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{"created":"2022-01-31T14:04:30.409045+00:00","id":"lit19185","links":{},"metadata":{"alternative":"Handbuch der Physiologie. Band 3: Handbuch der Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Fick, Adolf","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"In: Handbuch der Physiologie. Band 3: Handbuch der Physiologie der Sinnesorgane, edited by Ludimar Hermann, 139-234. Leipzig: F. C. W. Vogel","fulltext":[{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"ZWEITER THEIL.\nDIE LEHRE VON DER LICIITEMPFINDUM.\nVON\nProf. Dr. A. FICK in W\u00fcrzburg.\nEINLEITUNG.\nDie Strahlen, deren Dang durch die brechenden Medien des Auges wir im vorigen Abschnitte verfolgt haben, fallen zuletzt auf die im Hintergr\u00fcnde des Auges ausgebreiteten Sehnervenenden, und bilden deren ad\u00e4quaten Reiz. Es ist bekannt, dass auf die eigentliche Nervensubstanz strahlend fortgepflanzte Aetheroscillationen gar nicht oder nur dann reizend wirken, wenn sie dieselben in solcher Intensit\u00e4t treffen, dass dadurch eine f\u00fcr das Nervengewebe fast t\u00f6dtliche Erw\u00e4rmung hervorgebracht wird. Das Auge wird dagegen, wie die t\u00e4gliche Erfahrung lehrt, von \u00e4usserst schwachen Strahlungen sehr merklich erregt. Solche aber, wie sie z. B. von einer durch schwachen Mondschein beleuchteten Fl\u00e4che ausgesandt werden, k\u00f6nnen ganz sicher ein eigentliches Nervenelement, sei es Faser oder Zelle, nicht reizen. Man muss daher nothwendig annehmen, dass an den Enden der Sehnervenfasern besondere Apparate angebracht sind. Sie k\u00f6nnen nicht aus eigentlicher Nervensubstanz bestehen, deren molekulares Gleichgewicht durch so schwache Anst\u00f6sse eben noch nicht in dem zum Entstehen einer Erregungswelle erforderlichen Grade gest\u00f6rt wird. Sie m\u00fcssen vielmehr aus einem Stoffe bestehen, welcher wie etwa die photochemisch empfindlichen Substanzen die Eigenschaft haben, dass sie treffende Aetherschwingungen darin chemische Kr\u00e4fte aus-l\u00f6sen, welche eine weit gr\u00f6ssere Arbeit zu leisten verm\u00f6gen als die ausl\u00f6senden Aetherschwingungen. Diese gr\u00f6ssere Arbeit kann dann zur Erregung der mit diesen Apparaten zusammenh\u00e4ngenden Nervenenden verwandt werden. Nur auf diese Art kann die Erregung der verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig tr\u00e4gen Nervensubstanz durch so m\u00e4rchenhaft ge-","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140 Fick. Physiol. Optik II. Lichtempfindung. 1. Cap. Bau der Netzhaut.\nringf\u00fcgige Arbeit, wie sie der schw\u00e4chste noch sichtbare Lichtstrahl zu leisten im Stande ist, erkl\u00e4rt werden. Beil\u00e4ufig bemerkt, giebt die enorme Reizbarkeit anderer Sinnesapparate zu analogen Folgerungen Anlass.\nEs entsteht nun die Frage, welches von den zahlreichen unter dem Mikroskope unterscheidbaren Gewebselementen der Netzhaut mit der gr\u00f6ssten Wahrscheinlichkeit als dasjenige zu betrachten ist, in welchem jene Ausl\u00f6sung anderer Kr\u00e4fte durch die Arbeit der Aether-oscillationen stattfindet. Um sie entscheiden zu k\u00f6nnen, m\u00fcssen wir uns den anatomischen Bau der Netzhaut genau vorstellen.\nERSTES CAPITEL.\nBau der N e t z h a u t.\nNachdem der Sehnerv die Sklera und Chorioidea durchbohrt hat, breiten sich seine Faserb\u00fcndel nach allen Seiten in der tunica retina aus, die daher zusammengesetzt ist aus den Fasern dieses Nerven, ihren Anhangsgebilden und einem bindegewebigen Stroma, in welches die eigentlich nerv\u00f6sen Elemente eingelagert sind. Da die Ausbreitung der Sehnervenfasern auf der inneren Seite der Netzhaut liegt und die \u00fcbrigen Elemente nach aussen davon, so m\u00fcssen diese Elemente nat\u00fcrlich an der Durchtrittstelle des Sehnerven selbst fehlen, der die \u00fcbrigen Schichten der Netzhaut gewissermaassen auch durchbohrt. Indem an dieser Stelle die Nervenfasern hervorquellen, entsteht daselbst eine Hervorragung nach innen, die sogenannte papilla nervi optici, welche ungef\u00e4hr in der Mitte eine kleine trichterf\u00f6rmige Einsenkung zeigt, entsprechend dem allseitigen Auseinanderbiegen der Faserb\u00fcndel. Hier treten auch die vasa centralia retinae an die innere Oberfl\u00e4che der Netzhaut. Die Verzweigungen der Gef\u00e4sse schliessen sich einzelnen Faserz\u00fcgen der Sehnervenausbreitung an.\nDie verschiedenartigen Gewebselemente der Netzhaut sind im allgemeinen in Schichten geordnet, deren sich auf einem zur Fl\u00e4chenausbreitung senkrechten Schnitte 10 deutlich unterscheiden lassen.\nIn Fig. 35 ist ein solcher Schnitt schematisch dargestellt und die einzelnen Schichten durch Zahlen bezeichnet. Die Reihenfolge der Zahlen von unten nach oben fortschreitend, entspricht der Fort-","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Schichten der Netzhaut.\n141\nschreitung von innen nach aussen, d. h. von der Glask\u00f6rperseite zur Chorioidealseite, so dass man unten den Glask\u00f6rper, oben die Cho-rioidea sich zu denken hat. Die \u00fcbliche Benennung der Schichten ist folgende:\n1.\tMembrana limitans interna.\n2.\tNervenfaserschicht.\n3.\tGanglienzellenschicht.\n4.\tInnere granulirte oder molekulare Schicht.\n5.\tInnere K\u00f6rnerschicht.\n6.\tAeussere granulirte oder Zwischenk\u00f6rnerschicht.\n7.\tAeussere K\u00f6rnerschicht.\n8.\tMembrana limitans externa.\n9.\tSt\u00e4bchen- und Zapfenschicht.\n10.\tPigmentepithel.\nWie in der Zeichnung zu sehen, ist die ganze Dicke der Netzhaut von zahlreichen radialen Fasern durchzogen. Diese nach ihrem Entdecker M\u00fcLLER\u2019sche genannten Fasern h\u00e4lt man gegenw\u00e4rtig zum grossen Theil f\u00fcr Elemente der st\u00fctzenden Bindesubstanz, zu welcher ausserdem unzweifelhaft die Membrana limitans externa und interna geh\u00f6rt. Die limitans interna stellt sich bei genauerer Betrachtung dar als gebildet durch trichterf\u00f6rmige Ausbreitung radialer Fasern (wie auch in der Figur angedeutet ist), die an den R\u00e4ndern miteinander verschmelzen. Die limitans interna w\u00e4re demnach keine ununterbrochene Schicht, sondern eher einem filigranartigen Gitterwerk zu vergleichen. Ein ebensolches Gitterwerk stellt auch die limitans externa dar, durch dessen L\u00fccken die weiter unten zu beschreibenden St\u00e4bchen und Zapfen durchtreten.\nDie ganze st\u00fctzende Bindesubstanz der Netzhaut kann man an-sehen als ein schwammartiges Gewebe, in dessen L\u00fccken die nerv\u00f6sen Elemente eingelagert sind. In der Faser-, Zellen- inneren und \u00e4usseren K\u00f6rnerschicht sind die L\u00fccken verk\u00e4ltnissm\u00e4ssig gross und","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\tFick, Physiol. Optik II. Lichtempfindimg. 1. Cap. Bau der Netzhaut.\ndie Substanz reducirt sich auf einzelne radial gestellte B\u00e4lkchen \u2014 eben die schon erw\u00e4hnten Radialfasern. In den beiden granulirten Schichten (4 und 6 Fig. 35) herrscht die Bindesubstanz mehr vor,\ndie L\u00fccken sind kleiner. Von diesem ganzen in zwei Schichten dichteren, in den \u00fcbrigen sp\u00e4rlicheren und mehr grobl\u00f6cherigen Schwammgewebe w\u00e4re demnach die membrana limitans interna die innere, die limitans externa die \u00e4ussere Grenze. Ueber die letztere hinaus erstrecken sich jedoch noch radiale Forts\u00e4tze der Bindesubstanz zwischen die Elemente der \u00e4ussersten Netzhautschicht. Eine Vorstellung von dieser Auffassung der Bindesubstanz derNetz-haut, die von M. Schultze ausgebildet ist, kann Fig. 36 geben, wo die verschiedenen Schichten mit denselben Zahlen wie in Fig. 35 bezeichnet sind. Die beiden \u00e4ussersten (9 u. 10) Schichten fehlen auf dieser Figur. Gewisse K\u00f6rner der inneren K\u00f6rnerschicht (5 Fig. 35 und 36) h\u00e4lt M. Schultze f\u00fcr Kerne der radialen Bindegewebsfasern und sind solche daher in das Schema der Bindesubstanz (Fig. 36) aufgenommen, die \u00fcbrigen K\u00f6rner dieser Schicht aber h\u00e4lt er f\u00fcr nerv\u00f6se Elemente.\nDie unzweifelhaft nerv\u00f6sen oder wenigstens allgemein f\u00fcr nerv\u00f6s gehaltenen Elemente, welche in dem beschriebenen Bindesubstanzlager eingebettet liegen, sind folgende. Die Opticusfasern ziehen der Fl\u00e4che parallel in der zweiten Schicht dicht unter der limitans interna. Es sind marklose Nervenfasern von grosser Feinheit. Sie gehen im Allgemeinen in B\u00fcndel gesondert strahlenartig von der","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Sehnervenfaserschicht.\n143\nEintrittstelle des Sehnerven nach allen Seiten. Eine besondere Form aber haben die Faserz\u00fcge lim den gelben Fleck herum, d. h. um die ausgezeichnete Stelle der Netzhaut, welche dem Hornhautscheitel ziemlich diametral gegen\u00fcber liegt und die schon fr\u00fcher (s. S. 66) als die Stelle des sch\u00e4rfsten Sehens bezeichnet ist. Diese Stelle wird von den Opticusfaserz\u00fcgen umgangen, so dass sie nicht von einer Fasersehicht bedeckt ist. Eine Anschauung von dem Gang der Faserz\u00fcge kann Fig. 37 geben, wo die Opticuspapille das Centrum der\nFig. 37.\nAusstrahlung bildet und etwas rechts davon der gelbe Fleck zu sehen ist. Die M\u00e4chtigkeit der Sehnervenfaserschicht ist an der Papille am gr\u00f6ssten, wo mehrere Fasern in der Dicke \u00dcbereinanderliegen, und nimmt von da nach der ora serrata stetig ab. Schon 8 mm. von der Papille liegen die Fasern blos in einfacher Schicht, jedoch noch gedr\u00e4ngt. Noch weiter nach vorn ist die Faserschicht nicht mehr vollst\u00e4ndig geschlossen.\nManche Forscher wollen Verzweigungen der Opticusfasern gesehen haben, doch wird dies von andern f\u00fcr eine Verwechselung gehalten und sind solche Verzweigungen in der That sehr unwahrscheinlich.\nDie Ganglienzellen, welche die Hauptmasse der 3. Netzhautschicht ausmachen, gleichen in jeder Beziehung den multipolaren Ganglienzellen anderer Th eile des Cerebrospinalorganes wie Fig. 38 zeigt, welche einige Ganglienzellen aus der Netzhaut des Kalbes in der f\u00fcr solche Objekte \u00fcblichen Vergr\u00f6sserung darstellt. Unter den Forts\u00e4tzen jeder Ganglienzelle ist einer besonders ausgezeichnet durch seine St\u00e4rke und sein gl\u00e4nzendes Aussehen. Er bleibt ungetheilt und geht in eine Opticusfaser \u00fcber, die andern Forts\u00e4tze gehen nach aussen und thei-","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144 Fick, Physiol. Optik II. 1. Cap. Lichtempfindung. Bau der Netzhaut.\nlen sich alsbald in verschwindend feine F\u00e4dchen, welche sich in die granulirte Schicht verlieren. Ob die Ausl\u00e4ufer benachbarter Ganglienzellen sich untereinander verbinden ist nicht ausgemacht, jedoch wollen es manche Forscher beobachtet haben.\nDie Ganglienzellenschicht ist im gelben Fleck am m\u00e4chtigsten. Hier liegen in der Dicke 8\u201410 Zellen \u00fcbereinander. Von da an nimmt die M\u00e4chtigkeit nach allen Seiten ab, so dass in einiger Entfernung die Zellen nur noch in einfacher Schicht aber dicht gedr\u00e4ngt neben einander liegen. Noch weiter gegen die ora serrata ist die Zellenschicht nicht mehr ununterbrochen, sondern man findet nur vereinzelte durch mehr oder weniger grosse Zwischenr\u00e4ume getrennte Zellen.\nDie nerv\u00f6sen Elemente der inneren granulirten Schicht sind nicht vollkommen deutlich zu unterscheiden. Am wahrscheinlichsten sind es \u00e4usserst feine F\u00e4dchen, welche mit den \u00e4usseren Forts\u00e4tzen der Ganglienzellen Zusammenh\u00e4ngen. Diese F\u00e4dchen scheinen einen verworrenen Filz zu bilden, der in das L\u00fcckensystem des hier reichlichen schwammigen Bindegewebes eingebettet ist.\nDie Mehrzahl der K\u00f6rner der inneren K\u00f6rnerschicht h\u00e4lt man f\u00fcr nerv\u00f6se Gebilde, da sie in ihrem Ansehen und in allen chemischen Reaktionen kleinen Ganglienzellen gleichen. Jedes solche Korn besitzt zwei Ausl\u00e4ufer deren einer nach innen einer nach aussen gerichtet ist. Der erstere d\u00fcrfte in Zusammenhang stehen mit F\u00e4dchen der inneren granulirten Schicht der andere mit solchen der \u00e4usseren granulirten Schicht. In dieser letzteren scheint wie in der inneren granulirten Schicht ein Filz von nerv\u00f6sen F\u00e4den vorhanden zu sein, die wahrscheinlich wie soeben ausgesprochen wurde mit den \u00e4usseren Ausl\u00e4ufern der Zellen der inneren K\u00f6rnerschicht Zusammenh\u00e4ngen. Von Schwalbe wird \u00fcbrigens dieser Zusammenhang in Abrede gestellt. Er behauptet, dass die \u00e4usseren Ausl\u00e4ufer der inneren K\u00f6r-\nFig. 38.","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"Sehnervenfaserschicht.\n145\nner die \u00e4ussere granulirte Schicht einfach durchsetzen ohne sich mit dem Faserfilz derselben zu verbinden. Dieser w\u00fcrde alsdann wohl f\u00fcr gar nicht nerv\u00f6s anzusehen sein. Es finden sich in der \u00e4usseren gra-nulirten Schicht ausserdem zahlreiche sternf\u00f6rmige platte Zellen, denen die nerv\u00f6se Natur von den besten Beobachtern aber abgespro-c h e n wird.\nIn der \u00e4usseren K\u00f6rnerschicht herrschen wieder die unzweifelhaft nerv\u00f6sen Elemente \u00fcber die bindegewebigen sehr entschieden vor. Jedes Korn dieser Schicht h\u00e4ngt durch eine radiale Faser deutlich zusammen mit einem Elemente der St\u00e4bchenschicht. Den zweierlei Elementen dieser letzteren entsprechend kann man daher St\u00e4bchenk\u00f6rner und Zapfenk\u00f6rner unterscheiden, die auch im Bau, Gr\u00f6sse und Lage verschieden sind. Die Zapfenk\u00f6rner sind n\u00e4mlich gr\u00f6sser und liegen an der \u00e4usseren Seite der \u00e4usseren K\u00f6rnerschicht, so dass sie eigentlich ohne Zwischenfaser unmittelbar mit den Zapfen Zusammenh\u00e4ngen nur durch eine im Niveau der limitans externa befindliche Einschn\u00fcrung vom Zapfen abgesetzt. Die St\u00e4bchenk\u00f6rner sind kleiner und durch einen mehr oder weniger langen radialen Faden mit ihren St\u00e4bchen verbunden. Ferner zeigt jedes St\u00e4bchenkorn ein Paar Querstreifen, die den Zapfenk\u00f6rnern fehlen. Gegen\u00fcber dem mit einem St\u00e4bchen oder Zapfen in Verbindung stehenden Ende sendet jedes Korn der in Rede stehenden Schicht einen radicalen Ausl\u00e4ufer nach innen, welcher in der \u00e4usseren granulirten Schicht untertaucht und hier nach der einen Auffassung in den Faserfilz eingeht oder sie durchsetzt um direkt in einen Ausl\u00e4ufer eines Kornes der inneren K\u00f6rnerschicht \u00fcberzugehen.\nDie Schicht der St\u00e4bchen und Zapfen besteht aus dichtgedr\u00e4ngten nerv\u00f6sen Elementen von zweierlei Art. Gemeinsam ist beiderlei Elementen die vorwiegende Ausdehnung in der radialen Richtung und die Zusammensetzung aus zwei deutlich unterscheidbaren Thei-len dem sogenannten Innenglied und Aussenglied. In Fig. 35 ist deutlich zu sehen, wo das dunkler schattirte und punktirte Innenglied sich von dem hell gezeichneten ganz cylindrischen Aussenglied absetzt. Die Grenzen liegen gerade in der Linie, welche die beiderseits stehenden Zahlen 9 verbindet. Das Innenglied der St\u00e4bchen sowohl als der Zapfen zeigt unter dem Mikroskop ganz das Ansehen einer Protoplasmamasse. Man sieht daran oft eine L\u00e4ngsstreifung, welche von einigen Autoren erkl\u00e4rt wird durch die Anwesenheit feiner F\u00e4serchen, welche von der limitans externa zwischen die Elemente der St\u00e4bchenschicht hineinragen.\nDie Aussenglieder der St\u00e4bchen und Zapfen zeichnen sich unter\nHandbuch der Physiologie. Bd. III.\t10","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"146\tFick, Physiol. Optik IL 1. Cap. Bau der Netzhaut.\ndem Mikroskope durch starken Glanz aus. Sie scheinen aus einer sehr stark lichtbrechenden Substanz zu bestehen. Oefters ist auch an den Aussengliedern eine L\u00e4ngsstreifung wahrgenommen, welche von einigen auf das Vorhandensein einer Faser in der Axe derselben bezogen wird. Besonderes Gewicht haben manche neuere Autoren besonders M. Schultze auf den Umstand gelegt, dass die Aussenglieder leicht der L\u00e4nge nach in \u00e4usserst d\u00fcnne Pl\u00e4ttchen von grosser Regelm\u00e4ssigkeit zerfallen.\nBei dieser grossen Uebereinstimmung im Bau darf wohl angenommen werden, dass die St\u00e4bchen und Zapfen nicht wesentlich verschiedene Gebilde sind. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Zapfen etwas dicker sind namentlich das Innenglied. Das Aussenglied des Zapfens ist dagegen ein wenig k\u00fcrzer als das des St\u00e4bchens und l\u00e4uft nach aussen spitz zu.\nDie Verthei]ung der beiderlei Elemente ist in verschiedenen Theilen der Netzhaut verschieden. Im gelben Fleck sind bloss Zapfen vorhanden. In der N\u00e4he des gelben Fleckes ist jeder Zapfen von einem einfachen Kranze von St\u00e4bchen umgeben, wie Fig. 39 zu sehen ist. Gegen die Ora serrata hin werden die Zapfen immer seltener, so dass die St\u00e4bchenschicht senkrecht auf ihre Fl\u00e4chenausbreitung betrachtet den Anblick der Fig. 40 darbietet.\nMit den Aussengliedern der St\u00e4bchen und Zapfen in engstem Zusammenh\u00e4nge stehen die Zellen des Pigmentepithels der Netzhaut.\nEs bildet ein regelm\u00e4ssiges Mosaik von platten sechseckigen Zellen, welche aber pigmentirte Forts\u00e4tze zwischen die Aussenglieder der St\u00e4bchen und Zapfen hineinerstrecken. Diese sind davon scheidenartig umgeben. In Fig. 41 sieht man unter a das Mosaik der Pigmentzellen in seiner Ausbreitung unter b sind zwei Zellen mit ihren Forts\u00e4tzen von der Seite zu sehen ; unter c sieht man noch einige St\u00e4bchenaussenglieder. in den Pigmentzelle festh\u00e4ngen. Ueber die Schichten der Netzhaut ist endlich noch zu sagen, dass die \u00e4ussere K\u00f6rnerschicht und was von ihr nach aussen liegt, vollst\u00e4ndig gef\u00e4sslos ist.\nFig. 40.\nFig. 39.","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"Ganglienzellen. Heizung durch Lichtschwingungen.\n147\nDer muthmaassliche Zusammenhang der s\u00e4mmtlichen nerv\u00f6sen Elemente der Netzhaut ist in Fig. 42 \u00fcbersichtlich dargestellt. Es wird allgemein angenommen, dass die Sehnervenfasern durch Yermitt-\na\nFig. 41.\nlung der Ganglienzellen und radialer Fasern, in welche K\u00f6rner der inneren und \u00e4usseren K\u00f6rnerschicht eingelagert sind, mit St\u00e4bchen und Zapfen Zusammenh\u00e4ngen. Streitig ist das Verhalten der radialen Nervenfasern in der inneren und \u00e4usseren granulirten Schicht indem einige Autoren (namentlich Schultze) annehmen, dass hier die radialen Fasern in einen Faserfilz eingehen, andere (Schwalbe) geneigt sind zu glauben, dass sie diesen Faserfilz ohne damit zusammenzuh\u00e4ngen durchsetzen.\nIn Fig. 43 ist endlich noch eine Darstellung eines senkrechten Schnittes durch die Gegend des gelben Fleckes, der physiologisch besonders ausgezeichnet ist. Die Schichten sind mit denselben Zahlen wie in Fig. 35 bezeichnet.\nZWEITES CAPITEL.\nOrt der Reizung durch Liditschwingungen.\nI. Anatomische Betrachtungen.\nDie Antwort auf die Frage, welche Elemente der Netzhaut durch Lichtstrahlen reizbar sind, l\u00e4sst sich erstens in rein anatomischen Erw\u00e4gungen suchen. Man muss offenbar annehmen, dass die reizbaren Vorrichtungen sich am \u00e4ussersten peripherischen Ende der Verkettung nerv\u00f6ser Elemente finden, denn eine weitere Fortsetzung dieser Verkettung \u00fcber den reizbaren Punkt hinaus h\u00e4tte offenbar keinen Sinn. Nun sind, wie in den vorigen Paragraphen gezeigt ist, nach\nio*","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"14S Fick. Physiol. Optik II. 2. Cap. Ort der Reizung durch Lichtschwingungen.\nFig. 42.\nFig. 43.\n","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"Anatomische Betrachtungen. Der blinde Fleck.\n149\nden bestbegr\u00fcndeten Annahmen der Anatomen die letzten peripherischen Glieder jener Verkettung nerv\u00f6ser Elemente in der Netzhaut die St\u00e4bchen und Zapfen.\nZu demselben Ergebnisse f\u00fchrt aber die physiologische Ueber-legung. Die Thatsache, dass eine Gruppe dicht beieinanderliegender leuchtender Punkte als solche erkannt werden kann, d. h. dass jeder Punkt derselben gesondert gesehen wird, sobald ein optisches Bild dieser Gruppe auf die Retina f\u00e4llt, zieht die Folgerung nach sich, dass die Schicht der Netzhaut, in welcher die Strahlungen zur Ner-venreizung Anlass werden, einen mosaikartigen Bau besitzen muss. D. h. es muss jedes Element dieser Schicht in keiner zur betreffenden Netzhautstelle tangentialen Richtung eine ansehnliche Ausdehnung besitzen und es d\u00fcrfen in der zur Netzhautfl\u00e4che normalen Richtung nicht mehrere Elemente \u00dcbereinanderliegen. Nur so ist es denkbar, dass jedes auf einen Punkt koncentrirte Strahlenb\u00fcndel eine und nur eine Empfindung bewirkt. Dieser mosaikartige Bau kommt aber nur der Schicht der St\u00e4bchen und Zapfen zu. W\u00e4ren z. B. die Sehnervenfasern selbst durch Lichtstrahlen reizbar, so w\u00fcrde eine l\u00e4ngs eines Meridianes zum Rande der Netzhaut ziehende Faser nicht nur durch ein von einem leuchtenden Punkte ausgehendes Strahlenb\u00fcndel gereizt werden, sondern von allen denen, welche ihre Vereinigungspunkte in den Punkten dieses Meridianes f\u00e4nden und man k\u00f6nnte also alle die \u00e4usseren Punkte, deren Bilder auf diesem Meridian liegen, nicht unterscheiden, da ihre Strahlungen dasselbe nerv\u00f6se Element reizten, also zusammen nur eine Empfindung hervorbr\u00e4chten. Ueber-dies liegen in der Nervenfaserschicht stellenweise mehrere Elemente gleicher Art hintereinander und w\u00fcrde also noch dazu jedes einzelne Strahlenb\u00fcndel mehrere Elemente reizen, wenn sie reizbar w\u00e4ren. Das letztere gilt auch von den weiter nach aussen gelegenen Schichten der Ganglienzellen und der K\u00f6rner und l\u00e4sst also auch diese als ungeeignet erscheinen f\u00fcr die Angriffsstelle des Lichtreizes zu gelten.\nII. Der blinde Fleck.\nOb die Sehnervenfasern in der That entschieden nicht durch Licht reizbar sind, l\u00e4sst sich ganz direkt experimentell pr\u00fcfen. Die Eintrittstelle des Sehnerven in die Netzhaut enth\u00e4lt n\u00e4mlich ausser Sehnervenfasern gar keine nerv\u00f6sen Elemente, weder Ganglienzellen noch K\u00f6rner, St\u00e4bchen oder Zapfen. L\u00e4sst man nun auf diese Stelle das Bild eines hellen Objektes fallen, so muss sich zeigen, ob die Sehnervenfasern reizbar sind oder nicht, denn wenn sie nicht reizbar","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150 Fick, Physiol. Optik IL 2. Cap. Ort der Reizung durch Lichtschwingungen.\nsind, so darf in diesem Falle gar keine Lichtempfindung entstehen. Dass dem wirklich so sei, lehrt der ber\u00fchmte MARiOTTi\u2019sche Versuch. Er ist am einfachsten folgendermaassen anzustellen. Man bringe auf dunklem Grunde zwei kleine helle Marken in etwa 10 cm. Abstand von einander an, z. B. zwei weisse Oblaten auf schwarzem Papier. Fixirt man jetzt die rechts gelegene mit dem linken Auge aus etwa 35 cm. Entfernung, so wird die links gelegene unsichtbar. Ebenso wird die rechts gelegene unsichtbar, wenn man die links gelegene mit dem rechten Auge fixirt. Um die richtige Entfernung des Auges nicht zu verfehlen, geht man am besten aus bedeutend gr\u00f6sserer Entfernung an das gew\u00e4hlte Fixations-Zeichen allm\u00e4hlich heran und bemerkt dann bald, wann das andere Zeichen verschwindet und wann es bei noch weiterer Ann\u00e4herung wieder auftaucht. Das nicht benutzte Auge muss bei dem Versuche geschlossen werden. Man kann \u00fcbrigens auch schwarze Marken auf hellem Grunde zum Versuche benutzen, denn wenn eine Stelle der Netzhaut unerregbar durch Licht ist, so kann eben nicht unterschieden werden, ob Licht von einem Punkte des hellen Hintergrundes oder kein Licht von der dunkeln Marke darauf f\u00e4llt. Ein schwarzer Punkt auf hellem Grunde verschwindet also auch, wenn sein Bild auf die fragliche unempfindliche Stelle der Netzhaut f\u00e4llt.\nDa aus den beschriebenen Thatsachen hervorgeht, dass die unsichtbaren Punkte des Gesichtsfeldes schl\u00e4fenw\u00e4rts vom fixirten Punkte liegen, so muss die unempfindliche Stelle der Netzhaut nasenw\u00e4rts vom Pole derselben liegen.\nBei genauerer Zergliederung findet sich ferner meist die Mitte des unsichtbaren Fleckes etwas unterhalb des wagrechten Meridianes der Mittelpunkt der unempfindlichen Netzhautparthie liegt demnach meist etwas oberhalb dieses Meridianes, was f\u00fcr die Eintrittstelle des Sehnerven bekanntlich zutrifft. Dass nun wirklich diese ganze Stelle und nicht etwa \u2014 wie manche behauptet haben \u2014 blos die Eintrittstelle der vasa centralia retinae durch Licht nicht reizbar ist, geht aus der genaueren Untersuchung der Gr\u00f6sse und Gestalt des unsichtbaren Theiles des Gesichtsfeldes mit Sicherheit hervor. Bei einiger Uebung im Fixiren und Beobachten seitlich gelegener Objekte kann man den unsichtbaren Theil eines Papierblattes sehr leicht genau umschreiben. Man fixirt n\u00e4mlich einen bezeichneten Punkt des Blattes und bringt die dunkle Spitze eines sonst hellfarbigen schreibenden Stiftes zun\u00e4chst ins Innere des ungesehenen Raumes, schiebt ihn dann in irgend einer Richtung langsam vor bis die Spitze eben sichtbar wird, hier macht man ein Zeichen auf das Blatt und","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"Der blinde Fleck.\n151\nverf\u00e4hrt gerade so in m\u00f6glichst vielen verschiedenen Richtungen, dann erh\u00e4lt man ebensoviele Punkte von der Umgrenzung des unsichtbaren Theiles des Blattes. Helmholtz zeichnete nach diesem von ihm angegebenen Verfahren den f\u00fcr sein rechtes Auge unsichtbaren Theil eines Papierblattes, wie es in Fig. 44 durch den schwarzen Fleck angegeben ist. Das Kreuzchen bei a ist der fixirte Punkt und die Linie AB der a dritte Theil der zugeh\u00f6rigen Entfernung des Auges vom Papierblatte. Man sieht, dass die Form und Gr\u00f6sse des schwarzen Fleckes ganz ^ wohl der papilla nervi optici entspricht. . Denn sein Bild auf der Netzhaut in einem um 3 AB abstehenden Auge w\u00fcrde einen Durchmesser von etwa 2 mm. haben, also den Durchmesser der vasa centralia retinae bei weitem \u00fcbertreffen. Man sieht \u00fcbrigens in der Figur, dass die Stellen wo die vasa centralia aus der Papille austreten auch noch in den Bereich der unempfindlichen Stelle geh\u00f6ren.\nDer Winkel zwischen der Fixationsrichtung und dem Richtungsstrahl zum n\u00e4chstbenachbarten Punkte des unsichtbaren Raumes betr\u00e4gt nach Listing 12\u00b0 37', nach Helmholtz 12\u00b0 25', nach Th. Young 12\u00b0 56'; der Winkel zwischen dem Richtungsstrahl zum \u00e4usser-sten Punkte des unsichtbaren Raumes und der Fixationsrichtung betr\u00e4gt nach Listing 18\u00b0 33', nach Helmholtz 18\u00b0 55', nach Th. Young 16\u00b0 1'. Der wagrechte Durchmesser des unsichtbaren Fleckes umspannt einen Gesichtswinkel von 3\u00b0 39' bis 9\u00b0 47', nach Messungen von Hannover und Thomsen an 22 verschiedenen Augen. Das Mittel aus allen diesen Messungen betr\u00e4gt 6\u00b0 10'. Listing fand f\u00fcr diese Gr\u00f6sse den Werth 5\u00b0 56', Griffin in maximo 7\u00b0 31', Helmholtz 6\u00b0 56', Th. Young 3\u00b0 5'. Helmholtz zweifelt jedoch an der Zuverl\u00e4ssigkeit dieser letzteren auffallend kleinen Angabe, weil Young eine ungeeignete Methode angewandt habe. Aus den mitgetheilten Angaben l\u00e4sst sich der Durchmesser der unempfindlichen Netzhautstelle berechnen, wenn man \u00fcber die Entfernung des Knotenpunktes von der Netzhaut eine bestimmte Annahme macht. Setzt man sie = 15 mm., so ergiebt sich f\u00fcr Listing\u2019s Auge 1,55 mm., f\u00fcr Helmholtz\u2019s Auge 1,81 mm. und als Mittel f\u00fcr die von Hannover und Thomsen beobachteten Augen 1,61 mm. E. H. Weber fand bei zwei","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152 Fick, Physiol. Optik II. 2. Cap. Ort der Reizung durch Lichtschwingungen.\nLeichenaugen den wagrechten Durchmesser der Eintrittstelle des Sehnerven = 2,1 mm. und =1,72 mm. was mit den soeben gefundenen Werth en des Durchmessers nahezu \u00fcbereinstimmt, dagegen war der gr\u00f6sste Durchmesser des Stranges der vasa centralia nach den Messungen von Weber nur 0,31 resp. 0,28 mm. Der Abstand der Mitte des gelben Fleckes von der Mitte der Sehnervenpapille betrug bei dem einen jener Leichenaugen 3,8 mm. und in Listing\u2019s Auge berechnet sich der Abstand der Mitte des unempfindlichen Netzhauttheils von der Mitte des gelben Fleckes zu 4,05 mm.