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{"created":"2022-01-31T14:14:40.390996+00:00","id":"lit19144","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Ga\u00dfmann, Th.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 70: 161-170","fulltext":[{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"Chemische Untersuchungen von gesunden und rhachitischen\nKnochen.\nVon\nTh. Ga\u00dfmann, Z\u00fcrich.\n(Der Redaktion zujregangen am G. November 1910.)\nVielfach und mannigfaltig sind die Forschungen nach den Ursachen einer weit verbreiteten Knochenkrankheit, der Rhachitis. Ich will die Arbeiten, die bereits hier\u00fcber publiziert worden sind, nicht erw\u00e4hnen, da sie zumeist biologischer oder histologischer Art sind, somit einer Einleitung meiner rein chemischen, analytischen Arbeit nicht entsprechen w\u00fcrden. Was bis jetzt \u00fcber das Wesen dieser Krankheit bekannt ist, gipfelt darin, da\u00df der rhachitische Knochen \u00e4rmer an Kalk ist als der normale. Damit ist allerdings das Bild des kranken Knochens noch lange nicht ersch\u00f6pft, vielmehr hoffte ich nicht nur durch Feststellung des Kalkgehaltes, sondern auch der \u00fcbrigen Bestandteile sowohl des gesunden wie rhachitischen Knochens und Vergleichung der Resultate weitere Anhaltspunkte zur Beurteilung der Rhachitis heraussch\u00e4len zu k\u00f6nnen.\nWegleitend in dieser Beziehung waren mir fernerhin auch einige Fragen, die mir bei Beginn dieser Arbeit vorgeschwebt haben, n\u00e4mlich: Sind au\u00dfer beim Kalk auch bei den \u00fcbrigen Bestandteilen bedeutsame quantitative Unterschiede zu erkennen ? 1st nach den vorhandenen Analysenresultaten eine Verteilung der S\u00e4uren auf die Basen m\u00f6glich? Ist der gesamte rhachitische Knochen anormal aufgebaut oder trifft dies nur partiell zu?\nNicht ohne Interesse war f\u00fcr mich der Gedanke, wenigstens den Stickstoffgehalt in beiden Knochen festzustellen, um auch darin eventuell Beweismaterial f\u00fcr die Ver\u00e4nderung des Knochens zu finden.","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nTh. Ga\u00dfmann,\nUm experimentell die Aufgabe durchzuf\u00fchren, war die Auswahl der Knochen von Wichtigkeit. Hierbei hat mich Herr Prof. Dr. Schmidt, Direktor des pathologischen Institutes der Universit\u00e4t Z\u00fcrich, durch Zuwendung von passenden Knochenst\u00fccken, Rippenknochen, in zweckm\u00e4\u00dfiger und erfolgreicher Weise unterst\u00fctzt, dem ich an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank ausspreche. Die Vorbereitung der Knochen zur Analyse geschah in der Weise, da\u00df dieselben vorerst von allen nicht zum eigentlichen Knochen geh\u00f6renden Stoffen befreit und mittels Wasser und \u00c4ther gut gereinigt wurden. Nach l\u00e4ngerem Trocknen an der Luft wurde der Knochen alsdann fein pulverisiert und bei 100\u2014200\u00b0 im Luftbad zum konstanten Gewicht gebracht.