Open Access
{"created":"2022-01-31T16:49:50.292076+00:00","id":"lit19161","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Arnold, Vinzenz","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 70: 314-325","fulltext":[{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Cysteingehalt der tierischen Organe.\nVon\nVinzenz Arnold.\n(Aus der Abteilung f\u00fcr Infektionskrankheiten des allgemeinen Krankenhauses zu Lemberg.) (Der Redaktion zugegangen am 7. Dezember 1910.)\nWerden in Organextrakten oder Pre\u00dfs\u00e4ften tierischer Organe die Eiwei\u00dfk\u00f6rper vermittelst Na2S04 oder (NH4)2S04 vollst\u00e4ndig ausgef\u00e4llt, so zeigt ein solches Extrakt eine intensive purpurviolette Farbenreaktion mit Nitroprussidnatrium und Ammoniak, die in ihrem Verhalten mit der Nitroprussidreaktion der Organeiwei\u00dfk\u00f6rper vollst\u00e4ndig \u00fcbereinstimmt.\nZur Untersuchung wurden die noch lebenswarmen, dem eben get\u00f6teten Tier entnommenen Organe benutzt: doch erwiesen sich auch durch einige Tage auf Eis aufbewahrte Organe noch ebenso brauchbar wie ganz frische. L\u00e4\u00dft man jedoch Pre\u00dfs\u00e4fte oder w\u00e4sserige Organausz\u00fcge bei Zimmertemperatur stehen, so kann man nach kurzer Zeit die Reaktion nicht mehr nachweisen; werden sie aber vorher aufgekocht, so behalten sie die Reaktion durch l\u00e4ngere Zeit. Dieses Verhalten ist daher auf eine Ferment Wirkung zu beziehen. Es ergibt sich daraus die Forderung, die erhaltenen Pre\u00dfs\u00e4fte sogleich zu verarbeiten.\nDie Organextrakte wurden in folgender Weise gewonnen: Die in gr\u00f6\u00dfere St\u00fccke zerschnittenen Organe (Leber, Milz, Thymus) wurden rein gesp\u00fclt, um das Blut aus den Gef\u00e4\u00dfen m\u00f6glichst zu entfernen. Durch Schaben mit einem Messer wurde das Organ auf einem Brett in einen Brei verwandelt. Dieser Organbrei wurde mit einer ausreichenden Menge trockenen Natriumsulfats (Natrium sulfuricum siccum) und darauf tropfenweise mit soviel verd\u00fcnnter 10\u201420\u00b0/oiger Schwefels\u00e4ure ver-","page":314},{"file":"p0315.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Cysteingehalt der tierischen Organe.\t315\n*\nsetzt, um eine deutlich saure Reaktion gegen Lackmus zu erzielen. Die ganze Masse wird jetzt gut verrieben und dabei der Brei m\u00f6glichst stark zerdr\u00fcckt, um auf diese Weise die Gewebszellen aufzuschlie\u00dfen. Der Organbrei mu\u00df w\u00e4hrend dieser Manipulationen und w\u00e4hrend des Auspressens durch leichtes Erw\u00e4rmen auf eine Temperatur von 34\u201435\u00b0 gebracht werden, da das Natriumsulfat bei dieser Temperatur den h\u00f6chsten Grad seiner L\u00f6slichkeit und seines eiwei\u00dff\u00e4llenden Verm\u00f6gens erlangt. Ist das Natriumsulfat in ausreichender Menge dem Brei z\u00fcgesetzt worden, so verwand\u00e8lt sich derselbe in eine kr\u00fcmelige Masse, die bei der nun folgenden manuellen Expression eine ziemlich betr\u00e4chtliche Quantit\u00e4t eines fast klaren und farblosen Extraktes liefert. Durch die Ausf\u00e4llung der Eiwei\u00dfk\u00f6rper der Gewebe mittels Na2S()4 erreicht man es, da\u00df die Masse dem st\u00e4rksten manuellen Druck ausgesetzt werden kann, ohne durch das Linnen gepre\u00dft zu werden. Durch Anwendung einer Presse k\u00f6nnte man nat\u00fcrlich weit mehr Pre\u00dfsaft gewinnen, als es auch bei Anwendung des st\u00e4rksten manuellen Druckes m\u00f6glich war. Die erhaltene etwas tr\u00fcbe Fl\u00fcssigkeit wird auf 