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{"created":"2022-01-31T14:11:32.131356+00:00","id":"lit19157","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Euler, Hans","role":"author"},{"name":"Beth af Ugglas","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 70: 279-290","fulltext":[{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die chemische Zusammensetzung und Bildung der Enzyme.1)\nII. Mitteilung.\nVon\nHans Euler und Beth af Ugglas.\n(Der Redaktion zugegangen am 27. November 1910.)\nI.\nVer\u00e4nderungen im Enzymgehalt lebender Mikroorganismen.\nDas Studium der Entstehung der Enzyme im lebenden Organismus bildet den einen Teil unseres Arbeitsprogrammes. Das Ziel dieser Versuche ist, Organismen und Organe an gewissen Enzymen anzureichern, wom\u00f6glich unter Verdr\u00e4ngung verwandter Enzyme, und die allgemeinen Methoden zu finden, welche zu diesem Ziele f\u00fchren.\nDie Frage: Unter welchen physikalischen und chemischen Bedingungen und bis zu welchen Grenzen \u00e4ndert der lebende Organismus, speziell der Mikroorganismus seinen Enzymgehalt, hat, wiewohl eine au\u00dferordentlich gro\u00dfe Zahl spezieller Beobachtungen und Studien zu diesem Thema vorliegen, bis jetzt eine systematische Bearbeitung nicht gefunden. Indessen stehen mit dieser Frage zwei Probleme in Zusammenhang, welche in letzter Zeit Gegenstand eingehender Untersuchungen gewesen sind, n\u00e4mlich einerseits die Abh\u00e4ngigkeit des physiologischen Zustandes der Zelle von physikalischen und chemischen \u00e4u\u00dferen Bedingungen, ein Arbeitsgebiet, das von E. Chr. Hansen begr\u00fcndet wurde, und auf welchem das Berliner Institut f\u00fcr G\u00e4rungsgewerbe in neuerer Zeit wichtige Erfolge zu verzeichnen hat2) und anderseits die Bezeichnung zwischen der Wirksam-\n') Zum Teil aus Svenskjt Vet. Akad. Arkiv f. Kemi, Bd. Ill, Nr. 34.\nSiehe Delbr\u00fcck, Wochenschr. f. Brauerei, Bd. XXIII, S.513,1906, sowie die neueren Arbeiten von P. Lindner und Henneberg in der gleichen Zeitschrift.","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280\nHans Euler und Beth af Ugglas\nkeit der isolierten Enzyme und dem Gehalt der L\u00f6sung an Salzen bezw. anderen Stoffen, wie z. B. Peptone, Kohlenhydrate usw.\nDa\u00df die Frage nach den Bedingungen der Enzymbildung in lebenden Mikroorganismen bis jetzt nicht in weiterem Umfange aufgenommen worden ist, liegt zweifellos an den experimentellen Schwierigkeiten, welche mit solchen Arbeiten verkn\u00fcpft sind, und an der gro\u00dfen Zahl der Versuche, welche den vielen mitbestimmenden Einfl\u00fcssen zufolge notwendig werden.1)\nDurch chemische Ver\u00e4nderung der N\u00e4hrl\u00f6sung einer Kultur von Mikroorganismen, z. B. von Hefe, erzielen wir Wirkungen wesentlich verschiedener Art, welche wir etwa folgenderma\u00dfen einteilen k\u00f6nnen:\n1.\tFall. Durch Ver\u00e4nderung der N\u00e4hrl\u00f6sung wird in irgend einer Weise die durch die Menge anwesender Zellen gegebene Enzymwirkung vermehrt oder vermindert. Macht man die chemische Ver\u00e4nderung der N\u00e4hrl\u00f6sung r\u00fcckg\u00e4ngig, so tritt auch sofort wieder die fr\u00fchere Enzymwirkung auf: der Enzymgehalt bleibt also unver\u00e4ndert.