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{"created":"2022-01-31T14:10:59.617489+00:00","id":"lit19152","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Manchot, Wilhelm","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 70: 230-249","fulltext":[{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Wertigkeit des Metalles in den Blutfarbstoffen und die Bestimmung ihres Gasbindungsverm\u00f6gens.\nEine kritische Studie\nvon\nWilhelm Manchot.\n(Aus dem chemischen Institut der Universit\u00e4t W\u00fcrzburg).\nDer Redaktion zugegangen am 23. November 1910.)\nInhalt.\n1. \u00dcber H\u00fcfners Untersuchung \u00fcber die Aufnahme von Stickoxyd durch L\u00f6sungen von Ferro-, Nickelo-, Kobalto- und Manganosalzen. \u2014 2. Bemerkungen zur H\u00fcfnerschen Methodik. \u2014 3. \u00dcber die Bestimmung des Gasbindungsverm\u00f6gens von Blutfarbstoffen und Metallsalzen. \u2014 4. \u00dcber die Wertigkeit des Eisens im Blulfarbstoff. \u2014 5. \u00dcber die Wertigkeit des Kupfers im H\u00e4mocyanin.\nK\u00fcrzlich hat W. K\u00fcster1) in dieser Zeitschrift Beitr\u00e4ge zur Kenntnis des Blutfarbstoffes publiziert, in denen er die Ansicht aulstellt, da\u00df das H\u00e4moglobin wie das H\u00e4mochromogen eine Ferroverbindung sei.\nIm Gegensatz hierzu habe ich aus meinen Versuchen den Schlu\u00df gezogen, da\u00df der Blutfarbstoff das Eisen in der Fernform enth\u00e4lt.2)\nZu meiner \u00dcberraschung glaubt nun K\u00fcster gerade meine fr\u00fcheren Arbeiten als St\u00fctze f\u00fcr seine Anschauung, da\u00df das H\u00e4moglobin eine Ferroverbindung sei, benutzen zu k\u00f6nnen und er weist insbesondere auf die Arbeit vonManchot undZechent-may\u00e9r3) hin, nach der das Additionsverm\u00f6gen der Fernverbindungen gegen\u00fcber Stickoxyd durch den Betrag von einem Molek\u00fcl NO pro Atom Eisen gegeben ist.\n\\) Diese Zeitschrift, Bd. LXVI, S. 165 (1910).\n*) Liebigs Ann.. Bd. CCCLXXII, S. 185 (1910).\n'\") Liebigs Ann.. Bd. CCCL, S. 368 (1906).","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Wertigkeit des Metalles in den Blutfarbstoffen usw. 231\nIst diese Stellungnahme K\u00fcsters mit meinen Arbeiten f\u00fcr sich allein schon unvereinbar, so wird sie durch den Zusatz: Auch H\u00fcfner ist auf Grund analoger Untersuchungen zu dem gleichen Resultat gelangt\u00bb, zu einer vollst\u00e4ndigen Verkennung des wirklichen Sachverhalts, da von einer \u00abAnalogie* zwischen H\u00fcfners und meinen Versuchen nicht die Rede sein kann.\nEs erscheint mir daher zweckm\u00e4\u00dfig, das Verh\u00e4ltnis meiner Versuche zu denjenigen fr\u00fcherer Bearbeiter dieses Gebietes etwas ausf\u00fchrlicher auseinanderzusetzen. Dies hat insofern meines Erachtens wohl auch ein allgemeineres Interesse, wie ich auch aus einigen mir brieflich zugegangenen \u00c4u\u00dferungen schlie\u00dfe, als sich bei einer solchen Besprechung Anhaltspunkte daf\u00fcr ergeben, bis zu welchem Grade die nach der Methodik H\u00fcfners gewonnenen Ergebnisse auch fernerhin zur Argumentation gegen\u00fcber abweichenden Resultaten anderer Forscher benutzt werden k\u00f6nnen. Zugleich m\u00f6chte ich einige Gesichtspunkte und Unterscheidungen hervorheben, deren Beachtung, wie ich glaube, f\u00fcr die Zukunft zur Vermeidung von Mi\u00dfverst\u00e4ndnissen und Verwirrungen auf diesem Gebiete* von Vorteil sein w\u00fcrde.\nWenn es hierf\u00fcr n\u00f6tig ist, die Methodik H\u00fcfners kritisch zu betrachten, so m\u00f6chte ich voranschicken, da\u00df es mir fern liegt, die Bedeutung seiner Forschungen f\u00fcr die Entwicklung unserer Kenntnisse in der Vergangenheit herabzusetzen. Ist es doch das Schicksal aller naturwissenschaftlichen Erkenntnis, von dem Fortschritt, den sie vorbereiten half, selbst einmal \u00fcberholt zu werden.\n1. H\u00fcfners Untersuchung \u00fcber die Aufnahme von Stickoxyd durch L\u00f6sungen von Ferro-, Kobalto-, Nickelo-und Manganosalzen.1)\nGleich zu Anfang dieser Arbeit bemerkt H\u00fcfner, worauf sich auch wohl K\u00fcsters Bemerkung gr\u00fcndet, da\u00df er bez\u00fcglich der Ferroverbindungen zu dem gleichen Resultat wie Manchot und Zechentmayer gelangt sei. Sieht man aber n\u00e4her zu,\n') Zeitschrift f. physik. Chem., Bd. LIX, S. il\u00df (1907). *","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232\nWilhelm Manchot\nso erkennt man alsbald, da\u00df diese Behauptung H\u00fcfners nicht zutrifft, sondern da\u00df ihm ein solches Ergebnis nur durch die verwickelte Art, mit der er das Problem angrif\u00ef, vorget\u00e4uscht wurde.\nH\u00fcfner stellt die Resultate seiner Versuche mit Ferro-sulfat und Stickoxyd in der folgenden Tabelle zusammen (a. a. O. S. 420):\nNr.\tln 205,69 ccm gel\u00f6sles Eisen g\tStickoxyd in ccm vom Eisen verlangt\tStickoxyd in ccm f\u00fcr 760 mm aus den Beobachtungen berechnet\tStickoxyd in ccm vom reinen Wasser absorbiert\n1\t0,0221\t8,82\t15,33\t9,6798\n2\t0,0296\t11,81\t15,57\t\n3\t0,0409\t16,36\t18,50\t_\n4\t0,0513\t20,46\t21,33\t\t\n5\t0,0663\t26,45\t23,32\t\t\n6\t0,0990\t39,49\t37,40\t\u2014\n'\t\u20197 \"\nund bemerkt hierzu: \u00abWie man sieht, macht sich bei geringer Eisenkonzentration die Absorption des Stickoxydes durch das \\V asser noch auffallend geltend : denn die Gesamtmenge des aufgenommenen Stickoxyds ist hier gr\u00f6\u00dfer, als die vom vorhandenen Eisen allein verlangte. Mit wachsender Eisenkonzentration wird indessen die Wasserkomponente \u2014 so m\u00f6ge der vom Wasser absorbierte Anteil um der K\u00fcrze willen bezeichnet sein \u2014 offenbar der allgemeinen Regel folgend, immer kleiner und kleiner, bis bei etwa 54 mg Eisengehalt \u2019die gefundene Gesamtmenge mit der verlangten \u00fcbereinstimmt, um von da ab hinter der letzteren zur\u00fcckzubleiben.\u00bb\nH\u00fcfner glaubt also einen Einflu\u00df der Eisenkonzentration auf die Menge des gebundenen Stickoxydes feststellen zu k\u00f6nnen, durch welchen bei abnehmender Eisenkonzentration die NO-Bindung zunimmt und sich somit der Grenze von einem Molek\u00fcl n\u00e4hert. Aber dies ist ein Trugschlu\u00df.