\nDie Farbe der pulverisierten Knochen war merklich verschieden, die des normalen gelblich mit Stich ins Graue, die des rhachitischen wei\u00dflich mit Stich ins Graue. Nach dem Trocknen im Luftbade bei 100\u2014120\u00b0 war keine Ver\u00e4nderung der Farbe zu konstatieren. Die nachfolgenden Daten werden nunmehr den analytischen Befund nachweisen.\nNormale (gesunde) Knochen.')\nI. Analyse.\n0,2853 g Knochensubstanz gaben bei Trocknung auf 110\u2014120\u00b0 0,0333 g H,0 = 11,67 \u00b0/o H20.\n0,1879 g getrockn. Knochensubst. gaben 0,0696 g Gl\u00fchverlust = 37,04 \", >\n0,1879 \u00bb 0,1879 \u00bb 0,1879 \u00bb 0,2340 \u00bb 0,1262 \u00bb 0,1650 \u00bb\t\u00bb\n0,1650 \u00bb\t\u00bb\n\u00bb\t0,0650 \u00bbCaO =\tCa\t=\t24,48 %\n\u00bb\t0,0004 \u00bbMgO =\tMg\t=\t0,10 \u00b0 o\n\u00bb\t0,0475 \u00bb PA =\tP04\t=\t33,79 %\n\u00bb\t0,0055 \u00bb C02 =\tC03\t=\t3,20 V\n\u00bb\t0,0005 \u00bb CI\t= 0,39 V\n\u00bb\t0,0036 \u00bb KjPtClg =\tK\t=\t0,30 V\n\u00bb\t0,0033 \u00bb Na,S04 =\tNa\t=\t0,60 V\n99,90 V\nII. Analyse.\n0,1510 g Knochensubstanz gaben bei Trocknung auf 110\u2014120\u00b0 0,0173 g H,0 = 11,45% HA\n\u2018) Obige Knochen entstammen normalen Rippen eines 2% j\u00e4hrigen Knaben.","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen von gesunden und rhachitischen Knochen. 1H3\n0,1308 g getrockn. Knochensubst. gaben 0,0487 g Gl\u00fchverlust = 37,230\n0,1308\n0,1308\n0,1308\n0,1822\n0,1068\n0,1760\n0,1760\n0,0446 \u00bbCaO = Ca =24.319 o 0,0003 \u00bbMgO = Mg = 0,10 V 0,0329 * P#06\t= P04 = 33,33 \u00b0/o\n0,0041 \u00bbC02\t= CO, = 3,01V\n0,0005 \u00bbCI\t= 0,46%\n0,0039 \u00bb K2PtCl6 = K = 0,30 V 0,0037 g Na2S04 = Na = 0,68 V 99,42 %\nEhachitische Knochen. *)\nI. Analyse.\n0,3046 g Knochensubstanz gaben bei Trocknung auf 110\u2014120\u00b0 0,0324 g HgO = 10,63 V H,0.\n0,1307 g getrockn. Knochensubst. gaben 0,0561 g Gl\u00fchverlust = 42.92 \u00b0/o\n0,1307 \u00bb 0,1307 \u00bb 0,1307 \u00bb 0,1796 \u00bb 0,1412 \u00bb 0,1898 \u00bb 0,1898 \u00bb\n0,0391 \u00bb CaO\t= Ca = 21,34 %\n0,0013 \u00bb MgO\t= Mg = 0,53 \u00b0/o\n0,0299 \u00bb Pa05\t= P04 = 30,22 V\n0,0035 , CO,\t=C03= 2,61 V\n0,0006 \u00bb CI\t= 0,45\t%\n0,0042 \u00bb K.PtCl, = K = 0,31V 0,0046 \u00bb Na2S04 = Na = 0.73% 99,11 V\nII. Analyse.\n0,4028 g Knochensubstanz gaben bei Trocknung auf 110\u2014120\u00b0 0,0434 g H20 = 10,77% H20.\n0,2151 g getrockn. Knochensubst. gaben 0,0915 g Gl\u00fchverlust = 42,53 \u00b0/o\n0,2151 \u00bb\u25a0 0,2151 \u00bb 0,2151 \u00bb 0,2890 \u00bb 0,1412 \u00bb 0,1898 \u00bb 0,1898 \u00bb\n0,0652 \u00bb CaO = Ca = 21,61 V 0,0027 \u00bbMgO = Mg = 0,74\u00b0/o 0,0198 \u00bb P206\t=\tP04\t= 30.54 \u00b0/o\n0,0062 \u00bb C02\t=\tC03\t= 2,90 %\n0,0006 > CI\t=0,45%\n0,0042 \u00bb KjPtCle =\tK\t= 0,31\n0,0046 \u00bb Na2S04 = Na = 0,73 % 99,81 \u00b0/o\nWie aus den analytischen Daten ersichtlich ist, besteht zwischen normalen und rhachitischen Knochen in ihren Analysenresultaten eine recht auffallende Verschiedenheit. Schon beim Wassergehalt setzt dieselbe ein und