\n2.\tFall. Verweilt der Mikroorganismus eine gewisse Zeit in der ver\u00e4nderten N\u00e4hrl\u00f6sung, so tritt eine Konzentrationsver\u00e4nderung des Enzymes oder Enzymsystems2) auf, welche, wenn die Zelle wieder in ihre urspr\u00fcnglichen Bedingungen gelangt, nicht sofort r\u00fcckg\u00e4ngig werden.\n3.\tFall. Es treten durch l\u00e4nger fortgesetzte Kultur dauernde Ver\u00e4nderungen ein; es handelt sich dann um Transformationen oder Spaltungen, eventuell um Mutation. Solche dauernden Ver\u00e4nderungen haben bekanntlich E. Chr. Hansen und Beijerinck an Hefe beobachtet, welche auf verschiedenen N\u00e4hrsubstraten gez\u00fcchtet wurde. \u00dcber die eventuell dabei\n') So haben die ganz unzureichenden Versuche, welche Dubourg (Comptes rendus. Bd. CXXVII1, S. 140, 1891)) mitgeteilt hat, der kritischen Nachpr\u00fcfung durch A. Kl\u00fccker (Centralbl. f. Bakt. II, Bd. VI, S. 2421 nicht standhalten k\u00f6nnen.\n*) Als Enzymsystem bezeichnen wir ein Enzym mit dem gesamten System seiner Koenzyme und der die Enzymwirkung beeinflussenden Aktivatoren und Hemmungsk\u00f6rper.","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber chemische Zusammensetzung und Bildung der Enzyme. II. 281\nentstehenden Variationen des Enzymgehaltes ist nichts bekannt, und \u00fcberhaupt konnten zahlenm\u00e4\u00dfige Beziehungen \u00fcber Mutation noch nicht festgestellt werden..\n\\\\ ir haben zun\u00e4chst solche \u00c4nderungen im Enzymgehalt studiert, die obigem Fall 2 entsprechen, und wir teilen die Ergebnisse unserer ersten Versuchsserien mit, da dieselben f\u00fcr die Fortsetzung der Arbeit bestimmend waren.\n1. Invertase.\nArbeitsmethode: Unsere Versuche, welche zur ersten Orientierung dienen sollten, sind mit unterg\u00e4riger Hefe der hiesigen Hamburger-Brauerei angestellt. Die Stammhefe wird im Carlsberg-Laboratorium aufbewahrt, soda\u00df die Versuche reproduzierbar sind; immerhin ist es nat\u00fcrlich w\u00fcnschenswert, da\u00df dieselben mit einer der bekannten, gut definierten Heferassen wiederholt werden, was bald geschehen soll.\nZun\u00e4chst galt es, die geeignetste Versuchsmethodik ausfindig zu machen. Bekanntlich l\u00e4\u00dft sich die Invertase aus den lebenden Hefezellen nur in sehr {unbedeutendem Grad extrahieren, und die Hefe mu\u00df deshalb vor der Extraktion mit Wasser in irgend einer Weise entw\u00e4ssert werden. Am gebr\u00e4uchlichsten ist die Behandlung mit Alkohol oder Aceton oder die direkte Trocknung bei h\u00f6heren Temperaturen. Ober die relativen Ausbeuten, welche man bei Anwendung dieser Verfahren gewinnt, liegen keine Angaben vor, auch nicht \u00fcber die Genauigkeit, mit welcher sich der Invertasegehalt1) bestimmen l\u00e4\u00dft.\nEs wurde unter folgenden Bedingungen mit gewaschener und gut abgepre\u00dfter Hefe gearbeitet:\n1. 30 g Hefe werden direkt in 250 ccm absolutem Alkohol gesiebt und sind mit demselben a) 3 Stunden b) 8 Stunden in Ber\u00fchrung. Die Hefe wird abgesaugt und im Vakuumexsikkator vom Alkohol befreit.