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{"created":"2022-01-31T14:11:33.183416+00:00","id":"lit19159","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Arnold, Vinzenz","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 70: 300-309","fulltext":[{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Farbenreaktion von Eiwei\u00dfk\u00f6rpern mit Nitroprussidnatrium.\nVon\nVinzenz Arnold.\n( Aus der Abteilung f\u00fcr Infektionskrankheiten des allgemeinen Krankenhauses zu Lemberg.) (Vorgelegt der Akademie der Wissenschaften in Krakau am 21. Febr. l!)10.i J>er Redaktion zugegangen am 4. Dezember 1910.)\nEine Reihe von Eiwei\u00dfk\u00f6rpern gibt mit Nitroprussidnatrium und Ammoniak eine charakteristische Farbenreaktion. Diese Reaktion wird in folgender Weise vorgenommen: Wenn es sich um einen in Wasser gel\u00f6sten Eiwei\u00dfk\u00f6rper handelt, versetzt man 1\u20142 ccm der L\u00f6sung mit einigen (2\u20144) Tropfen einer 4\u20145\u00b0/oigen Nitroprussidnatriuml\u00f6sung und darauf mit einigen Tropfen Ammoniak, worauf die L\u00f6sung sofort eine intensive purpurrote F\u00e4rbung annimmt. Auf Zusatz von Essigs\u00e4ure entf\u00e4rbt sich die L\u00f6sung sofort. Die Farbenreaktion ist nicht fl\u00fcchtig, die purpurrote F\u00e4rbung verbla\u00dft allm\u00e4hlich etwa im Verlauf einer Viertelstunde. Das Ammoniak l\u00e4\u00dft sich bei dieser Reaktion durch stark verd\u00fcnnte Kali- oder Natronlauge ersetzen, doch ist NHS vorzuziehen.\nZur Vornahme dieser Reaktion eignet sich vortrefflich das Gemenge der peptischen Abbauprodukte von Eiereiwei\u00df oder der Stromasubstanz des Fleisches. Es gen\u00fcgt zu diesem Zwecke, rohes Eiereiwei\u00df nach Verd\u00fcnnung mit 1 \u2014 2 Volumen Wasser durch eine Stunde bei 37\u00b0 mit Pepsin-HGl der Verdauung zu \u00fcberlassen, um eine mit Nitroprussidnatrium stark reagierende L\u00f6sung zu erhalten.\nEine sehr kr\u00e4ftige und sch\u00f6ne Reaktion zeigen auch die wasserl\u00f6slichen Eiwei\u00dfk\u00f6rper der Krystallinse des Auges.\nEbenso sch\u00f6n l\u00e4\u00dft sich diese Reaktion auch an ausgef\u00e4llten Eiwei\u00dfstofTen zeigen. Man kann dazu die vermittelst Na2S04 oder (NH4)2S04 ausgef\u00e4llten Eiwei\u00dfk\u00f6rper der Krystall-","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Farbenreaktion von Eiwei\u00dfk\u00f6rpern mit Nitroprussidnatrium. 301\nlinse ben\u00fctzen. Man breitet etwas von dem ausgef\u00e4llten und ausgewaschenen Eiwei\u00dfniederschlage auf Filtrierpapier aus, benetzt die Eiwei\u00dfschicht mit einigen Tropfen der 4\u00b0/oigen Nitro-prussidnatriuml\u00f6sung, entfernt nach einigen Augenblicken das \u00fcbersch\u00fcssige Reagens mittels eines untergelegten Streifens Filtrierpapier und bringt dann mit Hilfe eines Glasstabes einen Tropfen NH3 auf den Niederschlag, welcher nun sogleich eine purpurrote F\u00e4rbung annimmt. Diese F\u00e4rbung tritt \u00fcbrigens schon ein, wenn man den in NHS eingetauchten Glasstab nur in die N\u00e4he der mit dem Reagens benetzten Eiwei\u00dfschicht bringt. Man kann zur Vornahme dieser Reaktion auch durch Kochen ausgef\u00e4lltes und gut ausgewaschenes Eiereiwei\u00df oder Ovalbumin ben\u00fctzen, welches jedoch diese Reaktion in etwas schw\u00e4cherem Grade zeigt.