34\u201437\u00b0 gebracht und dann noch etwas Natriumsulfat zugesetzt, um sicher zu sein, da\u00df sie mit dem Salz vollst\u00e4ndig ges\u00e4ttigt ist; etwas Salz soll ungel\u00f6st bleiben. Die Reaktion hat deutlich sauer zu sein; w\u00e4re das nicht der Fall, so ist die L\u00f6sung noch mit einigen Tropfen verd\u00fcnnter H2S04 auzus\u00e4uern ; dann wird filtriert. Das erhaltene Filtrat ist klar und farblos; nur aus Leber erhaltene Extrakte zeigen zuweilen einen Stich ins Gelbe. Ein bedeutender Anteil des Natriumsulfats f\u00e4llt w\u00e4hrend des Erkaltens der L\u00f6sung aus und man erh\u00e4lt auf diese Weise eine relativ salzarme L\u00f6sung. Natriumsulfat ist \u00fcbrigens auch deshalb dem Ammoniumsulfat vorzuziehen, weil letzteres einige Reaktionen st\u00f6rt, z. B. die Biuretreaktion; auch kann Phosphorwolframs\u00e4ure nicht zur Anwendung kommen; sonst aber eignet sich zur Ausf\u00e4llung von Eiwei\u00dfstoiren Ammonsulfat ebensogut wie Natriumsulfat. Es w\u00e4re auch daran zu erinnern, da\u00df Ammoniumsalze mit Nitroprussidnatrium lind sehr starkem Ammoniak (spez. Gew. 0,875) auch eine purpurrote Farbenreaktion geben. Mit gew\u00f6hnlichem Ammoniak erh\u00e4lt","page":315},{"file":"p0316.txt","language":"de","ocr_de":"316\nVinzenz Arnold\nman diese Reaktion jedoch nicht mehr. Sie tritt \u00fcbrigens nicht sogleich auf und nimmt nur allm\u00e4hlich an Intensit\u00e4t zu; eine T\u00e4uschung durch diese Reaktion ist daher auch bei Anwendung von Ammoniumsulfat nicht zu bef\u00fcrchten.\nDie auf diese Weise erhaltenen Organextrakte sind eiwei\u00df-und albumosenfrei. Sie geben daher weder mit HN03, noch mit ammonsulfatges\u00e4ttigter Schwefels\u00e4ure eine Tr\u00fcbung und geben au\u00dferdem auch keine Biuretreaktion. (Eine Ausnahme bez\u00fcglich der Biuretreaktion bildet nur das Extrakt aus Rindfleisch, aul dessen Verhalten ich noch zur\u00fcckkommen werde.) Muskelextrakte wurden auch auf diese Weise gewonnen, da\u00df der feinzerhackte Muskel in einem Becherglas durch kurze Zeit in ein siedendes Wasserbad gestellt wurde; durch die Koagulation der Eiwei\u00dfstoffe wird der Gewebssaft ausgepre\u00dft, welcher sodann vermittelst Na2S\u00d64 bei saurer Reaktion ent-eiwei\u00dft wurde; es ist jedoch vorteilhafter, Fleischsaft vermittelst einer Presse zu gewinnen, da das vermittelst Na2S04 daraus erhaltene Filtrat dann vollkommen farblos ist.\nAlle diese Organextrakte zeigen eine kr\u00e4ftige purpurviolette Farbenreaktion mit Nitroprussidnatrium und Ammoniak. Die intensivste Reaktion (dunkel purpurviolett) geben jedoch Leberextrakte (Rind, Kaninchen, Puter). Die Intensit\u00e4t dieser Reaktion entspricht einem etwa 3\u20144 fach h\u00f6heren Gehalt der Leberextrakte an dieser mit Nitroprussidnatrium reagierenden Substanz als in Extrakten anderer Organe. (Es konnte daher der bereits ausgepre\u00dfte Leberbrei noch ein zweites Mal mit konzentrierter Natriumsulfatl\u00f6sung verrieben und ausgepre\u00dft werden, und auch dieses zweite Extrakt zeigte noch eine sehr intensive Farbenreaktion mit Nitroprussidnatrium.) Auch die Milz ist noch etwas gehaltreicher als die anderen Organe. Es geben jedoch alle untersuchten Organextrakte (aus Thymus, Muskel, Herz, Gehirn, Hoden, Nieren, Darm und Krystallinse) eine durchaus kr\u00e4ftige Reaktion. Auch die roten Blutk\u00f6rperchen verhalten sich in dieser Beziehung nicht anders als die Organzellen.