\n*) Es handelt sich hier nat\u00fcrlich nicht um absolute Gehaltsbestim-mungen an Enzym, sondern um den durch Wasser unter bestimmten Bedingungen extrahierbaren Anteil der Invertase, welcher durch seine Wirkung auf Rohrzucker gemessen wird.","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282\nHans Euler und \u00dfeth af \u00fcgglas,\n2.\t30 g werden direkt in 250 ccm 95<>/oigen Alkohols gesiebt und sind 3 Minuten mit demselben in Ber\u00fchrung. Die Hefe wird abgesaugt und im Vakuumexsikkator vom Alkohol befreit.\n3.\t30 g Hefe werden gesiebt und im Vakuum (20 mm) bei einer 40\u00b0 nicht \u00fcbersteigenden Temperatur getrocknet. Diese Trocknung nimmt etwa 30 Minuten in Anspruch.\n4.\t30 g Hefe werden behandelt, wie unter 3 angegeben, und dann w\u00e4hrend 2 Stunden im Trockenschrank allm\u00e4hlich ansteigend auf 50\u201480\u00b0 erw\u00e4rmt.\nDer Wasserverlust der Hefe war nach den verschiedenen Behandlungen nicht ganz gleichm\u00e4\u00dfig. Die 30 g lieferten bei Versuch la und b 6,0 bezw. 6,3 g; bei Versuch 3 wurden 6,2 und bei Versuch 4 wurden 6,0 g erhalten. Versuch 2 ergab 8,3 g.\nDie gesamte trockene Masse eines jeden Versuchs wurde nun fein verrieben und 20 Stunden bei Zimmertemperatur mit 100 ccm Wasser digeriert. Nach dieser Zeit wurde abfiltriert, 50 ccm des Filtrates wurden mit 10 g feuchtem Kaolin und einem Tropfen Eisessig verrieben und wieder abfiltriert. 2 ccm der klaren L\u00f6sung wurden nun zu 20 ccm einer 10\u00b0/oigen Hohrzuckerl\u00f6sung pipettiert; hierauf wurde mit so viel verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure versetzt, da\u00df die H-Konzentration 10~5 betrug, und auf 25 ccm aufgef\u00fcllt.\nDie Beobachtungen der Drehungen geschahen ganz in der in voriger Mitteilung angegebenen Weise an den mit Natriumcarbonat versetzten Proben. Wir erhielten folgende Reaktionskonstanten :\nVersuch:\tk -104\nla\t57\nlb\t59\n2\t48\n3\t61, 59, 57\n4\t51.\nMan erh\u00e4lt also Extrakte\tvon gleichem Invertasegehalt,\nsei es, da\u00df man die Hefe mit absolutem Alkohol, sei es durch Trocknen im Vakuum entw\u00e4ssert. Steht, wie dies hier der\t","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber chemische Zusammensetzung und Bildung der Enzyme. II. 288\nFall ist, ein gr\u00f6\u00dferer Vakuum-Trockenschrank zur Verf\u00fcgung, so ist letztere Methode der Entw\u00e4sserung entschieden vorzuziehen.\nUnsere Versuche zeigen also \u2014 und seither im hiesigen Laboratorium angestellte ausf\u00fchrlichere Versuchsreihen haben dies best\u00e4tigt, \u2014 da\u00df durch die Behandlung der Hefe mit Alkohol\u00e4ther nach Albert und Buchner oder durch Vakuumtrocknung nach Buchner aus einer und derselben Hefe Dauerpr\u00e4parate hergestellt werden k\u00f6nnen, deren invertierende Wirksamkeit nicht mehr als 10\u00b0/o vom Mittelwert abweicht. Die durch den Extrakt dieser Dauerhefen hervorgerufene Reaktionsgeschwindigkeit ist also ein Ma\u00df f\u00fcr die Wirksamkeit des extrahierbaren Enzymsystems der Hefe. Auf die Frage, inwieweit die Reaktionsgeschwindigkeit dieses Extraktes auch ein Ma\u00df f\u00fcr den gesamten Invertasegehalt der lebenden Hefe ist, werden wir sp\u00e4ter zur\u00fcckkommen.