\nMan kann sich die Gr\u00f6sse des unsichtbaren Raumes recht anschaulich machen, wenn man sich vorstellt, dass etwa 11 mal der Vollmond darin Platz hat, oder dass das Gesicht eines etwas \u00fcber 2 m. abstehenden Menschen darin verschwinden kann.\nL\u00e4sst man auf die unempfindliche Netzhautstelle sehr starke Lichtstrahlen fallen, z. B. das Bildchen der Sonne, so erf\u00fcllt sich das ganze Gesichtsfeld mit einem Lichtschimmer aber offenbar nur darum, weil von den stark durchleuchteten Sehnervenfasern diffuses Licht auf der ganzen Netzhaut verbreitet wird und nicht etwa weil die starke Strahlung die Nervenfasern selbst reizt.\nIII. Sehsch\u00e4rfe.\nEs lassen sich durch Pr\u00fcfung des Ortsinnes der Netzhaut noch weitere Gr\u00fcnde f\u00fcr die Annahme beibringen, dass gerade die St\u00e4bchen und Zapfen die reizbaren Elemente der Netzhaut sind und dass wenigstens in gewissen Theilen dieses Organes jedes einzelne Element der \u00e4ussersten reizbaren Schicht in isolirter Verbindung mit der Gegend des Nervensystems steht, deren molekulare Bewegungen f\u00fcr die \u00e4ussere Anschauung eines Anderen das sind, was f\u00fcr die innere Anschauung des Subjektes selbst bewusstes Empfinden ist. Wenn n\u00e4mlich dies der Fall ist, so ist es denkbar und es ist nur in diesem Falle denkbar, dass wenn zwei benachbarte Zapfen oder St\u00e4bchen von zwei verschiedenen Lichtreizen getroffen werden, dadurch zwei unterscheidbare Empfindungen entstehen, und dass zwei Lichtempfindungen dann auf r\u00e4umlich getrennte Objekte als Ursachen bezogen werden, wenn die gereizten Stellen nur um die Breite eines jener Elemente auf der Netzhaut von einander entfernt sind.\nUeber die Entfernung, in welcher sich zwei leuchtende Objekte von einander befinden m\u00fcssen, um durch den Gesichtssinn als r\u00e4umlich getrennt wahrgenommen zu werden, sind von verschiedenen Forschern Versuche angestellt. So erscheinen nach Hooke zwei Sterne","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"Sehsch\u00e4rfe.\n153\nnicht mehr als getrennt, wenn ihr Abstand einen Gesichtswinkel von weniger als 60\" umspannt. Das sch\u00e4rfste von E. H. Weber untersuchte Auge konnte zwei weisse Striche erst dann getrennt wahrnehmen, wenn die Entfernung derselben einen Gesichtswinkel von mindestens 73\" umspannte. Helmholtz konnte noch bei einer Entfernung, welche 64\" spannt, die Striche getrennt sehen. Der Abstand zweier Netzhautpunkte aber, deren Richtungsstrahlen Winkel von 60\", 64\", 73\" miteinander bilden, betr\u00e4gt beziehlich 0,00438 mm., 0,00464 und 0,00526 mm. Andererseits betr\u00e4gt die Dicke eines Zapfens im gelben Fleck nach K\u00f6lliker\u2019s Bestimmungen 0,0045 bis 0,0055 mm. Man sieht hiernach, dass die Thatsachen des Sehens ganz wohl zu der Annahme stimmen, dass jeder Zapfen des gelben Fleckes bei seiner Erregung eine besondere, von jeder anderen unterscheidbare Lichtempfindung vermitteln kann.\nAuffallend kann nur erscheinen, dass die durch den anatomischen Bau der Netzhaut gegebene Grenze der Genauigkeit des Sehens auch wirklich nahezu erreicht wird, obgleich doch, wie im ersten Abschnitte gezeigt wurde, die optischen Bilder auf der Netzhaut, selbst bei m\u00f6glichst vollkommener Einstellung des dioptrischen Apparates, mit grossen Fehlern behaftet sind. So sind die Zerstreuungskreise in Folge der Farbenabweichung bei 4 mm. weiter Pupille in weisser Beleuchtung mindestens 0,04 mm. breit und es m\u00fcssen also diese Zerstreuungskreise von zwei Punkten, die einen Winkelabstand von nur 70\" am Kreuzungspunkte umspannen, schon weit \u00fcbereinander-greifen. Dies Uebereinandergreifen der Zerstreuungskreise macht aber die Trennung der beiden Punkte im Bewusstsein nicht unm\u00f6glich, denn es kann ein Zapfen zwischen den beiden wahren Bildpunkten eine merklich verschiedene Beleuchtung haben von denen, welche diese Bildpunkte aufnehmen, weil, wie fr\u00fcher gezeigt wurde, die Lichtvertheilung in den Zerstreuungskreisen wegen der Farbenabweichung vom Centrum nach der Peripherie rasch abnimmt.\nWenn man parallele weisse Striche mit schwarzen Zwischenr\u00e4umen aus solcher Entfernung betrachtet, dass die Breite des Zwischenraumes nahezu unter jenem Grenzwinkel erscheint, dann zeigt sich ehe das v\u00f6llige Verschwimmen der Striche ineinander eintritt, eine eigenthiimliche Erscheinung. Die einzelnen Striche erscheinen n\u00e4mlich stellenweise knotig angeschwollen oder geknickt, wie es in Fig. 45 unter A angedeutet ist. Bisweilen erscheint auch die ganze Figur mehr schachbrettartig gemustert. Bergmann, der diese Erscheinung zuerst beschrieben hat, giebt derselben die Deutung, welche in Fig. 45 durch die Zeichnung unter B erl\u00e4utert wird. Die Sechsecke sollen","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154 Fick, Physiol. Optik IL 2. Cap. Ort der Reizung durch Lichtschwingungen.\ndas Zapfenmosaik andeuten und man sieht, dass wenn ein Streifenbild darauf entworfen wird, bei der geh\u00f6rigen Kleinheit ein schwarzer\nStreif bald auf einen Zapfen beschr\u00e4nkt bleibt, bald sich auf zwei vertheilt, wo dies letztere der Fall ist, wird der Streif breiter erscheinen. Wenn gar benachbarte Zapfen von zwei benachbarten schwarzen Streifen theil-weise bedeckt werden, so m\u00fcssen hier die benachbarten Streifen zusam-menzufliessen scheinen, was, wenn es h\u00e4ufig vorkommt, den schachbrettartigen Anblick hervorbringen kann.\nAuf den Seitentheilen der Netzhaut m\u00fcssen zwei Bilder viel weiter auseinanderliegen als auf dem gelben Fleck, wenn sie als getrennt wahrgenommen werden sollen. Die ersten eingehenden Untersuchungen \u00fcber diesen Gegenstand sind von Aubert und F\u00f6rster angestellt, Sie r\u00fcckten ein aus zwei schwarzen Punkten auf hellem Grunde bestehendes Objekt so lange vom fixirten Punkte weiter weg, bis die beiden Punkte nicht mehr als getrennt wahrgenommen werden konnten und zwar f\u00fchrten sie solche Pr\u00fcfungen in verschiedenen Meridianrichtungen aus. F\u00fcr zwei Punkte von je 2,5 mm. Durchmesser deren Mittelpunkte sich in 14,5 mm. Abstand voneinander befinden, stellt Fig. 46 das Ergebniss der Messung graphisch dar.\nDie Linie ab giebt den Maassstab insofern sie den senkrechten Abstand des Auges von der Tafel bedeutet, auf welcher das aus jenen beiden Punkten bestehende Objekt verschoben wurde. Im wirklichen Versuche betrug dieser Abstand (das F\u00fcnffache von ab) 200 mm. und es wurde stets derselbe und zwar der am Auge n\u00e4chste Punkt der Tafel fixirt. Die sternf\u00f6rmig auseinander laufenden Linien bedeuten die Schnittlinien der verschiedenen Meridianebenen des Auges mit der Ebene der Tafel, ihr gemeinsamer Schnittpunkt ist also der fixirte\nA\nl\\\nFie. 45.","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Sehsch\u00e4rfe.\n155\nPunkt. Die L\u00e4nge eines Strahles bis zur Umfangslinie misst in Vs der nat\u00fcrlichen Gr\u00f6sse wie weit die der betreffenden Meridianrichtung das Objekt vom fixirten Punkte verschoben werden musste, damit die beiden Punkte nicht mehr als getrennte wahrnehmbar waren. Die beiden ausgezogenen Umfangslinien beziehen sich auf Aubert\u2019s, die beiden punktirten auf Forster\u2019s rechtes und linkes Auge. Die Buchstaben an der wagrechten Linie I und A bezeichnen die Innen- oder Nasenseite und die Aussen- oder'Schl\u00e4fenseite, 0 und U bedeuten oben und unten. Die eingeschlossenen Figuren sind also geradezu Theile des Gesichtsfeldes innerhalb dessen genau genug gesehen wird, um in etwa 200 mm. Abstand zwei 14,5 mm. voneinander entfernte Punkte als getrennte wahrzunehmen. Man sieht dass dieser Theil des Gesichtsfeldes im wagrechten Meridian weiter ausgedehnt ist als im senkrechten.\nNachstehende Tabelle giebt die Resultate noch einiger Versuche mit anderen \u00e4hnlichen Objekten, welche auf einer Tafel in derselben Entfernung betrachtet wurden. Die erste Spalte giebt die Entfernung der das Objekt bildenden Punkte von einander, die zweite den Durchmesser des einzelnen Punktes. In der dritten Spalte ist angegeben, wie weit das Objekt unter den durch die Zahlen der beiden ersten Spalten gegebenen Bedingungen vom Fixationspunkt wegger\u00fcckt werden musste, um nicht mehr als aus zwei getrennten Punkten bestehend erkannt zu werden. Jede Zahl dieser letzten Spalte ist aber das Mittel aus allen den Messungen, welche in 8 verschiedenen Meridianrichtungen gemacht sind.\nEntfernung der beiden Punkte von einander.\tDurchmesser der Punkte.\tEntfernung des Objektes vom fixirten Punkte.\n3,25 mm.\t1,25 mm.\t31 mm.\n6,5\t\t50 \u201e\n9,5\t\u201e\t3,75 \u201e\t55 ,,\n12\t1.25 .,\t60 \u201e\n14.5\t2.5\t\u201e\t65 ,,\n20.5\t..\t3,75 \u201e\t77 ,,\nBei diesen Versuchen bemerkten Aubert und F\u00f6rster \u00f6fters blinde Stellen auf ihren Netzh\u00e4uten und zwar in ganz bestimmter Lage, so dass die Objekte jedesmal wieder verschwanden, so wie ihre Bilder wieder auf diese Stellen fielen. Ausserdem verschwam den die Objekte allerdings auch \u00f6fters nur zeitweise hier oder dort in Folge von momentaner Blendung.\nDie beiden genannten Forscher haben \u00fcber die Feinheit des","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156 Fick, Physiol. Optik IL 2. Cap. Ort der Reizung durch Lichtschwingungen.\nOrtsinnes der Netzhaut noch Versuche angestellt, die zwar nicht so unmittelbar eine Vorstellung von der Gr\u00f6sse der empfindenden Einheiten geben, aber doch auch von grossem Interesse sind. Sie betrachteten n\u00e4mlich bei momentaner Beleuchtung durch den elektrischen Funken Tafeln auf denen Buchstaben und Zahlen in einer dem Beobachter v\u00f6llig unbekannten Anordnung geschrieben standen, und notirten wie viele davon auf einen Blick, also ohne Aenderung der Fixationsrichtung erkannt werden konnten.1\nEs zeigte sich bei diesen Versuchen wie zu erwarten war, dass, je gr\u00f6sser der Gesichtswinkel, unter welchem je eine Zahl erschien \u2014 je gr\u00f6sser also das Netzhautbild derselben war, um so weiter seitw\u00e4rts vom gelben Fleck konnte sie noch erkannt werden. Doch hatte merkw\u00fcrdigerweise auch die absolute Entfernung der Pr\u00fcfungsobjekte einen Einfluss. Wurde n\u00e4mlich aus gewisser Entfernung eine Zahl von bestimmter Gr\u00f6sse in einem gewissen Winkelabstande vom fixirten Punkte noch eben erkannt, so h\u00e4tte man erwarten sollen, dass eine doppelt so grosse Zahl in doppelter Entfernung bei demselben Winkelabstand vom fixirten Punkte zu erkennen gewesen w\u00e4re, da ja ihr Netzhautbild jetzt .ebensogross war und auf derselben Netzhautstelle lag, wie vorhin das der halb so grossen Zahl. Dies war aber nicht der Fall. Die doppelt so grosse und doppelt entfernte Zahl musste von dem fixirten Punkte auf der Objektebene einen viel kleineren als den doppelten Abstand haben um erkannt zu werden, oder der Winkel zwischen der Fixationsrichtung und dem Richtungsstrahl zum Mittelpunkte der Zahl musste bedeutend kleiner sein. Durch Versuche mit einfacheren Objekten hat sp\u00e4ter Aubert dieses bemerkenswerthe Ergebniss noch best\u00e4tigt und es kann kaum daran gedacht werden, dass es auf T\u00e4uschung oder Beobachtungsfehlern beruht. Eine Erkl\u00e4rung f\u00fcr diese r\u00e4thselhafte Erscheinung ist bis jetzt nicht versucht worden.\nDie Bestimmung der Sehsch\u00e4rfe oder der F\u00e4higkeit der Netzhaut benachbarte Punkte zu unterscheiden, ist eine wichtige Aufgabe des praktischen Augenarztes der zu diesem Zwecke bequemer Methoden und einer verabredeten Maasseinheit bedarf, um die Sehsch\u00e4rfe verschiedener Individuen und verschiedener Zonen derselben Netzhaut numerisch auszudr\u00fccken. Als praktische Methode wird heutzutage allgemein das Vorlegen von Schriftproben in verschiedener Gr\u00f6sse und Entfernung angewandt. Die Schriftproben bestehen aus Buchstaben deren Dicke Vs ihrer H\u00f6he betr\u00e4gt. Als Einheit der\nl Aubert, Beitr\u00e4ge zur Kenntniss des indirekten Sehens. Molescli. Unters. IV.\n1858.","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"Sehsch\u00e4rfe.\n157\nSehsch\u00e4rfe ist diejenige angenommen, bei welcher solche Buchstaben erkannt werden, wenn ihre H\u00f6he unter einem Gesichtswinkel von 5' erscheint. Als Maass jeder beliebigen Sehsch\u00e4rfe dient dann der Quotient\nwenn d der Abstand ist, bei welchem das gepr\u00fcfte Individuum die betreffende Schrift lesen kann und D der Abstand, bei welchem ihre Buchstabenh\u00f6he eben unter einem Gesichtswinkel von 5' erscheinen w\u00fcrde. Vorausgesetzt wird dabei, dass das gepr\u00fcfte Auge f\u00fcr den Abstand d genau eingestellt ist, n\u00f6tigenfalls mit H\u00fclfe einer Linse. Die bequeme Ausf\u00fchrung dieser Bestimmungen, die mit der Sehweitebestimmung Hand in Hand gehen, findet man beschrieben in den Darstellungen der praktischen Augenheilkunde.1\nDie s\u00e4mmtliehen vorstehend beschriebenen Thatsachen zeigen, dass die Netzhauttheile, deren Reizung je eine und von jeder andern unterscheidbare Empfindung verursacht \u2014 die sogenannten Empfindungskreise \u2014 um so gr\u00f6sser werden, je weiter man sich von der fovea centralis entfernt. Diese Thatsache haben manche Autoren dahin gedeutet, dass nicht alle Elemente der \u00e4ussersten Netzhautschicht durch Licht reizbar seien, sondern bloss die sogenannten Zapfen, die in der That im gelben Fleck dicht gedr\u00e4ngt stehen, w\u00e4hrend sie gegen den Rand der Netzhaut immer sp\u00e4rlicher zwischen den St\u00e4bchen vertheilt sind. Es k\u00e4me somit allerdings je ein empfindliches Element auf ein immer gr\u00f6sseres Fl\u00e4chenst\u00fcck, je weiter es vom gelben Fleck abliegt. Nun sind aber die Zapfen in den Seitentheilen der Netzhaut so sp\u00e4rlich vertheilt und zwischen ihnen sind so grosse bloss mit St\u00e4bchen besetzte Strecken, dass unz\u00e4hlige Male Bilder kleiner Objekte bei kleinen Bewegungen bald auf Zapfen bald auf zapfenfreie, also unerregbare Fl\u00e4chenst\u00fccke fallen, also bald auftauchen, bald verschwinden m\u00fcssten. Diese Erscheinung beobachtet man, wie schon erw\u00e4hnt, bisweilen aber doch bei weitem nicht so h\u00e4ufig, wie es bei dem anatomischen Bau der \u00e4usseren Netzhautschicht unter der in Rede stehenden Annahme zu erwarten w\u00e4re.\nMan hat daher neuerdings meistens der Annahme den Vorzug gegeben, wonach auch die St\u00e4bchen durch Lichtstrahlen reizbar sind. Die gr\u00f6ssere Ausdehnung der Empfindungskreise auf den Seitentheilen der Netzhaut h\u00e4tte man alsdann dadurch zu erkl\u00e4ren, dass man annimmt, dass immer nur eine ganze Gruppe von reizbaren Elementen\n1 Siehe z. B. Handbuch der gesammten Augenheilkunde III. 1. Theil. Leipzig 1874. Eidoptometrie von Snellen & Landolt.","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":".158 Fick, Physiol. Optik IL 2. Cap. Ort der Reizung durch Lichtschwingungen.\nnur mit je einem Elemente des Nervensystems in Verbindung steht, dessen Erregungszustand in der inneren Anschauung als individuelle von anderen unterschiedbare Empfindung auftritt. Man k\u00f6nnte etwa daran denken, dass immer je ein Zapfen mit der ihn umgebenden St\u00e4bchengruppe mit je einem empfindenden Elemente verbunden ist, einen Empfindungskreis bildet. Das Bewusstsein k\u00f6nnte alsdann nicht unterscheiden, ob diese oder jene oder ob alle Elemente dieser Gruppe gereizt sind.\nDie vorstehend entwickelte Annahme, dass die \u00e4usserste Schicht der Netzhaut die reizbaren Elemente f\u00fchrt, hat vom teleologischen Gesichtspunkte aus etwas widerstrebendes, wenn man bedenkt, dass die Lichtstrahlen erst eine Reihe von Schichten nerv\u00f6ser Elemente durchsetzen m\u00fcssen, ehe sie die beabsichtigte Wirkung hervorbringen. Die Gr\u00fcnde f\u00fcr die Annahme sind aber so zwingender Art, dass man den scheinbaren Widerspruch gegen die sonst allgemein vorausgesetzte Zweckm\u00e4ssigkeit hinnehmen muss.\nGewichtiger d\u00fcrfte ein anderes Bedenken gegen die Annahme sein, dass die eigentlichen St\u00e4bchen und Zapfen im engeren Sinne des Wortes die reizbaren Elemente sind, das sich gleichfalls vom teleologischen Standpunkte aus machen l\u00e4sst. Die K\u00f6rper der St\u00e4bchen und Zapfen, insbesondere deren Aussenglieder die neuere Histo-logen besonders gern als die Angriffspunkte des Reizes ansehen, stehen an Durchsichtigkeit kaum hinter den \u00fcbrigen Theilen der Netzhaut zur\u00fcck. Von einer durch Licht reizbaren Substanz muss man aber offenbar einen gewissen Grad von Undurchsichtigkeit verlangen. In der That, wenn an einer Stelle eines Mediums ein Zug von Aetherwellen eine chemische oder thermische Wirkung aus\u00fcben soll, so muss diese Stelle so beschaffen sein, dass nicht die gesammte kinetische Energie der ankommenden Oscillationen auf die angrenzende Schicht als solche \u00fcbertragen wird, d. h. die Stelle muss etwas von dem auffallenden Lichte absorbiren. Wenn neuerdings der Pl\u00e4ttchenstruktur 1 der Aussenglieder von St\u00e4bchen und Zapfen die Aufgabe zugeschrieben ist durch Interferenz auffallender und reflek-tirter Strahlen dies Zur\u00fcckbehalten von Oscillationsenergie zu bewirken, so d\u00fcrfte dies auf ein Missverst\u00e4ndniss der Interferenz hinauslaufen. Das was man in der physikalischen Lehre von den Strahlungen Absorption nennt, ist zur Erkl\u00e4rung von Wirkungen auf die ponderabelen Stoffe gar nicht zu umgehen.\nNun kann man freilich daran erinnern, dass es sich hier nur\n1 Siehe Seite 146.","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"Sehsch\u00e4rfe.\n159\num die Arbeit bandelt, welche zum Ausl\u00f6sen st\u00e4rkerer (chemischer) Kr\u00e4fte erforderlich ist, die ihrerseits hernach unvergleichlich mehr Arbeit leisten als zu ihrer Ausl\u00f6sung geh\u00f6rte. Dazu k\u00f6nne vielleicht schon der 100. Theil der Energie der auffallenden Strahlung gen\u00fcgen, w\u00e4hrend 99/ioo als solche weiter fortgepflanzt w\u00fcrden. Hiergegen l\u00e4sst sich aber einmal einwenden, dass die von den Strahlen in der reizbaren Netzhautschicht zu leistende Arbeit denn doch nicht eine so einfache Ausl\u00f6sungsarbeit sein kann, wTie etwa das Ausheben des Sperrhakens aus einem Uhrwerke, da die von den ausgel\u00f6sten Kr\u00e4ften geleistete Erregungsarbeit der ausl\u00f6senden Reizarbeit innerhalb weiter Grenzen ziemlich genau proportional ist. Andererseits ist schon fr\u00fcher hervorgehoben, welchen ungeheuer kleinen Werth die ganze Energie einer Strahlung zu besitzen braucht, um eine sehr merkliche Wirkung hervorzubringen. Wenn wir in dichtem Waldesschatten bei m\u00e4ssigem Mondschein ein gelbes Blatt am Boden sehen, sollen wir da wirklich annehmen, dass nur ein ganz kleiner Bruchtheil von der Energie der Strahlung dieses Blattes, der von der reizbaren Schicht eben absorbirt wird gen\u00fcgt, die Erregungsarbeit auszul\u00f6sen, w\u00e4hrend vielleicht \"/100 der Strahlung unbenutzt weiter gehen, um erst im todten Pigmente absorbirt zu werden?\nDas Paradoxe aller dieser Consequenzen zugebend k\u00f6nnte man einwenden: Die photographisch empflndlichen Stoffe sind ja auch meist durchsichtig und es gen\u00fcgt auch bei ihnen der ganz kleine absorbirte Bruchtheil der Strahlung, die chemische Arbeit zu leisten. Dieser Einwand trifft aber die Sache nur scheinbar, die photographisch empfindlichen Substanzen reagiren ja in der That auf das stark sichtbare Licht vom Roth bis zum Blau, das sie fast ungeschw\u00e4cht durchlassen, nur sehr schwach und stark auf die ultravioletten Strahlen, die vielleicht vollst\u00e4ndig von ihnen absorbirt werden. Die reizbare Substanz der Netzhaut dagegen reagirt am st\u00e4rksten auf das sichtbare Licht, das eben hierdurch zum sichtbaren wird und dieses muss also am meisten von ihr absorbirt werden, oder wenigstens hat die etwaige Absorption unsichtbarer Strahlen f\u00fcr die Erregung keine Bedeutung.\nNach Allem diesem muss es h\u00f6chst auff\u00e4llig erscheinen, dass die allgemein als die durch Licht reizbare angesprochene Substanz durchsichtig ist. Ganz so durchsichtig, wie man fr\u00fcher anzunehmen pflegte sind zwar keineswegs die reizbaren Schichten der Netzhaut, denn sie erscheinen im durchfallenden Lichte oft purpurroth, absorbiren also in der That einen sehr merklichen Bruchtheil des bekanntlich gerade sehr stark reizend wirkenden gr\u00fcnen und gelben Lichtes.","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\nFick, Physiol. Optik IL 3. Cap. Qualit\u00e4t der Lichtempfmdimgen.\nMir scheint aber selbst diese Absorption noch nicht gen\u00fcgend, um die Reizbarkeit durch die schw\u00e4chsten Strahlungen erkl\u00e4rlich zu finden und ich w\u00fcrde mich nicht wundern, wenn \u00fcber kurz oder lang nachgewiesen w\u00fcrde, dass die stark pigmentirten und daher stark absorbirenden Anhangsgebilde der St\u00e4bchen und Zapfen die eigentlichen Angriffspunkte des Lichtreizes sind. Eine St\u00fctze dieser Vermuthung finde ich in der von Alters her bei den Zoologen bestehenden Neigung stark pigmentirte mit Nervenenden versehene Flecken an der Oberfl\u00e4che niederer Thiere ohne Weiteres f\u00fcr Licht percipirende Organe zu erkl\u00e4ren.\nDRITTES CAPITEL.\nQualit\u00e4t der Lichtem]\u00bbfindimgeii.\nI. Allgemeine Betrachtungen.\nDie Physiologie als Naturwissenschaft sollte eigentlich lediglich auf dem Standpunkte der \u00e4usseren Anschauung stehen d. h. sich mit den Vorg\u00e4ngen am Organismus besch\u00e4ftigen sofern sie einem fremden Beobachter erscheinen. Diesem k\u00f6nnen sie aber nur erscheinen als Bewegungen der materiellen Theilchen verursacht durch die Kr\u00e4fte, mit welchen dieselben auf einander wirken oder mit welchen andere materielle Theilchen auf jene einwirken. So sind wir denn auch bis jetzt im Grossen und Ganzen verfahren indem wir die Aetheroscilla-tionen nach den Grunds\u00e4tzen der Mechanik in den durchsichtigen Medien des Auges verfolgten und schliesslich wahrscheinlich zu machen suchten, dass diese Oscillationen in der hintersten Netzhautschicht Bewegungen oder Umlagerungen der ponderabelen Theilchen verursachten. Wollten wir nun auf diesem Wege weiter gehen, so w\u00e4re zu untersuchen, wie sich von den zun\u00e4chst chemisch \u2014 das ist doch immer im weiteren Sinne des Wortes mechanisch \u2014 in Bewegung gesetzten K\u00f6rper ein weiterer Bewegungsvorgang n\u00e4mlich der nerv\u00f6se Erregungsprocess l\u00e4ngs gewisser Leitungsbahnen fortpflanzt. Wir m\u00fcssten diesen Leitungsbahnen ins Nervencentralorgan folgen und w\u00fcrden etwa finden wie sich da dem in Rede stehenden Pro-cesse labyrinthiseh verschlungene Bahnen er\u00f6ffneten, wie er hier bleibende Ver\u00e4nderungen hervorruft, wie er vielleicht dort erlischt unter","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeine Betrachtungen.\n161\ndem Einfl\u00fcsse von Widerst\u00e4nden, wie er nach anderen Orten vielleicht noch unterst\u00fctzt durch \u00e4hnliche von anderen Seiten kommende Processe kr\u00e4ftig weiter schreitet und zuletzt auf einer motorischen Bahn zu einer Muskelgruppe gelangt, in welcher er wieder neue Molekularkr\u00e4fte ausl\u00f6st deren Wirkung eine \u00e4ussere Arbeit ist.\nDiese eigentlich naturwissenschaftliche Zergliederung der weiteren Wirkungen der Lichtstrahlen im Organismus kann aber bei dem heutigen Stande unserer Kenntnisse vom Wesen der Nervenerregung und vom anatomischen Zusammenh\u00e4nge der nerv\u00f6sen Elemente gar nicht einmal versucht werden. Wir m\u00fcssen daher, wenn wir den Wirkungen des Lichtes \u00fcberhaupt noch weiter nachgehen wollen, als bisher geschehen ist, nothwendig den Standpunkt der \u00e4usseren Anschauung verlassen, und uns auf den Standpunkt des Subjektes stellen, dessen Auge von den Lichtstrahlen getroffen wird. Dies gilt nicht nur beim Gesichtssinne, sondern auf allen Sinnesgebieten. Sowie die Zergliederung der Erscheinungen \u00fcber das allererste, was bis zur und bei der Reizung der Nervenenden objektiv zu beobachten ist, hinausgehen soll, so muss man sich auf den subjektiven oder auf den Standpunkt der inneren Anschauung stellen, und hat dies auch stets gethan, so lange eine wissenschaftliche Untersuchung der Sinne getrieben wird.\nIn dem Bewusstsein des Subjektes, dessen Sinnesnervenenden gereizt werden, tritt der Zustand ein, den wir eine \u201eEmpfindung\u201c nennen. Es kann nicht genug eingesch\u00e4rft werden, dass Empfindung wie Bewusstsein \u00fcberhaupt lediglich Gegenst\u00e4nde der inneren Anschauung sind. In einem von aussen angeschauten Naturk\u00f6rper ist Bewusstsein oder ein bestimmter Empfindungszustand desselben gar nie wahrzunehmen und sei dieser Naturk\u00f6rper auch ein lebender menschlicher K\u00f6rper. Je genauer man die Vorstellung von einem solchen \u00e4usseren K\u00f6rper wissenschaftlich ausbildet, um so mehr l\u00f6st sie sich auf in die eines Aggregates von materiellen Theilchen, welche rein mechanisch auf einander wirken. Die Annahme, ein fremder Naturk\u00f6rper k\u00f6nne oder m\u00fcsse die Erscheinungsform eines dem uns-rigen \u00e4hnlichen Bewusstseins sein, beruht lediglich auf der Bemerkung, dass die gesehenen Bewegungen des fremden K\u00f6rpers grosse Aehnlichkeit haben mit den uns ebenfalls auch objektiv erscheinenden Bewegungen des eigenen K\u00f6rpers, welche unsere Empfindungen begleiten.\nDurchmustern wir nun unsere Empfindungen wie sie sich uns im Verlaufe der Zeit auf den verschiedenen Sinnesgebieten in unendlicher Mannigfaltigkeit darbieten, so l\u00e4sst sich vor Allem bemerken,\nHandbuch der Physiologie. Bd. III.\t11","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nFick, Physiol. Optik IL 3. Cap. Qualit\u00e4t der Lichtempfindungen.\ndass diese mehr jene weniger die Aufmerksamkeit an sich zieht und andere von derselben ausschliesst. Dies mehr oder weniger giebt der Empfindung den Charakter der mathematischen Gr\u00f6sse. Ja es l\u00e4sst sich behaupten, dass die Empfindung oder genauer gesagt die Intensit\u00e4t, mit welcher sie sich im Bewusstsein geltend macht, das eigentliche Vorbild der mathematischen Gr\u00f6sse ist. Beruht doch die Gr\u00f6ssensch\u00e4tzung in allen Erfahrungsgebieten auf der Vergleichung von Empfindungsintensit\u00e4ten. Hiervon ist die Sch\u00e4tzung r\u00e4umlicher Ausdehnungen nicht auszunehmen, da sie h\u00f6chst wahrscheinlich in der Vergleichung von Empfindungen beruht, welche die Muskelbewegungen begleiten. Bloss die Vorstellung von der Gr\u00f6sse einer Anzahl d\u00fcrfte auf einem anderen Grunde ruhen n\u00e4mlich auf der F\u00e4higkeit zu verschiedenen Zeiten auftretende Empfindungen von einander in der Erinnerung schlechthin als individuell verschieden zu erkennen.\nBei weiterer Zergliederung unserer Empfindungen gewahren wir aber, dass solche auch noch dann m\u00f6glicherweise unterschieden werden k\u00f6nnen, wenn sie an Intensit\u00e4t einander v\u00f6llig gleich sind. Z. B. unterscheiden wir eine Schallempfindung von einer Lichtempfindung. Es giebt also ausser der quantitativen noch eine wesentlich andere Art der Unterscheidung von Empfindungen, die man etwa als eine \u201equalitative\u201c bezeichnen k\u00f6nnte, wenn auch mit diesem Ausdrucke nichts \u00fcber das Wesen der Sache ausgesagt ist. Nach den jetzt \u2014 und wohl mit Recht \u2014 herrschenden Anschauungen vom Zusammenh\u00e4nge der Bewusstseinszust\u00e4nde mit Vorg\u00e4ngen im Nervensysteme wird man mit apodiktischer Gewissheit den Satz aussprechen k\u00f6nnen, dass zwei Empfindungen nur dann qualitativ unterscheidbar sind, wenn individuell verschiedene Elemente des Nervensystems erregt sind. Mit andern Worten die wiederholte Erregung desselben Nervenele-mentes kann nur eine Wiederholung desselben Zustandes des Bewusstseins zur Folge haben an dem lediglich verschiedene Grade unterscheidbar sind. Eine andere als eine rein quantitative Unterscheidung der Empfindungen kann bei wiederholter Reizung desselben Nervenelementes nie stattfinden. Werden dagegen gleichzeitig oder nacheinander verschiedene Elemente gereizt, so macht sich eben jener ganz anders geartete Unterschied der Empfindungen im Bewusstsein geltend, der gar keine Analogie mit einem Unterschiede des Grades hat. Geh\u00f6ren die beiden Nervenelemente einem Sinnesgebiete an, bei welchem es durch Bewegung des Organes leicht m\u00f6glich ist bald dies bald jenes Element demselben Reize darzubieten, so tritt der in Rede stehende nicht quantitative Unterschied im Bewusstsein auf als Vorstellung einer verschiedenen Oertlichkeit im Raume. Dies gilt","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Qualitative Unterschiede der Empfindung.