ber\u00fchrt die Mehrzahl der\n\u2019) Obige Knochen entstammen rhachitischen Rippen eines 11 '* j\u00e4hrigen Knaben.","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"Th. Ga\u00dfmann,\nerhaltenen Ergebnisse, ln meinen Zahnanalysen habe ich bereits darauf hingewiesen, da\u00df zwischen Kalk und Wasser konstante Beziehungen herrschen. Es er\u00fcbrigt mir, auch hier auf diese Erscheinung aufmerksam zu machen. Vergleicht man die Abnahme des Wassergehaltes mit derjenigen des Kalkes beim rhachitischen Knochen, so ist es recht interessant zu konstatieren, da\u00df eigentlich beide ann\u00e4hernd in demselben Verh\u00e4ltnis abnehmen.\nSolche pr\u00e4gnante Ergebnisse lassen doch die Annahme zu, da\u00df wir im Knochen eine Verbindung besitzen, die sogenanntes Konstitutionswasser enth\u00e4lt. Wir werden sp\u00e4ter bei der Besprechung der Analysen des Kalkes, der Phosphors\u00e4ure und der Kohlens\u00e4ure sehen, da\u00df die M\u00f6glichkeit von Wasser enthaltenden Verbindungen im Knochen nicht ausgeschlossen ist. Recht in die Augen springend ist der Verlust an Kalk und Phosphors\u00e4ure beim rhachitischen Knochen, etwas weniger derjenige der Kohlens\u00e4ure, immerhin so, da\u00df die Abnahme der Werte von Kalk, Phosphors\u00e4ure und Kohlens\u00e4ure in einem bestimmten Verh\u00e4ltnis erfolgt. Bei n\u00e4herer Pr\u00fcfung desselben ergibt sich, da\u00df die Werte von Kalk, Phosphors\u00e4ure und Kohlens\u00e4ure in gleichem Verh\u00e4ltnis zueinander stehen wie beim normalen Knochen, nur mit dem Unterschiede, da\u00df die Werte von Kalk, Phosphors\u00e4ure und Kohlens\u00e4ure kleiner sind als beim normalen Knochen. Unwillk\u00fcrlich ruft das aber die Ansicht hervor, da\u00df im gesunden und rhachitischen Knochen die gleiche Verbindung vorhanden ist, bestehend aus den Faktoren: Kalk, Phosphors\u00e4ure und Kohlens\u00e4ure. Ich werde sp\u00e4ter bei Verteilung der S\u00e4uren auf die Basen auf diese wichtige Tatsache zur\u00fcckkommen. Diese Stabilit\u00e4t des gegenseitigen Verh\u00e4ltnisses von Kalk, Phosphors\u00e4ure und Kohlens\u00e4ure spricht auch daf\u00fcr, da\u00df der Rhachitis als Ursache nicht eine allm\u00e4hliche Zersetzung des Knochens zu eigen ist. W\u00e4re dies der Fall, so w\u00fcrde obiges Verh\u00e4ltnis in dieser Vollendung nicht denkbar sein, vielmehr w\u00fcrde die Analyse da und dort Verschiebungen aufweisen, die diese Krankheit als Aufl\u00f6sungsprodukt charakterisieren w\u00fcrde.\nDie in der Literatur verbreitete Tatsache, da\u00df Kalkmangel","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen von gesunden und rhachitischen Knochen. 