\nSeit langer Zeit ist bekannt, da\u00df Phosphors\u00e4ure und Phosphat auf die G\u00e4rkraft der Zellen einen g\u00fcnstigen Einflu\u00df aus\u00fcben, und die Behandlung der Hefe mit Phosphaten ist deswegen schon \u00f6fters zur Regeneration von Hefe vorgeschlagen worden. An erster Stelle ist in diesem Zusammenhang das Regenerationsverfahren von Hayduck zu nennen, welches sp\u00e4ter durch Albert und dann durch E. Buchner und A. Spitta1) n\u00e4her untersucht wurde. Aus der neuesten Zeit sei der Vorschlag von Moufang erw\u00e4hnt, die Hefe durch Waschen mit Phosphors\u00e4ure zu regenerieren. Es hat sich hier immer um die G\u00e4rkraft bezw. um die Zvmase-Wirkung gehandelt.\nWelche Ver\u00e4nderung bei der Phosphatbehandlung der Hefe der Invertasegehalt erleidet, ist bis jetzt nicht untersucht worden.\nUnsere Versuche \u00fcber den Einflu\u00df von Phosphat auf den Invertasegehalt der Hefe, welche im Herbst 1909 angestellt wurden, ergaben einen sehr starken Effekt, der, wie gleich erw\u00e4hnt werden soll, in folgenden Versuchsreihen (Herbst 1910) nicht wieder erhalten wurde. Welche Umst\u00e4nde diese Ver-\n*) Berichte der deutsch, ehern. Gesellsch., Bd. XXXV, S. 1703, 1902.","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284\nHans Euler und Beth af Ugglas,\nschiedenheit verursacht haben, k\u00f6nnen wir noch nicht angeben, doch sei betont, da\u00df die in der folgenden Tabelle mitgeteilten Zahlen das Mittel aus vielen Einzelversuchen darstellen, so da\u00df Versuchsfehler ausgeschlossen sind.\nGewaschene und scharf abgepre\u00dfte Unterhefe aus der hiesigen Hamburgerbrauerei wurde teils mit Wasser teils mit 0,3\u00b0/oigen L\u00f6sungen von Natriumphosphat unter Zusatz von 2\u00b0/o Rohrzucker 40, 60, 110 Minuten und 6 Stunden stehen gelassen. Nach dieser Zeit wird die Hefe so schnell als m\u00f6glich abgepre\u00dft, mit Alkohol\u00e4ther behandelt und extrahiert.\n20 ccm des Extraktes wurden bis zu H-Ionenkonzentra-tion 10 \u00df mit Essigs\u00e4ure anges\u00e4uert und mit 50 ccm Rohrzuckerl\u00f6sung gemischt. Von Zeit zu Zeit wurden der Mischung Proben entnommen und zur Messung der Inversionsgeschwindigkeit im Polarisationsapparat untersucht. Aus diesen Ablesungen wurden nach der Formel\ndie Reaktionskonstanten berechnet, welche das Ma\u00df f\u00fcr die relative Geschwindigkeit der Reaktion und also auch f\u00fcr den relativen Gehalt an extrahierbarem Invertasesystem liefern.\nDauer der Phosphatbehandlung der Hefe\t0\t40\t60\t110\t360 Minuten\nRelative Inversionsgeschwindigkeit\t1\t2,7\t2,9\t2,2\t1,8\nMan ersieht aus der Tabelle, da\u00df der Extrakt aus der Dauerhefe, welche vor der Trocknung 40 Minuten mit einer 0,3\u00b0/oigen L\u00f6sung von Natriumphosphat behandelt worden ist, 2,7 mal schneller invertiert wurde, als der analog dargestellte Extrakt aus einer Dauerhefe, welche dieser Phosphatbehandlung nicht ausgesetzt war.1)\nDer Einflu\u00df der Phosphatbehandlung auf den Invertase-gehalt der Hefe scheint in hohem Grad vom Zustand der