\nDa \u00fcbrigens in allen Organen Gewebseiwei\u00dfsto\u00dfe Vorkommen, die diese Reaktion in mehr oder weniger intensivem Grade zeigen, so gen\u00fcgt es, ein St\u00fcckchen irgend eines Gewebes auf Filtrierpapier mittels eines Spatels auszubreiten und dann die Reaktion vorzunehmen. Die kr\u00e4ftigste und sch\u00f6nste Reaktion zeigt unter allen Organen des Tierk\u00f6rpers die Kry-stallinse. Es ist jedoch diese Reaktion der Organe des Tierk\u00f6rpers nicht ausschlie\u00dflich auf Eiwei\u00dfk\u00f6rper zu beziehen.\nEs l\u00e4\u00dft sich unschwer zeigen, da\u00df diese Reaktion eine Eigenschaft der betreffenden Eiwei\u00dfk\u00f6rper ist. Man verreibt zu diesem \"Zwecke zwei ganz frische Krystallinsen mit etwas Wasser und erh\u00e4lt auf diese Weise eine etwas viscide, opalisierende, schwach alkalische L\u00f6sung, die nach geeigneter Verd\u00fcnnung auch ohne Schwierigkeit filtriert werden kann. Ein wasserunl\u00f6slicher Anteil der Linse war dabei nicht zu beobachten. Eine solche L\u00f6sung wurde nach Ans\u00e4uerung vermittelst (NH4)2S04 ausgef\u00e4llt, der Niederschlag gewaschen, wieder gel\u00f6st und gef\u00e4llt und dies noch einmal wiederholt.1 Wird das auf diese Weise gereinigte Pr\u00e4parat nun wieder in Wasser gel\u00f6st und vermittelst (NH4)aS04 ausgef\u00e4llt oder durch Kochen koaguliert, so erh\u00e4lt man ein Filtrat, welches keine Spur einer Nitroprussidreaktion mehr zeigt, und eine Eiwei\u00dff\u00e4llung, die in charakteristischer Weise reagiert. Das durch Kochen ausge-\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. LXX.\t21","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"802\nVinzenz Arnold\nf\u00e4llte Eiereiwei\u00df kann oftmals mit Wasser, Alkohol und \u00c4ther ausgewaschen werden, ohne da\u00df sein Verhalten gegen Nitro-prussidnatrium eine \u00c4nderung erfahren w\u00fcrde.\n* Zur Ausf\u00fcllung der mit Nitroprussidnatrium reagierenden Eiwei\u00dfk\u00f6rper ist eine indifferente Methode zu w\u00e4hlen; es eignet sich dazu vor allem die Ausf\u00fcllung vermittelst der Neutralsalze (Na2S04, (NH4)2S04 und MgSOJ; auch die mit Alkohol und Phosphorwolframs\u00e4ure erzeugten F\u00e4llungen zeigen die Reaktion, w\u00e4hrend die durch Eisenchlorid, Sublimat und Kaliumquecksilberjodid erhaltenen Eiwei\u00dfniederschl\u00e4ge sie nicht mehr geben. Durch Jod, Brom oder H202 in alkalischer L\u00f6sung wird diese Reaktion ebenfalls sogleich vernichtet. In alkalischer L\u00f6sung verlieren die mit Nitroprussidnatrium reagierenden Eiwei\u00dfk\u00f6rper diese Reaktion in kurzer Zeit, w\u00e4hrend in einer sauer reagierenden L\u00f6sung (z. B. der peptischen