\nDenn auch die konzentrierteste seiner Eisenl\u00f6sungen (enthaltend 0,48 g Fe in 1000 ccm, d. i. 0,0086 norm.) ist bereits so verd\u00fcnnt, da\u00df weitere Verd\u00fcnnung keine Wirkung mehr hat. Wie aus den Versuchen von Zechentmayer bereits zu","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Wertigkeit des Metalles in den Blutfarbstoffen usw. 233\nerkennen ist und durch neuere Versuche von H\u00fcttner1) best\u00e4tigt wird, tritt, mindestens von der Konzentration 0,03 norm, ab, wenn nicht schon fr\u00fcher, eine Wirkung weiterer Verd\u00fcnnung \u00fcberhaupt nicht mehr auf. Da\u00df die von H\u00fcfner angenommene Wirkung der Verd\u00fcnnung tats\u00e4chlich gar nicht vorhanden ist, erkennt man aber auch aus seinen eigenen Zahlen durch eine einfache Umrechnung, wenn man n\u00e4mlich seine Absorptionen zur besseren \u00dcbersicht auf ein Grammatom (55,9) Eisen um-rechnet. Hierf\u00fcr mu\u00df zun\u00e4chst die L\u00f6slichkeit des Stickoxydes von den beobachteten Absorptionen abgezogen werden. Diese ist aber, da auch die konzentrierteste L\u00f6sung H\u00fcfners nur ca. 0,35 g Ferroammonsulfat in 100 ccm enth\u00e4lt, ohne merklichen Fehler gleich der von Wasser zu setzen. (Nebenbei bemerkt, kommt es aber nicht einmal darauf an, ob dieser Wert ein wenig zu gro\u00df ist, als vielmehr darauf, da\u00df f\u00fcr all\u00e9 Versuche H\u00fcfners der gleiche Wert dieser L\u00f6slichkeit einzusetzen ist, da ja weitere Verd\u00fcnnung nach dem obigen keine Wirkung mehr hat.) Es stellen sich dann die Resultate H\u00fcfners in folgender Weise dar:\nNr.\tg Eisen\tGebundenes Stickoxyd\n1\t0,0221\t15,3 - 9,7 = 5,6 ccm oder 14,1 1 auf 55,9 g Fe\n2\t0,0296\t15,6 \u2014 9,7 =5,9\t\u00bb\t\u2022 \u00bb\t11,1 \u00bb \u00bb 55,9 \u00bb \u00bb\n3\t0,0409\t18,5 \u2014 9,7 = 8,8\t\u00bb\t\u00bb\t12,0 \u00bb \u00bb 55,9 \u00bb \u00bb\n4\t0,0513\t21,3 \u2014 9,7 = 11,6 \u00bb\t\u00bb\t12,6 \u00bb \u00bb 55,9 \u00bb \u00bb\n5\t0,0663\t23,3\t9,7 = 13,6\t\u00bb\t\u00bb\t11,5 \u00bb \u00bb 55,9 * *\n6\t0,0990\t37,4 \u2014 9,7 = 27,7\t\u00bb\t\u00bb\t15,6 \u00bb \u00bb 65,9 \u00bb *\nDie Werte H\u00fcfners zeigen also keineswegs eine Zunahme mit der Verd\u00fcnnung, sondern schwanken ganz unregelm\u00e4\u00dfig auf und ab. Diese Schwankungen sind nichts weiter wie Versuchsfehler. Mein Assistent Dr. Withers erhielt nach dem von mir auch fr\u00fcher benutzten Absorptionsverfahren mit den Eisenkonzentrationen 0,0026 norm, und 0,0086 norm., welche den Versuchen Nr. 2 und Nr. 6 von H\u00fcfner entsprechen, folgende Werte f\u00fcr praktisch gleiche Temperatur- und Druck-\n\u2018) Liebigs Ann., Bd. CCCLXXII, S. 157 (1910).","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234\nWilhelm Manchot,\nVerh\u00e4ltnisse (Versuchstemperatur 19,4\u00bb, Druck [feucht] 753 mm f\u00fcr Nr. 2, 754 mm f\u00fcr Nr. 6, H\u00fcfner 20\u00b0 760 mm. Die belanglose Temperaturdifferenz h\u00e4tte uns eher gr\u00f6\u00dfere wie kleinere Werte als H\u00fcfner geben m\u00fcssen1)).\nNr.\tEisenkonzentration\tGebundenes Stickoxyd\n2 j\t0,002(5 norm. ,\t9,9 1 auf ein Grammatom (55,9 gi Eisen\nr, 1 1\t0.008(5 v \u25a0 \u25a0 1\t10.0 \u00bb \u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t(o\u00f6,9 \u00bb)\t\u00bb\nDiese Werte sind untereinander praktisch identisch und best\u00e4tigen, da\u00df innerhalb der von H\u00fcfner angewandten Konzentrationsgrenzen eine Wirkung zunehmender Verd\u00fcnnung nicht vorhanden ist. Ebenso ergibt sich bez\u00fcglich der Druckwirkung, da\u00df sie innerhalb des kleinen Intervalls 710\u2014550 mm, welches H\u00fcfner verfolgt, viel zu unbedeutend ist, um einen bestimmten Schlu\u00df zu rechtfertigen, zumal bei Druckabnahme ja noch weniger NO gebunden wird, man also noch weniger als den vorstehenden mit seinen 10 1 noch nicht die H\u00e4lfte von 1 Mol. (= 22,4 1) NO auf 1 Fe erreichenden Wert erh\u00e4lt.\nDie Schlu\u00dffolgerung H\u00fcfners, es folge aus seinen Versuchen, da\u00df 1 Mol. NO auf 1 Fe gebunden werde, steht also ganz in der Luft.\nBez\u00fcglich der Versuchsfehler ist zu bemerken, da\u00df die gro\u00dfen Fl\u00fcssigkeitsmengen, welche H\u00fcfner anwandte \u2014 die auch bei seinen fr\u00fcheren Versuchen mit Blutfarbstoffen anzutreffen sind \u2014 und das durch sie verursachte ung\u00fcnstige Verh\u00e4ltnis zwischen gebundener und nur gel\u00f6ster Gasmenge die Erzielung genauer Resultate erschweren. In der Tat erscheinen die Fehler der H\u00fcfnerschen Werte schon gegen\u00fcber dem eigenen Mittelwert (12,8) auffallend gro\u00df. Es mu\u00df noch hinzugef\u00fcgt werden, da\u00df ich die von H\u00fcfner behauptete Eigenschaft w\u00e4sseriger Nickelsulfat-, Kobaltsulfat- und Manganchlor\u00fcr-l\u00f6sungen, Stickoxyd zu binden, welche er aus Versuchen gleicher Art herleitet, und die nach ihm bei Kobalt und Nickel sogar noch gr\u00f6\u00dfer als beim Eisen sein soll, \u00fcberhaupt nicht wahr-\nVgl- M. und Zechentmayer a. a. 0.","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Wertigkeit des M\u00e9tallos in den Blutfarbstoffen usw. 235\nnehmen konnte. F\u00fcr diese drei Salze bleibt es also ganz r\u00e4tselhaft, wie H\u00fcfner zu seinen Angaben gelangt ist.\n2. Bemerkungen zur H\u00fcfnersehen Methodik.\nEs erscheint einigerma\u00dfen \u00fcberraschend und auch mich selbst hat es \u00fcberrascht, da\u00df die von H\u00fcfner f\u00fcr die Bestimmung des Gasbindungsverm\u00f6gens von Blutfarbstoffen fr\u00fcher anscheinend mit Erfolg angewandte Methode, als sie zum erstenmal auf eine einfache chemische Substanz wie das Ferrosulfat angewandt wurde, so vollkommen versagte. Die Ursache hierf\u00fcr liegt aber nur darin, wie sich bei n\u00e4herem Zusehen ergibt, da\u00df der H\u00fcfnerschen Methode schon in der Form, wie sie auf Blutfarbstoffe angewandt wurde, die gleichen M\u00e4ngel anhaften, welche nur in dem Fall des Ferrosulfats auffallender hervortreten.