\n163\nin ganz ausgezeichneter Weise bekanntlich vom Tastsinne und vom Gesichtssinne.\nWesentlich anders gestaltet sich die Sache bei einem Sinnesorgane, wo wir es nicht in der Gewalt haben durch Bewegungen bald den einen bald den anderen Theil der Nervenperipherie dem Reize darzubieten. Hier ist keine Gelegenheit, die einzelnen unterscheidbaren Empfindungen, welche den Reizungen der verschiedenen Elemente entsprechen, verkn\u00fcpfen zu lernen mit Ortsvorstellungen, welche mit H\u00fclfe von Bewegungsempfindungen in die Raumanschauung hinein-konstruirt sind. Die Erregung der individuell verschiedenen Nerven-elemente eines solchen Sinnesgebietes kann daher nicht mit der Vorstellung einer verschiedenen Oertlichkeit verbunden sein, obwohl die gereizten Nervenelemente objektiv betrachtet wirklich an verschiedenen Orten liegen. Davon kann aber aus dem angef\u00fchrten Grunde das subjektive Bewusstsein keine Kenntniss haben. Hier bedingt vielmehr die individuelle Verschiedenheit der erregten Elemente einen rein qualitativen Unterschied des Empfindens im Gegens\u00e4tze zum lokalen. Welche Elemente einer so gelagerten Sinnesnervenperipherie im einzelnen Falle gereizt werden, das wird nun nicht abh\u00e4ngen von der Richtung, aus welcher der reizende Vorgang herkommt, sondern nur etwa noch von der besonderen Beschaffenheit desselben, indem die verschiedenen Nervenenden mit verschieden gearteten Gebilden in Zusammenhang stehen, von denen die einen durch diesen die andern durch jenen Vorgang vorzugsweise in Th\u00e4tigkeit gesetzt werden.\nOrgane der beschriebenen Art sind sehr wahrscheinlich das Ge-h\u00f6r- und das Geruchsorgan. Was das erstere betrifft, so ist bekanntlich eine von Helmholtz fein ausgebildete Theorie seiner Funktion in weiten Kreisen anerkannt, mit welcher die soeben entwickelten Grunds\u00e4tze in vollem Einklang sind. Aehnlich wird man beim Geruchsorgan anzunehmen haben, dass je nachdem der eine oder der andere Riechstoff mit der Riechschleimhaut in Ber\u00fchrung kommt, bald mehr die einen bald mehr die anderen Nervenfasern erregt werden, dass aber gleichwohl nur qualitativ und nicht lokal verschiedene Empfindungen entstehen, weil jedem Reiz an sich die ganze Nervenperipherie zug\u00e4nglich ist, und wir es durchaus nicht in der Gewalt haben, bald den einen bald den anderen Theil derselben dem Reize auszusetzen.\nZwischen diesen Sinnen und den geometrischen Sinnen steht das Geschmacksorgan, wo der Reiz durch willk\u00fcrliche Bewegungen lo-kalisirt werden kann, wo aber ausserdem noch Vorrichtungen gegeben zu sein scheinen, verm\u00f6ge deren je nach der Natur des Reizes bald\nil*","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nFick, Physiol. Optik IL 3. Cap. Qualit\u00e4t der Lichtempfindungen.\ndiese bald jene r\u00e4umlich nahe benachbarte Elemente vorzugsweise angesprochen werden. Hier unterscheiden wir auch in der That sowohl lokal als auch im engeren Sinne des Wortes qualitativ.\nDie Mannigfaltigkeit qualitativer Unterschiede zwischen den Empfindungen eines Sinnesgebietes wird nun noch weit \u00fcber die blosse Anzahl der individuellen Nervenelemente hinaus gesteigert durch die Combination verschiedener Elementarempfindungen zu Gruppen, welche im Bewusstsein zu mehr oder weniger unaufl\u00f6slichen Einheiten zusammengefasst werden. Die beste Erl\u00e4uterung dieses Satzes bietet der Tastsinn. Wir wollen zwei Elemente desselben betrachten und annehmen, die Reizung jedes Einzelnen davon f\u00fchre zu Empfindungen, die, abgesehen vom qualitativen und lokalen, keinen weiteren Unterschied erkennen Hessen. Nun fassen wir aber den Zustand des Bewusstseins (die Doppelempfindung) ins Auge, welche entsteht, wenn beide Elemente gleichzeitig gereizt werden, dann er\u00f6ffnet sich, abgesehen vom quantitativen Werthe und der begleitenden Orts Vorstellung die Aussicht auf eine unendliche Mannigfaltigkeit dieser Doppelempfindung indem denkbar ist, dass sich jeder Grad der einen Elementarempfindung mit jedem Grade der anderen kombiniren l\u00e4sst. Noch gr\u00f6sser wird die Mannigfaltigkeit, wenn wir Gruppen aus mehr als zwei Elementen bilden, wie sie bei wirklichen Reizungen des Tastsinnes meist gegeben sind. So haben wir z. B. in der That ganz verschieden geartete Empfindungen, wenn wir dieselbe Fingerspitze das eine Mal an eine glatte das andere Mal an eine rauhe Oberfl\u00e4che anlegen, offenbar weil im ersteren Falle alle betheiligten Elemente ziemlich gleich stark erregt sind im anderen Falle aber zwischen stark erregten Elementen schwach erregte in gewisser Weise vertheilt sind. Dass auch die Unterscheidung der sogenannten W\u00e4rme- und K\u00e4lteempfindung auf dasselbe hinausl\u00e4uft, n\u00e4mlich auf den Charakter der Gruppirung zahlreicher an sich \u00fcbereinstimmender Empfindungsele mente, habe ich vor vielen Jahren bereits experimentell erwiesen Das wesentliche der Beweisf\u00fchrung besteht darin, dass, wenn man nur m\u00f6glichst wenige Hautnervenfasern reizt, so dass kein Charakter der Gruppirung verschieden starker Empfindungen mehr erkennbar ist, auch nicht mehr unterschieden werden kann, ob die Reizung durch W\u00e4rmestrahlung oder durch Ber\u00fchrung geschah. An eine prin-cipiell andere Erkl\u00e4rung des Unterschiedes zwischen Temperaturempfindungen und der Druck- oder Ber\u00fchrungsempfindungen kann wohl kaum gedacht werden, denn dass durch leise Ber\u00fchrung und durch Temperatur\u00e4nderung der obersten Hautschichten ganz dieselben Nervenenden angesprochen werden, kann schwerlich in Zweifel gezogen","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Specifische Energieen.\n165\nwerden. Es geht dies namentlich aus der Thatsache hervor, dass breite Hautnarben des Temperaturgef\u00fchls und des Ber\u00fchrungsgef\u00fchles entbehren, wohl aber noch Empfindlichkeit f\u00fcr st\u00e4rkere Druckgrade besitzen, die offenbar auch auf tiefer im Gewebe sitzende Nervenenden wirken.\nDer ganzen vorstehenden Er\u00f6rterung liegt \u2014 und dies mag noch einmal ausdr\u00fccklich hervorgehoben werden \u2014 die Vorstellung zu Grunde, dass die Unterscheidbarkeit gleich starker durch verschiedene Nervenindividuen vermittelter Empfindungen nicht etwa bedingt ist durch die verschiedene chemische Beschaffenheit der beiden Nervenindividuen sondern auf der blossen numerischen Verschiedenheit derselben, womit jeder Erkl\u00e4rungsversuch ohne weiteres ausgeschlossen ist. Um diesen Gedanken noch deutlicher hervortreten zu lassen, wollen wir uns vorstellen zwei lebende menschliche K\u00f6rper stimmten in einem Augenblicke Atom f\u00fcr Atom \u00fcberein nicht nur was die gegenseitige Lage, sondern auch was Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit betrifft. Hier w\u00fcrden wir es ohne Zweifel doch noch mit zwei numerisch verschiedenen Personen zu thun haben, deren jede ihr eigenes Bewusstsein h\u00e4tte. Auf dasselbe Princip gr\u00fcnden wir die Unterscheidbarkeit der Bewusstseinszust\u00e4nde, wenn zwei numerisch verschiedene Nervenindividuen \u2014 m\u00f6gen sie verschiedenartig oder gleichartig sein \u2014 gereizt sind. Es ist dies \u2014 wie mir scheint \u2014 der konsequent durchgef\u00fchrte Gedanke der \u201especifischen Energien\u201c, welcher seit J. M\u00fcller ein Grundpfeiler der Physiologie der Sinne geworden ist.\nWir h\u00e4tten somit eigentlich jedem individuellen Nervenelemente eine besondere specifische Energie zuzuschreiben. Nun zeigt sich aber thats\u00e4chlich der Unterschied zwischen zwei Bewusstseinszust\u00e4nden nicht immer gleich gross, wenn zwei Nervenelemente erregt werden. Es ist vielmehr nach allgemeiner Meinung der Unterschied in der Empfindungsqualit\u00e4t bedeutend gr\u00f6sser, wenn zwei Nervenelemente erregt sind, von denen eines dem acusticus und eines dem opticus angeh\u00f6rt als wenn die beiden Nervenelemente solche des opticus sind. Die gegenw\u00e4rtig herrschende Ansicht \u00fcber diesen wichtigen Punkt der Sinnesphysiologie hat sehr klar Helmholtz 1 ausgesprochen indem er sagt:\n\u201eZwischen den Sinnesempfindungen verschiedener Art kommen \u201ezwei verschiedene Grade des Unterschiedes vor. Der am tiefsten \u201eeingreifende ist der Unterschied zwischen Empfindungen, die ver-\n1 Helmholtz, Die Thatsachen in der Wahrnehmung. S. S u. 9. Berlin 1879.","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\nFick. Physiol. Optik IL 3. Cap. Qualit\u00e4t der Lichtempfindungen.\n\u201eschiedenen Sinnen angeh\u00f6ren, wie zwischen blau, stiss, hocht\u00f6nend, \u201eich habe mir erlaubt diesen als Unterschied in der \u201eModalit\u00e4t\u201c \u201eder Empfindung zu bezeichnen. Er ist so eingreifend, dass er jeden \u201eUebergang vom einen zum anderen, jedes Verh\u00e4ltnis gr\u00f6sserer oder \u201egeringerer Aelmlichkeit ausschliesst. Ob z. B. s\u00fcss dem Blau oder \u201eRoth \u00e4hnlicher sei, kann man gar nicht fragen. Die zweite Art des \u201eUnterschiedes die minder eingreifende, ist die zwischen verschiedenen Empfindungen desselben Sinnes. Ich beschr\u00e4nke auf ihn die \u201eBezeichnung des Unterschiedes der Qualit\u00e4t. J. G. Fichte fasst \u201ediese Qualit\u00e4ten je eines Sinnes zusammen als Qualit\u00e4tenkreise und \u201ebezeichnet, was ich eben Unterschied der \u201eQualit\u00e4t\u201c nannte als \u201eUnterschied der Qualit\u00e4tenkreise. Innerhalb jedes solchen Kreises \u201eist Uebergang und Vergleichung m\u00f6glich. Von Blau k\u00f6nnen wir \u201edurch Violett, Carminroth in Scharlaj\u00dfhroth \u00fcbergehen und z. B. aus-\u201esagen, dass Gelb dem Orangeroth \u00e4hnlicher sei als dem Blau.\u201c\nDie hier als unmittelbar im Bewusstsein gegeben angenommenen Thatsachen kann ich nicht als solche anerkennen. Es giebt unzweifelhaft F\u00e4lle, wo zwischen Empfindungen verschiedener Sinnesgebiete ebenso stetige Ueberg\u00e4nge m\u00f6glich sind wie zwischen Blau und Roth durch Violett und Purpur. Die brennende Empfindung z. B. welche der Pfeffer auf der Zunge erzeugt geh\u00f6rt bekanntlich entschieden dem Tastsinne an, w\u00e4hrend die Empfindung, welche Kochsalzl\u00f6sung daselbst hervorbringt eine Geschmacksempfindung ist. Nun wird aber Niemand zweifeln, dass man einen vollkommen stetigen Uebergang zwischen diesen beiden zweien Sinnesgebieten angeh\u00f6rigen Empfindungen (denen nach Helmholtz\u2019s Bezeichnungsweise verschiedene Modalit\u00e4t zukommt) hersteilen k\u00f6nnte, wenn man eine Reihe von Gemengen aus Pfefferextrakt und Kochsalzl\u00f6sung nacheinander auf die Zunge br\u00e4chte, in denen der Gehalt am einen Bestandteil von 0 bis 1 variirte. Auch w\u00fcrden ohne Zweifel unter den verschiedenen so erzeugten Gesammtempfindungen einige mehr andere weniger von einander verschieden erscheinen.\nDie allerdings nicht wegzuleugnende Thatsache des Bewusstseins, dass im Allgemeinen die Empfindungen desselben Sinnesgebietes einen gemeinsamen Charakter zeigen, ist hiernach vielleicht doch nicht ebenso urspr\u00fcnglich und geheimnissvoll wie die Thatsache dass die Erregung zweier individuell verschiedener Nervenelemente \u00fcberhaupt zu unterscheidbaren Empfindungen f\u00fchrt. Das Gemeinsame der Empfindungen desselben Sinnes k\u00f6nnte vielmehr erst das Resultat der Gew\u00f6hnung im Lebenslaufe des Einzelnen oder der Species sein, die Empfindungen eines Sinnes in verschiedenen Intensit\u00e4tsgraden sehr","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"Die homogenen Farben.\n167\noft gleichzeitig\u2019 erregt zu finden. In der That sahen wir ja, dass einzelne Empfindungen eines Sinnes sich durch solche Gew\u00f6hnung dem Qualit\u00e4tenkreise eines anderen im Bewusstsein einordnen k\u00f6nnen, wie z. B. die Gef\u00fchlsempfindungen der Zunge den Geschmacksempfindungen. Eine quantitative Vergleichung der Aehnlichkeit verschiedener Empfindungen ist vielleicht \u00fcberhaupt nur m\u00f6glich wenn die verglichenen Empfindungen Gemische mehrerer Elementarempfindungen sind, und die Aehnlichkeit eben darauf beruht, dass gemeinsame Elemente vorhanden sind. Sei dem nun, wie ihm wolle, d i e Wahrheit muss vor allem klar ins Auge gefasst werden, dass am allerwenigsten daran gedacht werden kann, die Verschiedenheit des Charakters der Empfindung aus der Verschiedenheit der normalen ad\u00e4quaten Beizungsart der verschiedenen Sinne zu erkl\u00e4ren. Am deutlichsten zeigt sich die Unhaltbarkeit dieser so zu sagen naiven Anschauung gerade auf dem Gebiete des Gesichtssinnes. Hier n\u00e4mlich ist es leicht durch mechanischen Druck oder durch elektrische Str\u00f6me Sinnesnervenelemente zu reizen und es soll von diesen Reizungen in einem sp\u00e4teren Abschnitte ausf\u00fchrlicher gehandelt werden. Reizt man auf solche nicht ad\u00e4quate Weise Theile des Sehnervenapparates so kommen bekanntlich stets Lichtempfindungen zu Stande, die sich in ihrem Charakter und Wesen durchaus nicht von solchen unterscheiden, welche durch Strahlung hervorgerufen werden, ein Beweis, dass die Natur der Lichtempfindung mit der Strahlung in keinem nothwendigen urs\u00e4chlichen Zusammenh\u00e4nge steht, sondern nur dadurch bedingt wird, dass eben Elemente des Gesichtssinnes erregt sind.\nII. Die homogenen Farben.\nNachdem durrh die vorstehenden allgemeinen Betrachtungen der Gesichtspunkt festgestellt ist, unter welchem wir die nicht quantitative Unterscheidung von Empfindungen betrachten, wollen wir uns mit der Unterscheidung der Lichtempfindungen und ihrem Zusammenh\u00e4nge mit der verschiedenen Reizungsart der Sehnervenenden besch\u00e4ftigen. Es f\u00e4llt vor Allem auf, dass je nachdem diese oder jene Gegend der Netzhaut gereizt wird, die Lichtempfindung einen verschiedenen lokalen Charakter bekommt, d. h. vom Bewusstsein die angenommene Ursache der Empfindung in diese oder jene Gegend des Raumes versetzt wird. Eine weitere Verfolgung der lokalen Unterscheidung der Lichtempfindungen soll hier aber nicht unternommen werden, da dieselbe den Gegenstand eines besonderen Abschnittes dieses Werkes ausmacht, der von der Bildung der Ge-","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\tFick, Physiol. Optik II. 3. Cap. Qualit\u00e4t der Lichtempfindungen.\nSichtsvorstellungen handelt. Wenn aber dieselbe Gegend der Netzhaut verschiedene Male gereizt wird, so kann immer noch das Bewusstsein in wesentlich verschiedene Zust\u00e4nde des Lichtempfindens kommen, obwohl die Ursache am selben Orte vorgestellt wird, gerade so wie eine verschiedene Tastempfindung trotz lokaler Ueber-einstimmung entsteht, wenn wir mit derselben Fingerspitze einmal einen rauhen einmal einen glatten K\u00f6rper ber\u00fchren.\nDie so noch qualitativ unterscheidbaren Lichtempfindungen pflegt man schon in der Sprache des gemeinen Lebens durch die F\u00e4rb en -namen zu unterscheiden. Wir wollen zuerst die Mannigfaltigkeit der Farbenempfindungen durchmustern, welche uns bei Reizung der dem Pole benachbarten Netzhauttheile dargeboten wird. Die erste Thatsache, welche sich uns hier schon in der blossen Phantasie darbietet ist, dass diese Mannigfaltigkeit ganz abgesehen von der quantitativen eine unendliche ist, denn zwischen jede zwei verschiedene Farbenempfindungen, z. B. roth und blau kann man ohne die Intensit\u00e4t zu \u00e4ndern, in stetiger Reihenfolge unendlich viele Zwischenstufen einschalten. Es ist f\u00fcr das Verst\u00e4ndniss dieses Satzes, sowie f\u00fcr die weiteren Folgerungen wichtig sich vollkommen dar\u00fcber klar zu werden, dass die Intensit\u00e4t verschiedener Farbenempfindungen ebensowohl quantitativ vergleichbar ist als die Intensit\u00e4t gleichartiger, und dass es namentlich immer m\u00f6glich ist z. B. einer Blauempfindung von bestimmter Intensit\u00e4t eine Rothempfindung von genau gleicher Intensit\u00e4t oder \u201eHelligkeit\u201c an die Seite zu stellen. Dies faktisch auszuf\u00fchren hat freilich oft grosse Schwierigkeit, weil das Urtheil \u00fcber das Yerh\u00e4ltniss der Intensit\u00e4ten verschiedenartiger Farbenempfindungen sehr unsicher ist. Uebrigens ist diese Unsicherheit wohl kaum gr\u00f6sser als die der Beurtheilung, welcher von zwei verschiedenen T\u00f6nen lauter geh\u00f6rt wird, und doch steht niemand einen Augenblick an, solche Urtheile \u00fcber die Intensit\u00e4t verschiedener Tonempfindungen t\u00e4glich hunderte von Malen auszusprechen. Ganz ebenso f\u00e4llt der unbefangene Mensch derartige Urtheile \u00fcber die Helligkeit verschiedener Farben, oft sogar mit numerischer Bestimmung des Verh\u00e4ltnisses, indem er z. B. sagt, dies Roth ist wenigstens 10 mal so hell als jenes Blau. M\u00f6gen auch solche numerische Angaben in der Regel irrth\u00fcmlich sein, so liegt doch in ihnen die Anerkennung des in Rede stehenden Principes. Um gar keinen Zweifel mehr \u00fcbrig zu lassen, stellen wir folgende Ueberlegung an. Wir legen neben ein weisses ein rothes Blatt Papier in gleiche m\u00e4ssige Schattenbeleuchtung ; hier wird kein normal sehender Mensch im Zweifel sein, dass das Auge von dem Lichte des weissen Papieres","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Gemischte und homogene Strahlen.\n169\nst\u00e4rker afficirt ist, oder dass die Weissempfindung st\u00e4rker ist als die Rothempfindung. Legt man jetzt das rothe Papierblatt in den Sonnenschein w\u00e4hrend das weisse liegen bleibt, so wird ebensowenig ein Zweifel dar\u00fcber aufkommen k\u00f6nnen, dass nunmehr die Rothempfindung st\u00e4rker ist. Da aber vom zweiten st\u00e4rkeren Intensit\u00e4tsgrade der Rothempfindung zu dem ersteren schw\u00e4cheren ein stetiger Uebergang durch alle Zwischenwerthe m\u00f6glich ist, so muss es noth-wendig darunter einen Grad der Rothempfindung geben, welcher jenem Grade des Weissempfindens genau gleich ist. Wir haben demnach ganz entschieden die Berechtigung uns alle denkbaren Farbenempfindungen in gleicher Intensit\u00e4t vorzustellen und die Mannigfaltigkeit der Qualit\u00e4t ganz f\u00fcr sich ohne alle Einmischung der quantitativen Unterschiede zu betrachten.\nEs wird vor Allem zu untersuchen sein, ob vielleicht \u00e4hnlich wie auf dem Gebiete des Geh\u00f6rsinnes bei normaler Reizungsart und normaler Erregbarkeit des Nervenapparates im Allgemeinen jede besondere Farbenempfindung einer besonderen physikalischen Beschaffenheit des Reizes entspricht. Zu diesem Ende ist es gut zun\u00e4chst den ad\u00e4quaten Reiz in seinen einfachsten Formen auf das Auge wirken zu lassen und zu sehen, wie geartete Lichtempfindungen alsdann entstehen. In diesen einfachsten Formen bietet uns aber die Natur jenen Reiz nur ausnahmsweise dar. Bei den von leuchtenden oder beleuchteten Naturk\u00f6rpern ausgehenden Strahlen ist im Gegentheil jeder einzelne Strahl in der Regel ein Gewirre von Aetheroscillatio-nen der verschiedensten Schwingungszahlen und es bedarf daher k\u00fcnstlicher Vorrichtungen um eine Netzhautstelle mit einer Strahlung zu reizen, die einem m\u00f6glichst einfachen pendelartigen Schwingungszustand entspricht. Einen Strahl aber auf dem sich nur ein einfacher pendelartiger Schwingungszustand fortpflanzt, nennt man bekanntlich in der Physik einen homogenen Lichtstrahl. Dahingegen nennt man einen gemischten Lichtstrahl einen solchen, l\u00e4ngs dessen sich gleichzeitig mehrere pendelartige Schwingungen fortpflanzen, deren Schwfingungszahlen in der Zeiteinheit verschieden sind. So ist z. B. ein Sonnenstrahl bekanntlich ein sehr gemischter unter dessen Com-ponenten fast alle Schwingungszahlen vertreten sind, die gr\u00f6sser als 370 Billionen und kleiner als 900 Billionen in der Sekunde sind. Die Physik liefert uns nun verschiedene Mittel einen beliebig gemischten Strahl in seine einfachen Componenten f\u00e4cherartig auszubreiten, so dass sich in verschiedenen Richtungen lauter homogene Strahlen fortpflanzen. Das einfachste und darum gebr\u00e4uchlichste Mittel zu diesem Zwecke ist die Brechung in einem Prisma aus einer stark","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nFick. Physiol. Optik IL 3. Cap. Qualit\u00e4t der Lichtempfindungen.\nzerstreuenden Substanz. Bei der grossen Wichtigkeit, welche die Herstellung m\u00f6glichst vollst\u00e4ndig reines homogenes Lichtes f\u00fcr die physiologische Optik hat, m\u00f6ge hier kurz das Verfahren, ein sogenanntes reines prismatisches Spektrum zu erzeugen, in Erinnerung gebracht werden.\nMan verschafft sich eine feine leuchtende Linie, indem man einen feinen Spalt in der senkrechten Wand eines sonst ganz dunklen Baumes durch eine hinl\u00e4nglich helle und hinl\u00e4nglich ausgedehnte Lichtquelle, z. B. durch ein Spiegelbild der Sonne beleuchtet, so dass durch jeden Punkt des Spaltes von den verschiedenen Punkten der Lichtquelle ein Strahl geht und man also hinter dem Spalt ein Strahlensystem hat, welches genau so beschaffen ist, als ob der Spalt aus selbstleuchtenden Punkten best\u00e4nde. In diese Strahlung stellt man nun in einiger Entfernung in gleicher H\u00f6he mit dem Spalte ein\nM\nFig. 47.\nPrisma aus stark zerstreuendem Stoffe die brechende Kante senkrecht wie es in Fig. 47 im Grundriss dargestellt ist. Fassen wir nun eines der Strahlenb\u00fcndel, welches vom Punkte 5 des Spaltes ausgeht ins Auge. Jeder Strahl desselben besteht, wenn es ein Son-","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"Erzeugung des prismatischen Spektrums.\n171\nnenstrahl ist aus unz\u00e4hligen, denselben Weg verfolgenden Strahlen von verschiedener Schwingungszahl. Da aber diesen verschiedene Brechungsindices zukommen, so werden ebensoviele Strahlenb\u00fcndel aus dem Prisma ausfahren, als verschiedene Schwingungszahlen vertreten sind. Eines z. B. dessen Strahlen die Schwingungszahl 450 Billionen in der Sekunde zukommt, wird wenig abgelenkt und so weiter gehen, als w\u00e4ren seine Strahlen s\u00e4mmtlich ungef\u00e4hr vom Punkte Sr ausgegangen. Sra und Srb w\u00e4ren also die Richtungen der beiden \u00e4ussersten Strahlen dieses B\u00fcndels. Diese beiden Linien sind aber nur zwischen Prisma und Linse ausgezogen, weil sie nur hier als physische Strahlen bestehen. Ein anderes mit der Schwingungszahl 700 Billionen wird st\u00e4rker gebrochen und sich so vom Prisma aus fortpflanzen als w\u00e4re es vom Punkte Sb ausgegangen. Die Richtungen der beiden \u00e4ussersten Strahlen dieses B\u00fcndels sind Sbc und Sbd in Fig. 47. Die virtuellen Ausgangspunkte der Strahlenb\u00fcndel von zwischenliegender Schwingungszahl liegen nat\u00fcrlich zwischen den Punkten Sr und Sb in stetiger Reihenfolge. Stellt man jetzt hinter das Prisma eine Linse \u00a3, so bringt dieselbe, wenn ihr Abstand von den Punkten Sr und Sb gr\u00f6sser als ihre Brennweite ist, die einzelnen von diesen Punkten aus divergirenden Strahlenb\u00fcndel zur Convergenz und zwar wenn die Linse eine achromatische ist, alle in ziemlich derselben Entfernung. Stellt man in dieser Entfernung einen Schirm auf, so entstehen also auf demselben ebenso viele Bilder des Punktes 5 nebeneinander als Strahlenarten verschiedener Schwingungszahl in der Strahlung von S vertreten sind. Ein Bild -6 welches den Strahlen von grosser Schwingungszahl entspricht, liegt weiter ab von der verl\u00e4ngerten Richtung SP als ein Bild 2r, welches einer Strahlenart von kleinerer Schwingungszahl entspricht. Denn 2b ist das Bild des scheinbaren Objektpunktes S;, und 2r das des Objektpunktes Sr. Ebenso wie der Punkt *S werden sich aber auch die dar\u00fcber und darunter liegenden Punkte des Spaltes verhalten. Auf dem Schirm M wird also eine senkrechte Linie, welche bei 2r die Ebene der Zeichnung schneidet, ausschliesslich von Strahlen beschienen sein, die der Schwingungszahl 450 Billionen entsprechen. Streng genommen beschr\u00e4nkt sich diese Beleuchtung mit der betreffenden homogenen Strahlenart nicht auf eine mathematische Linie, da auch der Spalt nicht eine mathematische Linie ist, die aus bloss \u00fcbereinander liegenden leuchtenden Punkten besteht. Vielmehr wird ein senkrechtes Streifchen bei 2r von dieser homogenen Beleuchtung beschienen sein, doch kann man die Breite dieses Streifchens vernachl\u00e4ssigen, wenn die Breite des Spaltes sehr klein ist. Im Glanzen","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172 Fick. Physiol. Optik IL 3. Cap. Qualit\u00e4t der Lichtempfindungen.\nwird also auf dem Schirme ein rechteckiges St\u00fcck beleuchtet sein und zwar wird jeder senkrechte Strich dieses Rechteckes fast nur von einer homogenen Strahlenart beschienen sein. Besteht der Schirm aus einem nicht fluorescirenden Stoffe dessen Oberfl\u00e4che alle Lichtarten gleich gut diffus zur\u00fcckstrahlt, so wird also ein diesen Schirm betrachtendes Auge von allen demselben senkrechten Striche des beleuchteten Rechteckes angeh\u00f6rigen Punkten gleichartige homogene Strahlenb\u00fcndel zugesandt erhalten. Diesem Auge bietet sich dann das unter Name des prismatischen Sonnenspektrums bekannte Schauspiel dar.\nMan kann sich diesen Anblick \u00fcbrigens auch verschaffen, indem man die Netzhaut selbst als ersten bildauffangenden Schirm benutzt. Am einfachsten kann dies dadurch geschehen, dass das Auge unmittelbar hinter das Prisma gesetzt wird statt der Linse X, deren Funktion der brechende Apparat des Auges \u00fcbernehmen kann, w\u00e4hrend die Netzhaut an die Stelle des Schirmes M tritt. Hierbei ist nothwendig, dass das Auge f\u00fcr die Entfernung des Spaltes S eingestellt ist. Auf diese Art erh\u00e4lt man nat\u00fcrlich ein sehr kleines Spektrum auf der Netzhaut, dessen kleine Einzelheiten nicht zu erkennen sind. Man kann aber auch das vielfache physische Bild des Spaltes in der Luft zu Stande kommen lassen und dasselbe aus der Richtung, wohin die Strahlen weiter gehen durch ein Okular betrachten. Dies ist die Anordnung der gebr\u00e4uchlichen Fernrohrspektroskope. Hier kann man ein sehr vergr\u00f6ssertes Bild des Spektrums erhalten, das oft nicht auf einmal im Okularfeld des Fernrohrs zu \u00fcbersehen ist. Aus technisch dioptrischen Gr\u00fcnden l\u00e4sst man dabei meist nicht das Licht vom Spalt direkt auf das Prisma fallen, sondern l\u00e4sst es zun\u00e4chst durch eine vor das Prisma gestellte sogenannte Collimator-linse gehen, welche vom Spalt ein unendlich entferntes virtuelles Bild entwirft, das als eigentliches Objekt anzusehen ist.\nDer Anblick des Sonnenspektrums lehrt ohne Weiteres, dass die Reizung einer unermiideten Netzhautstelle mit homogenen Lichtstrahlen im Allgemeinen einen sehr ges\u00e4ttigten Farbeneindruck macht, d. h. eine Empfindung, welche der bekannten Empfindung des weiss sehr un\u00e4hnlich ist. Es lehrt ferner, dass dieser Farbeneindruck ein verschiedener ist, je nachdem die Oscillationszahl1 Mer wirkenden\n1 Eigentlich ist es logisch richtiger einen Lichtstrahl durch seine Schwingungszahl zu charakterisiren, da diese von dem Medium. in welchem er sich gerade fortpflanzt, unabh\u00e4ngig ist. Gleichwohl sollen im Folgenden, wo \u00f6fters numerische Bestimmungen Vorkommen, die Strahlen auch durch ihre Wellenl\u00e4ngen in der Luft charakterisirt werden, weil deren Werth genauer bekannt ist, und in physikalischen Abhandlungen meist zur Charakteristik benutzt wird.","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"Farbeneindr\u00fccke durch homogene Strahlen.\n173\nStrahlen eine verschiedene ist. Um sich bequem im Spektrum zu orientiren und angeben zu k\u00f6nnen, welche Werthe der Schwdngungs-zahl die durch die Farbennamen bezeichneten Eindr\u00fccke hervorbringen, kann man sehr zweckm\u00e4ssig die FRAUNHOFER\u2019schen Linien des Sonnenspektrums verwenden. Bekanntlich sind n\u00e4mlich im Sonnenlicht gewisse Werthe der Schwingungszahlen nur durch sehr schwache Strahlen vertreten und da also, wo diese Strahlenarten im Spektrum zu suchen sind, zeigt sich ein dunkler Strich. Besonders 7 solcher Striche sind sehr auff\u00e4llig und werden schon in einem m\u00e4ssig ausgebreiteten Spektrum leicht erkannt, es sind die allgemein mit den grossen lateinischen Buchstaben B, C, D, E, F, G, H bezeichneten FRAUNHOFER\u2019schen Linien. Nachstehende Tabelle zeigt welche Schwingungszahlen und welche Wellenl\u00e4ngen (in Luft) diesen FRAUNHOFER\u2019schen Linien entsprechen.