Abbauprodukte von Eiereiwei\u00df) die Reaktion nur allm\u00e4hlich abnimmt und erst nach Wochen vollst\u00e4ndig verschwindet. Am besten lassen sich diese Eiwei\u00dfk\u00f6rper in trockenem Zustande auf bewahren; auf Filtrierpapier in d\u00fcnner Schicht eingetrocknete Krystallinsensubstanz zeigte noch nach Jahresfrist die Farbenreaktion fast ebenso stark, wie in frischem Zustande. Ebenso lange konnte auch ohne \u00c4nderung des urspr\u00fcnglichen Verhaltens mit Na2S04 ausgef\u00e4lltes Organeiwei\u00df der Thymusdr\u00fcse und anderer Organe in trockenem Zustand aufbewahrt werden. Durch Hitze koagulierte Eiwei\u00dfk\u00f6rper (z. B. gekochtes Fleisch) zeigen die Reaktion noch ebenso sch\u00f6n wie vorher.\nVon den Eiwei\u00dfstoffen des Muskels geben die Muskelglobuline (Myosin und Muskulin) die Reaktion mit Nitroprussidnatrium durchaus deutlich, aber nicht kr\u00e4ftig. (Die Darstellung derselben wurde nach der Vorschrift Halliburtons vorgenommen.) Eine sehr sch\u00f6ne und kr\u00e4ftige purpurviolette Reaktion gibt die Stromasubstanz des Muskels, welche nach vollst\u00e4ndiger Entfernung s\u00e4mtlicher in Wasser und verd\u00fcnnter Salzl\u00f6sung l\u00f6slicher Eiwei\u00dfk\u00f6rper neben etwas Bindegewebe als unl\u00f6sliche, rein wei\u00dfe, flockige Masse zur\u00fcckbleibt. (Nach v. F\u00fcrth entsteht bekanntlich die Stromasubstanz durch einen Gerinnungsproze\u00df haupts\u00e4chlich aus dem Myogen des frischen","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Farbenreaktion von Eiwei\u00dfk\u00f6rpern mit Nitroprussidnatrium. 303\nMuskels. Das Verhalten dieses Eiwei\u00dfk\u00f6rpers habe ich jedoch bisher nicht untersucht.) Die Stromasubstanz wird durch verd\u00fcnnte Salzs\u00e4ure sogleich in eine gallertige Masse von Acid-albumin umgewandelt. Dieses gibt, wie die Stromasubstanz, eine sch\u00f6ne Reaktion mit Nitroprussidnatrium, auch wenn es einigemal ausgef\u00e4llt und wieder gel\u00f6st wurde. Zur Vornahme der Reaktion eignet sich am besten ausgef\u00e4lltes Acidalbumin. Dazu kann der Niederschlag verwendet werden, den Nitroprussidnatrium in einer sauer reagierenden Acidalbuminl\u00f6sung erzeugt.\nNitroprussidnatrium f\u00e4llt in 4\u20145\u00b0/oiger L\u00f6sung alle Eiwei\u00dfstoffe aus saurer L\u00f6sung (G. Mya und R. Palm); gef\u00e4llt werden au\u00dferdem auch die Albuminate aus saurer L\u00f6sung. Nicht gef\u00e4llt wird Ovomucoid. Auch die prim\u00e4ren Albumosen (aus Wittes Pepton) werden, wenn auch unvollst\u00e4ndig, gef\u00e4llt, doch bildet sich ein bleibender Niederschlag erst nach Zusatz von \u00fcbersch\u00fcssigem Reagens. Dieser Niederschlag l\u00f6st sich bei gelindem Erw\u00e4rmen. Die Deuteroalbumosen werden nicht mehr gef\u00e4llt. Auch in einer Glutinl\u00f6sung bildet sich ein bleibender Niederschlag erst nach Zusatz einer gr\u00f6\u00dferen Tropfenzahl der Nitroprussidnatriuml\u00f6sung. Diese Eiwei\u00dfniederschl\u00e4ge kann man \u2014 soweit es sich um einen Eiwei\u00dfk\u00f6rper handelt, welcher die Farbenreaktion mit Nitroprussidnatrium zeigt \u2014 zur Anstellung dieser Farbenreaktion ben\u00fctzen.