\nDer mit Nitroprussidnatrium reagierende K\u00f6rper ist seinen Reaktionen nach Cystein.","page":316},{"file":"p0317.txt","language":"de","ocr_de":"liber den Cysteingehalt der tierischen Organe.\t\u00d617\nDurch Reduktion aus Haarcystin erhaltenes Cystein zeigt folgendes Verhalten:\n1.\tEs ist nur in saurer L\u00f6sung oder in trockenem Zustand best\u00e4ndig; beim Stehen der w\u00e4sserigen L\u00f6sung an der Luft wird es wieder allm\u00e4hlich zu Cystin oxydiert; schneller erfolgt diese Umwandlung in alkalischer L\u00f6sung, augenblicklich auf Zusatz eines ( Ixydationsmittels (Jod, Brom, H2().,).\n2.\tEine Cysteinl\u00f6sung gibt mit Nitroprussidnatrium und Alkali (Ammoniak oder stark verd\u00fcnnter Natronlauge) eine purpurviolette F\u00e4rbung. In bezug auf Empfindlichkeit wird diese Reaktion durch keine der folgenden Farbenreaktionen des Cysteins erreicht.\n\u00f6. Wird eine Cysteinl\u00f6sung mit Ammoniak oder Natronlauge schwach alkalisiert, so nimmt die Fl\u00fcssigkeit eine violette F\u00e4rbung an. Diese wenig intensive F\u00e4rbung persistiert durch l\u00e4ngere Zeit. Wird eine bereits fast entf\u00e4rbte L\u00f6sung stark gesch\u00fcttelt, so verst\u00e4rkt sich die F\u00e4rbung aufs neue. *\n4. b \u00fcgt man zu einigen Tropfen stark verd\u00fcnnter Eisenchloridl\u00f6sung eine neutrale oder schwach saure Cysteinl\u00f6sung, so f\u00e4rbt sie sich vor\u00fcbergehend indigoblau.\no. Versetzt man eine Cysteinl\u00f6sung mit einigen Tropfen stark verd\u00fcnnter Eisenchloridl\u00f6sung und hierauf mit Ammoniak, so f\u00e4rbt sich die Fl\u00fcssigkeit sch\u00f6n violett. Man mu\u00df sich jedoch bei Vornahme dieser Reaktion daran erinnern, da\u00df Cystein durch Eisenchlorid unter Auftreten von Indigoblaul\u00e4rbung oxydiert wird und da\u00df daher diese Reaktion nur dann aiiftreten kann, wenn nicht alles Cystein zu Cystin oxydiert wurde. Die Reaktion wird also nur dann zum Vorschein kommen k\u00f6nnen, wenn die zugesetzte Eisenchloridmenge nicht gen\u00fcgte, um alles Cystein zu oxydieren. Es ist daher am vorteilhaftesten, zuerst die L\u00f6sung mit NH3 zu versetzen und dann erst das Eisenchlorid zuzusetzen. 1 ccm der Cvsteinl\u00f6sung wird tropfenweise mit NHS versetzt, bis gerade die nach Zusatz von Alkali eintretende Violettf\u00e4rbung beim Umsch\u00fctteln nicht mehr verschwindet. Ein \u00dcberschu\u00df von NHS ist zu vermeiden, da sonst auf Zusatz von FeCls Ferrihydroxyd ausgef\u00e4llt wird. J\u00e9tzt f\u00fcgt man einen Tropfen stark verd\u00fcnnter Eisenchloridl\u00f6sung hinzu.\nHoppe-Seylers Zeitschrift f. physiol. Chemie. LXX.\t22","page":317},{"file":"p0318.txt","language":"de","ocr_de":"Vinzenz Arnold,\n318\nKs bilden sich augenblicklich d\u00fcsterviolette Wolken und beim Vermischen f\u00e4rbt sich die ganze Fl\u00fcssigkeit violett. Die F\u00e4rbung wird bei st\u00e4rkerem Sch\u00fctteln noch intensiver. Ist die F\u00e4rbung verbla\u00dft, so f\u00e4rbt-sich die L\u00f6sung beim Sch\u00fctteln aufs neue violett. Dies kann man einigemal wiederholen, doch ist die Intensit\u00e4t der F\u00e4rbung immer schw\u00e4cher.\n5. Mit wenig stark verd\u00fcnnter Kupfersulfatl\u00f6sung gibt Cvstein nach Suter eine vor\u00fcbergehende Violettf\u00e4rbung, danach einen grauen Niederschlag. Wird die L\u00f6sung mit verd\u00fcnnter H2SO, anges\u00e4uert, so l\u00f6st sich dieser Niederschlag.\ni). Kocht man ( iystein mit Alkalilauge, so zersetzt es sich und liefert wie Cystin Schwefelalkali, welches mit Bleiacetat nachgewiesen werden kann.