\nBezeichnung der Linie.\tSchwingungs- zahl.\t\tWellenl\u00e4nge in Luft.\nB \t\t450 B\u00fclionen\t\t0.0006878 mm.\nC\t\t472\t\t0.0006564 \u201e\nD\t\t526\t\t0.0005888 .,\nE\t\t589\t\t0,0005260\nF\t\t640\t\t0.0004843 ..\nG\t\t722\t\t0,0004291\t,,\nH\t\t790\t\t0,0003928 ,,\nDie Betrachtung des Spektrums ergiebt, dass dasselbe etwas jenseits der Linie B beginnt und von dieser Grenze an bis etwa zur Linie C hin roth aussieht. D. h. also Strahlen, deren Schwingungszahl weniger als 470 Billionen in der Sekunde betr\u00e4gt, sofern sie \u00fcberall die Netzhaut reizen, den Eindruck hervorbringen, den man mit \u201eRoth\u201c bezeichnet und zwar ist die Beschaffenheit der Empfindung nicht sehr wesentlich verschieden, je nachdem die Schwingungszahl 440, 450 oder 460 Billionen betr\u00e4gt. Erst wenn die Schwingungszahl \u00fcber 470 Billionen w\u00e4chst, \u00e4ndert sich die Qualit\u00e4t der Empfindung sehr rasch, sie geht \u00fcber in Orangegelb und schon bei 526 Billionen Schwingungen der Linie I) entsprechend ist der Farbeneindruck ein ganz anderer, n\u00e4mlich der des Gelb geworden. Der Theil des Spektrums um die Linie E sieht gr\u00fcn aus und von I) bis E zeigen sich alle Ueberg\u00e4nge von Gelb zu Gr\u00fcn jedoch nur durch sehr schmale Zonen vertreten. Bei E beginnt das reine Blau, mit welchem Worte also der Eindruck bezeichnet wird, den Strahlen von etwa 640 Billionen Schwingungen in der Sekunde hervorbringen. Von F bis G finden sich die Farben, welche den Uebergang von","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nFick, Physiol. Optik IL 3. Cap. Qualit\u00e4t der Lichtempfindungen.\nBlau zu Violett vermitteln, welchen letzteren Eindruck Strahlen hervorbringen, deren Schwingungszahl in der Sekunde 722 Billionen \u00fcbersteigt. Eine Mittelstufe zwischen Blau und Violett pflegt man in der Kunstsprache der physikalischen und physiologischen Optik noch unter dem besonderen Namen des Indigoblau herauszuheben. Doch ist hierzu eigentlich keinerlei Bed\u00fcrfniss vorhanden. Weit eher noch liesse es sich rechtfertigen, etwa zwischen Gr\u00fcn und Blau unter dem Namen Meergr\u00fcn eine Mittelstufe besonders zu bezeichnen, da der Unterschied zwischen Blau und Gr\u00fcn ganz offenbar ein bedeutend gr\u00f6sserer ist, als der zwischen Blau und Violett. In der That ist auch die besondere Hervorhebung des Indigo aus der stetigen Reihe der Farbenempfindungen eine ganz unberechtigte historische Zuf\u00e4lligkeit. Newton hatte n\u00e4mlich den Einfall, in der Farbenscala gerade 7 Punkte willk\u00fcrlich festzustellen, weil in der Tonscala im Intervall einer Oktave durch die hergebrachte diatonische Durtonleiter 7 Punkte willk\u00fcrlich fest gelegt waren. Im Sprachgebrauch fand er nur die 6 Bezeichnungen Roth, Orange, Gelb, Gr\u00fcn, Blau, Violett als brauchbar vor. Dass er nun gerade seinen 7 ten Farbenton zwischen Blau und Violett und nicht zwischen Gr\u00fcn und Blau legte, hat wohl nur darin seinen Grund, dass im Sonnenspektrum die blaue und violette Zone viel ausgedehnter sind als die, welche die Ueberg\u00e4nge zwischen Gr\u00fcn und Blau enth\u00e4lt. Dies kann aber vom hier allein maassgebenden physiologischen Gesichtspunkte aus nur als ganz bedeutungslos bezeichnet werden, denn die Unterschiede der Farbenqualit\u00e4ten sind keineswegs proportional den r\u00e4umlichen Zwischenr\u00e4umen, durch Avelche die entsprechenden Strahlungen im Sonnenspektrum getrennt sind.\nUeber die Grenzen der F\u00e4higkeit des Auges den Farbenton zu unterscheiden, wenn es durch Strahlen von verschiedener Wellenl\u00e4nge gereizt wird, liegt eine sehr sorgf\u00e4ltige Untersuchung von Mandelstamm 1 und Dobrowolsky vor, deren Ergebnisse in nachstehender Tabelle verzeichnet sind\nB .\nC . C\u2014D D .\nD\u2014E E .\nE\u2014F F .\nG .\nH .\n1 Arch. f. Ophthalmologie XIII. (2) S. 399 ; XVIII. (1) S. 66.","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Energie der verschiedenen Strahlungen des Spektrums.\n175\nDie grossen lateinischen Buchstaben der ersten Spalte bedeuten die FRAUNHOFER\u2019schen Linien des Spektrums, in deren Gegend die Unterscheidungsf\u00e4higkeit gemessen ist. Die Zahlen der zweiten Spalte geben an, um wieviel sich die Wellenl\u00e4nge einer Strahlung aus der betreffenden Gegend des Spektrums \u00e4ndern muss, um einen merklich verschiedenen Farbeneindruck zu machen.\nZum Theil auf dieser verschiedenen Empfindlichkeit des Auges f\u00fcr Differenzen der Wellenl\u00e4nge in verschiedenen Gegenden des Spektrums beruht die vorhin schon erw\u00e4hnte Thatsache, dass sich der Farbenton im gr\u00fcnen und gelben Theil am raschesten \u00e4ndert.\nEs f\u00e4llt bei Betrachtung des Sonnenspektrums ferner auf, dass abgesehen vom qualitativen Unterschiede, der Eindruck des Gr\u00fcnlichgelb bei weitem der st\u00e4rkste ist, oder dass die Stelle zwischen den Linien D und E und zwar unmittelbar an D bei weitem am hellsten erscheint. Von da nimmt die Helligkeit gegen das rothe und violette Ende anfangs schnell, dann langsamer und zuletzt wieder schneller ab. Dies hat keineswegs seinen Grund in der objektiven Beschaffenheit des Sonnenspektrums, sondern wesentlich in der Beschaffenheit der Netzhaut. Keineswegs n\u00e4mlich ist die Gegend zwischen I) und E diejenige des Spektrums, wo die gr\u00f6sste Quantit\u00e4t von Energie auf die Fl\u00e4cheneinheit concentr\u00e2t ist. Um zu pr\u00fcfen, wie die Energie der Strahlung sich im Spektrum vertheilt, muss man es auffangen mit einem m\u00f6glichst vollkommen schwarzen Schirm, der m\u00f6glichst wenig von der Energie der Strahlung sich vorw\u00e4rts oder r\u00fcckw\u00e4rts fortpflanzen l\u00e4sst, sondern dieselbe, wie man sich auszudr\u00fccken pflegt, \u201eabsorbirt\u201c. Hier wird also die ganze Energie verwendet werden m\u00fcssen zur Erzeugung von molekularen Bewegungen der Theilchen des Schirmes selbst. Nach dem gegenw\u00e4rtigen Stande unseres Wissens kann die Wirkung der Strahlung hier nur in einer Erw\u00e4rmung des Schirmes bestehen, wenn er aus einer chemisch gegen Licht indifferenten Substanz gebildet ist. In der auf der Fl\u00e4cheneinheit des Schirmes entwickelten W\u00e4rmemenge hat man also ein Maass von der auf sie verwandten Energie der Strahlung. Nach diesem Maasse gemessen zeigt aber die den rothen Theil des Spektrums beleuchtende Strahlung eine viel gr\u00f6ssere Energie als die, welche irgend einen anderen gleich grossen Theil desselben beleuchtet. Wir m\u00fcssen daher annehmen, dass die Netzhaut ganz besonders stark reizbar ist durch die Strahlen von etwa 550 Billionen Schwingungen in der Sekunde. Jede andere Erkl\u00e4rung der in Rede stehenden Thatsache l\u00e4sst sich, wie aus dem Folgenden hervorgehen wird, widerlegen oder wenigstens als unzureichend nachweisen. Ein ge-","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176 Fick. Physiol. Optik II. 3. Cap. Qualit\u00e4t der Lichtempfindungen.\nnaueres Bild von dem Verhalten der Netzhaut zu den verschiedenen Strahlenarten erh\u00e4lt man durch die Fig. 48. Die Abscissenlinie stellt die Grundlinie eines prismatischen Sonnenspektrums dar und sind\nABC\nFig. 48.\ndarin die Stellen der FRAUNHOFER\u2019schen Linien durch die \u00fcblichen Buchstaben angedeutet. Die Ordinaten der stark ausgezogenen Curve messen die Dichtigkeit der Energie der Strahlung, welche die durch ihre Fusspunkte bezeichneten Stellen des Spektrums trifft, d. h. die W\u00e4rmemenge, welche bei vollst\u00e4ndiger Absorption hier auf der Fl\u00e4cheneinheit in der Zeiteinheit entwickelt wird, oder noch richtiger ausgedr\u00fcckt die Temperaturerh\u00f6hung, welche die hier auftreffende Strahlung in der Zeiteinheit bewirken kann.\nDie Ordinaten der punktirten Curve geben f\u00fcr die einzelnen Stellen des Spektrums ungef\u00e4hr die gesehenen Helligkeiten. Die Ordinate dieser Curve dividirt durch die entsprechende Ordinate der ausgezogenen Curve kann man also ansehen als ein Maass der gesummten physiologischen Beizwirkung, welche eine Arbeitseinheit von der durch den Fusspunkt der Ordinate charakterisirten Strahlenart im Netzhautapparate hervorbringt. Dieser Quotient ist zwischen der Linie I) und E am gr\u00f6ssten und nimmt von da nach dem rothen Ende sehr rasch, nach dem violetten Ende langsamer ab. Das heisst also mit anderen Worten, \u00fcberall gleiche Energie vorausgesetzt machen Strahlen von etwa 550 Billionen Schwingungen in der Sekunde \u2014 welche den Eindruck \u201eGr\u00fcn\u201c hervorbringen \u2014 den st\u00e4rksten Reizeffekt, viel schw\u00e4cher wirken Strahlen, wenn die Schwingungszahl unter 500 Billionen herabgeht, in welchem Falle der Eindruck den Charakter des \u201eRoth\u201c annimmt und gleichfalls schw\u00e4cher aber nicht so viel schw\u00e4cher ist der blaue und violette Eindruck, welcher durch die Energieeinheit von Strahlen gr\u00f6sserer Schwingungszahl entsteht.\nNoch genauer als die punktirte Curve Fig. 48 giebt die nachstehende Tabelle Rechenschaft von dem physiologischen Effekte gleicher Fl\u00e4chenr\u00e4ume in verschiedenen Gegenden des Sonnenspektrums oder von der gesehenen Helligkeit der verschiedenen Spektralzonen. In der ersten Spalte ist die Zone des Spektrums durch Farbenton und FRAUNHOFER\u2019sche Linie bezeichnet, in der zweiten und dritten Spalte","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"Energie der verschiedenen Strahlungen des Spektrums.\t177\ndas Maass der gesehenen Helligkeit nach Fraunhofer und nach Vierordt.\n\t! Fraunhofer.\tVierordt.\nRoth B\t\t32\t22\nOrange C \t\t94\t128\nR\u00f6thlichgelb I)\t\t640\t780\nGelb D\u2014E\t\t1000\t1000\nGr\u00fcn E\t\t480\t370\nBlaugr\u00fcn F\t\t170\t128\nBlau G\t\t31\t8\nViolett H\t\t5,6\t0,7\nMan sieht, dass diese beiden Zahlenreihen ziemlich gut \u00fcbereinstimmen, obwohl sie nach ganz verschiedenen Methoden gefunden sind. Fraunhofer hat die Helligkeit einfach nach photometrischen Methoden gesch\u00e4tzt. Vierordt1 sch\u00e4tzte die Helligkeit einer Spektralzone nach der Menge weisses Lichtes, welche beigemischt werden musste, um ein eben merkliches Abblassen der Farbe zu bewirken.\nSowie hiernach die Reizbarkeit der Netzhaut f\u00fcr verschiedene Strahlenarten verschieden ist, so ist auch je nach der Natur der Strahlung die F\u00e4higkeit des Gesichtssinnes eine verschiedene, kleine Unterschiede der Intensit\u00e4t zu bemerken. Nach den Untersuchungen von Lamansky2 gen\u00fcgt f\u00fcr die Strahlen des Spektrums, welche den Eindruck von Gelb und Gr\u00fcn machen, schon eine Aen-derung der Intensit\u00e4t um V286 ihres Werthes um einen merklichen Unterschied der Empfindungsst\u00e4rke hervorzubringen f\u00fcr Blau 1/212, f\u00fcr Violett muss die Aenderung Vioe betragen, f\u00fcr Orange Vis und f\u00fcr Roth 1 to. Dobrowolsky fand nach einer andern Methode die Unterscheidungsf\u00e4higkeit \u00fcberall kleiner, er fand dieselbe am gr\u00f6ssten f\u00fcr den indigofarbigen Theil des Spektrums.\nEs m\u00f6gen gleich hier vorgreifend Angaben Platz finden \u00fcber die Feinheit der Unterscheidung von Intensit\u00e4ten solcher Strahlungen, die den Eindruck des Weiss machen. Solche Angaben liegen zum Theil schon aus \u00e4lterer Zeit vor, die umfangreichsten Untersuchungen sind in neuerer Zeit von Aubert3 angestellt. Ich entnehme denselben nachstehende Versuchsreihe mit Kerzenlicht\n1\tVierordt, Die Anwendung des Spektralapparates u. s. w. T\u00fcbingen 1871\n2\tLamansky, Arch. f. Ophthalmologie XVII. (1) S. 123.\n3\tSiehe dessen Physiologie der Netzhaut.\nHandbuch, der Physiologie. Bd. III.\n12","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nFick, Physiol. Optik IL 3. Cap. Qualit\u00e4t der Lichtempfindungen.\nAbsolute Helligkeit\nUnterschiedsempfindlichkeit\n710\n173\n100\n44\n25\n16\n4\n7\nDer Bruch in der zweiten Spalte giebt an, um den wievielten Th eil der kleineren Intensit\u00e4t sich zwei Strahlungen unterscheiden m\u00fcssen, wenn sie als verschieden hell erkannt werden sollen. Man sieht, dass dieser Bruchtheil um so kleiner sein darf je intensiver die Strahlungen sind. Im Bereich der gr\u00f6sseren Intensit\u00e4tswerthe der vorstehenden Tabelle nimmt aber der zur Unterscheidung erforderliche Bruchtheil der gesammten Intensit\u00e4t nur sehr wenig mit wachsendem Werthe dieser letzteren ab. Es widersprechen daher diese Versuche nicht den Ergebnissen \u00e4lterer von Weber, Fechner und anderen angestellten Versuchen, wonach f\u00fcr ein betr\u00e4chtliches Intervall der Reizskala zwei Lichtreize sich immer um denselben Bruchtheil unterscheiden m\u00fcssen um Empfindungen hervorzurufen, deren Unterschied eben merklich sein soll.\nH\u00e4lt man die Versuche \u00fcber weiss aussehendes Licht zusammen mit den soeben erw\u00e4hnten Versuchen von Lamansky \u00fcber farbiges, so ergiebt sich, dass die F\u00e4higkeit des Auges, Intensit\u00e4tsunterschiede zu erkennen, bei weissem Lichte nicht so weit geht als bei blauem und gr\u00fcnem, aber weiter als bei orangefarbenem, rothem und violettem.\nIII. Die unsichtbaren Strahlen\nDer Anblick der Fig. 48 lehrt uns noch eine h\u00f6chst merkw\u00fcrdige Thatsache, dass n\u00e4mlich ein St\u00fcck .\u00fcber die Linie A hinaus, wo vom Auge keine Spur von Beleuchtung wahrgenommen wird, der das Spektrum aufnehmende Schirm von Strahlen getroffen wird, deren Schwingungszahl kleiner ist, 400 Billionen in der Sekunde. Die Energie dieser wenigst brechbaren Strahlen des Sonnenlichtes ist sogar gr\u00f6sser als die Energie der Strahlen von irgend welcher h\u00f6heren Brechbarkeitsstufe. Dass diese Strahlen auf die Netzhaut nicht reizend wirken, k\u00f6nnte m\u00f6glicherweise darauf beruhen, dass dieselben die brechenden Medien des Auges nicht zu durchdringen verm\u00f6gen und also gar nicht zur Netzhaut gelangen. Diese Erkl\u00e4rung ist aber nicht zul\u00e4ssig. Es ist allerdings durch besondere Ver-","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Die unsichtbaren Strahlen.\n179\nsuche bewiesen, dass Strahlen jener geringen Brechbarkeit beim Durchgang durch die brechenden Medien des Auges eine bedeutende Schw\u00e4chung erleiden. Wenn wir uns also die Energiekurve eines auf der Netzhaut entworfenen Sonnenspektrums korrekt vorstellen wollten, so w\u00fcrden wir die Ordinaten des links von der Linie A gelegenen Theiles bedeutend kleiner zu denken haben als sie in Fig. 48 erscheinen. Auch die Strahlen, welche etwas rechts von A im Spektrum eintreffen, werden in w\u00e4ssrigen Fl\u00fcssigkeiten, die ja in sehr dicken Schichten gr\u00fcnblau aussehen, etwas st\u00e4rker absorbirt. Es w\u00e4ren also auch die Ordinaten zun\u00e4chst rechts an A wohl noch etwas zu verkleinern. Die Versuche geben uns aber, wie mir scheint, kein Recht anzunehmen, dass jene Strahlen die Augenmedien absolut gar nicht zu durchdringen verm\u00f6gen, was auch gegen jede Analogie w\u00e4re. Man erh\u00e4lt aber selbst dann keine Lichtempfindung, wenn man Strahlen von kleinerer Schwingungszahl als 400 Billionen in der Sekunde, mit ganz ausserordentlicher Intensit\u00e4t ins Auge fallen l\u00e4sst. Zum Beweise hierf\u00fcr kann ein sch\u00f6ner von Tyndall zuerst ausgef\u00fchrter Versuch dienen. L\u00e4sst man das von den gl\u00fchenden Kohlenspitzen der elektrischen Lampe ausgesandte und durch einen Hohlspiegel konvergent gemachte Strahlenb\u00fcndel durch eine Schicht von Schwefelkohlenstoff, in welchem Jod gel\u00f6st ist, hindurchgehen, so werden darin alle Strahlen von gr\u00f6sserer Schwingungszahl als 450 Billionen in der Sekunde absorbirt und es gehen nur die Strahlen von geringerer Schwingungszahl durch. Diese Strahlung hat aber noch solche Energie, dass in ihrem Vereinigungspunkt' eine Hitze entsteht, welche ein mit Platinrohr \u00fcberzogenes Platinblech sofort gl\u00fchend macht. Bringt man nun das Auge in den von diesem Punkte ausgesandten Strahlenkegel, so entsteht trotz der bedeutenden Schw\u00e4chung, welche diese Strahlen in den brechenden Medien des Auges erleiden, auf der Netzhaut ein gewiss noch sehr intensiv bestrahlter Fleck, da in diesem Versuche eben die urspr\u00fcngliche Intensit\u00e4t der Strahlung so \u00fcberaus stark ist. Gleichwohl hat man nicht die mindeste Lichtempfindung. Am intensivsten ist offenbar die Bestrahlung der Netzhautstelle, wenn das Auge so gestellt wird, dass der Fokus um die Sehweite vom Auge <entfernt ist, so dass ein deutliches Bild desselben auf der Netzhaut entsteht. Es beruht auf einem Irrthum, wenn Tyndall um den Versuch recht beweisend zu machen seine Retina an den Ort des Fokus selbst setzte. Er brachte dabei seine Hornhaut in die Gefahr einer sch\u00e4dlichen Erw\u00e4rmung, ohne die Beweiskraft im mindesten zu erh\u00f6hen, denn das jetzt konvergent auf die Hornhaut fallende Strahlenb\u00fcndel\n12*","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\tFick, Physiol. Optik IL 3. Cap. Qualit\u00e4t der Lichtempfindung.\nwurde durch die Brechung an den Trennungsfl\u00e4chen des Auges schon in der vorderen Augenkammer zur Vereinigung gebracht und auf der Netzhaut \u00fcber ein so grosses Fl\u00e4chenst\u00fcck ausgebreitet, dass hier die Intensit\u00e4t sicher nicht gr\u00f6sser sein wird, als wenn man den vom Fokus ausgehenden Strahlenkegel aus der Akkommodationsferne in das Auge fallen l\u00e4sst. So oder so angestellt, beweist dieser Versuch \u00fcber allen Zweifel, dass Strahlen von weniger als 400 Billionen Schwingungen in der Sekunde, wenn sie in noch so grosser Intensit\u00e4t die Netzhaut treffen, ihre Elemente nicht zu reizen verm\u00f6gen.\nDie Physik lehrt ferner, dass in der Sonnenstrahlung wie sie an der Erdoberfl\u00e4che ankommt und mehr noch in der Strahlung des elektrischen Lichtes auch Strahlen vorhanden sind, deren Schwingungszahl in der Sekunde weit gr\u00f6sser ist als 790 Billionen \u2014 die sogenannten ultravioletten Strahlen. Die Energie dieser Strahlen, welche auf die Fl\u00e4cheneinheit des Spektrums jenseits der Linie H trifft, gemessen durch die entwickelte W\u00e4rme, ist freilich sehr gering, aber doch ist sie gross genug um gewisse andere sehr merkliche Wirkungen auszu\u00fcben. Z. B. wird ein mit Chlorsilber behandeltes Papierblatt im Sonnenspektrum weit \u00fcber die Linie H hinaus sehr entschieden geschw\u00e4rzt, wo es f\u00fcr das Auge vollkommen-dunkel erscheint. Besonders augenf\u00e4llig kann man das Vorhandensein der ultravioletten Strahlen im Sonnenschein machen, wenn man das Spektrum auf der Oberfl\u00e4che einer fluorescirenden Substanz auff\u00e4ngt. So nennt man bekanntlich Stoffe, welche von ultravioletten Strahlen getroffen nun ihrerseits Strahlen von geringerer Schwingungszahl aussenden und diese wirken dann verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig stark auf das Auge. F\u00e4ngt man z. B. das Sonnenspektrum oder noch besser das Spektrum des elektrischen Lichtes mit einem Schirme auf, der aus einem mit Aesculinl\u00f6sung getr\u00e4nkten Papier angefertigt ist, so siebt man noch weit \u00fcber die Linie H hinaus sich einen bl\u00e4ulichen Schimmer erstrecken. Besonders weit erstreckt sich derselbe, wenn man zur Er-\nlen dieselbe Frage aufzuwerfen wie f\u00fcr die ultrarothen, ob n\u00e4mlich die Unsichtbarkeit des von ihnen beschienenen Theiles des Spektrums dadurch zu erkl\u00e4ren ist, dass diese Strahlen die Augenmedien nicht durchdringen und folglich gar nicht zur Netzhaut gelangen oder dadurch, dass auch f\u00fcr sie die Netzhaut nicht erregbar ist. Es ist nun durch Versuche nachgewiesen, dass die ultravioletten Strahlen die Augenmedien wohl durchsetzen k\u00f6nnen, wenn auch besonders in","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Die unsichtbaren Strahlen.\n181\nder Linsen- und Hornhautsubstanz eine recht merkliche Absorption derselben stattfindet. Die Unsichtbarkeit des ultravioletten Theiles des Sonnenspektrums muss also ebenso wie die des ultrarothen Theiles auf die mangelnde Erregbarkeit der Netzhaut f\u00fcr diese Strahlen bezogen werden. Uebrigens ist f\u00fcr sie die Netzhaut nicht wie f\u00fcr die ultrarothen absolut unerregbar, sondern nur sehr wenig erregbar. In der That kann der ultraviolette Theil des Spektrums ganz direkt gesehen werden, wenn man f\u00fcr Abblendung des im gew\u00f6hnlichen Sinne sichtbaren Theiles sowie \u00fcberhaupt alles anderen Lichtes sorgt. Wie ausserordentlich gering aber die Intensit\u00e4t der Erregung durch ultraviolette Strahlen ist, gewahrt man, wenn man solche ganz ausschliesslich theilweise auf einen fluorescirenden, theilweise auf einen nicht fluorescirenden Schirm wirft. Die Helligkeit des fluorescirenden Schirmes erscheint alsdann nach Helmholtz\u2019s Sch\u00e4tzung 1200 mal so gross als die der nicht fluorescirenden. Da man nun keinen Grund zu der Annahme hat, dass in fluorescirenden K\u00f6rpern durch ultraviolette Strahlen Kr\u00e4fte ausgel\u00f6st werden, sie vielmehr sicher nur die Schwingungszahl jener Strahlen \u00e4ndern ohne der Energie etwas zuzuf\u00fcgen, so muss man schliessen, dass dieselbe Energie in Form von ultravioletten Strahlen in einem gegebenen Fl\u00e4chenst\u00fcck der Netzhaut eine 1200 mal schw\u00e4chere Erregung hervorbringt als in Form von weniger brechbaren Strahlen. Man kann demnach wohl sagen, dass f\u00fcr den praktischen Gebrauch des Auges die Reizbarkeit der Netzhaut durch ultraviolette Strahlen nicht in Betracht kommt.\nZu der durch ultraviolette Strahlen erzeugten Lichtempfindung tragen in geringem Maasse wahrscheinlich Strahlen von niederer Brechbarkeit bei, welche durch eigene Fluorescenz erst in den Betinaelementen selbst unter dem Einfl\u00fcsse ultravioletter Strahlen entstehen. Man sieht n\u00e4mlich die Netzhaut eines Leichenauges in ultravioletter Beleuchtung etwas fluoresciren und zwar in gr\u00fcnlich-weisser Farbe, da nun direkte Einwirkung der ultravioletten Strahlen einen mehr bl\u00e4u-lich-weissen Eindruck macht, so kann man aus den sp\u00e4ter zu entwickelnden Lehren von der Farbenmischung schliessen, dass die Reizung durch diese Strahlen selbst einen mehr violetten Eindruck macht, der durch das gr\u00fcnliche Fluorescenzlicht zu bl\u00e4ulich-weiss modificirt wird. K\u00fcrzlich haben W. v. Bezold und Engelhardt1 die Fluorescenz der Netzhaut auch am lebenden Auge nachgewiesen. Sie sahen n\u00e4mlich, wenn ein Netzhautst\u00fcck durch, homogenes violettes oder ultraviolettes Licht beleuchtet war, ophthalmoskopisch die\n1 Engelhardt, Sitzgungsber. d. bayr. Acad. 1877. 7. Juli.","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nFick, Physiol. Optik IL 3. Cap. Qualit\u00e4t der Lichtempfindung.\nGef\u00e4sse desselben in nat\u00fcrlicher Blutfarbe, was nur durch Fluorescenz der dahinter liegenden Netzhautelemente erkl\u00e4rt werden kann.\nDie Unf\u00e4higkeit der Netzhaut durch ultraviolette und ultrarothe Strahlen erregt zu werden, ist f\u00fcr den Sehakt von der allergr\u00f6ssten Wichtigkeit. W\u00e4re die Netzhaut durch die ultrarothen Strahlen auch nur im mindesten reizbar, so w\u00fcrde offenbar ein Sehen \u00e4usserer Objekte gar nicht stattfinden k\u00f6nnen. Solche Strahlen n\u00e4mlich werden bekanntlich auch von K\u00f6rpern niederer Temperatur selbst\u00e4ndig aus-gesandt. Es ist wohl kaum zu bezweifeln, dass die Energie der ultrarothen Strahlung, welche ein Netzhautst\u00e4bchen allein schon von den vor ihm gelegenen, doch immerhin 37\u00b0 warmen anderen Netzhautelementen erh\u00e4lt, so gering sie auch sein mag gr\u00f6sser ist als die Energie der s\u00e4mmtlichen Strahlen hoher Brechbarkeit, welche dies St\u00e4bchen von einem schwach beleuchteten Objekte erh\u00e4lt. W\u00e4re nun das St\u00e4bchen durch jene Strahlen reizbar, so k\u00e4me es gar nie zur Ruhe und in dem best\u00e4ndig hellen Gesichtsfelde k\u00f6nnten sich schwach beleuchtete Bilder \u00e4usserer Objekte gar nicht auszeichnen.\nEine Reizbarkeit durch ultraviolette Strahlen w\u00fcrde allerdings nicht so principiell unvertr\u00e4glich mit dem Sehen sein, da von den Thei-len des Auges selbst keine solchen ausgesandt werden, jedesfalls w\u00fcrde aber eine starke Reizung durch jene Strahlen die Deutlichkeit des Sehens bedeutend beeintr\u00e4chtigen. Im Bereiche der ultravioletten Strahlung nimmt n\u00e4mlich der Brechungsindex sehr rasch mit der Schwingungszahl zu. K\u00e4men sie also beim Sehakt stark zur Geltung, so w\u00fcrde die Deutlichkeit der Bilder durch die chromatische Abweichung des brechenden Apparates sicher merklich gest\u00f6rt werden.1 In dieser Beziehung ist es offenbar von Bedeutung, dass schon die violetten Strahlen meist wenig wirken.\nTI. Symbolische Darstellung der Farbent\u00f6ne.\nDie Unterschiede der Empfindungsqualit\u00e4ten, welche durch die verschiedenen homogenen Strahlungen des Spektrums veranlasst werden, sind allgemein anerkannt als mathematische Gr\u00f6ssen, denn es\n1 Obwohl ich schon vor 4 Jahren (Fick, Compendium der Physiologie. 2. Aufl. S. 181\u2014182) auf die Zweckm\u00e4ssigkeit der Unerregbarkeit der Netzhaut durch ultrarothe und ultraviolette Strahlen aufmerksam gemacht habe, scheint dieselbe doch immer noch von manchen f\u00fcr eine Unvollkommenheit des Auges angesehen zu werden. So sagt Tyndall (in seinen Vorlesungen \u00fcber das Licht. (Deutsche Ausgabe 1876. S. 177) mit Bezug darauf: Wollten wir uns erlauben, f\u00fcr einen Augenblick den Begriff des allm\u00e4hlichen Wachsens, Verbessere und Aufsteigens anzueignen, der im Worte Evolution liegt, so k\u00f6nnten wir ruhig schliessen, dass noch grosse Vorr\u00e4the von sichtbaren Eindr\u00fccken den Menschen erwarten, weit gr\u00f6ssere als diejenigen die er jetzt besitzt.","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Symbolische Darstellung der Farbent\u00f6ne.\n183\nnimmt Niemand Anstoss an quantitativen Sch\u00e4tzungen dieser Unterschiede. Ja die von den meisten Menschen gemachten Sch\u00e4tzungen der Art stimmen sehr wohl \u00fcberein. Z. B. wird gewiss kein Widerspruch erhoben werden gegen den Satz, dass die Empfindung Roth der Empfindung Orange mehr \u00e4hnlich sei als der Empfindung Gr\u00fcn. Es ist ferner eine Thatsache der unmittelbaren Anschauung, dass diese Farbenempfindungsunterschiede stetig ver\u00e4nderliche Gr\u00f6ssen sind, so dass der eine \u201eFarbenton\u201c \u2014 mit diesem Ausdruck soll der bestimmte Charakter einer durch homogene Strahlung verursachten Lichtempfindung bezeichnet werden \u2014 durch unendlich kleine Abstufungen in einen andern Farbenton \u00fcbergehen kann. Es entspricht ferner einem unendlich kleinen Unterschiede zweier Farbenempfindungen ein unendlich kleiner Unterschied der Schwingungszahlen der beiden homogenen Strahlungen, durch welche die beiden Farbenempfindungen hervorgerufen werden. Gleich grossen endlichen Unterschieden der Schwingungszahl homogener Strahlen entsprechen aber keineswegs gleich grosse Unterschiede im Farbenton. So ist namentlich nach dem \u00fcbereinstimmenden Zeugniss aller normal sehenden Menschen der Farbenton Violett dem Roth entschieden \u00e4hnlicher als der Farbenton Blau, obwohl die Schwingungszahl, die dem Violett entspricht, 790 Billionen weiter von der die Empfindung Roth veranlassenden n\u00e4mlich 450 Billionen differirt als die dem Blau entsprechende n\u00e4mlich etwa 700 Billionen.\nMan kann hiernach das stetige Fortschreiten von einem Farbenton zum andern f\u00fcglich symbolisch darstellen durch das Fortschreiten von einem Punkte zum andern l\u00e4ngs eines Linienzuges. Zum Maasse des Unterschiedes zweier Farbent\u00f6ne muss bei dieser Darstellung eine Gr\u00f6sse gemacht werden, welche von der gegenseitigen Lage der die Farbent\u00f6ne bezeichnenden Punkte dergestalt abh\u00e4ngt, dass sie unendlich klein wird, wenn die beiden Punkte einander unendlich nahe liegen. Eine solche Darstellung wird den bereits ausgesprochenen Thatsachen der inneren Anschauung gerecht, wenn man dem Linienzug eine Gestalt giebt, wie die der stark ausgezogenen Curve Fig. 49, an welcher die Namen der Farben angeschrieben sind, und wenn man festsetzt zum Maasse des Unterschiedes zweier Farbent\u00f6ne soll der hohle Winkel dienen, den die zwei Fahrstrahlen miteinander machen, welche man von einem auf der concaven Seite der Curve gelegenen Pol (IF Fig. 49) zu den zwei die Farbent\u00f6ne darstellenden Punkten ziehen kann. Nur so kann die Darstellung vergegenw\u00e4rtigen, dass der Unterschied von Roth und Violett kleiner ist als z. B. der von Roth und Gr\u00fcn, sofern eben dieser Unterschied","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184 Fick. Physiol. Optik II. 3. Cap. Qualit\u00e4t der Lichtempfindungen.