\nDas Gemenge der aus Stromasubstanz durch Pepsinsalzs\u00e4ure entstehenden Verdauungsprodukte reagiert mit Nitroprussidnatrium mit intensiver purpurvioletter Farb\u00e9. Dieses Verdauungsgemisch wurde neutralisiert, das klare Filtrat, welches kein koagulables Eiwei\u00df enthielt, nach Ans\u00e4uerung mittels verd\u00fcnnter H2$04 mit (NH4)2S04 oder Na2S04 ges\u00e4ttigt. Der reichliche Albumosenniederschlag wurde mit konzentrierter Salzl\u00f6sung gewaschen, wieder gel\u00f6st und ausgef\u00e4llt. Dieser Niederschlag gibt eine sch\u00f6ne purpurrote Reaktion mit Nitroprussidnatrium. Das wasserklare Filtrat gibt mit Nitroprussidnatrium noch eine ziemlich starke Reaktion. Es gibt au\u00dferdem eine rosarote Biuretreaktion. F\u00e4llt man jetzt mit Phosphorwolframs\u00e4ure, so gibt der erhaltene Niederschlag nach\n21*","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304\nVinzenz Arnold,\ndem Auswaschen noch eine deutliche positive Reaktion mit Nitroprussidnatrium. Wird ein solches Filtrat nach Ausf\u00e4llung der Albumosen vermittelst (NH4)2S04 und nach entsprechender Verd\u00fcnnung mit einer L\u00f6sung von Wittes Pepton (welches diese Farbenreaktion nicht gibt) vermischt und dann wieder mit dem Salz ges\u00e4ttigt, so zeigen die ausfallenden Albumosen die Reaktion nicht.\nGanz \u00e4hnlich verh\u00e4lt sich auch das Eiereiwei\u00df des H\u00fchnereies. Das fl\u00fcssige Eiwei\u00df gibt keine Reaktion mit Nitroprussidnatrium ; wird es aber mit dem gleichen Volumen Wasser verd\u00fcnnt, dann mit Pepsin und Salzs\u00e4ure versetzt und bei 37\u00b0 der Verdauung \u00fcberlassen, so bemerkt man nun eine rasch an Intensit\u00e4t zunehmende positive Farbenreaktion mit Nitroprussidnatrium. Bereits nach einer Stunde ist das Maximum der Reaktion erreicht. Man kann sich jetzt \u00fcberzeugen, da\u00df die Reaktion haupts\u00e4chlich durch Acidalbuminat und Albumosen verursacht wird; doch gibt auch das Filtrat nach Ausf\u00e4llung derselben durch Na2S04 noch eine deutliche Reaktion; dieses Filtrat zeigt auch eine deutliche Biuretreaktion. Der mit Phosphorwolframs\u00e4ure erhaltene Niederschlag zeigt auch noch eine deutliche Farbenreaktion mit Nitroprussidnatrium. Das gleiche Verhalten zeigt auch durch Hitze koaguliertes und gut ausgewaschenes Eiereiwei\u00df, nur da\u00df der Verdauungsproze\u00df l\u00e4ngere Zeit in Anspruch nimmt. Die mitgeteilten Versuche f\u00fchren jedenfalls zu dem Ergebnis, da\u00df auch peptische Abbauprodukte von Eiwei\u00dfk\u00f6rpern, welche mit Nitroprussidnatrium reagieren (Albumosen, Peptone), diese Farbenreaktion in charakteristischer Weise zeigen.