Hefe\n*) Die Mononatriumphosphatl\u00f6sungen waren mit Natronlauge bis zur H-Ionenkonzentration 10~6 (nach kolorimetrischer Messung) neutralisiert worden ; wir bezeichnen solche L\u00f6sungen im folgenden als neutrale.","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber chemische Zusammensetzung und Bildung der Enzyme. II. 285\nvor der Phosphatbehandlung abh\u00e4ngig zu sein. In einer Reihe von 7 Parallelversuchen, bei welchen die Hefe mit etwa 0,5 bis 2\u00b0/'o Mononatriumphosphatl\u00f6sungen behandelt worden war, hat Herr E. Lindberg im Herbst dieses Jahres eine Steigerung der Invertasewirkung im Extrakt des Dauerpr\u00e4parates im Verh\u00e4ltnis 1:1,3 gefunden. Zahlreiche noch sp\u00e4ter ausgef\u00fchrte Versuchsreihen, welche demn\u00e4chst ausf\u00fchrlicher mitgeteilt werden sollen, haben einen noch geringeren Einflu\u00df der Phosphate auf den Invertasegehalt der Hefe erkennen lassen, wenigstens sofern man denselben aus dem Verhalten der Vakuumdauerpr\u00e4parate zu ermitteln versucht.\nZymase.\nDie gleichen Pr\u00e4parate, an welchen der Invertasegehalt studiert wurde, dienten auch zur Untersuchung der G\u00e4rkraft. Bei diesen Versuchen wurde stets 1 g Trockenhefe in 20 ccm 10\u00b0/oiger Rohrzuckerl\u00f6sung aufgeschl\u00e4mmt. Es ergaben sich hier zun\u00e4chst starke Effekte; durch Behandlung mit neutralem Natriumphosphat unter den auf S. 284 angegebenen Bedingungen wurden die folgenden relativen G\u00e4rungsgeschwindigkeiten erhalten.\nDauer der Phosphatbehand-lung^der Hefe\t0\t40\t60\t110 Minuten\nKelative G\u00e4rungsgeschwindigkeit\t1\t2\t2 :\t1,6\nEine hierauf folgende Versuchsreihe mit nicht neutralisiertem, also saurem Mononatriumphosphat ergab hingegen eine Schw\u00e4chung und zwar von 1 auf 0,55.\nGleichzeitig mit diesem Versuch wurden Parallelversuche mit der gleichen Hefe angestellt, welche in analoger Weise durch Monophosphat behandelt, aber nicht getrocknet worden war, sondern sofort abgepre\u00dft in die Zuckerl\u00f6sung gebracht wurde. Hier zeigte sich im Gegensatz zu dem mit Dauerhefe erhaltenen Ergebnis eine Erh\u00f6hung der G\u00e4rkraft durch die Phosphatbehandlung.\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. LXX.\n20","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"286\tHans Euler und Beth af Ugglas,\nDies lenkte unsere Aufmerksamkeit auf die Vorg\u00e4nge, welche beim Trocknen der Hefe stattfinden, und auf die Frage, wodurch die G\u00e4rkraft der Hefe in den Vakuumdauerpr\u00e4paraten so au\u00dferordentlich geschw\u00e4cht ist.\nL\u00e4\u00dft man 1 g lebende Hefe in 10\u00b0/oiger Zuckerl\u00f6sung g\u00e4ren und untersucht unter den gleichen Umst\u00e4nden die gleiche Hefemenge, nachdem sie zuvor in ein Vakuumdauerpr\u00e4parat verwandelt worden war, so verhalten sich die nach 3 Stunden entwickelten Kohlens\u00e4uremengen wie 20:1. Diese letztere Tatsache schien uns einer eingehenden \u00dcberlegung wert. Die Trocknung der Hefe im Vakuum geschah bei unseren Versuchen bei 40\u00b0 und die erw\u00e4hnte starke Schw\u00e4chung der G\u00e4rungsgeschwindigkeit kann somit nicht auf