\ndurch den gr\u00f6sseren Winkel EWG, jener durch den kleineren Winkel E WH1 gemessen wird.\nIm Uebrigen h\u00e4tte der Verlauf der Curve und die Lage des\nFig. 49.\nPoles 1V innerhalb weiter Grenzen verschieden gew\u00e4hlt werden k\u00f6nnen, wenn blos die bisher ausgesprochenen Beziehungen der homogenen Farbent\u00f6ne dargestellt werden sollten. Die besondere Wahl der Form und der Lage des Poles in der Figur ist schon mit R\u00fccksicht auf die folgenden S\u00e4tze getroffen.\n1 Die Seite WH dieses Winkels ist in der Figur nicht ausgezogen.","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Die gemischten Farben.\n185\nVIERTES CAPITEL.\nDie gemischten Farben.\nI. Zusammenwirken von zwei homogenen Strahlungen.\nEs soll jetzt weiter untersucht werden, welchen Charakter die Lichtempfindungen haben wenn mehrere homogene Strahlungen zugleich dieselben Netzhautelemente reizen. Um mit dem einfachsten Falle zu beginnen, wollen wir zun\u00e4chst nur immer je zwei homogene Strahlenarten auf dieselbe Netzhautstelle wirken lassen. Zu diesem Zwecke kann man sich folgender Methode bedienen. Auf einem Schirm S, 'Fig. 50 erzeugt das Prisma P nebst der Linse L, in der\nFig. 50.\nWeise wie in Fig. 47 auf S. 170 ein reines Spektrum indem wie dort Sonnenstrahlen durch einen feinen senkrechten Spalt (der in der Figur 50 nicht gezeichnet ist) aus den Lichtungen a, und an auf die vordere Prismenfl\u00e4che fallen. Zwischen die Linse L, und den Schirm S, stellt man nahe an L, noch einen Schirm D mit einer rechteckigen Oeffnung e, \u20ac\u201e, welche bloss den noch unzerstreuten Theil des von L, ausgehenden Strahlensystemes durchl\u00e4sst. Diese Oeffnung bildet also gleichsam ein weisses Objekt, denn ein auf sie gelegtes Blatt Papier w\u00fcrde einen stark beleuchteten weissen Fleck zeigen, und wenn man dicht hinter S, eine zweite achromatische Linse stellt, so wird dieselbe, wenn S, weggenommen wird in der zu Dl;,, kon-jugirten Yereinigungsweite L,, St, ein ebenfalls weisses Bild entwerfen, das auf einem bei S\u201e aufgestellten Blatt Papier dargestellt werden kann. Das aus der Oeffnung e, e\u201e nach rechts hervorgehende Strahlensystem hat aber eine ganz besondere Beschaffenheit. N\u00e4mlich von jedem Punkte dieser Oeffnung geht ein Strahlenb\u00fcndel aus das aus lauter homogenen Strahlen besteht die sich zu verschiedenen Punkten des Schirmes S, begeben. Der Strahl von gr\u00f6sster Brech-","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\tFick, Physiol. Optik II. 4. Cap. Die gemischten Farben.\nbarkeit geht zum Punkte y, der von geringster geht zum Punkte y\u201e und die \u00fcbrigen von mittlerer Brechbarkeit zu zwischenliegenden Punkten. Als Beispiel sind die beiden Strahlen von st\u00e4rkster Brechbarkeit, welche durch die beiden Endpunkte e, und e/t gegangen sind durch gestrichelte Linien angedeutet und ebenso durch punktirte Linien die beiden Strahlen von kleinster Brechbarkeit, welche von eben diesen Endpunkten e, und e\u201e ausgehen. Wird also vor die Linse Ln der vorhin erw\u00e4hnte Schirm S, aufgestellt und befindet sich in demselben etwa bei y, ein schmaler Spalt, so kann nunmehr das Bild d, d\u201e der rechteckigen Oeffnung e, e\u201e nur von Strahlen h\u00f6chster Brechbarkeit erleuchtet werden und erscheint in seiner ganzen Ausdehnung gleichm\u00e4ssig im ges\u00e4ttigten Farbenton, der dieser Strahlenart entspricht. Wird dagegen nur ein Spalt bei y\u201e er\u00f6ffnet, so erscheint das Bild S, S\u201e im Farbenton der wenigst brechbaren Strahlen. Und im Farbenton einer bestimmten Strahlenart mittlerer Brechbarkeit erscheint das Bild wenn ein Spalt zwischen y, und y\u201e im Schirm offen ist. Durch Verschieben eines Spaltes in der Ebene Sf kann man also dem Bilde d, \u00f6rr nacheinander die Farbent\u00f6ne aller homogener Strahlenarten geben die im Sonnenlichte enthalten sind. Wenn man im Schirme S, zwei Spalten \u00f6ffnet, so wird mithin das Bild d, d,, von 2 homogenen Strahlenarten beleuchtet sein und indem man es betrachtet, wird man den Lichteindruck haben, welchen zwei homogene Strahlenarten zusammen hervorbringen, wenn sie gleichzeitig eine Netzhautstelle treffen. Man kann auf diese Art jede homogene Strahlenart mit jeder andern kombiniren, denn man kann durch verschiedene Stellung der Spalten auf S, zwei beliebige Stellen des Spektrum kombiniren, wie verlangt wurde. Durch Oefifnen von 3 Spalten in S, k\u00f6nnen nat\u00fcrlich auch 3 homogene Strahlenarten auf \u00f6, \u00f6\u201e kombinirt werden. Die nach dieser Methode angestellten Versuche \u00fcber homogene Farben und Mischfarben geh\u00f6ren zu den sch\u00f6nsten optischen Demonstrationen die man sehen kann.\nDie beschriebene Methode erfordert selbstverst\u00e4ndlich zu ihrer Ausf\u00fchrung direktes Sonnenlicht, man kann aber genau dieselben Erscheinungen auch im diffusen Tageslicht subjektiv beobachten. Die Methode beruht auf demselben Princip und ist folgende. Sr sei ein in Fig. 51 von diffusem Tageslicht beleuchteter Spalt, P ein Prisma und L eine achromatische Linse. Die Anordnung sei so, dass auf einem Schirme M ein reines Spektrum entsteht. Befindet sich nun in diesem Schirme ein Spalt o der Stelle entsprechend wo z. B. die Strahlen von 600 Bill. Schwingungen eintreffen, so wird ein hinter diesem Spalt befindliches Auge dessen Sehweite gleich seiner Entfer-","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Zusammenwirken von zwei homogenen Strahlungen.\n187\nnung vom Prisma ist die Prismenfl\u00e4che deutlich sehen und zwar ganz gleichm\u00e4ssig in der Farbe, welche der gew\u00e4hlten Schwingungszahl entspricht. Befindet sich bei S2 ein zweiter Spalt mit Tages-\nji\nFig. 51.\nlicht beleuchtet, so wird ein zweites Spektrum auf M gebildet von diesem aber treffen andere Strahlen von geringerer Brechbarkeit auf den Spalt o und das Auge hinter o wird jetzt von jedem Punkte der Prismenfl\u00e4che zweierlei Strahlen erhalten also dieselbe in der Mischfarbe sehen.\nPr\u00fcft man nach einer dieser Methoden alle m\u00f6glichen Paare homogener Strahlenarten durch, so erh\u00e4lt man f\u00fcr jedes Paar entspie-chend den unendlich vielen Werth en, welche das Verh\u00e4ltnis der Intensit\u00e4ten beider Strahlenarten annehmen kann, unendlich viele verschiedene Lichtempfindungen von verschiedener Qualit\u00e4t die durch ihre unmerklichen Abstufungen von der Farbe der einen Strahlenart zur Farbe der andern einen stetigen Uebergang bilden. Die gesarnm-ten so erhaltenen neuen Eindr\u00fccke sind zwar alle verschieden von den durch homogene Strahlungen erzeugten, aber sie sind nicht mehi alle unter einander verschieden, so dass schon bei der blossen Zusammensetzung zweier homogener Strahlen in allen m\u00f6glichen Verh\u00e4ltnissen der Intensit\u00e4t die Mannigfaltigkeit der Empfindungsqualit\u00e4ten hinter der Mannigfaltigkeit der als Reize dienenden physikalischen Vorg\u00e4nge weit zur\u00fcckbleibt. Heben wir zun\u00e4chst einzelne Beispiele hervor. L\u00e4sst man Strahlen von 450 Billionen Schwingungen (die den Eindruck roth machen) mit solchen von 790 Billionen Schwingungen Zusammenwirken, so erh\u00e4lt man durch Variiren des Verh\u00e4ltnisses der Intensit\u00e4ten der beiden Strahlenarten eine neue Reihe von Lichteindr\u00fccken, deren Farbenton mit keinem der spektralen Farbent\u00f6ne genau \u00fcbereinstimmt. Diese ganz neuen Farbent\u00f6ne die wir als Purpurt\u00f6ne bezeichnen wollen, sind dem Roth und dem Violett mehr oder weniger \u00e4hnlich je nachdem die Strahlen von 450 Billionen oder die von 790 Billionen Schwingungen mehr oder weniger stark in der Mischung vertreten sind. Durch stetiges Aendern dieses","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188\tFick, Physiol. Optik IL 4. Cap. Die gemischten Farben.\nIntensit\u00e4ts Verh\u00e4ltnisses von cc zu Null erh\u00e4lt man einen stetigen Ueber-gang von Roth zu Violett durch die verschiedenen Purpurt\u00f6ne. Man kann demnach dieses Fortschreiten von Roth zu Violett symbolisch darstellen durch das Fortschreiten in der punktirten Linie (Fig. 49), welche die Endpunkte der ausgezogenen Curve verbindet. Wenn man jetzt die Purpurt\u00f6ne mit den durch die homogenen Strahlungen des Spektrums verursachten Farbent\u00f6nen zusammenfasst, so kann man von einem beliebigen Farbenton zu einem beliebigen andern auf zwei verschiedene Arten stetig fortschreiten entsprechend den zwei Wegen, auf denen man in der ringf\u00f6rmig geschlossenen Linie der Fig. 49, welche aus dem krummen ausgezogenen und aus dem geraden punktirten St\u00fccke besteht, von jedem Punkte zu jedem andern gelangen kann. So kann man z. B. vom Farbenton Gelb zum Farbenton Blau fortschreiten entweder durch Gr\u00fcnlichgelb, Gr\u00fcn, Blaugr\u00fcn oder durch Orange, Roth, Purpur Violett.\nEine ganz besondere Erscheinung tritt hervor wenn man gewisse homogene Strahlenpaare des Spektrums Zusammenwirken l\u00e4sst, welche man komplement\u00e4re nennt. Bringt man z. B. mit Strahlen von der Wellenl\u00e4nge 0,0006559 (die f\u00fcr sich den Eindruck Roth machen) in einem gewissen Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse Strahlen von der Wellenl\u00e4nge 0,0004875 (die den Eindruck Blaugr\u00fcn machen) auf der Netzhaut zusammen, so entsteht ein Lichteindruck, welcher im Farbenton weder an Roth noch an Blaugr\u00fcn noch an irgend einen andern (Purpur eingeschlossen) im mindesten erinnert. Es ist der im gemeinen Sprachgebrauch mit \u201eWeiss\u201c bezeichnete Lichteindruck.\nAusser dem soeben bezeichneten giebt es nun noch unz\u00e4hlige andere komplement\u00e4re Strahlenpaare, die in bestimmtem Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse zusammenwirkend den Eindruck des Weiss hervorbringen. Nach J. J. M\u00fcller\u2019s Bestimmungen die f\u00fcr sein linkes* und rechtes Auge ein wenig von einander abweichen (denen auch das vorige Beispiel entnommen war) sind folgende Farbent\u00f6no komplement\u00e4r.\n\t\t\tWellenl\u00e4nge\t\nFarte.\tWellenl\u00e4nge.\tKomplement\u00e4re Farte.\tlinkes Auge.\trechtes Auge.\nRoth\t\t0,0006559\tBlaugr\u00fcn\t\t0,0004875\t0,0004865\nViolett\t\t0.0004225\tGelb\t\t0,0005591\t0,0005608\nEtwas abweichend sind Bestimmungen von Helmholtz die in Hundertmilliontheilen 1 des Pariser Zolles die Wellenl\u00e4ngen geben.\n1 In Helmholtz\u2019s physiologischer Optik steht wahrscheinlich durch einen","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Zusammenwirken von zwei homogenen Strahlungen.\n189\nFarte.\tWellenl\u00e4nge.\tKomplement\u00e4re Farbe.\tWellenl\u00e4nge.\tVerh\u00e4ltnis der Wellenl\u00e4nge.\nRoth\t\t2425\tGr\u00fcnblau\t\t1818\t1,334\nOrange \t\t2244\tBlau\t\t1809\t1,240\nGoldgelb\t\t2162\tBlau\t\t1793\t1,206\nGoldgelb\t\t2120\tBlau\t\t1781\t1,190\nGelb\t\t2095\tIndigblau\t\t1716\t1,221\nGelb\t\t2085\tIndigblau\t\t1706\t1,222\nGr\u00fcngelb\t\t2082\tViolett\t\tvon 1600 ab\t1,301\nL\u00e4sst man ein komplement\u00e4res Strahlenpaar Zusammenwirken in anderem Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltniss als in welchem sie weiss geben, so erh\u00e4lt man einen Lichteindruck, welcher an den Farbenton der vorherrschenden Strahlenart erinnert aber mit dem Weiss Aehnlichkeit hat und zwar um so mehr je mehr sich das Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltniss der Strahlen dem n\u00e4hert, in welchem zusammenwirkend sie weiss geben. Solche Farbeneindr\u00fccke nennt man blasse, weissliche oder auch wohl im gemeinen Leben sehr uneigentlich \u201ehelle\u201c Farben. Die Abweichung eines Farbeneindruckes \u2014 sei er nun durch homogene Strahlung oder durch Zusammenwirken mehrerer homogener Strahlen hervorgebracht \u2014 vom Weiss kann f\u00fcglich im Anschluss an den gemeinen Sprachgebrauch als Grad der S\u00e4ttigung der Farbe bezeichnet werden. Dieser Grad ist eine mathematische Gr\u00f6sse.\nH\u00f6chst bemerkenswert!! ist die Thatsache, dass zu den homogenen Strahlen, welche den Eindruck des Gr\u00fcn machen (also etwa den Wellenl\u00e4ngen zwischen 0,0005636 und 0,0004921 mm. entsprechend) keine komplement\u00e4re homogene Strahlenart im Spektrum zu finden ist.\nWir untersuchen endlich die Beschaffenheit der Lichteindr\u00fccke, welche durch Zusammenwirken zweier homogener Strahlungen entstehen, die nicht komplement\u00e4r sind und schliessen auch das schon behandelte Paar von homogenen Strahlenarten an den beiden \u00e4usser-sten Enden des Spektrums aus. Die Haupts\u00e4tze hier\u00fcber sind nach Untersuchungen von J. J. M\u00fcller in der nachfolgenden Tabelle zusammengestellt. Zu ihrem Verst\u00e4ndniss sind einige Bemerkungen n\u00f6thig. Die homogene Strahlenart ist immer nur durch den Namen des von ihr hervorgebrachten Farbeneindruckes bezeichnet, weil es hier nicht auf sehr genaue Bestimmung der Wellenl\u00e4nge ankommt. Wo in der Rubrik Mischfarbe mehrere Farbennamen durch \u201eoder\u201c ver-\nDruckfehler in \u201eMilliontheilen\u201c. ich habe in der Tabelle die Originalzahlen von Helmholtz gegeben, sie k\u00f6nnen durch Multiplikation mit 27.07 auf Millimeter-maass reducirt werden.","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nFick, Physiol. Optik IL 4. Cap. Die gemischten Farben.\nbunden stehen, kommt der eine oder der andere Farbeneindruck zu Stande je nachdem die erste oder zweite homogene Componente an Intensit\u00e4t vorherrscht. Das Wort spektral in der Rubrik S\u00e4ttigungsgrad soll bedeuten, dass der Eindruck der gemischten Strahlung merklich ebenso ges\u00e4ttigt ist wie der Eindruck den eine homogene Strahlung von dem entsprechenden Farbenton hervorruft.\nComponenten.\nTon der Mischfarbe.\nS\u00e4ttigungsgrad.\nRoth -Orange -Gelb -Gelbgr\u00fcn -Gr\u00fcn -Blaugr\u00fcn -Cyanblau -\nGelb.\nGelbgr\u00fcn.\nGr\u00fcn.\nBlaugr\u00fcn.\nCyanblau.\nIndigo.\nViolett.\nOrange.\nGelb.\nGelbgr\u00fcn.\nGr\u00fcn.\nBlaugr\u00fcn.\nCyanblau.\nIndigo.\nSpektral.\nSpektral.\nWeisslieh.\nSehr weisslieh. Weisslieh. Spektral. Spektral.\nRoth \u2014 Gelbgr\u00fcn. Roth \u2014 Gr\u00fcn. Violett \u2014 Blaugr\u00fcn. Violett \u2014 Gr\u00fcn.\nViolett \u2014 Orange. Roth \u2014 Cyanblau. Roth \u2014 Indigo.\nOrange oder Gelb. j Orange oder Gelb | oder Gelbgr\u00fcn. Indigo oder Cyanblau. I Indigo oder Cyanblau ] oder Blaugr\u00fcn.\nRoth.\nIndigo oder Violett. Violett.\nSpektral.\nWeisslieh.\nSpektral.\nWeisslieh.\nWeisslieh.\nWeisslieh.\nWenig weisslieh.\nUnter den Eindr\u00fccken, welche nach dieser Tabelle durch Zusammenwirken nicht komplement\u00e4rer Strahlungen erzeugt werden, giebt es viele, die ganz genau ebenso auch durch Zusammenwirken eines anderen Strahlenpaares hervorgebracht werden k\u00f6nnen, z. B. der weisslieh-orange Farbeneindruck den rothe und gr\u00fcne Strahlen hervorbringen, kann auch erzeugt werden durch Zusammenwirken von Strahlen der Wellenl\u00e4nge 0,00002244 Par. Z., die den Eindruck orange machen und von den komplement\u00e4ren1 Strahlen der Wellenl\u00e4nge 0,00001809 Par. Z., die den Eindruck Blau machen, wenn die Intensit\u00e4t der ersteren stark vorwiegt. Solcher Beispiele Hessen sich noch unz\u00e4hlige geben, oder man kann sagen: Jeder bestimmte Farbeneindruck der durch ein Paar homogener Strahlen erzeugt wird, l\u00e4sst sich auch noch durch unendlich viele verschiedene homogene Strahlenpaare hervorbringen.\n1 Siehe Tabelle S. 1S9.","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Symbolische Darstellung der gemischten Farben.\n191\nII. Symbolische Darstellung der gemischten Farben.\nDiese ganze unendliche Mannigfaltigkeit der durch Paare homogener Strahlen erzeugbaren Farbeneindr\u00fccke l\u00e4sst sich bez\u00fcglich der Stetigkeit des Ueberganges von einem zum andern und bez\u00fcglich ihrer Aehnlichkeit untereinander symbolisch darstellen durch das System aller Punkte des ebenen Fl\u00e4chenst\u00fcckes, welches von der schon mehrfach gebrauchten Kurve Fig. 49 eingeschlossen ist. Die ganz eigenartige Empfindung weiss muss offenbar durch den Punkt dargestellt sein, welcher oben schon als Pol gew\u00e4hlt wurde, von welchem die Fahrstrahlen ausgehen, deren Winkeldistanz die Unterschiede des Farbentones der Spektralfarben misst. Die Punkte der Fahrstrahlen selbst stellen die verschiedenen blassen Farbent\u00f6ne derart dar, dass der Abstand eines Punktes vom Pol den Grad der S\u00e4ttigung andeutet, welcher sein Maximum erreicht wenn die Entfernung vom Pol die ganze L\u00e4nge des betreffenden Fahrstrahles bis an die spektrale Grenzkurve ausmacht. Auf dem Fahrstrahl Wm also beispielsweise stellen sich alle Empfindungen dar, welchen man einen bestimmten blaugr\u00fcnen Farbenton zuschreibt, von weiss an durch das bl\u00e4sseste Blaugr\u00fcn mit steigender S\u00e4ttigung bis zum spektralen Blau-gr\u00fcn. Auf dem Fahrstrahl WV stellen sich ebenso alle Empfindungen von einem gewissen rothen Farbentone dar, von weiss an durch die bl\u00e4ssesten rothen Nuancen bis zum ges\u00e4ttigten Roth des Spektrums u. s. w.\nEs ist gut zu bemerken, dass es ganz und gar der Natur der Sache entspricht, wenn man das Fortschreiten von Ton zu Ton durch Drehung einer Richtung um einen Punkt das Fortschreiten von bl\u00e4sseren Nuancen eines Tones zu ges\u00e4ttigteren aber durch Fortschreiten auf einer geraden Linie darstellt. Beim Fortschreiten von Ton zu Ton verlangt n\u00e4mlich die innere Anschauung, dass man, ohne die schon durchlaufenen T\u00f6ne zum zweiten Male zu passiren zum urspr\u00fcnglichen Farbenton zur\u00fcckkommt, z. B. von Gelb durch Gr\u00fcn, Blaugr\u00fcn, Blau, Violett, Purpur, Roth, Orange wieder zu Gelb. Beim Fortschreiten von weiss durch bl\u00e4ssere Nuancen zu immer ges\u00e4ttigteren desselben Tones verlangt die innere Anschauung nie, dass wir zu Eindr\u00fccken kommen k\u00f6nnten, welche dem urspr\u00fcnglichen wieder \u00e4hnlicher werden.\nL\u00e4sst man mehr als zwei homogene Strahlenarten in beliebiger Zusammenstellung auf dieselbe Netzhautstelle ein wirken, so entsteht niemals ein Farbeneindruck, der nicht auch schon durch Zu-","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\tFick, Physiol. Optik II. 4. Cap. Die gemischten Farben.\nsammenwirken zweier homogener Strahlenarten hervorgebracht werden k\u00f6nnte, d. h. ein Eindruck der einen bestimmten einer Stelle des Spektrum entsprechenden Farbenton aufweist und dessen S\u00e4ttigung jedesfalls geringer ist als die der betreffenden Spektralstelle. Mit der symbolischen Darstellung der durch Paare homogener Strahlen erzeugbaren Farben oder Lichteindr\u00fccke in Form eines begrenzten ebenen Fl\u00e4chenst\u00fcckes ist also die ganze Mannigfaltigkeit der m\u00f6glichen Farbeneindrticke von den Intensit\u00e4tsunterschieden abgesehen ersch\u00f6pft. Es stellt sich somit die ganze Mannigfaltigkeit der \u00fcberhaupt m\u00f6glichen Farbeneindr\u00fccke als eine zweifach unendliche dar. Dies heisst mit andern Worten: Es ist erstens m\u00f6glich eine stetige Reihe von Elementen der Mannigfaltigkeit zu durchlaufen und auf das erste Element zur\u00fcckzukommen ohne dass man ein Element zweimal nimmt \u2014 hierdurch ist die unendliche Mannigfaltigkeit als eine mehr als einfache charakterisirt. Zweitens sind durch eine solche stetige Reihe von Elementen die s\u00e4mmtlichen Elemente derart in zwei Gruppen geschieden, dass es nun nicht mehr m\u00f6glich ist, von einem Elemente der einen zu einem Elemente der anderen Gruppe einen stetigen Uebergang zu machen ohne dass darin ein Element der zuerst gebildeten Reihe vorkommt, hierdurch ist die Mannigfaltigkeit als eine nicht mehr als zweifache charakterisirt. Dass diese beiden Eigenschaften dem System aller m\u00f6glichen auf gleiche Intensit\u00e4t gebrachten Farbenempfindungen zukommt wird keines besonderen Beweises mehr bed\u00fcrfen.\nEs mag an dieser Stelle ausdr\u00fccklich hervorgehoben werden, dass keine Lichtempfindung sei sie weiss oder habe sie einen beliebigen Farbenton und einen beliebigen S\u00e4ttigungsgrad sich im Bewusstsein als etwas zusammengesetztes ank\u00fcndigt. Jede erscheint vielmehr als ein durchaus Einfaches und selbst dem aufmerksamsten j Beobachter wird es nie gelingen eine solche Empfindung in Compo-nenten zerlegt zum Bewusstsein zu bringen. Der Sprachgebrauch gewisse Farbenempfindungen durch zusammengesetzte Worte wie etwa Blaugr\u00fcn zu bezeichnen, scheint manche zu der Annahme verf\u00fchrt \\ zu haben, dass doch etwas Zusammengesetztes an der Wahrnehmung sei. Diese Annahme kann indessen nicht entschieden genug zur\u00fcckgewiesen werden. Die Sprache bezeichnet durch die Zusammensetzung von zwei Farbennamen offenbar nur die gleichzeitige Aehnlich-keit mit zwei verschiedenen Farben. Wo ein Bed\u00fcrfniss vorhanden war, hat daher die Sprache auch einfache Bezeichnungen f\u00fcr Farben eingef\u00fchrt die ebensowohl durch zusammengesetzte Worte h\u00e4tten bezeichnet werden k\u00f6nnen, z. B. Gelb. Dies k\u00f6nnte ganz passend durch","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Symbolische Darstellung der gemischten Farben.\n193\ngr\u00fcnlichroth bezeichnet werden, denn die Aehnlickkeit des Gelb und Rotk einerseits und des Gelb und Gr\u00fcn andererseits ist gewiss ebenso gross wie die Aeknlickkeit des Blaugr\u00fcn und Gr\u00fcn einer- und des Blaugr\u00fcn und Blau andererseits. Dass gleichwokl f\u00fcr die gelbe Farbe ein besonderer Name in Gebrauch kam, hat offenbar darin seinen Grund, dass bei der besonderen Reizbarkeit der Netzhaut f\u00fcr die Strahlenarten, welche eben diesen Eindruck machen, derselbe sich dem sprackbildenden Bewusstsein besonders h\u00e4ufig und m\u00e4chtig aufdr\u00e4ngte.\nWenn nun auch jede Farbenempfindung in der inneren Anschauung als eine unaufl\u00f6sliche Einheit auftritt, so ist damit keineswegs erwiesen, dass sie in Wahrheit eine einfache Empfindung ist. Es treten ja niemals im Bewusstsein die elementaren Empfindungen selbst auf, sondern stets nur Vorstellungen, welche aus dem Empfin-dungsmaterial gebildet sind und es bedarf auf allen Sinnesgebieten besonderer H\u00fclfen der Aufmerksamkeit, um den Empfindungselementen auf die Spur zu kommen. Sich ihrer als solcher wirklich bewusst zu werden, gelingt vielleicht \u00fcberhaupt gar nie. Am weitesten geht wohl die F\u00e4higkeit des Ohres die in einer Gesammtempfindung enthaltenen Elemente einzeln wahrzunehmen, weil es hier eben m\u00f6glich ist, sie auch einigermaassen isolirt hervorzurufen. Anders dagegen auf dem Gebiete des Tastsinnes. Der Charakter einer W\u00e4rmeempfindung im Gegens\u00e4tze zu dem einer Druckempfindung wird ohne Zweifel nur bedingt durch den verschiedenen Charakter der Gruppirung mehrerer Elementarempfindungen, aber wir sind nicht im Stande uns dieser Elementarempfindungen gesondert bewusst zu werden.\nDie symbolische Darstellung der qualitativen Mannigfaltigkeit aller m\u00f6glichen Lichtempfindungen durch die Mannigfaltigkeit der Punkte eines begrenzten ebenen Fl\u00e4chenst\u00fcckes kann erfahr ungsge-m\u00e4ss in einer sehr bemerkenswerthen Weise bewerkstelligt werden. Giebt man n\u00e4mlich der Begrenzungslinie eine gewisse Gestalt und dem Pol eine gewisse Lage darin, so l\u00e4sst sich, wenn die beiden Punkte, welche die durch zwei Strahlungen (einfache oder beliebig zusammengesetzte) f\u00fcr sich hervorgebrachten Empfindungen bedeuten und das Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltniss der beiden Strahlungen gegeben sind, nach einer einfachen Regel der Punkt finden, welcher die durch das Zusammenwirken dieser beiden Strahlungen auf dieselbe Netzhautstelle hervorgebrachte Empfindung bedeutet. Die Regel lautet so : Man denke sich an die beiden gegebenenPunkte Massen gesetzt, deren Verh\u00e4ltniss das der Intensit\u00e4ten der beiden Strahlungen ist und kon-\nHandbuch der Physiologie. Bd. III.\t13","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\tFick, Physiol. Optik II. 4. Cap. Die gemischten Farben.\nstruire den Schwerpunkt dieses Massensystemes, er ist der gesuchte Punkt. Es sei z. B. p Fig. 49 der eine und q der andere gegebene Punkt, das heisst wir denken uns eine Strahlung, welche den Eindruck eines nicht ganz ges\u00e4ttigten Orange macht und eine zweite, welche den Eindruck eines ebenfalls nicht ganz ges\u00e4ttigten etwas zum Gr\u00fcn neigenden Blau macht. Die eine sowohl als die andere dieser Strahlungen k\u00f6nnte immer noch in sehr verschiedener Weise aus homogenen Strahlen bestehen, worauf gar nichts ankommt. Lassen wir nun zwei solche Strahlungen Zusammenwirken, so k\u00f6nnen erstens nur Eindr\u00fccke zu Stande kommen, welche auf der geraden Linie p q ihre Darstellung finden, da nur hier der Schwerpunkt der beiden hypothetisch zu setzenden Massen liegen kann. Es k\u00f6nnen also nur Eindr\u00fccke von weisslich orange weisslich roth weisslich pur-pur weisslich violett weisslich blau entstehen und ob der eine oder andere dieser Eindr\u00fccke entsteht, h\u00e4ngt vom Intensit\u00e4tsVerh\u00e4ltnisse der beiden Strahlungen ab. W\u00e4re z. B. die orange Strahlung viermal so stark als die blaue, so w\u00e4re r der gesuchte Punkt und wir h\u00e4tten den Eindruck eines ziemlich blassen Roth, denn der Punkt r liegt auf dem Fahrstrahl \\VV dessen Punkte nach dem dargelegten Princip die Eindr\u00fccke darstellen, welche von einem gewissen spektralen roth den Uebergang zu weiss bilden. Es versteht sich von selbst, dass die soeben entwickelte Regel auch auf die Construktion des Farbeneindruckes, den beliebig viele verschiedene homogene oder selbst schon gemischte Strahlungen zusammenwirkend hervorbringen, denn man kann zuerst f\u00fcr zwei den Schwerpunkt konstruiren und dann zu dem Resultat die dritte Strahlung hinzunehmen u. s. f.\nIII. Young\u2019s Theorie der Farhenempflndung.\nDa es bei der Construktion des gemischten Farbeneindruckes gar nicht ankommt auf die physikalische Beschaffenheit der Strahlungen, welche in die Mischung eingehen, sondern lediglich auf die Farbeneindr\u00fccke, welche sie hervorbringen, so muss man schliessen, dass es sich dabei eben um das Zusammensein von physiologischen Zust\u00e4nden der Netzhaut handelt gleichg\u00fcltig, durch welche \u00e4ussere Ursache dieselben bewirkt sind. Es kann daher kaum eine Hypothese sondern nur ein Ausdruck der Thatsachen genannt werden, wenn man \u00fcberhaupt die verschiedenen Lichteindr\u00fccke als Zusammensein einiger weniger einfacher ansieht. Wie viele solche \u201eGrundfarben\u201c man w\u00e4hle und welche Farbent\u00f6ne man ihnen beilegen will, bleibt allerdings in weiten Grenzen der Willk\u00fchr \u00fcberlassen,","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"Young\u2019s Theorie der Farbenempfindung.\n195\nnur eine Bedingung muss erf\u00fcllt sein. Es m\u00fcssen n\u00e4mlich die den Grundfarben in unserer symbolischen Darstellung anzuweisenden Pl\u00e4tze die Eckpunkte eines Polygons bilden, das die von der aus-gezogenen Curve und der punktirten Geraden begrenzte Fl\u00e4che vollst\u00e4ndig einschliesst, denn nur unter dieser Bedingung kann jeder Punkt dieses Fl\u00e4chenst\u00fcckes Schwerpunkt eines in jenen Eckpunkten vertheilten Massensystemes sein, d. h. kann jede wirkliche Farbenempfindung als Zusammensein jener hypothetischen Grundempfindungen in bestimmtem Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltniss aufgefasst werden. Diese Bedingung schliesst wegen der unvermeidlichen Kr\u00fcmmung der das Spektrum darstellenden Linie den Satz ein, dass mindestens eine der Grundfarben vom Pol weiter abliegt, als die im Ton entsprechende Spektralfarbe d. h. ges\u00e4ttigter ist, als irgend ein durch wirkliche Strahlung in der unerm\u00fcdeten Netzhaut hervorzubringender Farbeneindruck desselben Tones.