\nWird ein aus einem Organ (Leber, Thymus) erhaltener Organbrei nach Ans\u00e4uerung mit Na2S04 bei 34\u201435\u00b0 verrieben, wodurch die Gewebseiwei\u00dfk\u00f6rper ausgef\u00e4llt werden, die kr\u00fcmlige Masse dann oftmals mit ges\u00e4ttigter Natriumsulfatl\u00f6sung verrieben und ausgepre\u00dft und darauf noch mit Alkohol und \u00c4ther behandelt, so zeigt die erhaltene, meist vollst\u00e4ndig farblose Substanz \u2014 die aus den ausgef\u00e4llten Gewebseiwei\u00dfk\u00f6rpern neben etwas Bindegewebe besteht \u2014 diese Farbenreaktion in starkem Grade. Alle Organe zeigen in dieser Beziehung das","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Farbenreaktion von Eiwei\u00dfk\u00f6rpern mit Nitroprussidnatrium. 305\n4\ti\ngleiche Verhalten. Das eigentliche Bindegewebe (Sehnen, Fascien, Knorpel) zeigt diese Reaktion nicht. Im Knorpel treten blo\u00df die Zellen als gef\u00e4rbte Punkte hervor. Das Glutin gibt diese Reaktion nicht. Bez\u00fcglich des Glask\u00f6rpers w\u00e4re zu erw\u00e4hnen, da\u00df das Mucoid desselben diese Farbenreaktion nur in sehr schwachem Grade zeigt.\nEtwas anders als die Eiwei\u00dfk\u00f6rper der tierischen Organe verhalten sich einige Eiwei\u00dfk\u00f6rper des H\u00fchnereies, welche diese Reaktion zwar nicht im nativen, wohl aber in denaturiertem Zustand zeigen. Zu dieser Gruppe geh\u00f6ren von den Eiwei\u00dfk\u00f6rpern des Eiklars das Ovoglobulin und Ovalbumin, w\u00e4hrend das Ovomucoid diese Reaktion nicht zeigt. Sowohl das Globulin, als auch das Albumin des Eiklars zeigen nach der Ausf\u00e4llung durch (NH4)2S04, also in nativem und wasserl\u00f6slichem Zustand keine Spur einer Reaktion mit Nitroprussidnatrium. Werden sie aber durch Aufkochen ihrer L\u00f6sung, durch Ausf\u00e4llung mittels Salzs\u00e4ure, Alkohol oder Nitroprussidnatrium zugleich denaturiert, so zeigen sie nun diese Farbenreaktion, Ebenso verh\u00e4lt sich das Ovovitellin. Durch Alkohol ausgef\u00e4llt (und zugleich denaturiert) und mit \u00c4ther gereinigt, zeigt das rein wei\u00dfe Pr\u00e4parat eine sch\u00f6ne, doch erheblich schw\u00e4chere Reaktion als das denaturierte Ovalbumin, In nicht denaturiertem Zustande (d. i. durch (NH4)2S04 ausgef\u00e4llt) zeigt es. die Reaktion nicht.\nMit Nitroprussidnatrium reagierende Eiwei\u00dfk\u00f6rper wurden in allen untersuchten Tierarten gefunden. Ihr Vorkommen beschr\u00e4nkt sich aber nicht auf die tierischen Organismen. Sie werden auch in der Pflanze angetroffen. Mit Leichtigkeit k\u00f6nnen sie oft im Samen nachgewiesen werden (Bohne, Linse, \u00c4pfel- und Orangenkerne). Die Reaktion ist hier jedoch immer relativ schwach und nicht mit der kr\u00e4ftigen Reaktion tierischer Organeiwei\u00dfk\u00f6rper zu vergleichen. Auch der Steinpilz (besonders das Gewebe des Stengels) zeigt diese Reaktion. In gr\u00fcnen Pflanzenteilen wird sie jedoch immer vermi\u00dft.