\nH\u00fcfner geht stets von der folgenden (Iberlegung aus: Die von einem Blutfarbstoff oder Metallsalz dieses Typus aufgenommene Gasmenge besteht aus einem chemisch gebundenen Teil a und einem nur physikalisch gel\u00f6sten Teil b, der vom Druck abh\u00e4ngig ist. Daraus ergibt sich f\u00fcr ihn die\u2019Gleichung\nv = a \u2014f- bp\ngleiche Temperatur und Konzentration der L\u00f6sung vorausgesetzt. 'Eine Reihe bei verschiedenen Drucken angestellter Absorptionsversuche mu\u00dfte also Werte f\u00fcr v liefern, aus denen sich die Konstanten a und b berechnen lassen.*1)\nHierbei ist nun \u00fcbersehen, da\u00df eben a, d. h. der chemisch gebundene Anteil, von dem nur gel\u00f6sten Anteil b in einer zun\u00e4chst unbekannten Weise abh\u00e4ngig ist. a ist also keine Konstante, sondern ebenso wie b eine Unbekannte.\nDurch die Annahme, da\u00df a vom Drucke unabh\u00e4ngig sei, wird aber gerade das wesentlichste Moment f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis der Erscheinungen, welche diese dissoziabeln Gasverbindungen zeigen, v\u00f6llig entstellt. Nach dem Gesetz der Massenwirkung mu\u00df in dem System\tFeS04 + NO <=\u00b1 FeS04 \u2022 NO\n') Arch. f. Anat. u. Physiol., 1904, S. 389, vgl. 1894. S. 165: \u00fcber die Ausrechnung von a und b vgl. Journ. f. prakt. Chem;, Bd. XXII. S. 362 (1880).","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"Wilhelm Manchot,\n236\neine Erh\u00f6hung der NO-Konzentration in der Fl\u00fcssigkeit, wie sie als Folge einer Druckerh\u00f6hung auftritt, eine Verschiebung des Gleichgewichts von links nach rechts herbeif\u00fchren, d. h. es mu\u00df die Menge des chemisch gebundenen NO zunehmen. Analoges gilt nat\u00fcrlich f\u00fcr die Blutfarbstoffe und andere Verbindungen dieses Typus.\nH\u00fcfner nimmt nun das voraus, was zu beweisen ist und was erst f\u00fcr v\u00f6llig unterdr\u00fcckte Dissoziation eintritt, d. h. wenn das Gleichgewicht ganz nach rechts geschoben ist, indem er \u00abgem\u00e4\u00df der Voraussetzung, da\u00df je ein Atom Metall nur eine Molekel Stickoxyd verlangt),1] dieses Molek\u00fcl von der gefundenen Absorption abzieht und so verfolgt, was als im Wasser nur gel\u00f6ster Anteil b \u00fcbrig bleibt.\nHierbei kommt er dann allerdings mit seiner ganzen Vorstellung, wie er selbst offenbar bemerkt, vollst\u00e4ndig ins Gedr\u00e4nge. \u00abHinsichtlich der Gr\u00f6\u00dfen a und b ist zu bemerken, da\u00df ihnen die Bedeutung, die sie nach der urspr\u00fcnglichen Voraussetzung besitzen sollten, gar nicht zukommt\u00bb. Warum sie trotzdem in der Arbeit zahlenm\u00e4\u00dfig genau berechnet und mitgeteilt sind, ist nicht recht ersichtlich.\nSo gelangt H\u00fcfner, w\u00e4hrend in Wirklichkeit nach dem Gesetz der Massenwirkung die F\u00e4lle, um die es sich hier handelt, den allgemeinen Prinzipien eben dieses Gesetzes entsprechen, wie es scheint, zu dem Schlu\u00df, da\u00df hier bei dem Ferrosulfat etwas ganz Besonderes vorliege: \u00abWie soll man sich aber den Zustand dieser so dissoziabeln Verbindungen, wenn diese sich in w\u00e4sseriger L\u00f6sung befinden, \u00fcberhaupt vorstellen?\u00bb\nHierbei mu\u00df jedoch um der Gerechtigkeit willen betont werden, da\u00df H\u00fcfner selbst bei seinen Versuchen mit Blutfarbstoffen bereits Zweifel \u00fcber die Richtigkeit seiner Grundgleichung v = a + bp hegte. So sagt er schon 1894 ganz richtig:2) \u00abDemnach kann von einem konstanten, vom Drucke unabh\u00e4ngigen a als dem Ausdruck f\u00fcr die an das H\u00e4moglobin locker gebundene Gasmenge \u00fcberhaupt niemals die Rede sein.\u00bb Einige Jahre vorher (1890) hei\u00dft es sogar: \u00abDie Bedingungs-\n') Zeitschrift f. physik. Chem., Bd. LIX, 423 (1907).\n*) Arch. f. Anat. u. Physiol., 1894, S. 170.","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Wertigkeit des Metalles in den Blutfarbstoffen usw. 237\ngleichung selber ist unzul\u00e4ssig, nicht blo\u00df b allein, auch a wird infolge der Dissoziation eine vom Druck abh\u00e4ngige Gr\u00f6\u00dfe.\u00bb1) Man m\u00f6chte sich wundern, da\u00df H\u00fcfner nicht die einzig richtige Konsequenz aus den eben zitierten S\u00e4tzen zog, n\u00e4mlich die, seine Gleichung v = a + bp definitiv und f\u00fcr immer zu verwerfen. Statt dessen ist im Gegenteil in sp\u00e4teren Arbeiten der Zweifel wieder verwischt; es tritt 1904 wieder das- \u00abvom Druck unabh\u00e4ngige a\u00bb auf2) und es findet sich sogar die sonderbare Bemerkung, da\u00df \u00abwenn man die L\u00f6sung des Farbstoffs konzentrierter nahm . . ., da\u00df dann die Konstante b der Bedingungsgleichung, d. h. also der physikalisch absorbierte Gasanteil wegzufallen schien\u00bb,\u00bb) eine Bemerkung, deren Inhalt mit dem Gesetz der Massenwirkung ganz unvereinbar ist.\nDie Schwierigkeit, mit welcher H\u00fcfner hier k\u00e4mpft, hat eine tiefere Ursache. Sie beruht darauf, da\u00df er eine Frage von fundamentaler Bedeutung auf diesem Gebiet nicht klqr stellte, n\u00e4mlich die Frage, wie die Abh\u00e4ngigkeit des chemisch gebundenen Teils vom Druck, mit anderen Worten, wie die Abh\u00e4ngigkeit des Dissoziationsgrades vom Partialdruck hier zustandekommt. Die Antwort auf diese Frage mu\u00df n\u00e4mlich lauten: Der Dissoziationsgrad h\u00e4ngt bei diesen L\u00f6sungen gasbindender Substanzen nur indirekt vom Drucke ab, insofern der chemisch gebundene Anteil des Gases (H\u00fcfners a) zufolge dem Gesetz der Massenwirkung bestimmt ist durch die Konzentration des nur gel\u00f6sten Gases,4) welche ihrerseits dem Druck proportional ist. Experimentell bewiesen ist dies, wie es scheint, zum erstenmal 1906 in der Arbeit von Manchot und Zechentmayer, in der gezeigt wurde, da\u00df Ver\u00e4nderungen der Konzentration des gel\u00f6sten Gases (d. h. Ver\u00e4nderungen der L\u00f6slichkeit) auf den Dissoziationsgrad gerade so wirken wie Druck\u00e4nderungen. L\u00f6st man z. B. Ferrosulfat statt in Wasser in L\u00f6sungen chemisch indifferenter Stoffe, so wird weniger NO chemisch gebunden, weil dann die L\u00f6slichkeit des Gases in\n\u2018) Arch.\tf.\tAnat.\tu.\tPhysiol.,\t1890,\tS.\t16.