\n7. Eine Cysteinl\u00f6sung reduziert nach Heffter schon bei gew\u00f6hnlicher Temperatur feinverteilten Schwefel zu SH2.\nZu diesen Cysteinreaktionen kommen noch zwei weitere, von mir beobachtete Reaktionen, von denen besonders die erste als die n\u00e4chst der Farbenreaktion mit Nitroprussidnatrium empfindlichste Cysteinreaktion zum Nachweis dieser Aminos\u00e4ure in den Organextrakten Anwendung fand.\nDiese Reaktion beruht darauf, da\u00df eine anges\u00e4uerte L\u00f6sung der Oystein-Kupferverbindung auf Zusatz einer 4\u20145\u00b0/oigen Nitroprussidnatriuml\u00f6sung einen volumin\u00f6sen, flockigen, rostbraun gef\u00e4rbten Niederschlag fallen l\u00e4\u00dft.\nDa aber eine anges\u00e4uerte CuS04-L\u00f6sung mit Nitroprussidnatrium einen hellgr\u00fcnen, feinverteilten Niederschlag liefert, so ist bei Vornahme dieser Reaktion ein \u00dcberschu\u00df an Kupfersulfatl\u00f6sung tunlichst zu vermeiden, da durch denselben die Deutlichkeit und Reinheit dieser Reaktion stark beeintr\u00e4chtigt wird. Man erh\u00e4lt dann statt des charakteristischen rostbraunen, flockigen Niederschlags einen hellbraunen oder braungr\u00fcnen oder nur schmutziggr\u00fcnen Niederschlag, je nach der Menge des \u00fcbersch\u00fcssigen Kupfersalzes. Das richtige Verh\u00e4ltnis findet man \u00fcbrigens mit Leichtigkeit.\nDie Reaktion ist in folgender Weise vorzunehmen: Eine nach 5. behandelte Probe wird mit verd\u00fcnnter H2S04 anges\u00e4uert und darauf mit einem Tropfen einer 4\u00b0/oigen Nitro-","page":318},{"file":"p0319.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Cysteingehalt der tierischen Organe.\n319\nprussidnatriuml\u00f6sung versetzt. Es f\u00e4llt sogleich ein flockiger, rostbraun gef\u00e4rbter Niederschlag. Keine andere Aminos\u00e4ure gibt diese Reaktion. (Untersucht wurden Glykokoll, Alanin, Phenylalanin, Tyrosin, Leucin, Asparagins\u00e4ure, Glutamins\u00e4ure, Cystin, Taurin, Histidin und Tryptophan.)\nDie zweite Reaktion beruht darauf, da\u00df eine L\u00f6sung der Cvstin-Kupferverbindung auf Zusatz verd\u00fcnnter Natronlauge eine d\u00fcster-violette F\u00e4rbung annimmt. Ein wenig stark verd\u00fcnnte Kupfersulfatl\u00f6sung wird mit der Cysteinl\u00f6sung versetzt, worauf die schon erw\u00e4hnte fl\u00fcchtige violette F\u00e4rbung auftritt. Wird die Probe jetzt unter Umsch\u00fctteln tropfenweise mit verd\u00fcnnter Natronlauge versetzt, so nimmt sie eine d\u00fcster-violette (bei Anwendung einer st\u00e4rkeren Cysteinl\u00f6sung ins Schwarzviolette spielende) F\u00e4rbung an. Diese F\u00e4rbung persistiert stundenlang.\nEin nach dem oben beschriebenen Verfahren hergestelltes Leberextrakt verh\u00e4lt sich in bezug \u00e0ut diese Reaktionen in folgender Weise:\n1.\tEs gibt eine \u00e4u\u00dferst intensive dunkelpurpurviolette Farbenreaktion mit Nitroprussidnatrium und Ammoniak. Zu diesem Zweck werden 1\u20142 ccm des Filtrats mit 2\u20144 Tropfen einer 4\u00b0/oigen Nitroprussidnatriuml\u00f6sung und darauf mit 1 bis 2 Tropfen Ammoniak versetzt. Die F\u00e4rbung verbla\u00dft allm\u00e4hlich innerhalb einer Viertelstunde.\n2.\tVersetzt man eine Probe tropfenweise mit Ammoniak oder Natronlauge (unter Vermeidung eines \u00dcberschusses von Alkali ), so nimmt sie unter gleichzeitiger Tr\u00fcbung eine deutliche, jedoch wenig intensive violette F\u00e4rbung an, die beim Sch\u00fctteln noch etwas nachdunkelt. Die F\u00e4rbung persistiert \u2014 wie die entsprechende F\u00e4rbung einer Cvsteinl\u00f6sung \u2014 durch l\u00e4ngere Zeit.