\nAn die Eiwei\u00dfk\u00f6rper des H\u00fchnereies lassen sich die Keratine anschlie\u00dfen, die in unver\u00e4ndertem Zustand diese Reaktion nat\u00fcrlich nicht zeigen* aber durch Einwirkung von Kali-","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"3(H>\nVinzenz Arnold,\noder Natronlauge in Albuminate, Albumosen und Peptone \u00fcbergef\u00fchrt werden, die diese Reaktion in sehr kr\u00e4ftiger Weise geben. Untersucht wurde das Keratin der N\u00e4gel, der Haare, der Vogelfedern und der Eihaut des H\u00fchnereies. Die erhaltenen Albuminat- und Albumosenniederschl\u00e4ge wurden ausgewaschen und in d\u00fcnner Schicht auf Filtrierpapier trocken aufbewahrt: noch nach Wochen zeigten sie eine starke und sch\u00f6ne Reaktion.\nDie letzte Gruppe bilden endlich die Eiwei\u00dfk\u00f6rper, welche eine Farbenreaktion mit Nitroprussidnatrium nicht geben. Es geh\u00f6ren hierher au\u00dfer dem Ovomucoid des H\u00fchnereies noch die Eiwei\u00dfk\u00f6rper des Blutserums und der Exkrete und Sekrete des Organismus (Mucin des Mundspeichels, das Gasein der Milch, die Harneiwei\u00dfk\u00f6rper).\nAn abgespaltenes Alkalisulfid kann bei dieser Reaktion nicht gedacht werden. In keiner der L\u00f6sungen (untersucht wurden peptische Verdauungsl\u00f6sungen aus Stromaeiwei\u00df, Eiereiwei\u00df usw.) konnte SH2 nachgewiesen werden. Durch Einwirkung von Ammoniak bei Zimmertemperatur kommt es auch zu keiner Alkalisulfidabspaltung. Wird jedoch eine solche L\u00f6sung vorher mit Natronlauge gekocht, so kann SH2 mit Leichtigkeit nachgewiesen werden. Es verl\u00e4uft \u00fcbrigens die Farbenreaktion einer Alkalisulfidl\u00f6sung mit Nitroprussidnatrium und Ammoniak in anderer Weise als die hier beschriebene Reaktion der Eiwei\u00dfk\u00f6rper. Die violette F\u00e4rbung geht rasch in Blauviolett und Dunkelblau \u00fcber, w\u00e4hrend der purpurrote Farbenton der Reaktion eines Eiwei\u00dfk\u00f6rpers sich nicht \u00e4ndert und nur allm\u00e4hlich verbla\u00dft.\nVon den das Eiwei\u00dfmolek\u00fcl zusammensetzenden Aminos\u00e4uren zeigt nur das Cystein dieselbe Reaktion (untersucht wurden folgende Aminos\u00e4uren: Glykokoll, Alanin, Phenylalanin, Tyrosin, Leucin, Asparagins\u00e4ure, Glutamins\u00e4ure, Cystin, Histidin, Tryptophan und Taurin). Es zeigen auch tats\u00e4chlich die mit Nitroprussidnatrium reagierenden Eiwei\u00dfk\u00f6rper ein gleiches Verhalten wie diese Aminos\u00e4ure. Das Cystein ist bekanntlich nur in trockenem Zustand und in saurer L\u00f6sung best\u00e4ndig, w\u00e4hrend es in alkalischer L\u00f6sung rasch zu Cystin oxydiert wird. Es ist empfindlich gegen die Einwirkung oxydierender Agenzien","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Farbenreaktion von Eiwei\u00dfk\u00f6rpern mit Nitroprussidnatrium. H07\n(Jod, Brom, Hs02, Metalloxyde wie FeCls). Das gleiche gilt aber auch f\u00fcr die diese Reaktion zeigenden Eiwei\u00dfk\u00f6rper. Es kann daher wohl mit Recht angenommen werden, da\u00df die reagierende Gruppe, welche diese Farbenreaktion der Eiwei\u00dfk\u00f6rper verursacht, das Cystein ist, und da\u00df die wechselnde Intensit\u00e4t dieser Reaktion von der Anzahl reaktionsf\u00e4higer Cysteingruppen abh\u00e4ngt.