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{"created":"2022-01-31T14:00:23.717229+00:00","id":"lit19167","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Steudel, H.","role":"author"},{"name":"P. Brigl","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 70: 398-403","fulltext":[{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Thymins\u00e4ure.\nVon\nH. Stendel und P. Brigl.\n(Aue- dem physiologischen Institut der Universit\u00e4t Berlin.) <Dcr Bcdaktion zugegangen am 11. Dezember liUO.)\nSeitdem die Struktur des Molek\u00fcls der Thymusnuclein-s\u00e4ure im wesentlichen festgestellt ist, kann es sich nur noch darum handeln, durch Untersuchung gr\u00f6\u00dferer, zusammenh\u00e4ngender Bruchst\u00fccke aus einer teilweisen Spaltung einen tieferen Hinblick in die spezielleren Bindungsverh\u00e4ltnisse zu gewinnen.\nNachdem ersl einmal die M\u00f6glichkeit gewonnen war, den Aufbau der Nucleins\u00e4uren pr\u00e4zise zu formulieren, hat sich eine Reihe von neuen Fragestellungen ergeben, die f\u00fcr die Erforschung der einfacher gebauten Nucleins\u00e4uren schon sehr fruchtbar geworden sind, besonders seitdem Ha is er1) und Wenzel ihre Untersuchungen \u00fcber die Inosins\u00e4ure wieder aufgenommen und gr\u00f6\u00dftenteils zum Abschlu\u00df gebracht haben und Le veno diese Anschauungen auch auf die Guanyls\u00e4ure \u00fcbertragen hat.\nHei der Thymusnucleins\u00e4ure selbst haben wir nun zun\u00e4chst versucht, dasjenige Abbauprodukt n\u00e4her zu charakterisieren, das man erh\u00e4lt, wenn man aus der Nucleins\u00e4ure mit Salpeters\u00e4ure die AHoxurbasen abgetrennt hat. Es hinterbleibt bei dieser Reaktion eine S\u00e4ure, die noch s\u00e4mtliche Phosphors\u00e4ure in organischer Bindung enth\u00e4lt, Fehlingsche L\u00f6sung kr\u00e4ftig reduziert und die Ebene des polarisierten Lichtes nach rechts dreht.2)\nWir werden diesen K\u00f6rper, der sich verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig leicht isolieren l\u00e4\u00dft, mit dem Namen ^Thymins\u00e4ure > bezeichnen, weil\nM Monatshefte f\u00fcr (.hernie. Bd. XXX, S. 147. \u2014 P. A. Levene und VV. A. Jacobs, Ber. d. Deutsch, chom. Ges., Bd. XMI, S. 335. 1198. -102. 3247, 2469, 2474, 2703: Bd. XLIII, S. 3150, 3164.\n*' H. Sleudel, Diese Zeitschrift. Bd. LV. S. 410.","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"\u25a0m\nUber die Thymins\u00e4Ure,\nKessel1) und Neumann gelegentlich einer Untersuchung der Einwirkung von siedendem Wasser auf Nucleins\u00e4ure einen offenbar sehr \u00e4hnlichen K\u00f6rper erhalten haben, den sie damals Thvmins\u00fcure genannt haben. Um die Zahl der Namen der Spaltungsprodukte der Nucleins\u00e4ure nicht unn\u00f6tig zu vermehren, halten wir es also f\u00fcr erlaubt, die von uns n\u00e4her untersuchte S\u00e4ure mit dem altbekannten Namen zu bezeichnen, trotzdem die Identit\u00e4t beider Substanzen keineswegs fest steht.