\n*) Arch.\tf.\tAnat.\tu.\tPhysiol.,\t1904,\tS.\t388.\n3)\tArch.\tf.\tAnat.\tu.\tPhysiol.,\t1904,\tS.\t393.\n4)\tWenn\talle \u00fcbrigen\tEinfl\u00fcsse\tkonstant\tgehalten werden (vgl. Kap. 3).","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238\tWilhelm Manchot,\nder Fl\u00fcssigkeit, d. h. seine Konzentration geringer wird, welche letztere bei Gleichheit aller \u00fcbrigen Bedingungen den Dissozialionsgrad bestimmt.\nH\u00fcfner hat nun 1890 (vgl. oben) die Sache so aufgefa\u00dft, als ob a und b parallel nebeneinander vom Druck abh\u00e4ngig seien, aber auch in seinen sp\u00e4teren Arbeiten habe ich keine pr\u00e4zise Klarstellung dieses Punktes linden k\u00f6nnen. Andernfalls h\u00e4tte H\u00fcfner unbedingt dazu kommen m\u00fcssen, seine Rechnung mit der Gleichung v = a -f bp ganz aufzugeben : ja er h\u00e4tte dann sogar selbst das Bed\u00fcrfnis empfinden m\u00fcssen, wenigstens nachtr\u00e4glich klarzustellen, wieweit die zahlenm\u00e4\u00dfigen Endresultate seiner Versuche von der irrt\u00fcmlichen Grundlage seiner Rechnung beeinflu\u00dft werden, eine Nachpr\u00fcfung, die in den Einzelheiten f\u00fcr einen anderen jetzt kaum noch m\u00f6glich sein d\u00fcrfte.\nBei alledem ist jedoch wohl zu bedenken, da\u00df Anfang und Hauptentwicklung von H\u00fcfners Arbeiten noch in eine Zeit fallen, wo die theoretischen Vorstellungen von Gleichgewicht und Massenwirkung noch nicht Gemeingut chemisch arbeitender Forscher geworden waren. So ist es auch erkl\u00e4rlich, da\u00df H\u00fcfner, als er noch 1907 seine schon vor l\u00e4ngerer Zeit ang\u00e9stellten Versuche \u00fcber die Stickoxydbindung des Ferro-sulfats publizierte, die Unvereinbarkeit seiner Betrachtungen mit den Resultaten von Manchot und Zechentmayer nicht selbst bemerkte.\nIm Gegensatz zu diesen Versuchen mit Ferrosulfat scheint aber bei H\u00fcfners Untersuchungen mit Blutfarbstoffen die Wirkung der unrichtigen Rechnungsweise auf das Endresultat oft, aber keineswegs \u00fcberall, !) relativ unerheblich zu sein (wegen der Ursache vgl. Schlu\u00df von Kap. 3). . So kann man in der Arbeit von H\u00fcfner und K\u00fcster2) \u00fcber die Kohlenoxydverbindung des H\u00e4mochromogens ohne weiteres statt der dort errechneten L\u00f6slichkeit die L\u00f6slichkeit des Kohlenoxyds in Wasser einsetzen, weil es sich um eine L\u00f6sung von nur 0,5 g\n*) Vgl. das in Kap. 4 \u00fcber dir Stickoxydbindung des Meth\u00e4mo-globins Gesagte.\n*) Arch. f. Anal. u. Physiol., 1904 (Suppl.), S. 887.","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Wertigkeit des Metalles in den Blutfarbstoffen usw. 239\nfester Substanz in 206 ccm handelt, und erh\u00e4lt dann im End-rultat ungef\u00e4hr dieselben Zahlen wie H\u00fcfner und K\u00fcster. Gleiches gilt, so viel ich erkennen kann, von einer Anzahl seiner Versuche \u00fcber die Sauerstoffkapazit\u00e4t des Blutfarbstoffes. Es scheint in allen denjenigen F\u00e4llen keine erhebliche Differenz gegen\u00fcber H\u00fcfners Zahlen einzutreten, wo, wie in dem eben besprochenen hall, das Fl\u00fcssigkeitsvolumen klein und der Prozentgehalt der L\u00f6sung gering ist, w\u00e4hrend im entgegengesetzten Fall \u2014 viel Fl\u00fcssigkeit und h\u00f6herer Prozentgehalt \u00fcber den Zahlenwert des Schlu\u00dfresultats eine ziemlich gro\u00dfe Unsicherheit entsteht.\nAber auch wenn man von F\u00e4llen letzterer Art absieht und auch wenn man Bedenken in experimenteller Hinsicht \u2014 wegen der Benutzung von Hydrazin,1) wegen der photometrischen Eisenbestimmung,2) sowie wegen der Versuchsfehler bei der Gasmessung (vgl. Kap. 1) \u2014 f\u00fcr nicht gerechtfertigt h\u00e4lt, so bleiben doch gegen die Beweiskraft von H\u00fcfners Methode noch prinzipielle Einw\u00e4nde bestehen, welche meines Erachtens ein allgemeineres Interesse verdienen und im folgenden ausein\u00e4ndergesetzt werden sollen.\n3. \u00dcber die^Bestimmung des Gasbindungsverm\u00f6gens von Blutfarbstoffen und Metallsalzen.\nAusgehend von Versuchen \u00fcber die Oxydationswirkung des molekularen Sauerstoffesa) habe ich das Verhalten unges\u00e4ttigter Metallsalze gegen Sauerstoff mit dem gegen andere Gase wie Stickoxyd, Kohlenoxyd, \u00c4thylen und Acetylen experimentell verglichen, wobei namentlich die dissoziablen Verbindungen der Ferro- und Cuprosalze studiert wurden.3 4) Hierbei\n\u2018) Vgl. Letscho, Diese Zeitschrift, Bd. LXVII, S. 177 ( 1910\u00bb.\n*i Vgl. z. B. Diese Zeitschrift, Bd. LXI1, S. 204; Bd. LXIH, S. 313.\n3)\tZusammengefa\u00dft in Verhandl. d. phys.-med. Ges. zu W\u00fcrzbur\u00bb, Bd. XXXIX, S. 215 (1908).\n4)\t\u00dcber die Cuproverbindungen des Kohlenoxyds, M. und Friend, Liebigs Ann., Bd. CCCLIX, S. 100 (19081. \u2014 \u00dcber die Cuproverbindungen des \u00c4thylens, M. und Brandt, Liebigs Ann.. Bd. CCCLXX, .S. 208 (1909i. \u2014 Uber die Cuproverbindungen des Acetylens, M. und Withers* vgl. Withers, Dissertation W\u00fcrzburg 1910*. \u2014 \u00dcber die Ferroverbindungen des Stick-","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240\nWilhelm Manchot,\nergab sich, da\u00df der Gleichgewichtszustand von einer Reihe von Umst\u00e4nden abh\u00e4ngt, als welche zu nennen sind: Druck Temperatur, Konzentration der gasbindenden Substanz, spezielle Reaktionen der letzteren (z. B. Hydrolyse, Komplexbildung) und endlich die Natur des L\u00f6sungsmittels.\nEine eingehende Durchsicht der Literatur zeigte mir, da\u00df der Einflu\u00df der genannten Faktoren bei den bisherigen Untersuchungen \u00fcber den Blutfarbstoff keineswegs in vollem Umfange systematisch ber\u00fccksichtigt worden ist. Meine Versuche ergaben dann, da\u00df ein Studium des Einflusses der Konzentration1) neue Aufschl\u00fcsse \u00fcber den Vorgang der SauerstofTbindung im Blute liefert.\nMan mu\u00df unterscheiden zwischen der Frage nach dem chemischen Bindungsverm\u00f6gen des Blutfarbstoffs und den Fragen : Wieviel Sauerstoff enth\u00e4lt das ges\u00e4ttigte nat\u00fcrliche Blut? Wieoxyds. M. und Zechentmayer, Liebigs Ann., Bd. CCCL, S. 368(1906); M. und H\u00fcttner, Liebigs Ann., Bd. CCGLXXI\u00cf, S. 153 (1910). - \u00dcber die Sauerstoffbindung im Blute, Manchot, Liebigs Ann., Bd. CCCLXX, S. 241 (1909) ; Sitzungsber. d. phys.