\n3.\tF\u00fcgt man etwas von diesem Leberextrakt zu einer geringen Menge stark verd\u00fcnnter Kupfersulfatl\u00f6sung, so tritt eine fl\u00fcchtige Violettf\u00e4rbung ein, die in eine rauchgraue, meist flockige Tr\u00fcbung der L\u00f6sung \u00fcbergeht. Das Extrakt soll bei Vornahme dieser Reaktion deutlich sauer reagieren, da die Reaktion dann am deutlichsten ausf\u00e4llt. Dasselbe gilt \u00fcbrigens auch f\u00fcr das Cystein.","page":319},{"file":"p0320.txt","language":"de","ocr_de":"320\nVinzenz Arnold.\n4. Wird die sub 3 erhaltene Probe jetzt mit einigen Tropfen verd\u00fcnnter Schwefels\u00e4ure anges\u00e4uert und die klargewordene und farblose L\u00f6sung darauf mit einem Tropfen einer 4\u00b0/oigen Nitroprussidnatriuml\u00f6sung versetzt, so f\u00e4llt sogleich ein volumin\u00f6ser, flockiger, rostbrauner Niederschlag aus. Ein \u00dcberschu\u00df an CuS04 ist \u2014 wie bereits erw\u00e4hnt wurde \u2014 zu vermeiden.\n\u2022r>. Wird die sub 3 erhaltene Probe tropfenweise mit ver-' diinnter Natronlauge versetzt, so erh\u00e4lt man eine d\u00fcster-violette, lange Zeit persistierende F\u00e4rbung.\n\u00f6. Ein alkalisiertes Extrakt zeigt nach 24 Stunden die Farbenreaktion mit Nitroprussidnatrium nicht mehr: zugleich verh\u00e4lt sich ein solches Extrakt auch bez\u00fcglich aller hier angef\u00fchrten Farbenreaktionen vollst\u00e4ndig negativ. Wird ein alkalisiertes Extrakt mit einem Tropfen einer H.202-L\u00f6sung versetzt, so verliert es alle diese Reaktionen augenblicklich. In gleichem Sinne wirkt auch Jod und Brom. Ein sauer reagierendes, mit Natriumsulfat ges\u00e4ttigtes Extrakt zeigt die Reaktion mit Nitroprussidnatrium durch l\u00e4ngere Zeit in fast unver\u00e4ndertem Grade: bei l\u00e4ngerer Aufbewahrung wird die Reaktion aber allm\u00e4hlich schw\u00e4cher und ist schlie\u00dflich nach einigen Wochen nicht mehr nachweisbar.\n7.\tEin solches Extrakt, welches nach l\u00e4ngerem Stehen die Farbenreaktion mit Nitroprussidnatrium nicht mehr zeigt, erh\u00e4lt diese Eigenschaft zur\u00fcck, wenn man es vermittelst Zinn und Salzs\u00e4ure reduziert. Es verh\u00e4lt sich also in dieser Hinsicht wie eine Cystinl\u00f6sung.\n8.\tEin Leberextrakt wurde verd\u00fcnnt und neutralisiert und reduzierte dann bei gew\u00f6hnlicher Temperatur fein verteilten Schwefel zu Schwefelwasserstoff.\n9.\tMit verd\u00fcnnter Eisenchloridl\u00f6sung zeigt Leberextrakt die Indigoblauf\u00e4rbung nicht: dies h\u00e4ngt davon ab, da\u00df das Eisenchlorid durch andere in der L\u00f6sung enthaltene Substanzen gebunden wird (es tritt auf Zusatz von Eisenchlorid Tr\u00fcbung resp. flockige F\u00e4llung auf), und da\u00df auf diese Weise die oxydierende Einwirkung des Eisensalzes auf das Cystein, wenn auch nicht aufgehoben, so jedenfalls verz\u00f6gert wird. Man kann","page":320},{"file":"p0321.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Cysteingehalt der tierischen Organe\t\u00df21\ndaher auch unmittelbar nach Zuf\u00fcgung des Eisenchlorids die Farbenreaktion mit Nitroprussidnatrium noch in demselben Grade wie vorher erhalten, w\u00e4hrend eine Cysteinl\u00f6sung, die mit Eisenchlorid unter Auftreten der Indigoblauf\u00e4rbung reagiert hat, diese Farbenreaktion nicht mehr zeigt. (L\u00e4\u00dft man die mit Eisenchlorid versetzte Probe durch einige Stunden stehen, so ist die Reaktion mit Nitroprussidnatrium nicht mehr nachweisbar.)