\nLufttrockenes nucleinsaures Natron wurde in Portionen von je 10 g mit einem erkalteten liemisch von 10 ccm Salpeters\u00e4ure vom spezifischen Gewicht l/i und 10 ccm Wasser unter K\u00fchlung \u00fcbergossen und unter h\u00e4ufigem Durchr\u00fchren 4K Stunden im Eisschrank stehen gelassen. Nach dieser Zeit ist die Zersetzung der Nucleins\u00e4ure noch nicht ganz vollendet. Die Mengt* des gr\u00f6\u00dftenteils kristallinischen Niederschlags betr\u00e4gt dann o.2 g statt der theoretisch f\u00fcr die Nitrate der Purinbasen berechneten 2,9 g, da in ihm noch phosphorhaltige K\u00f6rper vorhanden sind, haupts\u00e4chlich wohl die in verd\u00fcnnten S\u00e4uren schwer l\u00f6sliche, noch nicht angegriffene Nucleins\u00e4ure. Der Versuch mu\u00df jedoch nach 2 Tagen unterbrochen werden, da sonst weitgehende Hydrolyse eintritt. Dasselbe ist der Fall, wenn man die Temperatur w\u00e4hrend des Versuchs zu hoch steigen l\u00e4\u00dft. Hat man jedoch obige Bedingungen eingehalten, so enth\u00e4lt die von den Purinbasen abfiltrierte Fl\u00fcssigkeit nur wenig anorganische Phosphors\u00e4ure. Sie wird auf etwa 100 ccm verd\u00fcnnt, mit Sodal\u00f6sung neutralisiert und mit basischem Bleiacetat gef\u00e4llt. Es entsteht ein volumin\u00f6ser wei\u00dfer Niederschlag, der abzentrifugiert und mehrere Male mit Wasser ausgewaschen wird. Dann wird der Bleiniederschlag in Wasser suspendiert und mit Schwefelwasserstoff in der K\u00e4lte zersetzt. Zuletzt wird, um besser filtrieren zu k\u00f6nnen, rasch zum Sieden erhitzt und vom Schwefelbiei getrennt.\nDas schwach gelbliche Filtrat zeigt nach Entfernung des Schwefelwasserstoffs schwache Reduktionswirkung gegen Feh-\n9 Diese Zeitschrift, Bd. XXII, S. 71. Kinen offenbar sehr \u00e4hnlichen K\u00f6rper hat Schmiedeberg (Arch. exp. Path., Bd. XLIII, S. 7*2 sp\u00e4ter Nucleotinphosphors\u00e4ure genannt.\n274","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"H. Moudel und P. Bri<jl,\n100\nI ingsehe L\u00f6sung, die jedoch im Laufe der weiteren Verarbeitung wieder verschwindet. Es dreht das polarisierte Licht nach .rechts. Jetzt wird mit Barytwasser bis zur schwach alkalischen Reaktion versetzt, es f\u00e4llt in geringer Menge ein Niederschlag, der haupts\u00e4chlich aus Phosphat besteht. Auf Zusatz des gleichen Volumens Alkohol f\u00e4llt dann das Barytsalz der gesuchten S\u00e4ure als wei\u00dfer Niederschlag, der sich beim Trocknen etwas gelblich f\u00e4rbt. Aus 50 g des nucleinsauren Natriums erh\u00e4lt man so etwa 20 g des Salzes. Obwohl nur durch Alkoholzusatz ausf\u00e4llbar, geht der K\u00f6rper, einmal aus-gef\u00e4lll, rasch in eine in Wasser unl\u00f6sliche Form \u00fcber. Sch\u00fcttelt man ihn direkt nach dem Ausf\u00e4llen mit Wasser, so geht nur noch ein kleiner Teil in L\u00f6sung, der auch mit der Zeit, rascher beim Erhitzen in die unl\u00f6sliche Form \u00fcbergeht. Deshalb wurde f\u00fcr die weiteren Versuche das mit Alkohol gef\u00e4llte Barytsalz direkt verwendet.\nZur Analyse wurde es bei 80\u00b0 im Vakuum getrocknet, es wurde N, P und Ba bestimmt, die beiden letzteren in derselben Substanzmenge, indem nach dem Veraschen mit Soda\nund Salpeter zun\u00e4chst das Baryum als Sulfat abgeschieden und im Filtrat der Phosphor als Magnesiumpyrophosphat bestimmt wurde.\nI. 0.1057 g geben 0,0807 g BaSO, und 0,0451 g Mg,P,07\n= 50,8\u00b0/o Ba und 7,0 \u00b0/0 P.\n2. 0,2292 g geben 0,1207 g BaS0.t und 0,0654 g Mg.2P207 51,0 \u00b0/o Ba und 7,9 \u00b0/o P.\n5. 0,2818 g geben 12,2 ccm Stickstoff (t = 15\u00b0, p = 75,4 cm)\n= 5,0\u00b0/o N.\n1. 