-med. Ges. W\u00fcrzburg (27. V. 1909). \u2014 \u00dcber die Verbindungen des Stickoxydes mit dem Eisen und dem Blutfarbstoff, Manchot, Liebigs Ann., Bd. CCCXXXII, S. 179 (1910). \u2014 \u00dcber die Verbindungen des Stickoxydes mit Kupferoxydsalzen, Manchot, Liebigs Ann., Bd. CCCLXXV, S. 308 (1910).\n*) Eine mir zugegangene briefliche \u00c4u\u00dferung gibt mir zu folgender Bemerkung Anla\u00df: Es m\u00f6chte scheinen, als ob bei dem Blut insofern etwas Besonderes vorliege, als die gasbindende Substanz nicht in der Fl\u00fcssigkeit homogen gel\u00f6st, sondern in den roten Blutk\u00f6rperchen angeh\u00e4uft ist. Nun zeigt aber schon das Funktionieren des Blutfarbstoffes an sich, da\u00df der Gasaustausch auch durch die Begrenzungssph\u00e4re der roten Blutk\u00f6rperchen hindurch ungehindert stattfindet, da\u00df also \u2014 soweit es sich um die Gasbindung handelt \u2014 ein prinzipiell\u00e8r Unterschied im Verhalten der gasbindenden Substanz in den Blutk\u00f6rperchen gegen\u00fcber homogenen L\u00f6sungen gasbindender Stoffe nicht vorhanden ist. Anderseits wird letzteres dadurch bewiesen, da\u00df Wasserzusatz dieselbe Wirkung auf das Gasbindungsverm\u00f6gen des Blutfarbstoffes aus\u00fcbt wie isotonische und hypertonische Verd\u00fcnnungsmittel. Nat\u00fcrlich kann wohl ein gradueller Unterschied zwischen Wasser und solchen Verd\u00fcnnungsmitteln vorhanden sein, insofern einerseits die hydrolysierende Wirkung des Wassers wohl gr\u00f6\u00dfer ist, anderseits, wenn die Blutk\u00f6rperchen nicht gel\u00f6st werden, die verteilende Wirkung des Verd\u00fcnnungsmittels weniger wirksam ist als bei einer homogenen Fl\u00fcssigkeit.","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Wertigkeit des Metalles in den Blutfarbstoffen usw. 241\nviel Sauerstoff enth\u00e4lt eine ges\u00e4ttigte H\u00e4moglobinl\u00f6sung von bekanntem Gehalt?\nDiese tragen sind bisher nicht gen\u00fcgend getrennt'worden, vielmehr sind die Arbeiten \u00fcber die Sauerstoffkapazit\u00e4t des Blutfarbstoffes wohl durchweg so ausgef\u00fchrt worden, da\u00df man Blut bei einer bestimmten Vergleichstemperatur und unter einem bestimmten Druck mit Sauerstoff s\u00e4ttigte und dann die Menge des absorbierten Gases ermittelte, eventuell auch die S\u00e4ttigung bei verschiedenen, \u00fcber ein nicht sehr gro\u00dfes Intervall sich erstreckenden Drucken ausf\u00fchrte. Oder man hat dieselbe Operation mit einer H\u00e4moglobinl\u00f6sung ausgef\u00fchrt. Wenn man aber dies tut, so ist das, was man ermittelt, nicht das chemische Bindungsverm\u00f6gen des Blutfarbstoffs, nicht das Verh\u00e4ltnis von Eisen zu Sauerstoff in der chemischen Verbindung des H\u00e4moglobins mit dem Sauerstoff, sondern man f\u00fchrt nur eine Bestimmung des Gleichgewichtszustandes A +\t7~> A(02)x\naus, welcher den gerade gew\u00e4hlten willk\u00fcrlichen Versuchsbe-dingungen entspricht.\nDiese Bedingungen sind im chemischen Sinne auch dann ganz willk\u00fcrliche, wenn sie wirklich den im Organismus obwaltenden Verh\u00e4ltnissen genau entsprechen sollten (bei .physiologischer S\u00e4ttigung.). Man hat dann z. B. etwas \u00c4hnliches, wie wenn man eine Ferrosulfatl\u00fcsung unter willk\u00fcrlichen Bedingungen mit Stickoxyd s\u00e4ttigt und die Menge des aufgenommenen Stickoxydes mi\u00dft, d. h. man hat einen ganz analogen Fall, wie er in den oben erw\u00e4hnten Versuchen H\u00fcfners mit Ferrosulfat und Stickoxyd vorliegt. Man findet also z B. (vgl. oben), da\u00df eine 0,009 normale Ferrosulfatl\u00fcsung 10 1 NO auf ein Grammatom Eisen gebunden enth\u00e4lt, wenn die Versuchstemperatur 19,6\u00bb ist und der Partialdruck eine Atmosph\u00e4re betr\u00e4gt. Wieviel Stickoxyd aber in der durch die Reaktion entstehenden Verbindung auf ein Atom Eisen kommt, mit anderen Worten, welches die Zusammensetzung der entstehenden NO-Verbindung ist, l\u00e4\u00dft sieh daraus in keiner W\u2019eise erkennen. Hierf\u00fcr ist es vielmehr n\u00f6tig, alle die Umst\u00e4nde, welche Einflu\u00df auf den Dissoziationsgrad der Verbindung haben.","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242\nWilhelm Manchot.\ngenau zu studieren, wie dies von mir a. a. 0. ausf\u00fchrlich auseinandergesetzt ist. Man mu\u00df also zwischen physiologischer und chemischer S\u00e4ttigung unterscheiden.\nF\u00fchrt man nun eine physiologische S\u00e4ttigung verschiedener Blutproben aus, so mu\u00df, auch wenn die \u00e4u\u00dferen Bedingungen der S\u00e4ttigung (Partialdruck und Temperatur) gleich gemacht werden, der Gleichgewichtszustand in Wirklichkeit doch gewisse Schwankungen zeigen, da ja die Bedingungen der S\u00e4ttigung unm\u00f6glich ganz genau gleiche sein k\u00f6nnen: es k\u00f6nnte z. B. die Dichte des Serums etwas variieren, was durch den Einflu\u00df, den es auf die L\u00f6slichkeit des Gases h\u00e4tte, wie eine Verschiedenheit im Partialdruck wirken w\u00fcrde; es variieren ferner die in der Volumeinheit vorhandene Menge des Blutfarbstoffs und der Kohlens\u00e4uregehalt, beides Faktoren, welche den Gleichgewichtszustand beeinflussen.!)\nMit der Gr\u00f6\u00dfe dieser Schwankungen des S\u00e4ttigungszustandes des nat\u00fcrlichen Blutes habe ich mich nicht besch\u00e4ftigt. Nach B\u00f6hrs2) Angaben aber k\u00f6nnen sie \u00fcber + 15o/0 der S\u00e4ttigung betragen. Wo nun einmal keine Schwankungen gefunden werden, wie in der Arbeit von Butterfield,3) sowie von Masing und Sieb eck,1) k\u00f6nnte dies meines Erachtens daran liegen, da\u00df die Schwankungen durch die Versuchsfelder \u00fcberdeckt werden, wenn an relativ kleinen Blutvolumina gemessen wird ( 10\u201420 ccm), mag dies auch bei Benutzung von Menschenblut unvermeidlich sein. Nun ist es aber doch wohl sehr m\u00f6glich, bei einer solchen Messung einen Fehler von 0,4 oder 0,2 ccm zu machen, nicht sowohl beim Ablesen, als bei der (iesamtheit der Operationen, z. B. durch Eindringen von Luft, Entstehung von Kohlenoxyd, welches bei Benutzung von Pyrrogallol auftritt, kleine Verluste bei der Gasanalyse usw. Ein derartiger Fehler, mit dem wohl alle Chemiker bei Gas-analysen rechnen, m\u00fc\u00dfte aber bei Arbeiten mit so kleinen\n') Vgl. Manchot, Liebigs Ann., Bd. CCCLXX, S. 281. *) Vgl. Bohr in Nagels Handbuch, Bd. I, S. 102 (1905). 