die Temperaturempfindlichkeit der Zymase geschoben werden. Nach 5 Minuten ist n\u00e4mlich die im Passb urgschen Apparat gut ausgebreitete Hefe fast wasserfrei und selbst durch eine 5 Minuten lange Einwirkung von 40\u00b0 wird die Zymase nur wenig geschw\u00e4cht, wie aus den Versuchen, welche Buchner mit Hefepre\u00dfsaft bei verschiedenen Temperaturen angestellt hat, deutlich hervorgeht. Au\u00dferdem ist daran zu erinnern, da\u00df dieselbe Schw\u00e4chung, welche die Hefe durch Trocknen erf\u00e4hrt, auch bei der Alkohol\u00e4therbehandlung eintritt.\nMan hat diese Schw\u00e4chung zuweilen mechanisch gedeutet, n\u00e4mlich so, da\u00df die Schrumpfung der Zellw\u00e4nde, welche bei der Herstellung des Dauerpr\u00e4parates eintritt, die Durchdringlichkeit der Zellw\u00e4nde vermindert. In diesem Falle mu\u00dfte eine starke Erh\u00f6hung der G\u00e4rkraft der Dauerhefe eintreten, wenn die Zellw\u00e4nde durch Verreiben zerrissen werden. Tats\u00e4chlich ist aber, wie der eine von uns festgestellt hat,1) der Einflu\u00df des Verreibens ein recht geringer.\nDie starke Inaktivierung der Hefe bei der Herstellung von Dauerpr\u00e4paraten bedarf also noch der weiteren Aufkl\u00e4rung. Als Arbeitshypothese kann man einstweilen wohl folgende Vorstellung annehmen:\nDie Zymase ist in der lebenden Hefe als chemischer Komplex ganz oder teilweise an das Protc-\n\u2022) Diese Zeitschrift, Bd. XLVI.","page":286},{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber chemische Zusammensetzung und Bildung der Enzyme. II. 287\nplasma1) gebunden; wird die vitale T\u00e4tigkeit der Zelle dauernd oder zeitweilig aufgehoben, so wird auch die g\u00e4rungserregende Gruppe des Protoplasmas, also die an das Plasma gebundene Zymase, inaktiviert; wirksam bleibt nur derjenige Teil des G\u00e4rungsenzymes, welcher (frei ist oder) bei der Entw\u00e4sserung der Hefe im Vakuum oder durch Alkohol freigemacht wird.\nZur Pr\u00fcfung dieser Annahme haben wir Versuche mit Giften bezw. antiseptischen Stoffen angestellt und haben uns an die Angaben erinnert, welche E. Buchner in seiner Monographie2) \u00fcber den Einflu\u00df von Chloroform und Toluol auf die G\u00e4rung durch lebende Hefe gemacht hat. Mit Chloroform hat er folgende Versuche ausgef\u00fchrt:\n1.\tVersuchsreihe: a) 45 ccm frischer Hefepre\u00dfsaft -f-7,5 g Rohrzucker -f- 2 ccm Chloroform lieferten unter best\u00e4ndiger Luftdurchleitung bei Zimmertemperatur innerhalb 25 Stunden 1,03 g Kohlendioxyd. \u2014 b) 20 g Hefe (die n\u00e4mliche, aus welcher der Pre\u00dfsaft bereitet worden war) -f 7,5 g Rohrzucker -f- 2 ccm Chloroform mit Meissls N\u00e4hrsalzl\u00f6sung auf das Volumen der Fl\u00fcssigkeit bei Versuch a aufgef\u00fcllt, gaben unter best\u00e4ndiger Luftdurchleitung bei Zimmertemperatur innerhalb 25 Stunden 1,46 g Kohlendioxyd. \u2014 Bei einem Kontroll-versuch c): 20 g Hefe -f- 7,5 g Rohrzucker + Meissls N\u00e4hrsalzl\u00f6sung wie bei b, aber ohne Chloroformzusatz, trat schon nach einigen Stunden \u00dcbersch\u00e4umen ein und nach 25 Stunden Stehen war kein Zucker mehr nachzuweisen.\n2.