1,1255 g s\u00e4ttigten 58,5 ccm \u00bb'io-H2SO, (Kjeldahl)\n= 1,8\u00b0/o N.\nNimmt man an, da\u00dft die beiden Alloxurbasen unter Wassereintritt aus dem Molek\u00fcl der Nucleins\u00e4ure abgespalten werden, so w\u00fcrde sich ergeben:\n\u00ab :\u201eHi7N l;,O30P4 + 2 H\u00e40 = CjH\u00e4N\u00e40+C5H\u00e4N;, + C33H51N\u00e4031P4.\nK\u00fcr ein Baryutasab. von der Formel C33H43Ba4N/J3,P4 ist verlangt :\n32,74\u00abI\u00ab Ba, 7,39 \"/o 1>, 4,t8\u00ab/o N.","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"Iber die Thymins\u00e4ure.\n101\nDa unser Salz nicht umgef\u00e4llt war und da au\u00dferdem zweifellos die freien Aldehydgruppen der Zuckerkomponente weiter ver\u00e4ndert \u2014 wahrscheinlich oxydiert werden, st) erschien uns die \u00dcbereinstimmung der verlangten und gefundenen Werte vorl\u00e4ufig befriedigend genug, lim an dem Salz eine Hydrolyse auszuf\u00fchren, die die Art und ann\u00e4hernd die Menge der einzelnen stickstoffhaltigen Spaltungsprodukte feststellen sollte. Auffallend hoch ist der Baryumgehalt der Substanz, f\u00fcr den wir vorl\u00e4ufig keine Erkl\u00e4rung haben.1)\nln genauer Anlehnung an die Vorschriften f\u00fcr die Thymus-nueleins\u00e4ure werden 18,3 g Substanz hydrolysiert und auf je 1 g Baryumsalz eine Mischung von 3 g Schwefels\u00e4urt* und\n0\tg Wasser verwandt2) und die Fl\u00fcssigkeit H Stunden im Sieden erhalten. Dann wurde die Schwefel- und Phosphor-s\u00e4ure durch Baryt entfernt und der \u00dcberschu\u00df an Baryt durch Kohlens\u00e4ure. Die Niederschl\u00e4ge von Baryumsulfat. Baryum-phosphat und Baryumcarbonat wurden sorgf\u00e4ltig zweimal mit hei\u00dfem Wasser ausgekocht und die vereinigten Filtrate auf\n1\tl gebracht. Nunmehr wurde die schwach schwefelsauer gemachte L\u00f6sung mit soviel hei\u00df ges\u00e4ttigter Silbersulfatl\u00f6sung versetzt, bis eine Probe mit Barytwasser keine wei\u00dfe, sondern eine br\u00e4unliche F\u00e4llung gab. Hierbei h\u00e4tten etwa vorhandene Purinbasen ausfallen m\u00fcssen, die L\u00f6sung zeigte jedoch nur schwache Opalescenz. Damit w\u00e4re also bewiesen, da\u00df der von uns untersuchte K\u00f6rper keine Purinbasen mehr enthalten hat, wenn man nicht annehmen wollte, da\u00df diese s\u00e4mtlich in den Barytniederschl\u00e4gen stecken geblieben w\u00e4ren. Das erscheint uns aber nach unseren bisherigen Erfahrungen recht unwahrscheinlich.\nAus der so mit Silbersulfat behandelten L\u00f6sung wurde durch Zusatz von Barytwasser eine weitere F\u00e4llung erzeugt, die die Pyrimidink\u00f6rper enthalten mu\u00dfte. Das Filtrat von dieser F\u00e4llung enthielt nur noch ganz geringe Mengen Stickstoff.\n*) P'e Nucleins\u00e4ure selbst verh\u00e4lt sich wie eine vierbasische S\u00e4ur\u00ab* und bildet also mit 2 Atomen Baryum ein neutrales Salz.\n2) Diese Zeitschrift. Bd. XLH. S. 135: Bd. XLI1I. S. 402 : Bd. XLY!\nS. 332.","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"H. Slcudel und P. Brigl.\n402\nDer Silberniederschlag wurde in schwefelsaurer L\u00f6sung mil Schwefelwasserstoff zerlegt, die Schwefels\u00e4ure im Kiltrat durch Baryt, der \u00fcbersch\u00fcssige Baryt durch Kohlens\u00e4ure entfernt und s\u00e4mtliche Niederschl\u00e4ge sorgf\u00e4ltig ausgekocht. Die vereinigten Filtrate lieferten nach dem Kinengen auf dem Wasserbade 1,8 g Krystalle von 2i,2\u00b0/o N-Gehalt.