165\ndie Ursache der Knochenrhachitis sei, mu\u00df nunmehr notwendigerweise dahin erg\u00e4nzt werden, da\u00df sich in gleicher Weise auch Phosphors\u00e4ure und Kohlens\u00e4ure daran beteiligen; dadurch sind wir in der Lage, ein viel zutreffenderes, kompakteres Bild vom Wesen dieser Krankheit zu erhalten. Eine in pathologischer Hinsicht wichtige Beobachtung folgert aus der vermehrten Anwesenheit des Magnesiums im rhachitischen Knochen. Es ist im h\u00f6chsten Grade auffallend, da\u00df gerade der rhachitisehe Knochen mehr Magnesium besitzt als der normale. Eine derartige Erscheinung habe ich auch in meinen Zahnanalysen nach-weisen k\u00f6nnen. Dort hat es sich ergeben, da\u00df der Bestand an Magnesium in unseren heutigen Z\u00e4hnen,1) die an'Widerstandsf\u00e4higkeit eingeb\u00fc\u00dft haben, ganz erheblich denjenigen in pr\u00e4historischen Menschenz\u00e4hnen2) \u00fcbertrifft. Was soll diese Analogie bedeuten? Ich kann mir keine andere Erkl\u00e4rung zurecht legen, als da\u00df dies eine abnormale Erscheinung ist, ein Moment, das darauf hinausl\u00e4uft, unsern Organismus krankhaften Einfl\u00fcssen auszusetzen. Das k\u00f6nnen wir mit Sicherheit sagen, da\u00df der vermehrte Magnesiumgehalt da auftritt, wo wir Abweichungen vom normalen Knochentypus Voraussagen k\u00f6nnen.\nIn bezug auf Chlor, Kalium und Natrium ist zu bemerken, da\u00df keine Ver\u00e4nderung des Gehaltes eingetreten ist.\nBeim rhachitischen Knochen ist der Gehalt an organischer Substanz um 5\u00b0/o vermehrt, trotzdem verf\u00fcgen beide Knochen \u00fcber die gleiche Menge Stickstoff, wie aus folgender Elementaranalyse nach Dumas erhellt:\nNormaler Knochen; 0,1168 g Substanz gaben bei 6,2 Volumen, 17\u00b0 Temperatur und 717 mm Barometer = 5,8\u00b0/o N.\nRhachitischer Knochen : 0,1362 g Substanz gaben bei 7,4 Volumen, 16\u00b0 Temperatur und 723 mm Barometer = 6,01 \u00b0/o N.\nVerteilung der S\u00e4uren auf die Basen.\nBei der Besprechung der einzelnen Analysenresultate haben wir gesehen, da\u00df nicht nur beim normalen, sondern\n\u2018) Chemische Untersuchungen der Z\u00e4hne von Th. Ga\u00df mann. Z\u00fcrich. Diese Zeitschrift, Bd. LV, Heft 6.\n*) Chemische Untersuchungen der Z\u00e4hne, II. Teil, von Th. Ga\u00df-mann, Z\u00fcrich. Diese Zeitschrift, Bd. LXVIII, Heft 5.\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. LXX.\n12","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"Th. Ga\u00dfmann,\n\\m\nauch beim rhachitischen Knochen die Werte von Kalk, Phosphors\u00e4ure und Kohlens\u00e4ure in einem bestimmten Verh\u00e4ltnis zueinander stehen. Untersuchen wir das Verh\u00e4ltnis n\u00e4her, so entspricht dasselbe der Formel lCa3(P04)2]3CaC03. Nun hat uns A. Werner1) \u00fcber den Aufbau und die Konstitution von komplexen Verbindungen, deren Kenntnisse von au\u00dferordentlichem Interesse (\u00fcr den Knochenbau sind, eingehenden Aufschlu\u00df gegeben. Ich glaube an Hand meiner Analysenresultate einige Anhaltspunkte zu linden, die mit der von A. Werner geschaffenen Theorie der komplexen Verbindungen in Einklang stehen. Es betrifft dies vornehmlich solche, die derselbe Autor unter einer als Appatite zu bezeichnenden Gruppe von Verbindungen zusammenfa\u00dfte: A. Werner stellt hierf\u00fcr folgende Formel auf:\n[/ OPOgMe \\ T Mel >Me )3 ICO,\n\\ OPOaMe / J\noder im Sinne einer sp\u00e4teren Verteilung der S\u00e4uren auf die Basen :\n[/ OP03Ca \\\t~|\nCal >Ca 13 I CO, V OPO,Ca / J\nGa : P04 : C03 1 : 5,8 : 0,9\nBerechnen wir aus obiger Formel die Werte f\u00fcr Kalk, Phosphors\u00e4ure und Kohlens\u00e4ure in Prozenten und damit zugleich die Verh\u00e4ltniszahlen auf Kalk bezogen:\nCa = 38,78\u00b0/o P04 = 55,38\u00b0/o C03 = 5,83 o/o und stellen denselben die aus der Analyse gefundenen Werte gegen\u00fcber:\nNormaler Knochen: Ca ==\t24,48\u00b0/o\nP04 =\t33,79o/o\nC03 =\t3,20\u00b0/o\nBhachitischer \u00bb\tCa =\t21,61 \u00b0/o\nP04 =\t30,54o/o\nC03= 2,90\u00b0/o\nCa : P04 : C03 1 :5,74:0,82\nCa : P04 : C03 1 : 5,8 :0,88\n*) A. Werner, Berl. Ber., Bd. XL, S. 4447 (1907).","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen von gesunden und rhachitischen Knochen. 167\nso erkennen wir mit Deutlichkeit, da\u00df die analytischen Zahlen den theoretischen entsprechen, bezw. das Verh\u00e4ltnis von Kalk zu Phosphors\u00e4ure und Kohlens\u00e4ure ist das gleiche geblieben, es ist ein konstantes. Hieraus k\u00f6nnen wir den Schlu\u00df ziehen, da\u00df dieses bleibende Verh\u00e4ltnis von Ca : PO, : C03 sowohl im gesunden, als auch im rhachitischen Knochen der Ausdruck einer komplexen Verbindung bildet, und sind wir daher au\u00dfer Zweifel, da\u00df in beiden Knochen ein und dieselbe\u2019 komplexe Verbindung vorhanden sein mu\u00df. Da\u00df diese Verbindung ringf\u00f6rmig geschlossenen Charakter besitzt, hat wohl seine St\u00fctze darin, da\u00df auch der krankhafte Knochen mit seiner Ver\u00e4nderlichkeit auf die Stabilit\u00e4t dieser Salzbildung keinen zersetzenden Einflu\u00df auszu\u00fcben vermag. Noch er\u00fcbrigt es mir, die eigentliche Verteilung der Phosphors\u00e4ure und Kohlens\u00e4ure auf die Kalkbase vorzunehmen, was im Sinne der Wern ersehen Formel ohne Schwierigkeit sich vollziehen l\u00e4\u00dft. Wir erhalten dementsprechend f\u00fcr\ngesunden Knochen 60,44\u00b0/o rhachitischen \u00bb\t54,49 \u00b0/o\nder komplexen Verbindung.\nZiehen wir damit auch die Anwesenheit des Wassers in Betracht, so d\u00fcrfte die entsprechende Formel etwa so lauten:\nC03 + x h20\nSowohl beim normalen als auch beim rhachitischen Knochen verbleibt nach der Verteilung der S\u00e4uren auf die Kalkbase noch ein kleiner Rest unges\u00e4ttigten Kalkes. Dieser betr\u00e4gt f\u00fcr den normalen Knochen etwa l\u00b0/o, f\u00fcr den rhachitischen 0,5 \u00b0/o. Es ist dies charakteristisch deshalb, weil es uns die M\u00f6glichkeit bietet, der von A. Werner entwickelten Theorie \u00fcber den Aufbau der komplexen Verbindungen die erste Anlage zu geben. Wie derselbe Autor berichtet, entstehen die oben\n12*","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\nTh. Ga\u00dfmann,\nangef\u00fchrten komplexen Verbindungen aus den Hexolsalzen, denen die Formel1)\n[\t( HO ^e)\u2018 J x * = [Ca(So ^a)3 J\nzukommt.