\nWollen wir nun den Boden des rein Thats\u00e4chlichen verlassen, so k\u00f6nnen wir nach einer bestimmten m\u00f6glichst wahrscheinlichen Annahme bez\u00fcglich der Zahl und des Tones der einfachen Farbeneindr\u00fccke suchen. Was zun\u00e4chst die Zahl betrifft, so empfiehlt es sich nat\u00fcrlich sie auf die kleinste \u00fcberhaupt gen\u00fcgende n\u00e4mlich auf 3 zu beschr\u00e4nken. Hierin besteht die ber\u00fchmte von Thomas Young aufgestellte Hypothese zur Erkl\u00e4rung der Farbenempfindung, welche neuerdings von Helmholtz und Maxwell weiter ausgebildet ist. Um den Ton der drei Grundfarben zu w\u00e4hlen, gehen wir davon aus, dass offenbar der gr\u00fcne Farbenton eine besondere ausgezeichnete Stellung einnimmt schon dadurch, dass er im Spektrum keinen komplement\u00e4ren hat. Wenn man nun Gr\u00fcn als den Ton der einen Grundfarbe gew\u00e4hlt hat, so scheint mir die Wahl der beiden andern nur auf Roth und Blau fallen zu k\u00f6nnen, ich kann mich wenigstens nicht entschlossen mit Young und Helmholtz neben Gr\u00fcn und Roth Violett als dritte Grundfarbe gelten zu lassen, und zwar aus folgendem Grunde. Die drei Grundfarben sollten n\u00e4mlich, wie mir scheint, so gew\u00e4hlt sein, dass die drei Unterschiede zwischen je einem derselben m\u00f6glichst gleich gross sind. Nun wird aber Niemand zweifelhaft sein, dass der Unterschied zwischen Roth und Violett viel kleiner ist als der zwischen Roth und Gr\u00fcn und als der zwischen Gr\u00fcn und Violett. Nimmt man dagegen als dritte Grundfarbe Blau und zwar genauer gesprochen einen der als Indigo gemeiniglich bezeichneten T\u00f6ne, so tritt dieser Missstand nicht in denvMaasse hervor. Zwischen Roth und Blau ist wohl nach dem allgemeinen Urtheil der Unterschied ebenso gross wie zwischen Blau und Gr\u00fcn. Dagegen d\u00fcrften","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nFick. Physiol. Optik IL 4. Cap. Die gemischten Farben.\nmanche den Unterschied zwischen Roth und Gr\u00fcn gr\u00f6sser sch\u00e4tzen, was aber vielleicht nur dem weiter oben schon ber\u00fchrten Umstand zuzuschreiben ist, dass sich wegen der besonderen Reizbarkeit der Netzhaut durch die betreffenden Strahlenarten die gelben Farbent\u00f6ne der Aufmerksamkeit besonders h\u00e4ufig und stark aufdr\u00e4ngen. Als rothen Grundton m\u00f6chte ich nicht sowohl den des \u00e4ussersten spektralen Roth, das immerhin schon etwas zum Gelb (resp. Gr\u00fcn) hinneigt annehmen, sondern einen Farbenton der etwas mehr Aehnlich-keit mit Carminroth hat.\nHiernach w\u00e4ren den Grundempfindungen auf unserer Farbentafel Pl\u00e4tze anzuweisen in den Eckpunkten RGB eines gleichseitigen Dreieckes, welches das von der Spektralkurve und der Purpurlinie begrenzte Fl\u00e4chenst\u00fcck vollst\u00e4ndig einschliesst. Wie weit von IF entfernt man die: Punkte B, G und R auf ihren Fahrstrahlen setzen will, das bleibt freilich immer noch der Willk\u00fchr \u00fcberlassen, ohne dass man einen Widerspruch gegen Thatsachen zu bef\u00fcrchten h\u00e4tte. Es empfiehlt sich also die einfachste Annahme, d. h. die Punkte nur so weit hinauszur\u00fccken, dass das Dreieck GRB gerade eben die Fl\u00e4che der wirklichen Farben vollst\u00e4ndig einschliesst. Es verdient noch ausdr\u00fccklich erw\u00e4hnt zu werden, dass die Repr\u00e4sentation die drei Grundempfindungen durch drei Punkte (R, G, B) die von W gleich weit abstehen soviel heisst als annehmen, dass der Eindruck weiss dann entsteht, wenn die drei Grundempfindungen in gleicher St\u00e4rke vorhanden sind, denn der Schwerpunkt dreier Massen in R, G und B liegt alsdann in W nur, wenn die drei Massen gleich sind.\nDer soeben entwickelten Hypothese hat schon Young selbst eine weitere anatomisch physiologische Bedeutung gegeben, die mit den oben ausgesprochenen Grunds\u00e4tzen der allgemeinen Empfindungslehre im Einklang steht. Er nimmt n\u00e4mlich an, dass in jedem Netzhaut-theil, der aller Farbenempfindungen f\u00e4hig ist, drei getrennte Nerven-elemente vorhanden sind, die als ebensoviele Individuen gesondert empfinden und zwar in qualitativ verschiedener Weise, wie das eben f\u00fcr individuell verschiedene Nervenelemente und nur f\u00fcr solche m\u00f6glich ist. Der einen Elementenart k\u00e4me eben die specifische Energie des Gr\u00fcnempfi idens zu, der andern die des Roth- und der dritten die des Blauempfindens. Es mag \u00fcbrigens hier noch einmal ausdr\u00fccklich bemerkt sein, dass die drei Empfindungen, welche bei ausschliesslicher Reizung nur* je einer Fasergattung zustande kommen w\u00fcrden, uns eigentlich unbekannt sind, da faktisch jede Strahlung, sei sie homogen, sei sie gemischt, keine der Fasergattungen ganz uner-","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"Young\u2019s Theorie der Farbenmischung.\n197\nregt l\u00e4sst. Wir bezeichnen die unbekannten hypothetischen Grundempfindungen nur mit den Namen der bekannten Farben, welchen sie im Sinne der Hypothese am \u00e4hnlichsten sein m\u00fcssen. Bei dem sehr verwickelten Bau der kleinsten Netzhautpartieen wird die anatomische M\u00f6glichkeit der YouNG\u2019schen Annahme kaum bestritten werden k\u00f6nnen. Andererseits kann es auch keinen Einwand gegen diese Hypothese begr\u00fcnden, dass wir die totale Farbenempfindung einer Netzhautstelle nicht im Stande sind im Bewusstsein zu zergliedern, in ein r\u00e4umliches Nebeneinander einer Gr\u00fcn-, einer Roth-, einer Blauempfindung, was doch die totale Farbenempfindung nach Young\u2019s Hypothese in Wirklichkeit w\u00e4re. Die M\u00f6glichkeit einer solchen Zergliederung im Bewusstsein k\u00f6nnten wir nur dann erwarten, wenn es ausf\u00fchrbar w\u00e4re die drei specifisch verschieden empfindenden Elemente eines Netzhauttheiles von merklich verschiedenen Orten her 'zu erregen, resp. durch Bewegungen des Organes abwechselnd das eine oder das andere dieser Elemente demselben Reize darzubieten. Da dies aber wegen der Kleinheit des Abstandes zwischen den drei Elementen jedes Netzhauttheiles unausf\u00fchrbar ist, so tritt der Complex der drei Grundempfindungen stets als unaufl\u00f6sliche Einheit ins Bewusstsein, deren Qualit\u00e4t einer zweifach unendlichen Mannigfaltigkeit f\u00e4hig ist, da sie von zwei stetig ver\u00e4nderlichen Gr\u00f6ssen abh\u00e4ngt, n\u00e4mlich den beiden Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnissen der einen Grundempfindung zu den beiden andern.\nUm den ganzen in der symbolischen Darstellung Fig. 49 niedergelegten Thatbestand der Lehre von den Farbenempfindungen aus der YouNG\u2019schen Theorie zu erkl\u00e4ren, hat man noch folgende Annahme zu machen. Jede der drei Fasergattungen hat ihre eigen-th\u00fcmlichen Endapparate, deren Reizbarkeit durch Strahlungen eine verschiedene ist, derart dass die rothempfindenden Fasern besonders stark durch die Strahlen des Spektrums von geringer Brechbarkeit gereizt werden. Die gr\u00fcnempfindenden Fasern werden am st\u00e4rksten erregt durch Strahlen mittlerer Brechbarkeit, die blauempfindenden am st\u00e4rksten durch die stark brechbaren Strahlen.\nHat man eine Farbentafel nach dem Schema der Fig. 49 konstruirt, an welcher Alles lediglich Ausdruck von Thatsachen ist bis auf die drei Grundempfindungspunkte\tso kann man sofort drei Curven\nkonstruiren, deren Abscissen die Schwingungszahlen der homogenen Strahlen bedeuten und deren Ordinaten die St\u00e4rke des Empfindens bedeuten, welche durch die verschiedenen Strahlen, wenn sie mit der Intensit\u00e4t 1 wirken, in den drei Fasergattungen erregt wird. Die Intensit\u00e4t 1 ist dabei so zu verstehen, dass dieselbe eine Gesammt-","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\nFick, Physiol. Optik II. 4. Cap. Die gemischten Farben.\nempfindung von der Intensit\u00e4t 1 hervorruft. So sind in der Fig. 52 die Curven RR, GG} BB 1 * * * * * * nach den Maassen der Farbentafel Fig. 49\na h\nentworfen. Um ihre Richtigkeit auf die Probe zu stellen, sehen wir zu ob sie die Beziehungen der Complement\u00e4rfarben erkl\u00e4ren. Wir wissen dass die der Fraunhofer'scIicr Linie C entsprechende Strahlung komplement\u00e4r ist zu der Strahlung, welche einer gewissen zwischen der Linie E und F entspricht. Es m\u00fcssen also die drei Or-dinaten \u00fcber C in gleichem Verh\u00e4ltnis verkleinert addirt zu den entsprechenden Ordinaten \u00fcber einem gewissen Punkte zwischen E und F (es mag etwa der Punkt x sein) drei gleiche'Summen ergeben, da ja nach den gemachten Feststellungen der Eindruck weiss nichts anderes bedeutet als gleiche Erregung der drei Fasergattungen. Dass man die Ordinaten \u00fcber C in einem gewissen Verh\u00e4ltnis verkleinern muss, entspricht der Thatsache, dass zur Empfindung Blaugr\u00fcn mit der Intensit\u00e4t 1 complement\u00e4r ist, die Empfindung Roth nicht in der Intensit\u00e4t 1, sondern in viel kleinerer. Nun zeigen die drei Ordinaten \u00fcber C mit 9/22 multiplicirt die L\u00e4ngen der drei Linien /V\u20192 gigz bib2 (Fig. 53) und die Ordinaten \u00fcber x sind in ihrer ganzen L\u00e4nge gleich Rn Ggi Bb\\ die Summen Rr-i Ggi Bb-i sind daher untereinander gleich, wie es die Beziehung des Complement\u00e4rseins der den Punkten C und x der Abscissenaxe entsprechenden Strahlungen verlangt.\n1 Die hier gegebenen Kurven f\u00fcr die Reizbarkeit der drei hypothetischen\nArten von Faserenden weichen wesentlich ab von denen, welche Maxwell und\nHelmholtz (Physiol. Optik. Fig. 119. S. 291) gegeben haben und welche vielfach\nreproducirt sind. Der Unterschied ist aber nicht bedingt durch einen principiel-\nlen Unterschied der Auffassung, sondern dadurch, dass Maxwell und Helmholtz\ngleiches Maass der physikalischen Strahlungsenergie voraussetzen, ich dagegen\ngleichen physiologischen Gesammteffekt.","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"Young\u2019s Theorie der Farbenempfindung.\n199\nF\u00fcr das Verst\u00e4ndniss der in den letzten Paragraphen entwickelten Theorie ist es gut noch einen Satz ausdr\u00fccklich auszusprechen, von dem in den Entwickelungen eigentlich schon stillschweigend Gebrauch gemacht ist. Er lautet so: der Erregungszustand in jeder Fasergattung ist unabh\u00e4ngig von dem in den beiden andern und wenn ein zusammengesetzter Reiz die Netzhaut trifft, so ist die Erregung jeder Faserart die Summe der Erregungen, welche die Componenten des Reizes f\u00fcr sich darin hervorbringen w\u00fcrden.\nWir haben gesehen dass die bis hierher zur Sprache gebrachten Thatsachen der Farbenempfindung s\u00e4mmtlich aus der Theorie Young\u2019s erkl\u00e4rt werden. Sie ist aber im Stande auch noch eine F\u00fclle anderer Erscheinungen zu erkl\u00e4ren, von denen im weiteren Verlaufe der Darstellung zu handeln sein wird. Ueberhaupt ist mir nur eine einzige Thatsache dieses Gebietes bekannt, welche nicht auf das Ungezwungenste aus der YouNG\u2019schen Theorie gefolgert werden k\u00f6nnte. Sie besteht darin, dass jede Strahlung die einen noch so ges\u00e4ttigten Farbeneindruck macht, sowie sie eine einigermaassen ausgedehnte polare Netzhautpartie trifft, einen weisslichen Eindruck hervorbringt, in welchem oft gar kein Farbenton mehr zu erkennen ist, wenn ihre Wirkung auf eine sehr kleine Netzhautpartie beschr\u00e4nkt wird. So giebt es bekanntlich viele Sterne deren Strahlung der spektroskopischen Untersuchung zufolge einen sehr entschieden farbigen Eindruck machen sollte, und dennoch sehen dieselben wie weisslich gl\u00e4nzende Punkte aus, an denen der Farbenton kaum erkennbar ist. An farbigen terrestrischen Objekten hat namentlich Aubert 1 planm\u00e4ssige Versuche gemacht, die zeigen, dass, sowie der Gesichtswinkel, unter welchem sie erscheinen, unter eine gewisse Grenze sinkt, kein Farbenton mehr erkennbar ist. Dass hiervon die Theorie Young\u2019s so unmittelbar wenigstens nicht Rechenschaft giebt, bedarf keines besonderen Beweises. Ebensowenig kann Young\u2019s Theorie die hierhergeh\u00f6rige Beobachtung E. Fick\u2019s 2 erkl\u00e4ren, dass an mehreren getrennt nebeneinander gesehenen sehr kleinen farbigen Objekten der Farbenton oft noch erkannt wird, wenn er an einem einzigen unter demselben Gesichtswinkel erscheinenden Objekte nicht mehr erkannt werden kann.\nK Q B Fig. 53.\n1\tAubert, Physiologie der Netzhaut. 2. xVbschn. 1. Cap. Breslau 1864.\n2\tE. Fick, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 152.","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nFick, Physiol. Optik IL 4. Cap. Die gemischten Farben.\nIT. Farbentoii abh\u00e4ngig von der St\u00e4rke des Reizes.\nDie s\u00e4mmtlichen in den vorstehenden Paragraphen dargestellten Lehren haben nur unter der noch nicht ausdr\u00fccklich ausgesprochenen Voraussetzung Geltung, dass die Strahlung, welche die Lichtempfindung hervorruft, einen mittler en Intensit\u00e4tsgrad besitzt. L\u00e4sst man irgend eine Strahlung, sei sie homogen oder gemischt entweder in ausserordentlich geringer oder in enorm grosser (blendender) Intensit\u00e4t auf die Netzhaut wirken, so entsteht eine Lichtempfindung ohne bestimmbaren Farbenton, d. h. die Empfindung weiss, die man bei geringem Intensit\u00e4tsgrade bekanntlich grau nennt. Was die Richtigkeit des Satzes bez\u00fcglich der minimen Intensit\u00e4tsgrade betrifft, so wird sie schon durch das alte Sprichwort \u201e bei Nacht sind alle Katzen grau\u201c bew\u00e4hrt. Doch ist es von Interesse zu untersuchen, welche Farbent\u00f6ne bei abnehmender Intensit\u00e4t zuerst auf h\u00f6ren erkennbar zu sein. Ausgedehnte Versuchsreihen hat hier\u00fcber Aubert 1 mit Pigmentfarben angestellt, von deren Ergebnissen besonders das hervorzuheben ist, dass am Zinnoberroth bei geringerer Beleuchtungsst\u00e4rke schon ein Farbenton erkennbar ist als am Ultramarinblau, dass aber dies letztere heller erscheint als jenes, obwohl bei mittlerer Tageshelligkeit das Zinnoberroth entschieden den helleren Eindruck macht.\nL\u00e4sst man eine homogene Strahlung in ausserordentlicher Helligkeit wirken, so geht am leichtesten Violett in weiss \u00fcber. Die anderen Farbent\u00f6ne gehen bei Steigerung der Helligkeit meist mit Aen-derung ihres Tones ebenfalls in weiss \u00fcber und zwar nimmt merkw\u00fcrdigerweise diese Aenderung des Tones bei verschiedenen eine entgegengesetzte Richtung. Blau n\u00e4mlich geht durch blass violett in weiss \u00fcber, Gr\u00fcn durch gelblichgr\u00fcn. Der rothe Farbenton wird blassgelblich und es gelingt nach Helmholtz selbst bei der blendendsten Helligkeit nicht ihn vollst\u00e4ndig in weiss \u00fcberzuf\u00fchren.\nDiese s\u00e4mmtlichen Erscheinungen sind ohne allen Zwang mit der YouNG\u2019schen Theorie zu vereinigen. Man braucht nur die durchaus plausibele Annahme zu machen, dass bei \u00e4usserst geringen und \u00e4usserst hohen Intensit\u00e4tsgraden der Strahlen die Erregbarkeitskurven der drei Fasergattungen nicht mehr den Fig. 52 gezeichneten Gang einhalten, sondern nahe zusammenfallen. Noch genauer k\u00f6nnte man den Thatbestand graphisch darstellen, wenn man f\u00fcr jede Strahlenart drei Kurven konstruirte den drei Fasergattungen entsprechend deren Abscissen die Intensit\u00e4t der Strahlenart repr\u00e4sentiren und deren\n1 Aubert, Physiologie der Netzhaut. 2. Abschn. 2. Cap.","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Farbenton abh\u00e4ngig von der St\u00e4rke des Reizee.\n201\nOrdinaten die durch die Strahlenart bei ihren verschiedenen Intensit\u00e4tsgraden in den einzelnen Fasergattungen hervorgebrachte Erregungsst\u00e4rke darstellen. In Fig. 54 ist eine solche Darstellung ver-\n\u00dflendeix de. Sl\u00fcrfie\nFig. 54.\nsucht. Das Kurvensystem RGB \u00fcber der ersten Abscissenaxe stellt die Erregbarkeit der Roth, Gr\u00fcn und Blau empfindenden Fasergattung dar als Funktion der St\u00e4rke einer Strahlung die in mittlerer St\u00e4rke den Eindruck Roth macht also etwa der Strahlung, welche der FuAUNHOFER\u2019schen Linie C entspricht. Das Kurvensystem \u00fcber der zweiten Abscissenaxe bezieht sich ebenso auf eine Strahlung die bei mittlerer St\u00e4rke den Eindruck Gr\u00fcn macht, die also etwa dem Theile des Spektrums zwischen E und F entspricht. Das dritte Kurvensystem gilt ebenso f\u00fcr Strahlen die bei mittlerer St\u00e4rke den","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nFick, Physiol. Optik IL 4. Cap. Die gemischten Farben.\nEindruck blau machen, etwa entsprechend der Linie G des Spektrums. Die 3 Ordinaten jedes Kuryensystems stehen in dem Intervalle, welches unten als mittlere St\u00e4rke bezeichnet ist, in demselben Verh\u00e4ltnisse untereinander wie die Ordinaten der Kurven R, Gf B in Fig. 52 f\u00fcr die dem Kurvensystem entsprechende Wellenl\u00e4nge. F\u00fcr sehr grosse und sehr kleine Intensit\u00e4t gleichen sich die Ordinaten-unterschiede aus.\nV. Einige Methoden der Farbenmischung.\nDie wichtigsten S\u00e4tze der Lehre von der Farbenempfindung namentlich die, welche sich auf die Eindr\u00fccke der gemischten Strahlungen beziehen, kann man sich durch eine Reihe anderer Methoden als der bisher beschriebenen zur Anschauung bringen. Eine erste Methode dieser Art ist von Helmholtz ersonnen und besteht darin, dass man einen V-f\u00f6rmigen Spalt durch Fernrohr und Prisma betrachtet. Die brechende Kante des Prisma muss dabei den Winkel zwischen den beiden Zweigen des Spaltes halbiren. Man sieht alsdann zwei schr\u00e4g gezogene Spektra in theilweiser Deckung und an den einzelnen Stellen des beiden Spektren gemeinsamen Feldes kommen alle Paare homogener Strahlen zum Zusammenwirken. Man sieht also alle Mischfarben aus zwei homogenen Strahlen zugleich nebeneinander ; gerade dadurch ist aber das Bild verwirrend und seine Zergliederung kann nicht wohl zu genauen Schl\u00fcssen f\u00fchren, so belehrend auch f\u00fcr eine erste Orientirung sein Anblick sein mag.\nWill man auf die Anwendung homogener Strahlen verzichten und bloss die auf Zusammenwirken schon gemischter Strahlungen bez\u00fcglichen S\u00e4tze demonstriren, so kann man verschiedene ohne grosse H\u00fclfsmittel ausf\u00fchrbare Methoden anwenden. Dass aber zu diesen nicht etwa die Vermengung von Pigmenten zu z\u00e4hlen ist, das muss vor Allem mit einigen Worten gezeigt werden. Die F\u00e4rbung einer Oberfl\u00e4che durch ein Pigment beruht bekanntlich darauf, dass von der h\u00f6chst gemischten (weiss aussehenden) Strahlung des diffusen Tageslichtes ein grosser Theil die Pigmentschicht durchsetzt von der Unterlage diffus zur\u00fcckgeworfen wird, die Schicht noch einmal durchsetzt und dann zum Auge gelangt. Bei diesem zweimaligen Durchg\u00e4nge durch die Pigmentschicht werden nun Strahlen von gewissen Brechbarkeitsstufen besonders absorbirt und der Rest wird also einen mehr oder weniger ges\u00e4ttigten Farbeneindruck machen. Mengt man noch ein zweites Pigment dem ersteren bei, so hat das Licht beide zu durchsetzen und es werden der Strahlung, welche bei der Absorption im ersten \u00fcbrig bleibt, noch weitere Antheile durch die Absorption im zweiten entzogen. Dies ist also nicht ein Weg, auf welchem man \u00fcber das Zusammenwirken verschiedener Strahlenarten etwas erfahren kann. Es erscheint auch ein Gemenge zweier Pigmente stets dunkler als jedes Einzelne. Dem Vertrauen auf die Ergebnisse der Pigmentmengung verdankt der fr\u00fcher weit verbreitete Irrthum seine Entstehung, dass Gelb aussehendes und Blau aussehendes Licht zusammenwirkend den Eindruck Gr\u00fcn machten. Es trifft sich n\u00e4mlich zuf\u00e4llig, dass","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Methoden der Farbenmischung.\n203\nsowohl die gelben als die blauen Pigmente meist sehr erhebliche Mengen griin aussehendes Lichtes durchlassen, dass also dieses gerade \u00fcbrig bleibt, wenn man Weiss aussehendes Licht gleichzeitig der Sichtung durch das gelbe und das blaue Pigment unterwirft.\nEine ebenso artige als einfache Methode um zwei Strahlungen auf der Netzhaut Zusammenwirken zu lassen, die von verschiedenen gef\u00e4rbten Oberfl\u00e4chen diffus zur\u00fcckgeworfen werden, ist von Helmholtz angegeben und besteht darin, dass man die eine farbige Fl\u00e4che schr\u00e4g durch eine Glasplatte betrachtet und die zweite farbige Fl\u00e4che so legt, dass ihr von der Y orderfl\u00e4che der Glasplatte gespiegeltes Bild die erste Fl\u00e4che deckt. Verschiedene Verh\u00e4ltnisse der Intensit\u00e4t beider Strahlungen kann man entweder durch verschieden helle Beleuchtung der beiden Fl\u00e4chen erzielen oder, indem man mehr oder weniger schr\u00e4g durch die Glasplatte hindurchschaut. Die Vergr\u00f6sserung des Winkels n\u00e4mlich zwischen der Blickrichtung mit der Normale zur Glasplatte verst\u00e4rkt die reflektirten und schw\u00e4cht die durchfallenden Strahlen.\nBei weitem die vorz\u00fcglichste Methode zur Mischung von Pigmentfarben ist aber die rotirende Scheibe mit verschieden farbigen Sektoren. Da sie allein im Stande ist, genaue' numerische Ergebnisse zu liefern. Sie gr\u00fcndet sich auf folgenden erst sp\u00e4ter zu beweisenden merkw\u00fcrdigen Satz der Physiologie der Netzhaut. Wenn eine Netzhautstelle in regelm\u00e4ssiger periodischer Aufeinanderfolge von verschiedenen Strahlungen getroffen wird und die Dauer der ganzen Periode unter einer gewissen Grenze (etwa 125 Sekunde) liegt, so kommt qualitativ und quantitativ die Empfindung zu Stande, welche auch zu Staude k\u00e4me, wenn die verschiedenen Strahlenarten andauernd zusammenwirkten und zwar jede mit einer Intensit\u00e4t, wrelche sich misst durch den Quotienten ihrer jedesma-maligen Dauer dividirt durch die Dauer der ganzen Periode.\nBewerkstelligt man also den periodischen Vorgang in der Art, dass man verschiedene Sektoren einer mehr als 25 mal in der Sekunde umlaufenden Scheibe mit verschiedenen Pigmenten bedeckt, so ist als Intensit\u00e4t einer Strahlung in Rechnung zu bringen der Centriwinkel des diese Strahlung aussendenden Sektors dividirt durch 360\u00b0. Nat\u00fcrlich ist dieser Quotient noch zu multipliciren mit einer Zahl, welche die speci-fische Helligkeit des Sektors im Verh\u00e4ltniss zu den Helligkeiten der anderen in derselben Versuchsreihe gebrauchten Sektoren ausdr\u00fcckt.\nUm auf der rotirenden Scheibe zwei verschiedene Gemische zu vergleichen steckt man auf dieselbe Axe eine gr\u00f6ssere und eine kleinere Scheibe jede aus verschiedenen Sektoren gebildet, dann sieht man auf der Randzone das eine, in der Mitte, soweit die kleinere Scheibe reicht, das andere Gemisch, und kann eine sehr genaue Vergleichung anstellen.\nUm die Winkel der Sektoren leicht beliebig ver\u00e4ndern zu k\u00f6nnen nimmt man von jeder Farbe eine ganze Scheibe aus d\u00fcnnem Pappdeckel, die aber l\u00e4ngs eines Radius aufgeschlitzt ist. Man kann dann zwei oder mehrere so ineinander stecken, dass sie im Ganzen zusammenfallen, aber von den verschiedenen Scheiben auf der Vorderseite Sektoren sichtbar werden, deren Verh\u00e4ltniss durch Verdrehen beliebig ver\u00e4ndert werden kann. Zur Vervollst\u00e4ndigung geh\u00f6ren noch weisse und schwarze Scheiben. Die letzteren dienen dazu den gesammten Lichteindruck der durch","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nFick, Physiol. Optik II. 4. Cap. Die gemischten Farben.\ndie ganze Periode hervorgebracht wird, zu schw\u00e4chen, sofern man annimmt \u2014 was freilich nur ann\u00e4hernd richtig ist \u2014 dass ein schwarzer Sektor gar keine Strahlung aussendet.\nHat man die verschiedenfarbigen Sektoren der gr\u00f6sseren Scheiben so vertheilt, dass die Mischung den Eindruck weiss giebt, und will dies mit dem Weiss vergleichen, welches die von einem Papierblatte ausgesandte Strahlung hervorbringt, so darf man die kleinere Scheibe nicht ganz weiss lassen, denn alle farbige Papiere senden bei gleicher Beleuchtung viel schw\u00e4chere Strahlungen im ganzen aus als weisses Papier und die weisse Mischfarbe der Randzone z. B. aus roth gr\u00fcn und blau wird viel schw\u00e4cher leuchtend erscheinen als das weisse Papier in der Mitte. Schw\u00e4cheres Weiss nennt man aber neben hellem weiss \u201egrau\u201c. Um das Weiss der kleineren Vergleichsscheibe auf dieselbe Stufe der Helligkeit abzud\u00e4mpfen wie das Mischweiss der Randzone, muss man daher, wenn sie aus weissem Papier besteht, einen mehr oder weniger grossen Sektor derselben mit schwarz zudecken. Sie zeigt dann beim Drehen auch ein \u201egrau\u201c, welches nach einigem Probiren mit verschiedenen Verh\u00e4ltnissen des schwarzen und weissen Sektors leicht dem Misch grau der Randzone v\u00f6llig gleich gemacht werden kann.\nDieser Umstand hat vielfach Bedenken gegen die Beweiskraft der Versuche mit der Drehscheibe veranlasst. Namentlich ist der Spott ber\u00fchmt geworden, welchen Goethe nicht m\u00fcde wurde an dem \u201eabscheulichen Grau\u201c auszulassen, welches die Physiker f\u00fcr weiss ausg\u00e4ben. Um solchen Missverst\u00e4ndnissen zu begegnen, kann man eine sehr artige Demonstration machen. Es kommt eben nur darauf an, die gedrehte Farbenscheibe mit einer weiss gebenden Mischung auf eine f\u00fcr den Zuschauer unsichtbare Weise zu beleuchten und daneben ein von ihm f\u00fcr weiss anerkanntes Papierblatt in schw\u00e4chere Beleuchtung zu bringen. Man kann dies sehr leicht auf folgende Weise veranstalten, so dass es einer beliebigen Zuschauerzahl zugleich sichtbar ist. Auf die wagrechte Axe wird nur eine Scheibe gesteckt mit zwei oder drei farbigen Sektoren, welche weiss geben. Nahe davor stellt man senkrecht also parallel mit der Farbenscheibe ein Blatt von weissem Pappdeckel mit einem Loch, durch welches ein Theil der Farbenscheibe zu sehen ist, jedoch darf weder die Axe noch der Rand sichtbar werden. Die Hinterseite des 'Pappdeckels bildet nun ein Spiegel, welcher auf die Farbenscheibe starkes z. B. Sonnenlicht reflektirt, w\u00e4hrend die Vorderseite des weissen Pappdeckels schw\u00e4cher beleuchtet ist. Wird jetzt die Scheibe gedreht, so kann man bei geeigneten Beleuchtungsverh\u00e4ltnissen das durch das Loch gesehene Mischweiss dem Weiss des Pappdeckels gleich oder auch noch viel heller erscheinen lassen. Diese Demonstration d\u00fcrfte sich namentlich f\u00fcr akademische und andere Vortr\u00e4ge empfehlen.\nAusf\u00fchrliche Anweisung zur Construktion der Farbenempfindungen in Form einer Tafel nach Art der Fig. 49 auf Grund von Versuchen mit der Drehscheibe findet man bei Helmholtz und Maxwell.","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Young\u2019s Theorie der Farbenmischung.\n205\nVI. Her in g\u2019 s Theorie der Farben emptin d\u00fcng.\nIn neuerer Zeit ist versucht worden die Y'ouNG\u2019sclie Theorie von der Mannigfaltigkeit der Farbenempfindungen durch eine andere 1 zu ersetzen. Wenn ich auch diesen Versuch durchaus nicht f\u00fcr gelungen halte, so kann er doch hier nicht ganz mit Stillschweigen \u00fcbergangen werden, da er eine zu namhafte Autorit\u00e4t auf dem Gebiete der physiologischen Optik n\u00e4mlich Hering zum Urheber hat und wie es scheint in weiten Kreisen Beifall findet. Eine Darstellung geschweige denn eine Widerlegung dieser Theorie bin ich nicht im Stande zu versuchen, da ich often bekennen muss, dass ich dieselbe nicht verstehe. Jede Theorie der Farbenempfindung muss n\u00e4mlich offenbar von gewissen Thatsachen der inneren Anschauung ausgehen, die von Jedem mit normalem Gesichtsinne begabten Menschen ohne Weiteres anerkannt werden. Schon dies trifft nun wenigstens f\u00fcr mich bei Hering\u2019s Theorie nicht zu. Er behauptet n\u00e4mlich die Ver\u00e4nderung des Empfindens von Weiss durch Grau zu Schwarz \u2014 wie es also beispielsweise stattfinden w\u00fcrde bei allm\u00e4hlicher Abminderung der Beleuchtung eines betrachteten weissen Papierblattes bis zu Null \u2014 sei eine qualitative Aenderung analog derjenigen, welche eintritt, wenn ich eine Fl\u00e4che an dem Auge vor\u00fcbergehen lasse, deren Theile mit verschiedenen allm\u00e4hlich in einander \u00fcbergehenden Farbent\u00f6nen gemalt ist.2 Ich kann dies nicht zugeben. Ich finde in meinem Bewusstsein nur eine quantitative Aenderung ein und derselben Empfindung, wenn ich die Beleuchtung eines weissen Papierblattes im Gesichtsfelde allm\u00e4hlich vermindere bis es zuletzt schwarz erscheint, oder auf sonst eine Art alle Sch\u00e4tzungen des Grau bis zum Schwarz aufeinanderfolgen- lasse. Ich finde diesen Vorgang durchaus demjenigen analog, wo ein bestimmter Klang mit abnehmender Intensit\u00e4t geh\u00f6rt wird bis er zuletzt in vollst\u00e4ndiger Stille verschwindet. Dass das Wort Schwarz die Abwesenheit jeder Lichtempfindung und nicht eine Empfindung von bestimmter Qualit\u00e4t und variabeler Intensit\u00e4t bezeichnet geht auch daraus hervor, dass man von jeder beliebigen Licht -empfindung z. B. einer rothen oder gr\u00fcnen genau ebenso durch stetiges Abmindern ihrer Intensit\u00e4t zu schwarz gelangen kann wie von einer weissen.