3) Diese Zeitschrift, Bd. LX1I. S. 173 (1909).\n4 Arch. f. klin. Medizin, Bd. XCIX. S. 130 (1910).","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Wertigkeit des Metalles in den Blutfarbstoffen usvv. 213\nMengen einen ganz erheblichen Bruchteil des gemessenen Gasvolumens ausmachen.\nMan erkennt nun aus den vorhandenen Arbeiten, da\u00df der Gleichgewichtszustand des im physiologischen Sinne ges\u00e4ttigten Blutes ann\u00e4hernd durch den Wert von 1 Molek\u00fcl 02 auf 1 Fe definiert ist, aber mit nicht unerheblichen Schwankungen, indem bald weniger Sauerstoff vorhanden ist, als diesem Betrag entspricht, so da\u00df auch sauerstofffreies H\u00e4moglobin neben der Verbindung auftritt, die auf ein Fe ein 02 enth\u00e4lt, bald aber auch mehr Sauerstoff, so da\u00df sich auch etwas von der Verbindung des H\u00e4moglobins mit zwei Molek\u00fclen 02 bilden kann.\nLetzterer Wert (2 Mol. Gas) erscheint in meinen Versuchen als Grenzwert des chemischen Gasbindungsverm\u00f6gens des Blutfarbstoffs.\nAus meinen Versuchen geht weiter hervor, da\u00df es nicht zweckm\u00e4\u00dfig ist, Versuche, die mit dem nat\u00fcrlichen Blutfarbstoff angestellt worden sind, zu vermengen mit solchen, bei welchen H\u00fcmoglobinl\u00f6sungen benutzt wurden. Denn nach meinen Beobachtungen nimmt das Gasbindungsverm\u00f6gen des nat\u00fcrlichen Blutfarbstoffs beim Verd\u00fcnnen mit Wasser und isotonischen Losungen zun\u00e4chst zu, dann aber wieder ab (vgl. die Verd\u00fcnnungskurven). Je nach der Darstellung (Art des Auswaschens) und der Konzentration der H\u00e4moglobinl\u00f6sung wird somit der Gleichgewichtszustand, den man dann beim S\u00e4ttigen der H\u00e4moglobinl\u00f6sung erh\u00e4lt, vor oder \u2014 wohl meistens \u2014 hinter dem Maximum der Gasabsorption liegen.\nEs ist nun m\u00f6glich oder sogar wahrscheinlich \u2014 bisher konnten diese ziemlich schwierigen Versuche noch nicht ausgef\u00fchrt werden \u2014, da\u00df man bei weiterer Fortsetzung solcher Verd\u00fcnnungsversuche mit Blut in ein Gebiet gelangt, bei welchem weitere Verd\u00fcnnung keine Wirkung mehr hat, und da\u00df dies dann der ball ist, wenn das Gasbindungsverm\u00f6gen auf ein Molek\u00fcl heruntergegangen ist. Da nun bei sehr gro\u00dfer Verd\u00fcnnung die durch Hydrolyse aus dem nat\u00fcrlichen Blutfarbstoff abgespaltenen Stoffe schlie\u00dflich nur noch denselben Effekt aus\u00fcben k\u00f6nnen, wie wenn sie gar nicht mehr vorhanden","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244\nWilhelm Manchot,\nw\u00e4ren, so w\u00fcrde man am Ende das gleiche System erhalten, wie wenn man von sehr gut ausgewaschenem H\u00e4moglobin ausgeht.\nEs kann hiernach nicht weiter auffallen und nicht als im Widerspruch mit meinen Beobachtungen stehend betrachtet werden, wenn bei Versuchen mit \u00abH\u00e4moglobinl\u00f6sungen\u00bb Werte gefunden werden, welche dem Betrag von einem Molek\u00fcl Gas auf ein Atom Eisen gleich kommen, ihn \u00fcbersteigen oder hinter ihm Zur\u00fcckbleiben, wobei bez\u00fcglich des Auftretens solcher Schwankungen \u00fcbrigens wieder das oben \u00fcber die Versuchsfelder bei Anwendung sehr kleiner Mengen Gesagte gilt.\nNat\u00fcrlich ist die M\u00f6glichkeit zuzugeben, da\u00df man bei manchen \u00e4lteren Bestimmungen an H\u00e4moglobinl\u00f6sungen mit den angewandten willk\u00fcrlichen Bedingungen zuf\u00e4lligerweise in das Gebiet hineingeraten ist, wo keine Dissoziation mehr vorhanden ist, wo also das Gleichgewicht\nA + 02\tA(02)x\nfast ganz nach rechts geschoben ist. Man h\u00e4tte dann eben richtige Verbindungsformeln f\u00fcr das Bindungsverm\u00f6gen, aber auf unzureichender Grundlage erhalten.*) An sich w\u00fcrde es aber ebensowenig gerechtfertigt sein, aus solchen Werten eine Formel herzuleiten, weil das Resultat zuf\u00e4lligerweise einem ganzen Molek\u00fcl pro Atom Eisen nahe kommt, als es gerechtfertigt w\u00e4re, f\u00fcr die Verbindung von Ferrosulfat und Stickoxyd eine Formel allein aus dem Bindungsverh\u00e4ltnis zu berechnen, welches sich f\u00fcr beliebig gew\u00e4hlte Versuchsbedingungen (vgl. oben) ergibt. Derartiges gilt wahrscheinlich von der Bestimmung der Stickoxydkapazit\u00e4t von Meth\u00e4moglobin, der Kohlen-oxydkapazit\u00e4t von H\u00e4mochromogen und vielleicht sogar auch f\u00fcr die L\u00f6sungen von H\u00e4moglobin im Gegensatz zum nat\u00fcrlichen Blutfarbstoff. Um mich hinsichtlich der letzteren deut-\n\u2018) Die wichtigste Aufgabe ist also jetzt nicht, wie Letsche (Diese Zeitschrift, Bd. LXV1I, S. 191) meint, die L\u00f6slichkeit des Sauerstoffes in H\u00e4moglobinl\u00f6sungen genau festzulegen, zumal bei dieser Bestimmung Analogieschl\u00fcsse und Sch\u00e4tzungen kaum zu vermeiden sein d\u00fcrften. Von ganz erheblich gr\u00f6\u00dferer Wichtigkeit ist es vielmehr, in Zukunft bei der Ermittlung des Gasbindungsverm\u00f6gens von H\u00e4moglobinl\u00f6sungen allen den Faktoren Rechnung zu tragen, welche das Gleichgewicht beeinflussen","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Wertigkeit des Metalles in den Blutfarbstoffen usw. 245\nlieh auszudr\u00fccken : Es ist m\u00f6glich, da\u00df vom Blut getrennte \u00abH\u00e4moglobin\u00bbPr\u00e4parate ein anderes und zwar geringeres Gasbindungsverm\u00f6gen besitzen wie der nat\u00fcrliche Blutfarbstoff.\nEs ergibt sich also folgendes Verh\u00e4ltnis: Der Gleichgewichtszustand des ges\u00e4ttigten Blutes (f\u00fcr Luft und gew\u00f6hnliche Temperatur) sowohl wie der von verd\u00fcnnten L\u00f6sungen denaturierten Blutfarbstoffs (\u00abH\u00e4moglobin\u00bb) kommen infolge eines rein zuf\u00e4lligen Zusammentreffens beide \u2014 aber nur ganz ungef\u00e4hr (vgl. Bohr) \u2014 dem Wert von 1 Molek\u00fcl 0, auf 1 Fe nahe, w\u00e4hrend das chemische Gasbindungsverm\u00f6gen des nat\u00fcrlichen Blutfarbstoffs nach meinen Versuchen viel gr\u00f6\u00dfer ist.