\nVersetzt man daher eine Probe des Extraktes nach Zuf\u00fcgung eines Tropfens verd\u00fcnnter Eisenchloridl\u00f6sung mit 1 bis 2 Tropfen Ammoniak, so tritt eine d\u00fcsterviolette, beim llm-sch\u00fctteln der ganzen Fl\u00fcssigkeit sich mitteilende F\u00e4rbung auf. die durch einige Zeit persistiert und allm\u00e4hlich verbla\u00dft.\nWurde Cystein einem Leberextrakt, welches die Farbenreaktion mit Nitroprussidnatrium nicht mehr zeigte, zugesetzt, so verhielt es sich bez\u00fcglich der eben beschriebenen Reaktion mit Eisenchlorid und Ammoniak (sowie bez\u00fcglich aller anderen hier beschriebenen Reaktionen) in vollkommen identischer Weise. Die fl\u00fcchtige Indigoblauf\u00e4rbung trat auch nicht auf.\nIn deutlicher Weise zeigen diese Reaktion nur Leber-\u00e9xtrakte: sie wurde jedoch auch mit allen anderen von mir untersuchten Organextrakten erhalten, wenn dieselben vorher mit Phosphorwolframs\u00e4ure ausgef\u00e4llt wurden. (Cystein wird zwar von Phosphorwolframs\u00e4ure gef\u00e4llt, die F\u00e4llung ist jedoch sehr unvollst\u00e4ndig.) Zu diesem Zweck wird das sauer reagierende Extrakt mit dem gleichen Volumen einer 10\u00b0/oigen Phosphorwolframs\u00e4ure versetzt; es entsteht eine massige, flockige F\u00e4llung, von der abfiltriert wurde. 1 ccm des Filtrats wurde mit einem Tropfen verd\u00fcnnter Eisenchloridl\u00f6sung und darauf unter Umsch\u00fctteln tropfenweise mit verd\u00fcnntem Ammoniak versetzt. Es entsteht eine sch\u00f6nviolette F\u00e4rbung, die mit jedem weiteren NHrTropfen bis zu einem gewissen Maximum, welches einer noch schwach sauren Reaktion der Fl\u00fcssigkeit entspricht, zunimmt. Der geringste \u00dcberschu\u00df an Ammoniak, durch welchen die Reaktion deutlich, wenn auch schwach alkalisch wird, l\u00e4\u00dft die Reaktion verschwinden; die Probe wird dabei durch sich ausscheidendes Ferrihydroxyd gelblich getr\u00fcbt. Die violette F\u00e4rbung wird durch Sch\u00fctteln noch etwas verst\u00e4rkt. Wird","page":321},{"file":"p0322.txt","language":"de","ocr_de":"322\nVinzenz Arnold.\nGystein einem Leberextrakt zugesetzt, welches die Farbenreaktion mit Nitroprussidnatrium nicht mehr zeigt, so verh\u00e4lt es sich in ganz gleicher Weise.\nAlle diese Reaktionen entsprechen hinsichtlich ihrer Deutlichkeit der Intensit\u00e4t der Farbenreaktion mit Nitroprussidnatrium. Als die empfindlichste dieser Reaktionen ist unzweifelhaft die Farbenreaktion mit Nitroprussidnatrium anzusehen. Ihr am n\u00e4chsten kommt die von mir angegebene F\u00e4llungsreaktion der Cystein-Kupfer Verbindung mittels Nitroprussidnatrium. Dann kommt die Farbenreaktion mit Eisenehlorid und Ammoniak. Weniger empfindlich sind die beiden Kupfersulfatreaktionen.\nMit allen hinsichtlich dieser Farbenreaktionen untersuchten Organextrakten (Milz, Thymus, Muskel) wurde eine sch\u00f6ne und intensive Farbenreaktion mit Nitroprussidnatrium erhalten. Positiv war auch die F\u00e4llungsreaktion der Cystein-Kupferverbin-dung mittels Nitroprussidnatrium und die Farbenreaktion mit Eisenchlorid und Ammoniak. Vor\u00fcbergehende Violettf\u00e4rbung mit CuSO, zeigten auch Milz- und Thymusextrakte, w\u00e4hrend Muskelextrakte diese Reaktion nicht mehr zeigten. Die Violettf\u00e4rbung auf Zusatz von NH3 zeigten in deutlicher Weise nur Leberextrakte.\nDiese Beobachtungen berechtigen jedenfalls zu der Annahme, da\u00df das Cystein jener K\u00f6rper ist, welcher in allen Organextrakten durch die Nitroprussidreaktion nachgewiesen wird.