\nGanz direkt und thats\u00e4cklich muss ich aber Hering widersprechen wenn er3 behauptet: \u201eGleichwohl ist es eine Thatsache der allt\u00e4glichen Erfahrung, welche ich jedoch nirgends besonders betont gefunden habe, dass die eigentlich schwarze Empfindung erst unter dem Einfl\u00fcsse des \u00e4usseren Lichtreizes zu Stande kommt\u201c. \u201eMan lege \u2014 f\u00e4hrt er zum Zwecke des Beweises fort \u2014 auf einen beliebigen Tisch ein St\u00fcck schwarzen Sammets und stelle sich so davor, dass es nicht gl\u00e4nzend erscheint, dann wird man ein ziemlich tiefes Schwarz sehen. Nun schliesse und verdecke man die Augen und vergleiche die Farbe des Gesichtsfeldes mit dem soeben gesehenen Schwarz: man wird zugeben m\u00fcssen, dass die allerdings\n1\tE. Hering, Zur Lehre vom Lichtsinne. 6 Mittheilungen. Sitzgsber. d. Wiener Acad. 1872. Juni 1873. Dec. 1874. M\u00e4rz. April. Mai.\n2\tIbidem 1874. M\u00e4rz. Seite 4 des Separatabdruckes.\n3\tIbidem 1874. M\u00e4rz. Seite 13 des Sonderabdruckes.","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nFick, Physiol. Optik IL 4. Cap. Die gemischten Farben.\nauch dunkle Farbe des Gesichtsfeldes dem Schwarz des Sammets nicht nahe kommt, m\u00f6ge man die Augen auch noch so lange geschlossen halten\u201c. Dies ist es eben, was ich durchaus bestreiten muss. Ich finde n\u00e4mlich unter den angegebenen Umst\u00e4nden, dass auf der Netzhautstelle, welche dem Bilde des schwarzen Sammets entspricht, bei Verdeckung der Augen genau derselbe Empfindungszustand n\u00e4mlich der fast v\u00f6llige Mangel jeder Lichtempfindung einfach fortbesteht. Mir scheint zugleich in dieser thats\u00e4chlich irrigen Behauptung der Schl\u00fcssel daf\u00fcr zu liegen, wie Hering zu der seltsamen Einreihung des Schwarz unter die positiven Farbenempfindungen verf\u00fchrt wurde. W\u00e4hrend er sich sehr entschieden verwahrt gegen den Fehler, den er anderen Darstellern der Farbenempfindungslehre \u2014 meines Erachtens mit Unrecht \u2014 vorwirft, sie vermengten die Farbenempfindung mit den physikalischen Vorg\u00e4ngen, durch die sie her-vorgerufen werden, verf\u00e4llt er in den Fehler, die Farbenempfindung zu vermengen mit der Vorstellung eines farbigen Objektes, welche an die Farbenempfindung vom Verst\u00e4nde angekn\u00fcpft wird. Nur so ist es zu verstehen, dass dem Schwarz die rein negative Bedeutung abgesprochen wird. In der That entsteht die positive Vorstellung von einem schwarzen Objekte nur dann, wenn neben empfindungsleeren Netzhautstellen andere mit Farbenempfindungen erf\u00fcllt sind, und nicht wenn die Augen geschlossen und verdeckt sind. Wenn man sich klar macht mit welcher Gewalt namentlich gerade auf dem Gebiete des Gesichtssinnes der seelische Mechanismus wirkt, welcher aus dem Empfindungsmaterial sofort die Vorstellungen \u00e4usserer Objekte aufbaut, so ist es begreiflich wie schwer dieser Fehler zu vermeiden ist.\nVII. Farbenbliiidheit.\nDie in den vorigen Paragraphen er\u00f6rterte Mannigfaltigkeit der Farbenempfindungen besteht nur, wenn es sich um Reizung von Netzhautelementen in der Polarzone handelt. Sowie das gereizte Element nur einige Millimeter von der Fovea centralis entfernt liegt, so ist es im Allgemeinen einer, solchen Mannigfaltigkeit.verschiedener Empfindungen nicht f\u00e4hig. Es sind nur noch zwei Farbent\u00f6ne n\u00e4mlich gelb und blau zu unterscheiden, und die Mannigfaltigkeit aller m\u00f6glichen Lichtempfindungen reducirt sich auf die Schattirun-gen des Gelb von mehr ges\u00e4ttigtem durch die bl\u00e4sseren bis weiss und von da durch blasse Schattirungen des Blau bis zu mehr ges\u00e4ttigtem Blau, und auf dem Gebiete dieser Mannigfaltigkeit ist, \u2014 was besonders betont werden muss \u2014 absolut kein stetiger Ueber-gang von einer gelben zu einer blauen Schattirung ausf\u00fchrbar, der nicht durch weiss hindurchginge. Die Mannigfaltigkeit ist also eine einfach unendliche und w\u00e4re graphisch darzustellen durch eine Linienstrecke ohne Ausdehnung in der zweiten Dimension.\nAlle Strahlungen seien sie homogen oder gemischt, die am Pol","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"Farbenblindheit.\n207\nden Eindruck des Roth, des Gelb oder des Gr\u00fcn hervorbringen, machen auf der in Rede stehenden Zone den Eindruck des Gelb und zwar um so blasser, je gr\u00fcner der Eindruck auf der Polarzone ist. Alle Strahlungen welche auf dieser den Eindruck des Blau und Violett hervorbringen, machen auf jener \u00e4usseren Zone den Eindruck des Blau und zwar ebenfalls um so blasser, je n\u00e4her der Eindruck auf der Polarzone dem Gr\u00fcn kommt. Strahlungen die auf der Polarzone den Eindruck Blaugr\u00fcn machen, sehen auf der \u00e4usseren weiss aus.\nNoch weiter seitw\u00e4rts gelegene Netzhautstellen bieten gar keine qualitativen Verschiedenheiten der Lichteindr\u00fccke dar. Jede Reizung derselben f\u00fchrt zur Empfindung weiss und es sind nur noch quantitative Unterschiede derselben m\u00f6glich.\nDie Grenzen dieser drei Netzhautzonen sind nicht ganz scharf, vielmehr schrumpft die zweifach unendliche Farbenmannigfaltigkeit der Polarzone allm\u00e4hlich aber ziemlich rasch zu der einfach unendlichen der mittleren und diese allm\u00e4hlich zur Unterschiedslosigkeit der Randzone zusammen. Sehr merkw\u00fcrdig ist noch die Thatsache, dass die Ausdehnung der Zonen von verschiedenem Farbenunterscheidungsverm\u00f6gen abh\u00e4ngig ist, von der Gr\u00f6sse des Netzhautbildes des farbigen Objektes. Die Farben werden n\u00e4mlich um so weiter seitw\u00e4rts noch vollst\u00e4ndig oder theilweise erkannt, je gr\u00f6sser das Netzhautbild des farbigen Objektes ist. Bei \u00fcberaus kleinem Netzhautbilde wird, wie schon oben (S. 199) erw\u00e4hnt wurde, selbst mit der Polarzone der Netzhaut keine Farbe mehr unterschieden. Wenn man diese Schwierigkeit einstweilen bei Seite l\u00e4sst, kann auch von dem mangelhaften Farbensinne der Seitentheile der Netzhaut die YouNG\u2019sche Theorie sehr leicht Rechenschaft geben.\nEs d\u00fcrfte zu diesem Zwecke am nat\u00fcrlichsten folgende Hypothese 1 zu machen sein. Die drei specifisch verschieden empfindenden Fasergattungen sind auf der ganzen Netzhaut gleichm\u00e4ssig vertheilt, aber ihre Endapparate \u00e4ndern ihre Reizbarkeit f\u00fcr verschiedene Strahlungen, wenn man von der Fovea centralis nach dem Rande geht, und zwar in dem Sinne, dass die Erregbarkeitsunterschiede\u00ab die eine Gattung von Endapparaten f\u00fcr verschiedenartige Strahlungen zeigt, sich mehr und mehr ausgleichen, und dass auch die Unterschiede der Erregbarkeit der drei Gattungen von Endapparaten f\u00fcr dieselbe Strahlenart immer kleiner werden. Diese letzteren Unterschiede, so m\u00fcssen wir insbesondere annebmen, sind f\u00fcr die End-\n1 Fick, Zur Theorie der Farbenblindheit. Arbeiten aus dem physiologischen Laboratorium der W\u00fcrzburger Hochschule. IV. Lieferung. S. 213. W\u00fcrzburg 1878. Sep.-Abdr. aus den Verhandlungen der phys.-med. Gesellschaft.","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\nFick, Physiol. Optik IL 4. Cap. Die gemischten Farben.\napparate der roth- und gr\u00fcnempfindenden Strahlen schon in der mittleren Zone vollst\u00e4ndig verschwunden.\nDie drei Erregbarkeitskurven f\u00fcr homogene Strahlen nach der Weise entworfen, wie sie in Fig. 55 f\u00fcr die Polarzone gezeichnet sind, w\u00fcrden demnach f\u00fcr die mittlere Zone etwa die Gestalt der drei Curven RGB Fig. 55 zeigen. Die Curven R und G fallen eigentlich genau zusammen und es ist nur der Deutlichkeit wegen eine\nFig. 55..\npunktirte Linie neben eine ausgezogene gezeichnet. F\u00fcr die Randzone fallen alle drei Curven in eine zur Abscissenaxe parallele Gerade zusammen. Es wird gut sein hier noch einmal ausdr\u00fccklich hervorzuheben, dass bei Construktion der Curven immer die verschiedenen Strahlungen auf solche Intensit\u00e4ten gebracht zu denken sind, dass der totale physiologische Eindruck gleiche Intensit\u00e4t hat. Die objektive Energie muss also bei den wenigst brechbaren und bei den st\u00e4rkst brechbaren Strahlungen sehr viel gr\u00f6sser gedacht werden, als bei den Strahlungen von mittlerer Brechbarkeit.\nEs ist bemerkenswerth, dass die Reizbarkeit durch Licht \u00fcberhaupt keineswegs auf den Seitentheilen der Netzhaut geringer ist als im gelben Fleck, wie man vielleicht nach den sonstigen Unvollkommenheiten der Seitentheile vermutlien k\u00f6nnte. Sie scheinen bez\u00fcglich der Reizbarkeit dem gelben Fleck eher \u00fcberlegen zu sein. Es ist dies schon fr\u00fcher \u00f6fter behauptet worden und k\u00fcrzlich durch exakte Versuche von Schadow1 \u00fcber allen Zweifel erhoben. Er fand, dass 30 0 seitw\u00e4rts von der Fixationsrichtung ein Objekt bei geringerer Lichtst\u00e4rke sichtbar ist als in derselben. Ein 60 0 seitw\u00e4rts davon gelegenes Objekt muss allerdings st\u00e4rker leuchten um wahrnehmbar zu sein als wenn es in der Fixationsrichtung liegt. Es w\u00e4re indessen denkbar, dass selbst auf dieser weit aussen gelegenen Zone die Reizbarkeit der Netzhaut noch ebenso gross oder gr\u00f6sser als im gelben Fleck ist und dass die Unsichtbarkeit gleich stark\n1 Schadow, Arch. f. d. ges. Physiol. XIX. S. 499.","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"Pathologische Farbenblindheit.\n209\nleuchtender Objekte die ihre Bilder dahin werfen nur daher r\u00fchrt, dass diese Bilder selbst schw\u00e4cher beleuchtet sind, weil die zu ihren Punkten gehenden Strahlenb\u00fcndel wegen des schr\u00e4gen Durchganges durch die Pupille weniger Oeffnung haben.\nBei einem namhaften Bruchtheil aller Menschen (wohl mehr als V20), ist auch die Polarzone der Netzhaut nicht im Besitze der oben als normal geschilderten Mannigfaltigkeit von Farbenempfindungen. Man nennt solche Individuen farbenblind. Die Mannigfaltigkeit ihrer Farbenempfindungen ist mehr oder weniger gross. Es ist wahrscheinlich, dass dieser Zustand einfach darin besteht, dass die Beschaffenheit der Netzhaut, welche beim normalen Auge erst auf einer gewissen mittleren Zone beginnt, beim farbenblinden Auge schon in der Fovea centralis stattfindet. Der Grad der Farbenblindheit w\u00fcrde dann um so h\u00f6her zu nennen sein, einer je weiter ausw\u00e4rts gelegenen Zone .der Netzhaut des normalen Auges die Fovea centralis des Farbenblinden in ihrer Beschaffenheit entspricht. Die totale Farbenblindheit w\u00fcrde darin bestehen, dass die ganze Netzhaut die Beschaffenheit der \u00e4ussersten Randzone des normalen Auges besitzt.\nEs scheint eine partielle abnorme Farbenblindheit zu geben, welche sich von der der mittleren Zone des normalen Auges der Art nach unterscheidet. Dies w\u00e4re wohl so zu erkl\u00e4ren, dass ein anderes Paar von Erregbarkeitskurven der drei Fasergattungen kongruent w\u00fcrde, als das Paar f\u00fcr die gr\u00fcn- und rothempfindenden Fasern, was dann zu einem andern System von Farbenempfindungen f\u00fchren w\u00fcrde. Da indessen dieser ganze Gegenstand mehr der Pathologie als der Physiologie des Auges angeh\u00f6rt, so kann hier nicht in das Detail der verwickelten und zum Theil noch nicht ganz aufgekl\u00e4rten Erscheinungen eingegangen werden.\nDie Anh\u00e4nger der YouNG\u2019schen Farbenempfindungstheorie haben fr\u00fcher die abnorme sowohl als die normale Farbenblindheit der \u00e4usseren Netz-hauttheile auf andere Weise zu erkl\u00e4ren versucht. Sie nahmen an, dass da wo sich das Farbensystem auf eine einfach unendliche Mannigfaltigkeit zur\u00fcckzieht eine Fasergattung z. B. die der rothempfindenden fehle. Ein Netzhauttheil aber, welcher bloss blau- und gr\u00fcnempfindende Fasern besitzt, w\u00e4re der Empfindung Weiss gar nicht f\u00e4hig. Wo es sich nun um ein fremdes pathologisch farbenblindes Auge handelt, kann nat\u00fcrlich die Frage nicht entschieden werden, ob dasselbe die Empfindung weiss hat, denn es w\u00fcrde sie nach dieser Auffassungsweise gar nicht kennen. Bei der Farbenblindheit der mittleren Zone des normalen Auges ist diese Ausflucht nicht m\u00f6glich, da es die Empfindung weiss von der Polarzone seiner Netzhaut her genau kennt. Noch schlagender wird aber diese Auffassung dadurch widerlegt, dass die Strahlungen, welche auf der Polarzone den Eindruck Gr\u00fcn machen, auf der mittleren Zone den des Gelb hervorbringen, w\u00e4hrend doch hier gerade die Erregung der Gr\u00fcn em-\nHandbuch der Physiologie. Bd. III.\tl\u00e4","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\nFick, Physiol. Optik IL 5. Cap. Die gemischten Farben.\npfindenden Fasern ganz ungest\u00f6rt durch die Erregung von Roth empfindenden hervortreten m\u00fcsste, die betreffende Strahlung m\u00fcsste also entschieden noch gr\u00fcner aussehen als auf Netzhautstellen die mit rothem-pfindenden Faserende\u00fc versehen sind.\nMan k\u00f6nnte allesfalls diese Einw\u00e4nde zu entkr\u00e4ften suchen mit der Behauptung, dass man nicht berechtigt w\u00e4re, den qualitativen Charakter der Farbenempfindungen auf weit entlegenen Netzhautstellen so ohne weiteres zu vergleichen. Ich will daher noch eine andere Betrachtung wenigstens andeuten, aus welcher wie mir scheint mit grosser Wahrscheinlichkeit hervorgeht, dass die Annahme des Fehlens einer oder zweier Fasergattungen die Reduktion der Fasermannigfaltigkeit auf den \u00e4usseren Zonen der Netzhaut niemals erkl\u00e4ren kann. Wie schon oben bemerkt, ist der Uebergang von der zweifach unendlichen Mannigfaltigkeit auf der Polarzone zur einfach unendlichen auf der mittleren ein allm\u00e4hlicher. Man m\u00fcsste also annehmen, dass die Erregbarkeit der rothempfindenden Fasern von Zone zu Zone abnimmt bis sie zuletzt Null wird resp. die rothempfindenden Fasern fehlen. Diese Abnahme der Erregbarkeit der rothempfindenden Fasern m\u00fcsste aber offenbar f\u00fcr die wenigst brechbaren Strahlenarten am raschesten geschehen, da sich der Farbeneindruck derselben am schnellsten \u00e4ndert wenn man von der Polarzone zu den Seiten-theilen der Netzhaut \u00fcbergeht. Wenn man sich f\u00fcr alle diese Zonen die drei Erregbarkeitskurven der drei Fasergattungen konstruirt, so w\u00fcrde es wahrscheinlich eine Zone geben, wo die Erregbarkeitskurve der rothempfindenden Fasern nahezu \u00e4hnlich unter der der gr\u00fcnempfindenden hinz\u00f6ge. F\u00fcr diese Zone w\u00fcrde sich dann aber die Farbenfl\u00e4che redu-ciren auf eine Strecke eines Striches der von B Fig. 49 nach einem Punkte zu ziehen w\u00e4re, weicher die Seite RG im Verh\u00e4ltnis der Ordina-ten der Erregbarkeitskurven R und G theilte, wo also die Mannigfaltigkeit der Farben eine einfach unendliche w\u00e4re \u00e4hnlich der oben (S. 207) beschriebenen. Dann aber bei weiterer Abnahme der Erregbarkeit in den rothempfindenden Fasern w\u00fcrde wieder eine doppelt unendliche Mannigfaltigkeit von Farbenempfindungen auftreten entsprechend einem Fl\u00e4chenst\u00fcck gelegen in dem Dreieck oberhalb des vorerw\u00e4hnten Striches. Dies w\u00fcrde der Fall sein auf solchen Zonen der Netzhaut, wo die Erregbarbeit der rothempfindenden Fasern zwar noch kleiner geworden w\u00e4re, aber die Ordinaten der Kurve nicht mehr proportional den Ordinaten der f\u00fcr die gr\u00fcnempfindenden Fasern geltenden Kurve. Zuletzt w\u00fcrde sich nat\u00fcrlich die ganze Farbenfl\u00e4che auf die Linie BG der Figur zur\u00fcckziehen. Es m\u00fcsste also zwischen zwei Netzhautzonen mit einfach unendlicher Farbenmannigfaltigkeit eine solche mit zweifach unendlicher eingeschlossen liegen, wovon durchaus nichts wahrzunehmen ist.\nDie mangelhafte F\u00e4higkeit der seitlichen Netzhauttheile Farben zu unterscheiden ist in neuerer Zeit von zahlreichen Forschern 1 zum Gegenst\u00e4nde der Untersuchung gemacht wordrn, deren Ergebnisse zum Theil der vorstehenden Darstellung eingef\u00fcgt sind.\n1 Schelske, Arch. f. Ophthalmologie IX. S. 3 ; Sch\u00f6n, Die Lehre vom Gesichtsfelde und seinen Anomalieen. Berlin 1874; Klug, Ueber Farbenempfindung bei indirektem Sehen. Arch. f. Ophthalmologie XXL S. 1 ; Holmgren, De la c\u00e9cit\u00e9 des couleurs etc. Stockholm.","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"Zeitlicher Verlauf der Netzhauterregung.\n211\nF\u00dcNFTES CAPITEL.\nZeitlicher Verlauf der Netzhauterregung.\nI. An- und Abklingen der Erregung. Reizung durch weisses Licht.\nDa die Tr\u00e4gheit eine allgemeine Eigenschaft der Materie ist, so wird bei jeder Nervenreizung eine gewisse Zeit verstreichen von dem Augenblicke, wo der Reiz einzuwirken anf\u00e4ngt, bis zu dem, wo die Nervenmolek\u00fcle die Bewegungsgr\u00f6sse erlangt haben, welche als merklicher Erregungsgrad bezeichnet werden kann. Ebensowenig k\u00f6nnen die Nervenmolek\u00fcle einmal in Bewegung gesetzt, momentan wieder zur 'Ruhe kommen, wenn der Reiz auf h\u00f6rt. Jede Erregung muss eine gewisse, wenn auch noch so kurze, Zeit den Reiz \u00fcberdauern. Diese theoretisch vorauszusetzenden Thatsachen sind indessen keineswegs bei allen Arten der Nervenreizung experimentell erwiesen. So z. B. hat man bei der elektrischen Reizung motorischer Nerven bis jetzt kein \u201eStadium der latenten Reizung\u201c nachweisen k\u00f6nnen, w\u00e4hrend es bei der elektrischen Muskelreizung Vioo Sekunde betr\u00e4gt. Dies r\u00fchrt offenbar daher, dass die einer merklichen Nervenerregung entsprechende Bewegungsenergie ausserordentlich gering ist, so dass nur eine f\u00fcr unsere Beobachtungsmittel verschwindend kleine Zeit dazu geh\u00f6rt, sie den Nervenmolek\u00fclen durch den verh\u00e4lt-nissm\u00e4ssig starken elektrischen Anstoss mitzutheilen. Dass andererseits eine Nachdauer der Erregung im motorischen Nerven nicht erweisbar ist, hat darin seinen Grund, dass das Reagens auf die Erregung n\u00e4mlich die Muskelzuckung schon in ihrer einfachsten Gestalt eine ziemlich lange Zeit dauert, in welcher eine etwaige Nachdauer der Erregung des Nerven verschwinden w\u00fcrde. Benutzt man als Reagens auf den Erregungszustand die elektrische Stromschwankung, so k\u00f6nnte man allesfalls von einem Nachweis einer solchen Nachdauer sprechen, so fern in der That auf einen momentanen Reiz an jedem Punkte des Nerven ein Bewegungsvorgang statt hat, der eine merkliche Zeit dauert.\nDie Tr\u00e4gheit der Sinnesnervenenden erscheint sehr verschieden. Die Tastnervenenden stehen in der Promptheit, womit sie auf ihren ad\u00e4quaten Reiz den Druck reagiren und nacb Aufh\u00f6ren desselben in den Ruhezustand zur\u00fcckkehren oben an, denn es k\u00f6nnen gegen 1000 Einzelreize in einer Sekunde zwar nicht gez\u00e4hlt aber unter-\n14*","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212 Fick, Physiol. Optik IL 5. Cap. Zeitlicher Verlauf der Netzhauterregung.\nschieden werden. Auch die Geh\u00f6rnervenenden verm\u00f6gen vielleicht an 100 mal in einer Sekunde zwischen dem Zustande der Erregung und Ruhe zu wechseln, wie man hei der Wahrnehmung schwirrender Ger\u00e4usche bemerken kann. Hinter den genannten Sinnen steht in dieser Beziehung der Gesichtssinn bedeutend zur\u00fcck. Die ver-h\u00e4ltnissm\u00e4ssig tr\u00e4ge Reaktion des Gesichtssinnes hat offenbar weniger ihren Sitz in den eigentlich nerv\u00f6sen Gebilden, als vielmehr in jenen Anhangsgebilden, wo, wie weiter oben gezeigt wurde, durch \u00e4usserst geringf\u00fcgige Anst\u00f6sse ein chemischer Process anhebt, der selbst\u00e4ndig weiter geht und also erst allm\u00e4hlich zu voller St\u00e4rke entbrennt, dann aber auch nicht sofort erlischt, wenn die ausl\u00f6sende Ursache zu wirken aufgeh\u00f6rt hat. Die letztere Thatsache des allm\u00e4hlichen \u201eAbklingens\u201c der Lichtempfindung nach Auf h\u00f6ren des Reizes, das oft viele Sekunden dauert, ist schon von Alters her bekannt und vielfach genau beschrieben. Schliesst und verdeckt man n\u00e4mlich die Augen, mit denen man irgend welches helle Objekt betrachtet hatte, pl\u00f6tzlich, so dauert die Erregung in den gereizt gewesenen Netzhautelementen noch an und man hat daselbst Lichtempfindungen, deren nach aussen projicirte scheinbare Ursache das \u201epositive Nachbild\u201c des hellen Objektes genannt wird. Merkw\u00fcrdigerweise ist dagegen die Tr\u00e4gheit der Netzhaut beim Entstehen der Erregung in der ersten Zeit nach dem Beginne des Reizes ganz unbeachtet geblieben. Soviel ich wenigstens sehe, bin ich selbst der erste gewesen, welcher die Aufmerksamkeit auf diese Erscheinung gelenkt hat.1 Ich habe daf\u00fcr die Bezeichnung \u201eAnklingen\u201c der Erregung vorgeschlagen, die wie es scheint, auch von Anderen passend gefunden wird und daher hier gebraucht werden mag.\nDie Thatsache des allm\u00e4hlichen Anklingens der Netzhauterregung und das Gesetz seines zeitlichen Verlaufes habe ich einfach deducirt aus der l\u00e4ngst bekannten Erscheinung der rotirenden Scheibe mit weissen und schwarzen Sektoren. Das Gesetz f\u00fcr das Aussehen einer solchen ist in gr\u00f6sster Allgemeinheit schon weiter oben vorgreifend ausgesprochen. Es ist unter dem Namen des TALBOT\u2019schen Satzes bekannt und mag hier noch einmal mit besonderer R\u00fccksicht auf den vorliegenden Zweck in etwas speciellerer Fassung ausgesprochen werden: Wenn eine Netzhaustelle in regelm\u00e4ssig periodischem Wechsel w\u00e4hrend einer gewissen Zeit a durch Strahlen von gewisser Intensit\u00e4t (die den Eindruck weiss machen m\u00f6gen) getroffen wird und w\u00e4hrend einer gewissen Zeit b vollst\u00e4ndig unbestrahlt bleibt und\n1 A. Fick, Ueber den zeitlichen Verlauf der Erregung in der Netzhaut. Arch, f. Anat. u. Physiol. 1863.","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"Talbot\u2019s Satz.\n213\nwenn die Dauer a -f- b der ganzen Periode weniger als etwa 0,04 Sekunden betr\u00e4gt, so ist die Empfindung eine v\u00f6llig stetige und von einer St\u00e4rke, wie sie einer andauernden Reizung des Retinast\u00fcckes\ndurch eine Strahlung von der Intensit\u00e4t ^ j- entspricht. Ausdr\u00fccklich hervorzuheben ist noch die schon implicite im vorstehenden Satze enthaltene Behauptung, dass die Intensit\u00e4t der gleichm\u00e4ssig erscheinenden Empfindung vollst\u00e4ndig unabh\u00e4ngig ist von dem absoluten Werthe der Periodendauer, wofern diese nur eben kurz genug ist, um eine konstante Empfindung zu geben. Eine solche periodische Bestrahlung einer Netzhautstelle kann man am leichtesten verwirklichen durch eine kreisf\u00f6rmige Scheibe, die in zwei oder 2n Sektoren getheilt ist, von denen die einen weiss die anderen schwarz sind und die man um eine zu ihrer Ebene im Mittelpunkt senkrecht -stehende Axe so rasch dreht, dass der Vor\u00fcbergang eines weissen und des nachfolgenden schwarzen Sektors zusammen nur etwa V25 Sekunde dauert. Die Bedingung, dass die Netzhautstellen in periodischer Wiederholung eine Zeit lang unbestrahlt bleiben, ist allerdings nur ann\u00e4herungsweise erf\u00fcllt, da eine noch so sorgf\u00e4ltig geschw\u00e4rzte Papier- oder Sammetoberfl\u00e4che immer noch Strahlen aussendet, indessen lassen sich doch an solchen gedrehten Scheiben die vorstehenden S\u00e4tze mit ausreichender Genauigkeit anschaulich machen. Vor Allem kann der Satz dass die Intensit\u00e4t des Lichteindruckes von der absoluten Dauer der Periode ganz unabh\u00e4ngig ist sehr sch\u00f6n demonstrirt werden, wenn man die gedrehte Scheibe so bemalt wie es in Fig. 56 angegeben ist.1 Dreht man sie z. B. 25 mal in der Sekunde um, so dauert die Periode in welcher Bestrahlung und Beschattung wechseln f\u00fcr die innerste Zone gerade fV', f\u00fcr die mittlere Zone Vso\", f\u00fcr die Randzone 1100\", in allen drei Zonen aber dauert die Bestrahlung gerade die H\u00e4lfte der Periode und dem entspricht die genau gleiche scheinbare Helligkeit der drei Zonen. Um den Satz \u00fcber die Gr\u00f6sse der Helligkeit genau numerisch zu best\u00e4tigen, bedarf es allerdings einer kleinen Modifikation der gedachten Scheibe, es m\u00fcssen n\u00e4mlich statt der schwarzen Sek-\n1 Siehe Helmholtz, Physiol. Optik S. 339.","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214 Fick, Physiol. Optik II. 5. Cap. Zeitlicher Verlauf der Netzhauterregung.\n7*\\\ntoren Ausschnitte gemacht werden, durch welche man auf einen durch Beschattung absolut lichtlos gemachten Hintergrund sieht.\nWir wollen nun den Vorgang in einem Netzhautpunkte analy-siren, welcher statthat, wenn er in stetiger Aufeinanderfolge und Wiederholung die Bilder der Punkte eines Kreises der Sektorenscheibe aufnimmt.1 Wir tragen zu dem Ende in der Abscissenaxe Od Fig. 57 die Zeiten auf und errichten Ordinaten, welche die Intensit\u00e4t der Empfindung in dem durch den Fusspunkt dargestellten Augenblicke messen. W\u00e4re der empfindende Apparat der Netzhaut ohne alle Tr\u00e4gheit, so w\u00fcrde sich die Kurve der Empfindungsintensit\u00e4ten ausnehmen wie die geknickte Linie Omnabopcd u. s. w., wofern man durch die Strecke Om die Intensit\u00e4t der Lichtintensit\u00e4t misst, welche bei dauernder Einwirkung der vom weissen Sektor ausgesandten Strahlung stattfindet und wofern durch die Abscissenl\u00e4nge Oa die Dauer des Vor\u00fcberganges eines weissen, durch ab die Dauer\ndes Vor\u00fcberganges eines schwarzen Sektors dargestellt wird. Es w\u00fcrde die Empfindung zwischen den Werthen Om und Null fortw\u00e4hrend pl\u00f6tzlich schwanken. Sowie nun aber die Scheibe einigermaassen schnell gedreht wird, also die durch Ob dargestellte Zeit einigermaassen kurz ist, so bemerkt man, dass der Uebergang der Empfindungsintensit\u00e4t von ihrem Maximum zu ihrem Minimum und umgekehrt nicht ganz pl\u00f6tzlich stattfindet, was sich dadurch zu erkennen giebt, dass die Grenzen zwischen den vor\u00fcbergehenden weissen und schwarzen Sektoren, sowohl auf der vorangehenden als auf der nachfolgenden Seite nicht vollkommen scharf, sondern verwaschen sind. Dies zeigt dass die Erregungskurve des einzelnen Netzhautelementes die Gestalt der punktirt gezeichneten Wellenkurven besitzt, womit schon die Thatsache des Anklingens und Abklingens der Lichtempfindung beim Eintreten und Aufh\u00f6ren des Reizes erwiesen ist.\nWird nun die Periode noch k\u00fcrzer (wird die Scheibe schneller gedreht, so bemerkt man leicht, dass der volle Werth der Lichtempfindung (= Om) und der Werth Null gar nicht mehr zu Stande kommen, sondern nur ein Auf- und Ab wogen der Empfindung zwi-\nFig. 57.\n1 Siehe A. Fick. a. a. 0.","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"Flimmern bei periodischer Netzhautreizung.\n215\nsehen engeren Grenzen stattfindet. Dies ist auch auf Grund der schon gewonnenen Thatsache vorauszusehen, denn wenn der helle Sektor schon vor\u00fcber ist, ehe der volle Werth Om erreicht ist, so kommt er \u00fcberhaupt gar nicht zu Stande, sondern die Empfindungsst\u00e4rke sinkt herab von einem geringen Werthe und wenn alsdann der schwarze Sektor vor\u00fcber ist, ehe die Empfindung auf Null gesunken ist, so kommt auch dieser Werth nicht mehr zu Stande, sondern die Empfindung steigt in Folge der neuen Bestrahlung von einem endlichen Minimalwerthe wieder an. Offenbar wird alsdann die Empfindung durch den zweiten weissen Sektor h\u00f6her hinauf getrieben werden als durch den ersten, weil sie eben mit einem h\u00f6heren Anfangswerthe begonnen hat. Ebenso wird sie der zweite schwarze Sektor nicht so tief herabdr\u00fccken, als der erste schwarze, weil der Abfall mit einem h\u00f6heren Werthe begann. So werden die Maxima und Minima sich von Periode zu Periode erh\u00f6hen, bis ein station\u00e4rer Zustand erreicht ist (und dies geschieht sehr bald) bei dem die Empfindung durch den nachfolgenden schwarzen Sektor um ebensoviel gemindert wird, als sie durch den vorhergehenden weissen Sektor vermehrt war. Der Vorgang wird sich also darstellen durch eine Curve wie die in Fig. 58 stark ausgezogene Zickzacklinie. Jede ganze Periode besteht aus einem kleineren und einem gr\u00f6sseren Zwischenr\u00e4ume zwischen je zwei Ordinaten, der erstere ist die Vor\u00fcbergangszeit eines weissen, der letztere die eines schwarzen Sektors oder jener die Zeit des Reizes, dieser die Zeit der Reizlosigkeit. Das grau flimmernde Aussehen der m\u00e4ssig rasch gedrehten Scheibe entspricht ganz dieser Kurve.