\nBereits nach Beendigung der vorliegenden Arbeit habe ich einige Arbeiten A. Heffters kennen gelernt, w\u00e8lche sich auf den Gegenstand derselben beziehen.1) H eff ter kennt bereits die hier mitgeteilte Farbenreaktion hinsichtlich des Ovalbumins. Dieses gibt nach Heffter eine positive Reaktion, w\u00e4hrend Serumeiwei\u00df, Fibrin, Eierglobulin, Wittepepton diese Reaktion nicht zeigen. Frische Schnittfl\u00e4chen der Organe zeigen die Reaktion ebenfalls und Heffter folgert daraus, da\u00df in tierischen Organen Substanzen Vorkommen, die sich gegen Nitroprussidnatrium wieSH-Verbindungen verhalten. Sehr wichtig ist die Feststellung Heffters, da\u00df die fein verteilten Schwefel nicht zu Schwefelwasserstoff reduzierenden Eiwei\u00dfk\u00f6rper (Fibrin, Serumeiwei\u00df, Casein, Ovomucoid) diese Reaktion nicht geben; da das Cystein nach Heffter schon bei gew\u00f6hnlicher Temperatur Schwefel reduziert, so wird damit ein weiterer Beweis gewonnen, da\u00df es tats\u00e4chlich Cysteingruppen sind, welche die Reaktion gewisser Eiwei\u00dfk\u00f6rper verursachen.\nIn~ einer fr\u00fcheren Arbeit2) hat Heffter festgestellt, da\u00df es das Ovalbumin des Eiklars ist, welchem die Eigenschaft zukommt, Schwefel zu Schwefelwasserstoff zu reduzieren, und da\u00df diese Eigenschaft auch durch Aufkochen nicht verloren geht. Unrichtig jedoch ist seine Behauptung, da\u00df ein durch peptische Verdauung von Eierwei\u00df entstehendes Albumosen-Pepton-Gemenge nicht mehr die F\u00e4higkeit besitzt, SH2 zu bilden. Da\n*) A. Heffter, Die reduz. Bestandteile d. Zelle. Mediz.-nat. Archiv. Bd. I. Ref. i. Jahrber. \u00fc. d. F. d. Tierchemie, Bd. XXXVII, S. 565.\n*) M. Hausmann und A. Heffter, \u00dcber d. Wirkung d. Schwefels auf Eiwei\u00dfk\u00f6rper. Hofmeisters Beitr\u00e4ge, Bd. V, 1904. Auch A. Heffter, Beitr\u00e4ge zur Pharmakologie d. Schwefels. Arch. f. exp. Path. u. Pharm., Bd. LI. Referat in Jahr. f. Tierchemie, Bd. XXXIV, 1904.","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"Vinzenz Arnold,\n308\nein solches Gemenge \u2014 wie in dieser Arbeit mitgeteilt wurde \u2014 eine intensive Nitroprussidreaktion gibt, so w\u00e4re, die Richtigkeit der Angabe Heffters vorausgesetzt, anzunehmen, da\u00df doch beide Eigenschaften nicht auf dieselbe Ursache zur\u00fcckzuf\u00fchren w\u00e4ren. Ich habe jedoch gefunden, da\u00df ein solches Gemenge nach der Neutralisation feinverteilten Schwefel ziemlich energisch zu SII2 reduziert.\nHeffter fand weiter, da\u00df die mit FeCl3 und CuS04 erzeugten Albuminate Schwefel nicht mehr reduzieren.