\nDiese hinwiederum entstehen entweder durch Anlagerung von trimolekularem Metallhydroxyd an das Neutralsalz oder durch Substitution des Wassers in den Hexahydraten der Metallsalze durch Metallhydroxydmolek\u00fcle. Der Umstand also, da\u00df das Knochenmorgan noch kleine Mengen von Kalk zur Verf\u00fcgung hat, f\u00fcr die kein S\u00e4ureanteil mehr vorhanden ist, gibt wohl zu erkennen, da\u00df die M\u00f6glichkeit von weiterem Knochenaufbau nicht ausgeschlossen ist. Diese Erscheinung tritt bei den Menschenz\u00e4hnen noch mehr zutage, wo in einem Fall bis zu 2,5 \u00b0/o Kalk durch S\u00e4ure nicht mehr abges\u00e4ttigt werden kann. Hat nun dieser \u00fcbersch\u00fcssige Kalk wirklich den Zweck, als, weiteres Aufbaumaterial dem Knochen dienlich zu sein, so ist es wahrscheinlich, da\u00df noch andere Faktoren im Knochen entstehen, die uns den Werdegang eines Hexolsalzes erkennen lassen. Dies kennen wir in der Tat an einem Beispiel beobachten. Meine Analysen \u00fcber die Weisheitz\u00e4hne haben gezeigt, da\u00df dieselben den gr\u00f6\u00dften Kalkgehalt besitzen und auch bez\u00fcglich Kohlens\u00e4ure gegen\u00fcber allen andern Menschenz\u00e4hnen ein Mehr von l\u00b0/o auf weisen. Mit dieser Steigerung der Kohlens\u00e4ure ist zugleich eine solche des Kalkes verbunden, was darauf schlie\u00dfen l\u00e4\u00dft, da\u00df sich neuerdings kohlensaurer Kalk gebildet hat. Ist dem so, so liegt die Annahme sehr nahe, da\u00df sich ein Hexolsalz bilden kann. Diese Entwickelungen sollen vorerst nur zeigen, da\u00df der Knochenaufbau in diesem Sinne recht wohl an Hand der geschaffenen Analysen denkbar ist. Inwieweit das Magnesium sich bei der Bildung eines Salzes beteiligt, l\u00e4\u00dft sich aus der Analyse nicht erkennen. Phosphors\u00e4ure und Kohlens\u00e4ure kommen also nicht in Frage. Chlor ist sich im Gegensatz zum Magnesium sowohl bei den Menschenz\u00e4hnen als auch beim normalen und rhachitischen Knochen in\n*) A. Werner, Berl. Ber., Bd. XL, S. 4442 (1907).","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen von gesunden und rhachitischen Knochen. 169\nseinem Gehalte so stabil geblieben, da\u00df an eine Verbindung mit Chlor nicht zu denken ist.\nHingegen bildet das Chlor eine Verbindung mit Kalium, eventuell Natrium ; diese drei Elemente weisen bis jetzt \u00fcberall den gleichen Gehalt auf mit einer einzigen Ausnahme bei den Hundez\u00e4hnen. Bei diesen wurde der Chlorgehalt etwas kleiner, sofort tritt die gleiche Erscheinung auch beim Kalium zutage.\nZusammenfassung der erhaltenen Ergebnisse.\nDer normale Knochen enth\u00e4lt etwa l\u00b0/o mehr Wasser als der rhachitische. Nicht nur der Kalk, auch die Phosphors\u00e4ure und Kohlens\u00e4ure vermindern beim rhachitischen Knochen ihren Gehalt. Im engen Zusammenhang steht damit die Abnahme des Wassers, was darauf schlie\u00dfen l\u00e4\u00dft, da\u00df im Knochen ein neuer Fall von Hydratbildung vorliegt.\nDas Verh\u00e4ltnis von Ca : P04 : C03 ist beim normalen und rhachitischen Knochen dasselbe.