\nIch fasse schlie\u00dflich die verwickelte Sachlage bez\u00fcglich der H\u00fcfnerschen Versuche kurz so zusammen: H\u00fcfner benutzt eine unrichtige Rechnungsmethode und er ermittelt genau genommen nur einen willk\u00fcrlich hergestellten Gleichgewichtszustand. Beides hat aber auf das zahlenm\u00e4\u00dfige Endresultat seiner H\u00e4moglobinversuche scheinbar nur geringen Einflu\u00df, weil zuf\u00e4llig unter den von ihm gew\u00e4hlten Bedingungen dieser Gleichgewichtszustand einem Molek\u00fcl Gas pro Atom Eisen nahekommt und dieser Wert f\u00fcr \u00abH\u00e4moglobin*, nicht aber f\u00fcr den nat\u00fcrlichen Blutfarbstoff m\u00f6glicherweise, ohne da\u00df es bis jetzt bewiesen w\u00e4re, auch das wirkliche Bindungsverm\u00f6gen darstellt, d. h. weil diese willk\u00fcrlichen Versuchsbedingungen vielleicht zuf\u00e4lligerweise dem Gebiet v\u00f6llig unterdr\u00fcckter Dissoziation f\u00fcr \u00abH\u00e4moglobin\u00bb angeh\u00f6ren. Dagegen tritt die Unzul\u00e4nglichkeit und mangelnde Beweiskraft der H\u00fcfnerschen Methodik, welche hier durch zuf\u00e4llige Umst\u00e4nde verdeckt wird, dadurch zutage, da\u00df diese Methodik in unver\u00e4nderter Gestalt auf den Fall Ferrosulf\u00e4t-Stickoxyd angewandt ad absurdum f\u00fchrt.\n4. \u00dcber die Wertigkeit des Eisens im nat\u00fcrlichen Blutfarbstoff.\nWie aus dem Vorstehenden ersichtlich ist, wird das Gasbindungsverm\u00f6gen des nat\u00fcrlichen Blutes durch chemische Einfl\u00fcsse sehr leicht ver\u00e4ndert. Wenn somit K\u00fcster1) das \u00abH\u00e4-\n*) Biese Zeitschrift, Bd. LXYT, S. 249 (1910).\nHoppe-Seyler's Zeitschrift f. physiol. Chemie. LXX.\n17","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246\nWilhelm Manchot,\nmochromogen\u00bb. welches aus dem H\u00e4moglobin erst \u00fcber das H\u00e4matin durch Reduktion des letzteren entsteht, als Bestandteil des H\u00e4moglobins ansieht und weiter schlie\u00dft, da\u00df, weil das H\u00e4mochromogen eine Ferroverbindung sei, auch im H\u00e4moglobin das Eisen in der Oxydulform vorliege, so d\u00fcrfte dieser Schlu\u00df nicht begr\u00fcndet sein.\nUnter Benutzung der im vorstehenden entwickelten Gesichtspunkte habe ich gezeigt, da\u00df das chemische Bedingungsverm\u00f6gen des Blutfarbstoffes f\u00fcr Gase dem Grenzwert von 2 Molek\u00fclen zustrebt, also f\u00fcr Sauerstoff, Kohlenoxyd und Stickoxyd durch den gleichen Grenzwert (2 02, 2 GO, 2 NO) definiert ist, und unter gleichen Bedingungen nur der Abstand von dieser Grenze bei den einzelnen H\u00e4moglobin gas Verbindungen, d. h. der Dissoziationsgrad verschieden ist. Mit Stickoxyd kommt man diesem Grenzwert am n\u00e4chsten.l) Die Stickoxydbindung ist stets noch gr\u00f6\u00dfer wie die Bindung von Kohlenoxyd. Die Stickoxydverbindung des H\u00e4moglobins enth\u00e4lt somit viel mehr Stickoxyd, als Eisenoxydulsalze zu binden verm\u00f6gen, denn es gelang mir in der mit F. H\u00fcttner ausgef\u00fchrten Arbeit bei ausdr\u00fccklich darauf gerichteten Versuchen auf keine Weise, mit Hilfe von Ferrosalzen ein System zu konstruieren, in welchem das Eisen mehr wie ein Molek\u00fcl NO gebunden h\u00e4tte. Umgekehrt gelang mir dies sehr leicht mit Hilfe des Ferrisulfats, dessen Stickoxydverbindung Fe2(S04)3 4 NO zwei Molek\u00fcle Stickoxyd pro Atom Eisen enth\u00e4lt und rote Farbe besitzt.2)\nHieraus folgt, da\u00df der nat\u00fcrliche Blutfarbstoff das Eisen in der Ferriform enth\u00e4lt.\n\u2019) Dieses Ergebnis findet eine Best\u00e4tigung in der Untersuchung von H\u00fcfner und Rein bold (Arch. f. Anat. u. Physiol., Supplem. 1904. S. 391), nach welcher vom Meth\u00e4moglobin 2 NO auf 1 Fe gebunden werden! Abg\u00e9sehen von den willk\u00fcrlichen Bedingungen dieser Versuche (vgl. Kap. 3) sind indessen leider gerade hier so gro\u00dfe Fl\u00fcssigkeitsvolumina benutzt (\u2022WO ccm), da\u00df es bei der ziemlich gro\u00dfen L\u00f6slichkeit des Stickoxyds einen ziemlichen Unterschied macht, wenn man statt der in jener Arbeit irrt\u00fcmlich errechneten L\u00f6slichkeit die Wasserl\u00f6slichkeit des Stickoxydes oder diese willk\u00fcrlich verkleinert einsetzt. Jedoch ergibt sich auch dann die gebundene NO-Menge als deutlich gr\u00f6\u00dfer wie ein Molek\u00fcl.\n*) Liebigs Ann., Bd. CCCLXXII, S. 153, 179 (1910).","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Wertigkeit des Metalles in den Blutfarbstoffen usw. 247\nEs lie\u00dfe sich ja auch schwer verstehen, wie der Mechanismus der Atmung, d. h. Anlagerung, Transport und Abspaltung des Sauerstoffes mit einer Ferroverbindung so glatt funktionieren sollte, ohne durch Umwandlung des Eisens in die Ferristufe h\u00e4ufig gest\u00f6rt zu werden.\nAuf den ersten Blick m\u00f6chte allerdings die Vermutung n\u00e4her liegen, da\u00df der Organismus sich der Oxyd ul stufe des Metalles f\u00fcr die Sauerstoffbindung bediene, da ja gerade letztere durch ihr Reaktionsverm\u00f6gen gegen\u00fcber dem Sauerstoff charakterisiert ist, und auch ich habe eine Zeitlang den Gedanken verfolgt, da\u00df das H\u00e4moglobin vielleicht \u2014 etwa durch Komplexbildung -- eine Vorrichtung besitze, welche den \u00dcbergang des Eisenatoms aus der Oxydul- in die Oxydstufe verhindere. Eine derartige Vermutung schien namentlich gest\u00fctzt durch, die Tatsache, da\u00df beim Kupfer, welches ja in gewissen Blutarten die Stelle des Eisens vertritt, gerade die Oxydulstufe (bei GuCl) ein auffallendes Additionsverm\u00f6gen gegen\u00fcber einigen Gasen (Kohlenoxyd, \u00c4thylen, Acetylen und Sauerstoff) besitzt, welche auch vom Blutfarbstoff gebunden werden. Das Experiment hat jedoch, wie man sieht, zugunsten der Schlu\u00dffolgerung entschieden, da\u00df der Organismus mit der Oxydstufe des Eisens arbeitet.