\n0,1830 g s\u00e4ttigen 31,6 ccm n/io-H2S04 (Kjeld a hl).\nDa der K\u00f6rper nicht mit Phosphorwolframs\u00e4ure fiel, konnte er kein Cytosin enthalten. Dies schien spuremveise in der Mutterlauge Vorhanden zu sein. Da der Stickstoffgehalt f\u00fcr Thymin (22,2\u00b0/\u00ab N) zu hoch ist, so muh also auch Uracil (25,000/0 N) in dem ( lemenge enthalten sein. Zur Trennung dieser beiden K\u00f6rper wurde ein von Treat B. .Johnson1) angegebenes Verfahren ('Behandlung mit rauchender Salpeters\u00e4ure\u00bb benutzt, das Uracil geht hierbei in Nitrouracil \u00fcber, das in Alkohol in der K\u00e4lte so gut wie unl\u00f6slich ist, w\u00e4hrend das entstehende Oxynitrohydrothymin leicht l\u00f6slich ist.\nDas Thyminderivat, von dem die \u00ab-Modifikation erhalten wurde, ist durch Krystallform und Schmelzpunkt zu identifizieren, das Nitrouracil wurde nach Behrend und Gr\u00fcnwald2) in Amidouracil verwandelt und als Pikrat isoliert. Der Schmelzpunkt desselben liegt allerdings nicht bei 117\u00b0, sondern, worauf Wheeler und Bristol3) aufmerksam gemacht haben, bei 247\u00b0. Gefunden wurden bei Verwendung von 1,13 g des Gemisches 0.9311 g Thyminderivat und 0,662t g Nitrouracil. Das entspr\u00e4che einem Gehalt von 0,473 g Uracil und 0.62 g Thymin. Kin Gemisch molekularer Mengen w\u00fcrde erfordern 0,53 g Uracil und 0,\u00f69 g Thymin. Da jedoch auch Johnson zu viel Thymin und zn wenig Uracil fand, kann man wohl sagen, dal\u00bb das fragliche Gemisch .ann\u00e4hernd aus molekularen Mengen der beiden Komponenten bestand.\nSollen nun aus derSubstanz von der Formel C;V3Ht.{Ba2N,,Pt< Thymin und Uracil (als Derivat des prim\u00e4ren Gytosins) in m\u00f6le-knlaren Mengen hervorgehen, so sind 7,\u00f6\u00b0/o Thymin und 6.7 \u00b0/.>\n1 .tournai of biological chemistry. Bd. IV. S. \u00ee!)7 iltMJSi.\n\u00f6 Ann. (I. (\u2019.hernie, Bd. UOOIX, 8. 250.\nI Amer, cliem. .tournai. Bd. XXXIII. S. P57.","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"I hei die Thymins\u00e4nre.\nm\nUracil verlangt, zusammen also 14,2\u00b0/\u00ab. Gefunden haben wir 10,72\u00b0/o : wir halten die \u00dcbereinstimmung zwischen gefundenem und verlangtem Wert bei einem solchen ersten Versuch f\u00fcr befriedigend genug, um unsere Ansicht zu st\u00fctzen, da\u00df die Thymins\u00e4ure sich von der Nudeins\u00e4ure nur dadurch unterscheidet, da\u00df aus letzterer ein Molek\u00fcl Guanin und Adenin ausgetreten ist, nat\u00fcrlich abgesehen davon, da\u00df die freiwerdenden Aldehydgruppen der beiden Hexosekomplexe sekund\u00e4r weiter ver\u00e4ndert werden.\nUnsere Versuche beweisen ferner, da\u00df die Bindungsart der Pyrimidink\u00f6rper offenbar anders ist wie die der Purinbasen, die letzteren sind in saurer L\u00f6sung \u00e4u\u00dferst leicht abspaltbar, erstere nicht.\nDie Untersuchungen wurden mit Unterst\u00fctzung der Gr\u00e4iin-Bose-Stiftung ausgef\u00fchrt.","page":403}],"identifier":"lit19167","issued":"1910-11","language":"de","pages":"398-403","startpages":"398","title":"\u00dcber die Thymins\u00e4ure","type":"Journal Article","volume":"70"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:00:23.717235+00:00"}