\tVersuchsreihe: a) 45 ccm frischer Hefepre\u00dfsaft -f-5 g Rohrzucker -f- 1 ccm Chloroform lieferten bei Luftdurch-leiten und Zimmertemperatur nach 30\u00b0 1,68 g Kohlendioxyd, b) 15 g derselben Hefe, aus welcher der Pre\u00dfsaft hergestellt wurde, + 5 g Rohrzucker -f- 1 ccm Chloroform -|- soviel von\n*) Unter Protoplasma soll hier nichts anderes verstanden werden, als diejenige Substanz, welche der Tr\u00e4ger der typischen Lebensfunktionen ist.\n*) E. Buchner, H. Buchner und M. Hahn, Die Zymaseg\u00e4rung. 1905. S. 176.\n20*","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288\nHans Euler und Beth af Ugglas,\nMeis sis N\u00e4hrsalzl\u00f6sung, da\u00df im ganzen 46 ccm, geben unter denselben Bedingungen nach 30 Stunden 1,17 g Kohlens\u00e4ure.\nSelbst haben wir Versuche mit relativ geringen Hefemengen angestellt. Wir erhielten in 3 Stunden bei 30\u00b0 mit 0,5 g Hefe aus 40 ccm 10\u00b0/oiger Rohrzuckerl\u00f6sung: mit\tn,. e 0,0010 g C02\nohne\t0,3825 \u00bb C02.\nEin \u00e4hnlicher Versuch wurde mit Toluol ausgef\u00fchrt: Angewandt 0,5 g Hefe auf 40 ccm 10\u00b0/oiger Rohrzuckerl\u00f6sung bei 30\u00b0.\nInnerhalb 3 Stunden entstehen\nmit .\trp , ,\t0,0008 g C02\nv\u2014 1\tccm Toluol\t\u2019 ftAK 6\t*\nohne\t0,3905 g C02\nIn diesem Verhalten der Hefe gegen antiseptische Stoffe und Gifte\tsehen wir,\twenn auch\tkeinen strengen\tBeweis,\tso\ndoch\teine\twesentliche St\u00fctze f\u00fcr\tunsere obige Annahme, da\u00df\ndie Zymasegruppe der lebenden Hefe eine Komponente des Plasmas ist. So lange die Zymasegruppe einen Teil des Plasmas bildet, \u00fcbertr\u00e4gt sich die chemische Ver\u00e4nderung, auf welcher die Vergiftung beruht, auf die Zymasegruppe, welche somit auch inaktiviert wird. Die chemische Beeinflussung geschieht also indirekt durch das Protoplasma.\nDie vom Plasma abgetrennte Zymase \u2014 sei es, da\u00df die Abtrennung mechanisch oder durch Erw\u00e4rmen erfolgt \u2014 ist somit unempfindlich gegen Antiseptika, wie ja bekanntlich die mfeisten Enzyme. Tats\u00e4chlich wird nach Buchners Angaben die Zymase des Hefepre\u00dfsaftes nicht durch Chloroform geschw\u00e4cht und das Gleiche gilt von Dauerhefe, wie wir uns selbst \u00fcberzeugt haben.\nAn seine Versuche mit Chloroform kn\u00fcpft Buchner folgende Bemerkung:\n\u00abIn beiden Versuchsreihen lieferten also die mit Chloroform versetzten Hefemassen Kohlendioxyd, aber nicht mehr, als dem Zymasevorrat entsprechen d\u00fcrfte; es wurde lange nicht aller Zucker vergoren, was dem Kontrollversuch c der ersten Versuchsreihe gem\u00e4\u00df bei ungehindertem Wachstum der Hefe zu erwarten gewesen w\u00e4re. \u00dcber die Toluolversuche","page":288},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber chemische Zusammensetzung und Bildung der Enzyme. II. 289\nsagt Buchner: Es bilden sich nur Spuren von Kohlendioxyd entsprechend dem in den Zellen vorhandenen Zymasevorrat. Dieselbe Hefe gab unter den gleichen Bedingungen, aber ohne Toluolzusatz lebhafte G\u00e4rung, d. h. es fand fortw\u00e4hrend Neubildung von Zymase statt.