\nEs betr\u00e4gt f\u00fcr den normalen Knochen 1 Ca : 5,74 P04:0,82 C03 \u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb rhachitischen \u00bb\t1 Ca:5,8 P04:0,88C05.\nDamit l\u00e4\u00dft sich unwillk\u00fcrlich die Annahme verbinden, da\u00df in beiden Knochen die gleiche komplexe Verbindung:\nvorhanden ist.\nDa diese komplexen Verbindungen nach A. Werner ringf\u00f6rmig geschlossene Konstitution haben, infolgedessen gr\u00f6\u00dfere Stabilit\u00e4t besitzen, so erkl\u00e4rt sich auch ihre Unver\u00e4nderlichkeit im kranken Knochen.\nHieraus resultiert auch, da\u00df die Krankheit nicht in einer Zersetzung der komplexen Salzbildung bestehen kann.\nDas Magnesium erf\u00e4hrt im rhachitischen Knochen eine bedeutende Vermehrung. Seine Zugeh\u00f6rigkeit zu einem salzbildenden K\u00f6rper wie Phosphors\u00e4ure, Kohlens\u00e4ure und Chlorwasserstoffs\u00e4ure ist nach den Analysenresultaten nicht denkbar.\nKalium, Natrium und Chlor d\u00fcrften der Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit des Knochens angeh\u00f6ren und sich am eigentlich\u00e9n Knochenaufbau nicht beteiligen.","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"1/0 Th. Ga\u00dfmann, \u00dcber gesunde und rhachitische Knochen.\nIm rhachitischen Knochen ist die Menge des Gl\u00fchverlustes bezw. der organischen Substanz um etwa 5\u00b0/o vermehrt.\nNehmen wir zu dieser Vermehrung des Gl\u00fchverlustes noch diejenige des Magnesiums hinzu, so entspricht dies dem Ausfall der Kalksalzbildung im rhachitischen Knochen.\nBemerkenswert ist noch, da\u00df in beiden Knochen der gleiche StickstofTgehalt vorhanden ist.\nAuf Grund der chemischen Untersuchung kann man sich nunmehr der Ansicht nicht verschlie\u00dfen, da\u00df dem vermehrten Magnesiumgehalt in pathologischer Hinsicht eine wichtige Rolle zukommt. Er tut dies um so mehr, als ich bereits bei meiner Forschung nach den Ursachen der Zahncaries eine \u00e4hnliche Erscheinung feststellen konnte; auch da hat es sich gezeigt, da\u00df die Z\u00e4hne, die zu Caries hinneigen, bedeutend mehr Magnesium besitzen, als solche, die von dieser Krankheit nicht ber\u00fchrt werden. Solche \u00fcbereinstimmenden Ergebnisse lassen doch deutlich erkennen, da\u00df das Magnesium da in vermehrter Menge auftritt, wo wir Abnormalit\u00e4ten in der chemischen Zusammensetzung des Knochenorganes zu erwarten haben. Da\u00df diese hemmend, st\u00f6rend auf den Knochenbau einwirken k\u00f6nnen, ist ersichtlich und bekr\u00e4ftigt unsere Annahme, da\u00df dies Vorbedingungen f\u00fcr die Krankheitserscheinungen der Rhachitis und Zahncaries sein k\u00f6nnen.","page":170}],"identifier":"lit19144","issued":"1910-11","language":"de","pages":"161-170","startpages":"161","title":"Chemische Untersuchungen von gesunden und rhachitischen Knochen","type":"Journal Article","volume":"70"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:14:40.391002+00:00"}