\nDurchaus verschieden von dieser Nitroprussidreaktion ist die von mir beschriebene Farbenreaktion des Harns mit Nitroprussidnatrium (nach Genu\u00df von Fleisch oder Beeftea).1) Dies geht schon daraus hervor, da\u00df das fl\u00fcchtige Violett der Harnreaktion auf Zusatz von Essigs\u00e4ure in ein tiefes und rasch verblassendes Blau umschl\u00e4gt, w\u00e4hrend die relativ best\u00e4ndige purpurviolette F\u00e4rbung der hier vorliegenden Reaktion auf Zusatz von Essigs\u00e4ure sogleich und ohne irgend einen Farbenumschlag verschwindet. Die von Th. Hofobut2) beschriebene Farbenreaktion des Beeftea mit Nitroprussidnatrium ist nat\u00fcrlich mit\n*) Diese Zeitschrift. Bd. XLIX.\n* Diese Zeitschrift. Bd. LVI.","page":322},{"file":"p0323.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Cysteingehalt der tierischen Organe.\t323\nder hier vorliegenden Reaktion identisch und auf Cystein zu beziehen.\nIch habe schon vorhin erw\u00e4hnt, da\u00df die enteiwei\u00dften Organextrakte eine Biuretreaktion nicht geben. Eine Ausnahme bilden nur Extrakte aus Rindfleisch, w\u00e4hrend Extrakte aus gariz frischen Kaninchenmuskeln sich bez\u00fcglich dieser Reaktion negativ verhielten. Ich mu\u00df es daher dahingestellt sein lassen, ob dieser Biuretk\u00f6rper auch in Extrakten aus ganz frischem Rindfleisch vorkommt; in Extrakten der Leber, die ebenso lange und in derselben Weise aufbewahrt worden war, war er jedenfalls nicht nachweisbar. Diese Biuretreaktion verh\u00e4lt sich jedoch etwas anders als die Biuretreaktion der Albumosen und Peptone. Wird n\u00e4mlich zu der mit Natronlauge vermischten Probe etwas verd\u00fcnnte Kupfersulfatl\u00f6sung zugesetzt, so l\u00f6st sich das Kupferoxydhydrat in der obersten Schicht derselben mit tiefblauer Farbe auf, eine Biuretreaktion ist jedoch nicht sichtbar: erst nach l\u00e4ngerem Zuwarten (25\u201430 Minuten) erscheint unter der Begrenzungsschicht eine schwache Rosaf\u00e4rbung, die allm\u00e4hlich an Intensit\u00e4t zunimmt, so da\u00df erst nach l1 2\u20142 Stunden das Maximum der Reaktion erlangt wird. Die pr\u00e4chtige Rosaf\u00e4rbung dieser Reaktion ist ziemlich intensiv. Der diese Reaktion verursachende K\u00f6rper wird \u00fcbrigens durch Phosphorwolframs\u00e4ure in stark saurer L\u00f6sung nicht gef\u00e4llt und geht in das Filtrat \u00fcber.\nAlle untersuchten Extrakte geben eine deutliche, wenn auch relativ schwache Xanthoproteinreaktion schon in der K\u00e4lte, deutlicher nach dem Erhitzen, besonders auf Zusatz von Ammoniak. Bei vorsichtigem Erw\u00e4rmen mit Millonscher L\u00f6sung erh\u00e4lt man eine sehr schwache Rosaf\u00e4rbung und mit Vanillin und Schwefels\u00e4ure eine ebenso schwache Rotf\u00e4rbung. Das aus dem oberen Teil des Darmes eines gerade verdauenden Kaninchens gewonnene Extrakt fiel durch die gr\u00f6\u00dfere Deutlichkeit dieser beiden Reaktionen auf, die jedoch auch mit diesen Extrakten nur sehr schwach ausfielen. Aromatische Aminos\u00e4uren (Tyrosin, Tryptophan) k\u00f6nnten in diesen Organextrakten also jedenfalls nur in Spuren vorhanden sein.\nMit Phosphorwolframs\u00e4ure geben alle Extrakte eine massige*,","page":323},{"file":"p0324.txt","language":"de","ocr_de":"Vinzenz Arnold.