\nBez\u00fcglich der tierischen Organe hat bereits J. de Rey-Pailhade angegeben, da\u00df dieselben SH2 aus Schwefel bilden. Dieser Vorgang wurde von diesem Autor auf ein Philothion genanntes Ferment zur\u00fcckgef\u00fchrt, welches zu den Hydrogenasen oder Reduktasen geh\u00f6ren sollte. Heffter best\u00e4tigt diese Angaben de Rey-Pailhades, soweit sie sich auf die Bildung von SH2 aus Schwefel beziehen; die Philothionhypothese wird jedoch von ihm zur\u00fcckgewiesen, da die Reduktion des Schwefels zu SH2 durch die Einwirkung der Siedetemperatur nicht aufgehoben wird. Er beobachtete dabei, wenn er frische Leber in siedendes Wasser eintrug und die Mischung einige Zeit im Sieden erhielt, da\u00df dann sowohl das Filtrat wie der R\u00fcckstand die SH2-Reaktion gab. Wurde jedoch in diesem Filtrat alles Eiwei\u00df durch erneutes Auf kochen unter Zusatz von verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure ausgef\u00e4llt und abfiltriert, so verhielt sich das Filtrat gegen Schwefel negativ. Er schlo\u00df aus dieser Beobachtung, da\u00df die SH2-bildende Eigenschaft des Lebergewebes zum gr\u00f6\u00dferen Teil durch einen unbekannten eiwei\u00dfartigen Bestandteil bedingt ist, der auch nach dem Erhitzen auf 100\u00b0 noch wirksam ist. Diese Ansicht Heffters besteht nicht zu Recht, da die Organextrakte nach Ausf\u00e4llung der Eiwei\u00dfk\u00f6rper noch eine kr\u00e4ftige positive Farbenreaktion mit Nitroprussidnatrium zeigen und auch Schwefel zu SH2 reduzieren.\nHeffter nimmt an, da\u00df die nicht reduzierenden Eiwei\u00dfk\u00f6rper den Schwefel wahrscheinlich in cystinartiger Bindung R \u2022 S\u2014S \u2022 R enthalten, w\u00e4hrend die \u00abphilothionischen\u00bb Eiwei\u00df-stofTe Cystein enthalten. Eine Best\u00e4tigung dieser Ansicht kann man in dem Umstand finden, da\u00df es tats\u00e4chlich gelingt, durch","page":308},{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Farbenreaktion von Eiwei\u00dfk\u00f6rpern mit Nitroprussidnatrium. 309\nReduktion vermittelst Sn und HCl nicht reagierende Eiwei\u00dfk\u00f6rper in reagierende umzuwandeln (z. B. aus Witte-Pepton positiv reagierende Albumosen zu gewinnen), so, wie durch Reduktion Cystein aus Cystin hervorgeht.\n\u00dcbrigens konnte ich in Extrakten aus allen Organen Cystein nachweisen: die lebende Zelle wird also wohl auch die M\u00f6glichkeit besitzen, inaktive Cystingruppen in den Organeiwei\u00dfk\u00f6rpern in aktive Cysteingruppen umzuwandeln.\nDer leicht bewegliche H dieser Cysteingruppen \u00fcbt aber nicht nur eine Reduktionswirkung aus, er ist auch nach Heffter imstande, den molekul\u00e4ren 02 zu spalten und ihn dadurch zu aktivieren. Hierdurch w\u00e4re wenigstens teilweise die 02-Affinit\u00e4t der Zellen zu erkl\u00e4ren. Damit w\u00e4re das Vorkommen mit Nitroprussidnatrium positiv reagierender Eiwei\u00dfstofTe in allen tierischen Zellen und ihre Bedeutung f\u00fcr den Lebensproze\u00df erkl\u00e4rt, w\u00e4hrend sie im Bindegewebe, welches einen nur tr\u00e4gen Stoffwechsel besitzt, nicht nachgewiesen wurden.","page":309}],"identifier":"lit19159","issued":"1910-11","language":"de","pages":"300-309","startpages":"300","title":"Eine Farbenreaktion von Eiwei\u00dfk\u00f6rpern mit Nitroprussid","type":"Journal Article","volume":"70"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:11:33.183421+00:00"}