\nDie Frage, ob die Hefe w\u00e4hrend der G\u00e4hrung ihre Zymase in dem hier angedeuteten Grade verbraucht und sie st\u00e4ndig regeneriert, scheint uns von solcher Bedeutung, da\u00df eine Diskussion derselben hier wohl gerechtfertigt ist.\nWie es sich mit den Spuren Kohlendioxyd auch verh\u00e4it, welche durch Hefe in Gegenwart von Chloroform und Toluol entwickelt werden \u2014 wir werden dar\u00fcber noch weitere Versuche anstellen \u2014, so ist doch sicher die pro Zeiteinheit entwickelte Menge Kohlens\u00e4ure h\u00f6chstens l/m der normalen ; man m\u00fc\u00dfte also, wenn man die von Buchner u. a. ge\u00e4u\u00dferte Vorstellung akzeptiert, annehmen, da\u00df die Hefe in dem Moment, in welchem die G\u00e4rung unterbrochen wird, nur etwa diejenige Zymasemenge enth\u00e4lt, welche in der normal g\u00e4renden Hefe zur Wirksamkeit kommt. Man mu\u00df ja, wenn die \u00e4u\u00dferen Bedingungen, wie Gehalt an Koenzymen, Aktivatoren usw. unge\u00e4ndert bleiben, Wirkung und Enzymgehalt proportional setzen.\nDie erw\u00e4hnte Annahme einer Regeneration scheint uns besonders mit folgenden zwei Tatsachen nicht vereinbar:\n1. Es ist seither bekannt geworden, da\u00df die Zymase bei der G\u00e4rung durch Hefepre\u00dfsaft und durch Dauerhefe nicht verbraucht wird. Bei der G\u00e4rung mit Pre\u00dfsaft bleiben n\u00e4mlich die Konstanten\nin der ersten H\u00e4lfte der Reaktion, d. h. so lange kein Eiwei\u00df ausf\u00e4llt und die Wirkung der Endotryptase nicht \u00fcberhand nimmt, konstant. Bei der G\u00e4rung mit Dauerhefe steigen sogar die Konstanten; eine Abnahme an Enzym kann also in diesen F\u00e4llen nicht eingetreten sein. Da\u00df nur in der lebenden Hefe die freie Zymase verbraucht wird, ist sehr unwahrscheinlich.\n2. Selbst die Dauerhefe ist sehr viel wirksamer, als lebende","page":289},{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"290 Hans Enler und Beth af Ugglas. \u00dcber Enzyme. II.\nHefe in Gegenwart von Chloroform; keinesfalls ist aber in der lebenden Hefe der Gehalt an aktiver Zymase kleiner als in der Dauerhefe, aller Wahrscheinlichkeit nach viel gr\u00f6\u00dfer, und die lebende Hefe mu\u00df somit mindestens ebensoviel Zymase enthalten wie die Dauerhefe, also jedenfalls mehr, als bei der Chloroformg\u00e4rung zur Wirksamkeit kommt.\nEine Neubildung von Zymase durch die Bildung neuer Zellen, also durch Hefevermehrung, kommt bei so kurzen G\u00e4rungszeiten wie 3 Stunden selbst in Gegenwart von N\u00e4hrl\u00f6sung nur wenig in Betracht, sie betr\u00e4gt h\u00f6chstens 1\u20142\u00b0/o der urspr\u00fcnglichen Menge.\nMit obigen Tatsachen steht anderseits unsere Annahme, da\u00df die Zymase der lebenden Hefe eine Komponente des Protoplasmas ist, gut im Einklang.\nAuf einige Konsequenzen dieser Annahme werden wir in einer folgenden Mitteilung zur\u00fcckkommen.","page":290}],"identifier":"lit19157","issued":"1910-11","language":"de","pages":"279-290","startpages":"279","title":"Untersuchungen \u00fcber die chemische Zusammensetzung und Bildung der Enzyme. II. Mitteilung","type":"Journal Article","volume":"70"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:11:32.131361+00:00"}