\nm\nflockige F\u00fcllung. Das Filtrat zeigt keine sichtbare Abnahme der Intensit\u00e4t der Nitroprussidreaktion. Der ausgewaschene Phosphorwolframs\u00e4ureniederschlag gibt mit Nitroprussidnatrium in der Hegel keine Farbenreaktion: nur zuweilen sieht man eine ganz schwache Reaktion auftreten, die vielleicht auf mitausgef\u00e4lltes Cystein zu beziehen ist. Da die Phosphorwolframs\u00e4ure die Farbenreaktion mit Nitroprussidnatrium nicht beeintr\u00e4chtigt, so w\u00e4re daraus zu schlie\u00dfen, da\u00df die durch Phosphorwolframs\u00e4ure ausf\u00e4llbaren Substanzen sich an der Nitroprussidreaktion der Extrakte nicht beteiligen. L\u00f6st man den ausgewaschenen Phosphorwolframs\u00e4ureniederschlag in Natronlauge und versetzt die L\u00f6sung mit verd\u00fcnnter CuS04-L\u00f6sung. so l\u00f6st sich das Kupferoxydhydrat mit tiefblauer Farbe. Erst nach vollst\u00e4ndiger Ausf\u00fcllung dieses flockigen Niederschlages erscheint auf weiteren Zusatz von H.>S04 und Phosphorwolfram-s\u00e4uro ein feinpulveriger, wei\u00dfer Niederschlag, der auf das Cystein zu beziehen ist.\nMit Kaliuniqueeksilberjodidl\u00f6sung geben die mit Ammoniumoder Natriumsulfat ges\u00e4ttigten Organextrakte starke Tr\u00fcbung oder flockigen Niederschlag. Wird die ammoniumsulfatges\u00e4ttigte L\u00f6sung mit Wasser verd\u00fcnnt, so tr\u00fcbt sie sich mit dem Reagens nicht mehr, wohl aber tritt nach Zusatz von Ammoniumsulfat in Substanz eine starke ringf\u00f6rmige Tr\u00fcbung oder F\u00e4llung \u00fcber der Salzschicht auf. (Das Gemenge der peptischen Abbauprodukte von Eiereiw\u2019ei\u00df oder Stromaeiwei\u00df zeigt nach Ausf\u00fcllung der Albumosen vermittelst Ammoniumsulfat das gleiche Verhalten.) Cystein wird durch eine Kaliumquecksilberjodid-l\u00f6sung nicht gef\u00e4llt.\nDas reichliche Vorkommen von Cystein in der Leber, die in dieser Hinsicht alle anderen Organe weit \u00fcbertrifft, erkl\u00e4rt sich nicht nur durch den intensiven und vielseitigen Stoffwechsel dieses Organs, sondern auch durch den Umstand, da\u00df das Cystein als die Muttersubstanz des Taurins der Taurochol-s\u00e4ure anzusehen ist.\nDer h\u00f6here Gehalt an Cystein in den Organen der warmbl\u00fctigen Wirbeltiere im Vergleich mit den Kaltbl\u00fctern und anderen Tierklassen (Insekten) l\u00e4\u00dft sich auf den lebhafteren","page":324},{"file":"p0325.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Cysteingehalt der tierischen Organe.\t325\nStoffwechsel der ersteren zur\u00fcckf\u00fchren. Eine Best\u00e4tigung dieser Ansicht liegt in dem Umstand, da\u00df Extrakte aus Organen eines Winterfrosches eine nur schwache Reaktion mit Nitroprussid-natnum zeigten. Es ergibt sich daraus ein gewisser Parallelismus mit dem Verhalten der Fermente, denn die Organe eines winterschlafenden Tieres zeigten nach H. M. Vernon entsprechend der starken Reduktion des Stoffwechsels auch eine bedeutende Verringerung ihres Fermentgehaltes (Erepsin und Protease).\nAls konstanter und wesentlicher Bestandteil einer jeden funktionst\u00fcchtigen tierischen Zelle ist das Cystein als prim\u00e4rer Zellbestandteil im Sinne Kossels anzusehen. Da\u00df diese Substanz auch in klinischer Hinsicht \u2014 nicht blo\u00df im Hinblick auf die Cystinurie \u2014 Bedeutung besitzen mu\u00df, d\u00fcrfte einem Zweifel nicht unterliegen. Die Untersuchung lie\u00dfe sich am Lebenden an den roten Blutzellen durchf\u00fchren.","page":325}],"identifier":"lit19161","issued":"1910-11","language":"de","pages":"314-325","startpages":"314","title":"\u00dcber den Cysteingehalt der tierischen Organe","type":"Journal Article","volume":"70"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:49:50.292081+00:00"}