehung zum Nuclein-s\u00e4uremolek\u00fcl aber erst seit ganz kurzem aufgekl\u00e4rten Pentosiden, Vernin (Guanosin) und Carnin (Inosin) auch noch andere nat\u00fcr-\n*) E. Fischer. Ber. d. Deutsch, ehern. Ges., Bd. XXVI, S, 633 [1893].\nHoppe-Seyler's Zeitschrift f. physiol. Chemie. LXX.\t11","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\nE. Schulze und G. Trier,\nliehe glukosidartige Verbindungen bekannt sind, die uns \u00fcber den Aufbau und den Stoffwechsel der Nucleins\u00e4uren einiges sagen k\u00f6nnten.\nUnserer Ansicht nach d\u00fcrften die von Ritthausen1) entdeckten und n\u00e4her untersuchten2) Vicine, n\u00e4mlich das Vicin und das Gon vicin berufen sein, wenn auch nur indirekt, interessante Aufschl\u00fcsse zu den hier angedeuteten Problemen \u00fcber den Aufbau der Nucleins\u00e4uren zu geben.\nIm Jahre 1899 schlo\u00df Ritthausen3) seine Arbeiten \u00fcber Vicin und Gonvicin ab und formulierte die wesentlichsten Ergebnisse seiner Forschung in folgender Weise : \u00abZwischen Vicin und Convicin besteht eine gewisse \u00c4hnlichkeit in der durch die Formeln bezeichneten Zusammensetzung:\nVicin C8H15N30c Gonvicin C10H15N3O8 \u2022 H20.\u00bb\n\u00abAus Vicin entsteht Divicin C4H7N402, durch Oxydation mit Salpeters\u00e4ure \u00fcbergehend in Allantoin C4H6N403. Aus Gonvicin entsteht Alloxanthin C8H6N408 -f- 2 H20. Da Vicin als Glukosid erkannt, Convicin wahrscheinlich ein eben solcher K\u00f6rper ist, so kann ihre Verwandtschaft unter einander in der Konstitution kaum bezweifelt werden.\u00bb\nDiese Verwandtschaft, die sich auch durch \u00e4hnliche Eigenschaften und Reaktionen zu erkennen gibt, ist \u00fcbrigens von Ritthausen in fr\u00fcheren Arbeiten verneint und sp\u00e4ter auch nicht gen\u00fcgend bewiesen worden. Sie tritt aber recht deutlich hervor, wenn man die Formeln der beiden Verbindungen in der folgenden Weise, die sowohl nach den Analysenwerten Ritthausens, wie mit R\u00fccksicht auf das Gesetz der paaren Atomzahlen, beim Fehlen jeglicher Grundlage \u00fcber die Molekulargr\u00f6\u00dfe, durchaus statthaft ist, umformt.\nF\u00fcr Vicin:\tC20H3\u00dfN8O15\n___________F\u00fcr Convicin: C20H28N6016 \u2022 2 H20.\n\u2019) Ritthausen, Journal f. prakt. Chemie [2], Bd. II, S. 336 [1870]. \u2014 Bd. VII, S. 374 [1873]. \u2014 Ber. d. Deutsch, chem. Ges., Bd. IX. S. 301 [1876].\n*) Ritthausen, Journ. f. prakt. Chem. [2], Bd. XXIV, S. 202 [1881].\ns) Ritthausen, Journ. f. prakt. Chem. [2], Bd. LIX, S. 480 [1899]. \u2014 Ritthausen und Preuss, Journ. f. prakt. Chemie [2], Bd. LIX, S. 487 [1899],","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Identit\u00e4t des Vernins und des Guanosins usw. 151\nAls Hydrolysengleichungen w\u00fcrden sich ergeben:\nF\u00fcr Vicin:\n1. C20H36N8Ol\u00e4 + HjO = C8H\u201eNs04 + 2 C\u201eHltOs :\nVicin\tDivicin Hexosen\n2- C8HuN804 + 4 H20 = C8H)0N4Os + 4 NH3 Divicin\nF\u00fcr Gonvicin:\n^2oH2sN<0ltt \u2022 2 H20 + 4 H20 = CgH6N40g. 2 H20 Gonvicin\tAlloxanthin\n+ 2C,Hlt06 + 2NH,\nHexosen.\nDer Nachweis der Entstehung von Hexosen beim Vicin,l) von Alloxanthin beim Convicin,2) die nahe Verwandtschaft beider Verbindungen, wie sie insbesondere durch diese Neuformulierung klar zum Ausdruck kommt, erlauben es, die Verbindungen als Glukoside zu betrachten, die durch Zusammenschlu\u00df von Hexosen mit Pyrimidinderivaten entstehen.\nNun sind auch in den komplexen Nucleins\u00e4uren Hexosen-komplexe einerseits und anderseits Pyrimidine festgestellt worden, die in Analogie mit den Purinpentosen miteinander verkn\u00fcpft sein d\u00fcrften.3) Es ist daher recht wahrscheinlich, da\u00df Vicin und Convicin zu den hochmolekularen Nucleins\u00e4uren in einer nicht allzu fernen Beziehung stehen. Es scheint uns auch, da\u00df die n\u00e4here Erforschung der Natur der Vicine \u00fcber den nat\u00fcrlichen Aufbau der Purinbasen aus Pyrimidinderivaten einigen Aufschlu\u00df wird geben k\u00f6nnen.\nArbeiten \u00fcber Vicin und Gonvicin sind im hiesigen Laboratorium im Gange.\n\u2018) Ritthausen, Ber. d. Deutsch, ehern. Ges., Bd.XXIX, S\u00ab-2108[1896|.\n*) Ritthausen, ebenda, Bd. XXIX, S. 894 [1898].\n8) Selbst Burian, der eine Bindung der Purinbasen an Phosphors\u00e4ure annahm, glaubt f\u00fcr die Pyrimidinbasen Thymin und Cytosin eine direkte Verkn\u00fcpfung mit der Hexose annehmen zu k\u00f6nnen. Ergebnisse der Physiologie, Bd. V, S. 802 [1908].","page":151}],"identifier":"lit19142","issued":"1910-11","language":"de","pages":"143-151","startpages":"143","title":"\u00dcber die Identit\u00e4t des Vernins und des Guanosins, nebst einigen Bemerkungen \u00fcber Vicin und Convicin","type":"Journal Article","volume":"70"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:12:38.504574+00:00"}