\nTats\u00e4chlich lassen sich denn auch f\u00fcr den kupferhaltigen Blutfarbstoff (H\u00e4mocyanin) eine Reihe von Gesichtspunkten aufstellen, denen zufolge wenigstens die gr\u00f6\u00dfere Wahrscheinlichkeit daf\u00fcr spricht, da\u00df auch hier das Metall in der Oxydform (Cupriform) vorliegt.\n5. \u00dcber die Wertigkeit des Kupfers im H\u00e4mocyanin.\nBekanntlich zeigt dieser Blutfarbstoff, z. B. bei .Octopus unter der Wirkung des Sauerstoffes einen Farbenumschlag von farblos in blau. Man m\u00f6chte daher zun\u00e4chst zu der Vermutung neigen, da\u00df dieser Farbenumschlag dem \u00dcbergang eines Oxydulsalzes des Kupfers in die Cupriform entspreche. Stellt man indessen eine Kupferoxydsalzl\u00f6sung (Chlorid oder Sulfat in Wasser oder Alkohol) von der Konzentration her, welche dem Kupfergehalt des Blutes von Octopus entspricht, *)\u2022 so zeigt\n*) Vgl. Henze, Diese Zeitschrift, Bd. XXXIII, S. 371 (1901).\n17*","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248\nWilhelm Manchot.\nsich, da\u00df diese nur ganz schwach gef\u00e4rbt, nahezu farblos, bei Anwendung von konzentrierter Schwefels\u00e4ure als L\u00f6sungsmittel \u00fcberhaupt farblos ist. Cuprisalzl\u00f6sungen von dieser Verd\u00fcnnung werden aber, wenn konzentrierte Schwefels\u00e4ure oder Alkohol als L\u00f6sungsmittel gew\u00e4hlt wurde, durch Stickoxyd ganz intensiv blauschwarz gel\u00e4rbt. Hierbei wird nach meinen Versuchen1) 1 Mol. NO pro Atom Cu aufgenommen.\nNun sind aber die Anlagerungen von Stickoxyd und Sauerstoff an unges\u00e4ttigte Metallsalze zweifellos analoge Vorg\u00e4nge, und wenn auch Verbindungen der Cuprisalze mit dem Sauerstoff noch nicht bekannt sind, so gibt es doch Reaktionen, bei denen Cuprisalze gegen\u00fcber dem gasf\u00f6rmigen Sauerstoff als \u00dcbertr\u00e4ger wirken. Diese lassen sich im Hinblick auf das Verhalten der Cuprisalze gegen Stickoxyd jetzt kaum noch anders deuten als so, da\u00df sie durch intermedi\u00e4re Anlagerung des Sauerstoffmolek\u00fcls an das Guprisalz zustande kommen. Hierher geh\u00f6rt die Wirkung von Kupfersulfat bei der Oxydation von Salzs\u00e4ure nach dem Deakon-Verfahren, sowTie die auffallende Reschleunigung, welche Cuprisalze auf die oxydierende Wirkung des Sauerstoffgases gegen\u00fcber manchen Substanzen z. B. schweflige S\u00e4ure aus\u00fcben.\nDa ferner blaue Verbindungen des Kupferoxyduls \u00fcberhaupt nicht bekannt sind, so mu\u00df der mit leicht abspaltbarem Sauerstoff beladene blaue Blutfarbstoff das Metall jedenfalls in der Oxydform enthalten. Wenn aber an der Sauerstoffbindung und Weitergabe im Blute dieser Tiere auch noch ein Hin und Her zwischen Oxydul- und Oxydform einen Anteil h\u00e4tte, so w\u00fcrde dies, ebenso wie beim eisenhaltigen H\u00e4moglobin wohl einen f\u00fcr glattes Funktionieren der Atmung wenig geeigneten Mechanismus vorstellen.\nAus den Versuchen von Henze (a. a. 0.) l\u00e4\u00dft sich berechnen, da\u00df das Blut des Octopus im Zustand der \u00abphysiologischen S\u00e4ttigung\u00bb pro Grammatom Kupfer ca. 6,41 Sauerstoff enth\u00e4lt (einschlie\u00dflich des nur gel\u00f6sten Sauerstoffs). Chemisch gebunden w\u00e4re unter diesen Bedingungen also nur ca. V t Mol. 02 auf 1 Cu.\n*) Liebigs Ann,. Bd. CCCLXXV. S. 808 (1910).","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Wertigkeit des Metalles in den Blutfarbstoffen usw. 219\n\u00dcber die Gr\u00f6\u00dfe des chemischen GasbindungsVerm\u00f6gens geben aber diese Versuche zufolge dem in Kapitel 3 Gesagten noch keinen Aufschlu\u00df. Wegen des gro\u00dfen Materialverbrauchs d\u00fcrfte die Bestimmung des letzteren auch ziemlich schwer durchzuf\u00fchren sein, wenn sie den Anforderungen entsprechen soll, die nach dem Obigen gegenw\u00e4rtig an diese Bestimmung gestellt werden m\u00fcssen. Es d\u00fcrften ferner Versuche mit Stickoxyd, mn die Parallele mit den Cuprisalzen zu erkennen, vielleicht deshalb auf Schwierigkeiten sto\u00dfen, weil das Stickoxyd sich empfindlichen organischen Substanzen gegen\u00fcber als ein noch kr\u00e4ftigeres Oxydationsmittel erweist wie der freie Sauerstoff und die beim Stehen solchen Blutes von selbst ziemlich rasch erfolgende Entf\u00e4rbung darauf hinweist, da\u00df die Blutfl\u00fcssigkeit hier empfindlichere Substanzen enth\u00e4lt wie bei den Warmbl\u00fctern.1) Da indessen das H\u00e4mocvanin schon bei der Behandlung mit kalter verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure nach vorhandenen Angaben Kupfer als Cuprisalz abspaltet, so d\u00fcrfte es nicht allzu schwierig sein, in einem Laboratorium, wo solches Blut in frischem Zustande zur Verf\u00fcgung steht, diese Abspaltung des Kupfers aus dem reduzierten Blut in einer sauerstofffreien Atmosph\u00e4re vorzunehmen und auf diese Weise die Wertigkeit des Metalls hier direkt zu erkennen. Sollte sich dies best\u00e4tigen, so w\u00fcrde damit indirekt eine neue St\u00fctze f\u00fcr die oben vertretene Auffassung vom Funktionieren des Eisenh\u00e4moglobins gegeben sein. Ich erlaube mir hierauf aufmerksam zu machen, weil ich wegen der Schwierigkeit der Materialbeschaffung auf absehbare Zeit selbst nicht in der Lage bin, mich mit den kupferhaltigen Blutarten experimentell zu besch\u00e4ftigen.2) Dagegen beabsichtige ich, meine Versuche mit H\u00e4moglobin selbst weiter fortzusetzen.\n\u2019) Vgl. Verhandl. d. phys.-med. Ges. zu W\u00fcrzburg, Bd. XXXIX, S. 229 (1908).\na) Herrn Prof. Cori, Direktor der K. K. Zoologischen Station in Triest, welcher mir auf meine Bitte solches Blut \u00fcbersandte, m\u00f6chte ich f\u00fcr seine Freundlichkeit auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank aussprechen.","page":249}],"identifier":"lit19152","issued":"1910-11","language":"de","pages":"230-249","startpages":"230","title":"\u00dcber die Wertigkeit des Metalles in den Blutfarbstoffen und die Bestimmung ihres Gasbindungsverm\u00f6gens: Eine kritische Studie","type":"Journal Article","volume":"70"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:10:59.617495+00:00"}