\nSelbstverst\u00e4ndlich werden die Unterschiede zwischen den Maxi-mis und Minimis des station\u00e4ren Zustandes um so kleiner, je kleiner die Periode und ihre beiden Abschnitte werden, und es muss also bei einer gewissen Kleinheit der Periode dahin kommen, dass die Unterschiede unmerklich werden, d. h. dass die rotirende Scheibe gleichm\u00e4ssig grau aussieht und zwar tritt, wie schon bemerkt wurde dieses Unmerklich werden der periodischen Helligkeits\u00e4nderung f\u00fcr m\u00e4ssige Tageshelle bei einer Dauer der Periode von etwa V25 Sekunde ein.\nDass dies gleichm\u00e4ssige Grau nach \u00fcbereinstimmenden Versuchen verschiedener Forscher ziemlich genau den rcten Theil der Helligkeit des weissen Sektors f\u00fcr sich zeigt, wenn sein Vor\u00fcber-","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216 Fick, Physiol. Optik II. 5. Cap. Zeitlicher Verlauf der Netzhauterregung.\ngang den ft ten Theil der ganzen Periode bildet, offenbart eine sehr bemerkenswerthe Beziehung zwischen den beiden Functionen der Zeit, von welchen die eine das Anwachsen der Empfindung nach Beginn des Reizes und die andere das Abnehmen der Empfindung nach Auf h\u00f6ren des Reizes darstellt. Es muss n\u00e4mlich f\u00fcr jeden bestimmten Werth der ansteigenden und abnehmenden Empfindung der 1 ft von der vollen Empfindungsst\u00e4rke f\u00fcr dauernde Reizung betr\u00e4gt, die Steilheit der Kurve des Abklingens zur Steilheit der Kurve des\nAnklingens sich verhalten wie v\\n : 1--\u2014. Es muss also insbeson-\nn\ndere z. B. auf der halben H\u00f6he der vollen Empfindungsst\u00e4rke die Steilheit des Anklingens und Abklingens gleich gross sein. F\u00fcr gr\u00f6ssere Werthe der Empfindungsst\u00e4rke muss die Steilheit des Abklingens gr\u00f6sser sein und f\u00fcr kleinere Werthe die Steilheit des Anklingens.\nDie allgemeine Form der Kurve des Abklingens einer Lichtempfindung ist leicht anzugeben. Wenn man n\u00e4mlich nach kurzdauernder nicht erm\u00fcdender Betrachtung eines weissen Objektes'das Auge schliesst und verdeckt, so sieht man im dunklen Gesichtsfelde ein sogenanntes \u201epositives\u201c Nachbild des weissen Objektes das anfangs sehr schnell und dann immer langsamer an Helligkeit abnimmt. Die Kurve des Abklingens der Lichtempfindung muss also jedesfalls der Abscissenaxe die Konvexit\u00e4t zuwenden und etwa so aussehen wiefgh in Fig. 59, wo in der Abscissenaxe die Zeiten\ngemessen werden und als Ordinaten die jeweilige Erregungsgr\u00f6sse aufgetragen ist. In dem durch c dargestellten Augenblicke h\u00f6rt der Reiz auf zu wirken, welcher bis dahin die Erregung auf der durch die Ordinate be = cf gemessenen H\u00f6he erhalten hatte. Es sinkt dann in der folgenden Zeit c cl die Erregungsst\u00e4rke nahezu auf Null herunter, anfangs rapide und dann immer langsamer, wie es dem Verlaufe der Kurve fg h entspricht. Konstruirt man nach dieser allerdings willk\u00fcrlichen Kurve gem\u00e4ss der aus dem TALBoFschen Satze gezogenen Folgerung die Kurve des Anklingens, so zeigt sich dieselbe als eine ann\u00e4hernd gerade Linie. Wenn also eine Strahlung, welche bei dauernder Einwirkung die Erregungsst\u00e4rke be hervorbringt im Augenblicke a anfinge und im Augenblicke c aufh\u00f6rte zu wirken, so w\u00fcrde sich der zeitliche Verlauf der Erregung etwa nach Maassgabe der","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"Mathematische Folgerungen aus Talbot\u2019s Satz.\n217\nKurve aefyh gestalten, d. h. sie w\u00fcrde w\u00e4hrend der ersten kurzen Zeit ab von Null bis he ansteigen, w\u00e4hrend der Zeit bc (von der Erm\u00fcdung abgesehen, ann\u00e4hernd) konstant bleiben und dann, wie vorhin schon beschrieben wurde, absinken.\nEinfacher und sch\u00e4rfer lassen sich diese Entwickelungen in der Kunstsprache der mathematischen Analysis aussprechen.\nSetzen wir eine bestimmte Reizst\u00e4rke voraus, dann kann die Erre-gungsst\u00e4rke x einmal als Funktion der Zeit t von dem Augenblick an wo der Reiz anhebt dargestellt werden und zweitens als Funktion der Zeit von dem Augenblick an, wo der Reiz aufh\u00f6rt, die erstere Funktion sei x=F{t) die zweite sei x=f{t). Wir bilden nun die Differentialquotienten\ndF{t)\nund\ndm.\ndt\tdt\nwelche gleichfalls zwei Funktionen von t sein werden. Denkt man jetzt die beiden Gleichungen x = F(t) und x \u2014 f{t) gel\u00f6st nach t und den\ndF(t)\nersten Werth von t in die Funktion\ndt\nden zweiten in die Funktion\n\u2014 substituirt dann hat man zwei Funktionen von x die mit cp (x) dt\t'\nund x ix) bezeichnet werden m\u00f6gen.\nDer Werth von q (x) f\u00fcr einen bestimmten Werth von x stellt dann die Steilheit dar, mit welcher w\u00e4hrend der Wirkung des Reizes beim Anklingen die Erregung von dem bestimmten erreichten Werthe x aus weiter w\u00e4chst; und der Werth von / (x) f\u00fcr einen bestimmten Werth bedeutet die Steilheit mit welcher w\u00e4hrend einer Pause des Reizes die Erregung von dem erlangten bestimmten Werthe x weiter sinkt. Nun sei t der\n171\nsehr kleine Werth der Periode und w\u00e4hrend der Zeit -----------------t dauert\ntn -{-n\ndie Bestrahlung w\u00e4hrend der Zeit\nt die Nichtbestrahlung. Zeit\nm-\\-n\nder Bestrahlung und Pause verhalten sich also wie m : n. Dann ist die Bedingung daf\u00fcr, dass beim Erregungswerthe x der Erregungszustand station\u00e4r bleibt die Gleichung\nx -j--------t . cp (x)-1-7\u2014 t . / (x) = x oder\nm n\tm-\\-n\tJ\nm q (x) + n / (x) = o\ndenn nur wenn diese Gleichung erf\u00fcllt ist, nimmt der Erregungswerth x\nw\u00e4hrend der Bestrahlungszeit \u2014\u2014\u2014 t um dieselbe unmerkbar kleine\nmA-n\nGr\u00f6sse zu, um welche er in der nachfolgenden Zeit ------------t derNicht-\n\u00ce71 \u2014(\u2014 71\nbestrahlung wieder abnimmt. Diese Gleichung l\u00e4sst erstens sehen, dass die Funktionen q- (x) und y (\u00e6) nothwendig entgegengesetzte Vorzeichen haben m\u00fcssen, was sich \u00fcbrigens ohnehin von selbst versteht. Andererseits l\u00e4sst sie erkennen, dass der Werth von x, bei welchem nach dieser Gleichung der station\u00e4re Zustand eintritt, unabh\u00e4ngig ist von der Perioden-","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218 Fick, Physiol. Optik II. 5. Cap. Zeitlicher Verlauf der Netzhauterregung.\nm\ndauer z und nur abh\u00e4ngt vom Verh\u00e4ltniss \u2014 wie auch immer die Funk-\ntionen cp (x) und / (x) beschaffen sind.\nUm unsere Gleichung mit dem TALBoFschen Satze in Beziehung zu setzen, bemerken wir, dass derselbe aussagt : der Werth von x, f\u00fcr welchen der station\u00e4re Zustand eintritt, ist derselbe Bruchtheil der vollen Erregungsst\u00e4rke bei dauernder Einwirkung der Strahlung wie der Zeitraum\n\u2014\u2014\u2014 x von der ganzen Periode. Wir k\u00f6nnen indessen unbeschadet der\n771 -j- TI\nAllgemeinheit den vollen Betrag der Erregungsst\u00e4rke = 1 setzen und haben dann\t_ m Q^er = x\nm-\\-n n\tl \u2014 x\nDurch Einsetzen dieses Werthes geht die obige Gleichung \u00fcber in x (f (x) + (1 \u2014 x) x (x) = 0\ndurch welche jene oben schon ausgesprochene merkw\u00fcrdige Beziehung zwischen den Funktionen des An- und Abklingens der Erregung festgestellt ist. Nehmen wir an die Funktion des Anklingens w\u00e4re wirklich, wie wahrscheinlich gemacht wurde, einfach F(t) = ct, dann w\u00e4re cp(x) = c (Constant) und die Gleichung lautete dann\nda aber\nc x -f- (1 \u2014 x) x(x) = 0 oder /(x) == \u2014 c\ndf{t)\nx\n1 -----X\nZ(x) =\ndt\nso h\u00e4tte man\nd m\ndt\n\nx\n1 \u2014 x 1 / 1\nC \\x\nDas Integral dieser Gleichung ist 1\noder\ndx\n~dt\n\n1 \u2014 x\noder endlich\n\u2014 \u2014--------1 dx = dt\n\u2014 y x \u2014 log x j = t + Const\nDie Constante bestimmt sich durch die Bedingung, dass zu Anfang der Zeit die volle Erregung 1 statthat, also f\u00fcr t = 0 x \u2014 1 sein soll\nConst = \u2014\nc\nDaher hat man schliesslich\nt \u2014 \u2014 (x \u2014 log x \u2014 1\nworin die Definition der Funktion des Abklingens unter der Voraussetzung eines linearen Anklingens gegeben ist, freilich ist die Gleichung nicht nach x l\u00f6sbar, so dass man x \u2014 f{t) nicht algebraisch herstellen kann. Man k\u00f6nnte aber eine beliebig grosse Zahl von zusammengeh\u00f6rigen Wer-then von x und t numerisch berechnen.\nNachdem in der dargestellten Weise die Thatsache des Anklingens der Lichtempfindung aus der l\u00e4ngst bekannten Erscheinung der gedrehten Sektorenscheibe deducirt war, habe ich dieselbe auch","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"Exner\u2019s Versuche \u00fcber das Anklingen.\n219\ndirekt gezeigt durch Versuche nach folgendem Plane: ein weisses Objekt wurde w\u00e4hrend einer sehr kurzen Zeit dem Auge dargeboten und hierauf sogleich graue Fl\u00e4chen von verschiedener Helligkeit. Dann war zu beurtheilen welchem dieser letzteren das nur kurze Zeit betrachtete weisse an Helligkeit scheinbar gleich war. Es zeigte sich nun schon bei diesen mit sehr unvollkommenen Hilfsmitteln an-gestellten Versuchen, was nach der Deduktion zu erwarten war. Je k\u00fcrzer die Zeit war w\u00e4hrend deren das weisse Objekt wirkte, desto dunkler war das Grau, welchem es gleich erschien.\nSp\u00e4ter hat S. Exner 1 den experimentellen Beweis f\u00fcr die That-sache des Anklingens der Lichtempfindung auf dem von mir mit h\u00f6chst unvollkommenen Hilfsmitteln betretenen Wege noch einmal gef\u00fchrt, mit H\u00fclfe eines sehr sinnreichen von Helmholtz erfundenen Apparates, der es gestattet zwei weisse Objekte nebeneinander w\u00e4hrend sehr kurzer Zeiten erscheinen zu lassen und zwar so, dass die objektiven Helligkeiten sowohl als die kleinen Zeiten, w\u00e4hrend welcher die beiden Objekte sichtbar sind, in jedes beliebige numerisch an-gebbare Verh\u00e4ltniss zu einander gesetzt werden k\u00f6nnen. Es zeigt sich dabei, dass ein an sich weniger helles Objekt durch l\u00e4ngere Dauer seiner Wirkung eine ebenso intensive Lichtempfindung her-vorrufen kann, wie ein helleres Objekt bei k\u00fcrzerer Dauer. Der Apparat gestattet quantitative Resultate zu gewinnen, insbesondere l\u00e4sst sich die Zeit bestimmen, innerhalb deren eine Lichtempfindung zu ihrer vollen Intensit\u00e4t anw\u00e4chst. Diese Zeit ist wie zu erwarten war um so kleiner, je gr\u00f6sser die Intensit\u00e4t des Reizes oder die Helligkeit des Objektes an sich ist, und zwar nimmt sie sehr ann\u00e4hernd in arithmetischer Progression ab, wenn man die Helligkeit in geometrischer Progression wachsen l\u00e4sst. Selbstverst\u00e4ndlich kann dieser Satz nur bis zu einem gewissen sehr m\u00e4ssigen Grade der Helligkeit Geltung haben, da ja sonst bei sehr hohen Graden der Helligkeit ein negativer Werth der Zeit sich ergeben w\u00fcrde, was unm\u00f6glich ist. Nachstehende Tabelle giebt die numerischen Data f\u00fcr zwei Versuchsreihen von Exner.\nEin Liehtreiz vom Intensit\u00e4tsgrade\tbringt die volle St\u00e4rke der Empfindung hervor in\tDifferenzen der Zeit.\n1\t0,2873\"\t\n2\t0,2460\t0,0413\n4\t0,2000 \u2022\t0,0466\n8\t0,1508\t0,0492\n1 S. Exner, Ueber die zu einer Cresichtswahrnehmimg n\u00f6thige Zeit. Sitzgsber. d. Wiener Acad. 1868. October.","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220 Fick, Physiol. Optik II. 5. Cap. Zeitlicher Verlauf der Netzhauterregung.\nEin Lichtreiz vom Intensit\u00e4tsgrade\t| bringt die volle St\u00e4rke der Empfindung hervor in\tDifferenzen der Zeit.\n1 1\t0,2654\t0,0478\n2\t0,2176\t0,0432\n4\t0,1744\t0,0556\n8\t0,1188\t\nUnter Anwendung gewisser durchaus zul\u00e4ssiger H\u00fclfsannahmen l\u00e4sst sich nach der in Rede stehenden Methode f\u00fcr einen bestimmten Helligkeitswerth die Abh\u00e4ngigkeit der jeweiligen Intensit\u00e4t der im Entstehen begriffenen Lichtempfindung von der Zeit, die seit Beginn des Reizes verstrichen ist, ziemlich genau bestimmen. Als Beispiel einer solchen Bestimmung giebt Exner folgende Tabelle:\nDie Lichtempfindung erreicht von ihrer voUen St\u00e4rke\tnach einer Einwirkung j des Reizes von\t|\nV'io\t0,008\"\n2/io\t0,023\n3/io\t0.037\n4/io\t0,040\n5,10\t0,049\n6/lO\t0,058\n7/lO\t0,081\n8/10\t0,104\n9/io\t0,127\n10/lO\t0,166\nStellt man diese Tabelle graphisch dar, indem man die Zeiten als Abscissen die erreichten Intensit\u00e4ten als Ordinaten auftr\u00e4gt, so erh\u00e4lt man bis zu der Ordinate, welche 8/io der vollen Intensit\u00e4t entspricht sehr ann\u00e4hernd eine gerade Linie, was ich schon durch Zergliederung des TALBOT\u2019schen Satzes wahrscheinlich gemacht hatte.\nII. An- und Abklingen der Erregung bei Reizung mit farbigem Licht.\nDas Anklingen der Erregung nach Beginn des Lichtreizes ist vom Standpunkte der YouNG\u2019schen Theorie in jeder Fasergattung ein Vorgang f\u00fcr sich und es ist im Sinne dieser Theorie keineswegs zu erwarten, dass die drei gleichzeitigen Vorg\u00e4nge genau gleichen Schritt halten. W\u00e4re der Gang des Anklingens in den roth-, gr\u00fcn-und blauempfindenden Fasern sehr verschieden, so m\u00fcsste ein weisses Objekt in den ersten Momenten nach seinem Auftauchen im Gesichts-","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"Anklingen verschiedener Farben.\n221\nfelde gef\u00e4rbt erscheinen. Davon nimmt man nun bei den Versuchen weder nach meiner noch nach der \u00dcELMHOLTz\u2019schen Methode etwas Entschiedenes wahr, woraus hervorgeht, dass der zeitliche Verlauf des Anklingens der Erregung bei Reizung mit weiss aussehender Strahlung in den verschiedenen Fasergattungen ann\u00e4hernd derselbe ist. Dahingegen zeigen sich sehr eigenthiimliche Erscheinungen, wenn man farbig aussehende Strahlungen sehr kurze Zeit hindurch einwirken l\u00e4sst.\nDie ersten hierher geh\u00f6rigen Angaben finden sich in dem oben eitirten Aufsatze.1 Ich hatte mit meinen unvollkommenen Apparaten schon bemerkt, dass bei sehr kurzer Einwirkung farbige Objekte anders gef\u00e4rbt erscheinen als bei dauernder Betrachtung. Sp\u00e4ter hat auf meine Veranlassung Kunkel'2 diesen Gegenstand genauer untersucht mit Hilfe des von Exner angewandten Apparates und homogener Strahlungen. Er fand, dass das Spektrum \u00fcberaus kurze Zeit betrachtet, ganz farblos und am rothen Ende verk\u00fcrzt erscheint. Dauert die Einwirkung etwas l\u00e4nger, so scheint es aus einem rothen und blauen Theil zu bestehen und zwar erscheinen die bei dauernder Betrachtung gr\u00fcnen, blauen und violetten Theile nunmehr alle blau. Auf ann\u00e4hernd gleiche physiologische Intensit\u00e4t gebracht, bringen die rothen Strahlen am schnellsten die volle Erregungsst\u00e4rke zu Wege, weniger schnell die blauen und am wenigsten schnell die gr\u00fcnen. Es w\u00e4re nat\u00fcrlich leicht diese Thatsachen auf dem Standpunkte der YouNG\u2019schen Theorie in ebenso viele Lehrs\u00e4tze \u00fcber die Erregungsweise der drei Fasergattungen durch Strahlen von verschiedener Schwingungszahl zu \u00fcbersetzen.\nEbenso wie das Anklingen der Erregung wird auch das Abklingen derselben in jeder der drei hypothetischen Fasergattungen ein besonderer von den anderen unabh\u00e4ngiger Vorgang sein, und wenn diese drei Vorg\u00e4nge zeitlich nicht ganz gleichen Schritt halten, so muss das Nachbild eines weissen Objektes nach und nach verschiedene F\u00e4rbungen zeigen. Dies ist nun in der That schon vor langer Zeit beobachtet und als farbiges Abklingen der Nachbilder von Fechner, Plateau, Seguin und Anderen beschrieben. Helmholtz beschreibt in Uebereinstimmung mit Fechner und Seguin die Reihenfolge der Farben, wenn man ein hell weisses Objekt auf dunkeim Grunde momentan betrachtet hat und nun das Auge schliesst\n1\tA. Fick, Ueber den zeitlichen Verlauf der Netzhauterregung. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1863. S. 764.\n2\tA. Kunkel , Ueber die Abh\u00e4ngigkeit der Farbenempfindung von der Zeit. Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 197.","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222 Fick, Physiol. Optik IL 5. Cap. Zeitlicher Verlauf der Netzhauterregung.\nund verdeckt so, dass das positive Nachbild rasch aus dem urspr\u00fcnglichen weiss durch gr\u00fcnliches Blau in Indigoblau, sp\u00e4ter in Violett oder Rosa \u00fcbergeht. Dann folge ein schmutziges Orange, welchem sich oft noch ein sehr schwaches schmutziges Gelbgr\u00fcn anschliesse. Die ersten Phasen im Abklingen der Nachbilder sind auf dem Standpunkte der YouNG\u2019schen Theorie leicht dahin zu deuten, dass die Erregung der rothempfindenden Elemente anfangs am schnellsten, sp\u00e4ter am langsamsten abklinge und die der gr\u00fcnempfindenden anfangs am langsamsten und sp\u00e4ter am schnellsten, w\u00e4hrend die blauempfindenden zu Anfang und sp\u00e4ter bez\u00fcglich der Geschwindigkeit des Abklingens in der Mitte stehen. Bei den noch sp\u00e4teren Phasen des Abklingens der Nachbilder scheinen Einfl\u00fcsse der Erm\u00fcdung mit ins Spiel zu treten, von welcher im Folgenden die Rede sein wird.\nBei l\u00e4ngerer Betrachtung des Urbildes spielen diese Einfl\u00fcsse von vorn herein eine Rolle und es wird dadurch die Reihenfolge der Farben im abklingenden Nachbilde verschiedentlich modificirt.\nIII. Erm\u00fcdung der Netzhaut.\nDa in den Endapparaten der Sehnerven der Reiz durch Bestrahlung einen chemischen Process ausl\u00f6st, welcher den Bestand des Apparates irgendwie \u00e4ndern muss, so wird jeder folgende Reiz-anstoss denselben vermuthlich in einem andern Zustand treffen und also auch einen andern Effekt hervorrufen als der erste. Ob der Effekt in dem durch den ersten Reiz ver\u00e4nderten Apparat gr\u00f6sser oder kleiner ausfallen wird, l\u00e4sst sich a priori nicht entscheiden. An sich ist es ebensowohl denkbar, dass die Ver\u00e4nderung durch den ersten Reizanstoss die weitere Ver\u00e4nderlichkeit (Reizbarkeit) erh\u00f6ht, als dass sie dieselbe herabsetzt. In der That bemerkt man bei wiederholter Reizung eines Muskels sehr oft, dass die Wirkung jeder folgenden Reizung (die Zuckung) gr\u00f6sser ist als die der vorhergehenden. Das ist allerdings von vornherein sicher, dass eine solche Steigerung der Reizbarkeit bei einem dem Blutkreisl\u00e4ufe entzogenen reizbaren Gewebsstticke nicht ins Unbegrenzte dauern kann, denn durch jeden Reiz wird etwas von dem Vorrathe des dem chemischen Processe unterworfenen Materiales verbraucht, so dass dieser Vorrath schliesslich ersch\u00f6pft werden m\u00fcsste. Bei einem mit dem lebenden K\u00f6rper noch verbundenen reizbaren Gewebsstticke kann freilich dieser Vorrath best\u00e4ndig durch die Ern\u00e4hrung neu erg\u00e4nzt werden und diese kann auch die Produkte des chemischen Processes schnell wegf\u00fchren, so dass es an sich nicht ganz undenkbar w\u00e4re, dass dennoch jeder","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"Erm\u00fcdung der Netzhaut.\n223\nfolgende Reiz das reizbare Gebilde in demselben Zustande (also bei gleicher Reizbarkeit) antr\u00e4fe wie der vorhergehende, wenn n\u00e4mlich die Ern\u00e4hrung mit der durch den Reiz gesetzten Zerst\u00f6rung genau gleichen Schritt hielt. Wirkt die Reizung aber sehr energisch und in rascher Aufeinanderfolge oder gar stetig andauernd, so ist kaum zu erwarten, dass die Ern\u00e4hrung mit ihrer zerst\u00f6renden Wirkung-gleichen Schritt halten kann, wir sehen daher bei den reizbaren Gebilden regelm\u00e4ssig auch im lebenden K\u00f6rper einer energischen Reizung Ver\u00e4nderung der Reizbarkeit folgen, welche wenigstens auf die Dauer ausnahmslos in einer Verminderung besteht. Diese allen reizbaren Gebilden eigene Erscheinung nennt man die Erm\u00fcdung. Sie tritt um so leichter und fr\u00fcher ein, je energischer die in dem Gebilde verlaufenden Processe sind. An den Nervenfasern ist daher von Erm\u00fcdung nur schwer etwas wahrzunehmen, w\u00e4hrend die Muskeln verh\u00e4ftnissm\u00e4ssig rasch erm\u00fcden. Uebrigens beruht die Erm\u00fcdung \u00fcberall wie es scheint, weit mehr auf der Anh\u00e4ufung der durch den chemischen Process der Erregung gesetzten Produkte als auf der Ersch\u00f6pfung des Vorrathes von zersetzbarem Material.\nWenn die reizbaren Endapparate der Netzhaut in dem eben de-finirten Sinne erm\u00fcdbar sind, so muss sich dies darin zeigen, dass bei andauernder Bestrahlung einer Netzhautstelle die Intensit\u00e4t der Erregung und folglich der Empfindung mit der Zeit abnimmt. Eine helle Fl\u00e4che m\u00fcsste also bei andauernder Fixation allm\u00e4hlich immer weniger und weniger hell erscheinen. Beim gew\u00f6hnlichen Sehen wird davon der ungeschulte Beobachter nichts gewahr, doch ist daraus keineswegs zu schliessen, dass diese Erscheinung nicht vorhanden ist, denn einmal pflegen wir selten ein und dasselbe Objekt sehr lange anhaltend zu fixiren, andererseits ist die Intensit\u00e4t einer gegenw\u00e4rtigen Empfindung \u00fcberhaupt schon sehr schwer mit der einer vergangenen zu vergleichen, besonders wenn die eine aus der andern durch ganz stetige Ver\u00e4nderung entstanden ist. In der That findet die fragliche Erscheinung statt und wird einem ge\u00fcbten Beobachter bei langdauernder Fixation irgend eines hellen Objektes schwerlich entgehen. Man kann sie aber auch dem Unge\u00fcbtesten durch einen sehr einfachen Kunstgriff leicht sichtbar machen. Man lasse ihn ein weisses Papierst\u00fcck auf m\u00f6glichst dunkeim Grunde 10 \u2014 20 Sekunden lang scharf fixiren und schiebe nun ein grosses Blatt von demselben weissen Papier \u00fcber Grund und Objekt hin, dann wird dem Beobachter die Stelle desselben, welche dem vorher gesehenen hellen Papierst\u00fcck entspricht, bedeutend dunkler erscheinen als die Umgebung. Von dem vorher gesehenen hellen Objekt","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224 Fick, Physiol. Optik IL 5. Cap. Zeitlicher Verlauf der Netzhauterregung.\nwird, wie man sich auszudr\u00fccken pflegt, in dem hernach in gr\u00f6sserer Ausdehnung erhellten Gesichtsfelde ein dunkles, negatives Nachbild erscheinen. Diese Erscheinung muss \u2014 wenn auch bei ihren Einzelheiten noch andere Umst\u00e4nde im Spiele sind \u2014 im Grossen und Ganzen auf die Erm\u00fcdung der Netzhaut bezogen werden. Die Netzhauttheile n\u00e4mlich, welche anfangs das Bild des hellen Objektes aufnahmen, werden erregt und erm\u00fcdet, w\u00e4hrend die, welche dem schwarzen Grunde im Bild entsprechen, unerregt und unerm\u00fcdet blieben. Trifft hernach beim Vorschieben der grossen weissen Papierfl\u00e4che dieselbe Strahlung beiderlei Netzhauttheile, so entsteht in der unerm\u00fcdeten eine st\u00e4rkere Empfindung, w\u00e4hrend in den erm\u00fcdeten die schw\u00e4chere Empfindung fortbesteht.\nBei exakten Versuchen der beschriebenen Art gewahrt man leicht, dass das negative Nachbild um so dunkeier ist, je l\u00e4nger das helle Urbild fixirt wurde, was sich leicht aus dem Fortschreiten der Erm\u00fcdung erkl\u00e4rt, die man von vornherein zu erwarten Veranlassung hat. Es zeigt sich ferner, dass schon nach wenigen Sekunden das Nachbild verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig sehr dunkel ist, d. h. dass schon nach wenigen Sekunden dauernder Erregung die Erregbarkeit durch Erm\u00fcdung sehr bedeutend vermindert ist, dass also die Endapparate des Sehnerven in sehr hohem Grade erm\u00fcdbar sind. Bei seinen oben erw\u00e4hnten Versuchen hat Exner beobachtet, dass sogar schon nach Bruchtheilen einer Sekunde von dem Augenblicke an gerechnet, wo die Empfindung ihr Maximum erreicht hat, eine Schw\u00e4chung durch Erm\u00fcdung bemerkbar wird. Er f\u00fchrt das nachstehende numerische Beispiel an:\nIntensit\u00e4t der Erregung\tnacli Wirkungsdauer der Strahlung von\n9/io\t0,359\"\n8/l0\t0,486\"\nDo\t0,659\"\nDie Intensit\u00e4t der Erregung ist gemessen in Bruchtheilen des Maximums, welches sie bei der angewandten Strahlungsintensit\u00e4t erreicht. Die Wirkungsdauer ist gemessen vom Augenblicke des ersten Aufblitzens der Strahlung. Von den Zahlen der zweiten Spalte m\u00fcsste also noch die Dauer von 0,166\" Sekunden abgezogen werden wenn man die Zeit von dem Augenblicke an messen wollte, wo die Intensit\u00e4t der Erregung ihr Maximum erreicht hat, denn bis zur Erreichung desselben waren eben 0,166\" verstrichen. (Siehe S. 220.)","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"Negative Nachbilder farbiger Objekte.\n225\nDer weitere Gang der Netzhauterm\u00fcdung war schon vorher von C. F. M\u00fcller 1 untersucht. Er betrachtete ein weisses Papierst\u00fcck vor schwarzem Grunde eine bestimmte Zeit hindurch und liess pl\u00f6tzlich ein graues Papier von photometrisch gemessener Helligkeit daneben halten. Durch Probiren wurde ein St\u00fcck von solcher Helligkeit herausgefunden, dass es dem anhaltend fixirten weissen Papier gleich erschien. Dabei hatte sich herausgesfcellt, dass durch die Erm\u00fcdung die Erregung anfangs am schnellsten und dann immer langsamer abnimmt. Das w\u00e4hrend der ganzen Nacht ausgeruhte Auge erm\u00fcdet in den ersten 5 Sekunden viel mehr als das w\u00e4hrend des Tages allemal nur bis zum vollst\u00e4ndigen Verschwinden aller Nachbilder geruhte. Nach den von M\u00fcller graphisch dargestellten Versuchsreihen l\u00e4sst sich aus dem Gang der Erm\u00fcdung bei Abendversuchen ungef\u00e4hr beurtheilen, wie viel das Auge durch den Gebrauch w\u00e4hrend des Tages an Erregbarkeit derart einb\u00fcsst, dass sich die Einbusse nur durch stundenlang dauernde Ruhe wieder ersetzen l\u00e4sst. Es wird hiernach ein und dasselbe Objekt dem Auge beim ersten Blicke etwas \u00fcber doppelt so hell erscheinen als am Abend dem nur fl\u00fcchtig ausgeruhten Auge.\nBez\u00fcglich der Abh\u00e4ngigkeit der Erm\u00fcdung von der St\u00e4rke des Reizes hat Helmholtz - vermuthungsweise den Satz ausgesprochen, dass ihr relativer Werth unabh\u00e4ngig sei von der Reizst\u00e4rke mit anderen Worten: die Einwirkung eines Reizes w\u00e4hrend einer bestimmten Zeit reducire gleichen Zustand des Auges vorausgesetzt die gesehene Helligkeit stets um denselben Bruchtheil ihres urspr\u00fcnglichen Werthes wie gross oder wie klein auch die Reizst\u00e4rke sei. Haupts\u00e4chlich um diesen Satz zu pr\u00fcfen, hat auf meine Veranlassung C. F. M\u00fcller die soeben citirte Untersuchung unternommen und seine Versuche haben ergeben, dass der Satz jedesfalls innerhalb sehr weiter Grenzen der Reizst\u00e4rke sehr ann\u00e4hernd g\u00fcltig ist.\nIst das Urbild gef\u00e4rbt und das hernach auf das ganze Gesichtsfeld einfallende Licht, welches Helmholtz das reagirende Licht nennt, gef\u00e4rbt oder weiss, so treten am negativen Nachbilde eine Menge von mannigfaltigen Erscheinungen auf. Vom Standpunkte der Young\u2019-sehen Theorie lassen sich dieselben alle zum Voraus ableiten und es ist daher f\u00fcr die Darstellung derselben ohne Zweifel eine grosse Erleichterung, sich auf den Standpunkt dieser Theorie zu stellen, wenn\n1\tC. F. M\u00fcller. Versuche \u00fcber den Verlauf der Netzhauterm\u00fcdung. Z\u00fcricher Inauguralabhandlung 1866.\n2\tHelmholtz, Physiologische Optik S. 362.\nHandbuch der Physiologie. Bd. HI.\t15","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226 Fick, Physiol. Optik IL 5. Cap. Zeitlicher Verlauf der Netzhauterregung.\nman sie auch nicht f\u00fcr den endg\u00fcltigen Ausdruck des wahren Sachverhaltes gelten lassen will.\nIm Sinne der YouNG\u2019schen Theorie wird man anzunehmen haben, dass wie die Erregung so auch die Erm\u00fcdung in jeder der drei hypothetischen Fasergattungen ein selbst\u00e4ndiger von den beiden Anderen unabh\u00e4ngiger Vorgang ist. Es ist ferner die wahrscheinlichste Annahme, dass der absolute Erm\u00fcdungsgrad einer Fasergattung der Intensit\u00e4t der vorausgegangenen Erregung proportional ist. Aus diesen beiden Annahmen lassen sich die Erscheinungen der negativen Nachbilder farbiger Objekte bis ins feinste Detail ableiten. F\u00fchren wir dies zun\u00e4chst an einem bestimmten Beispiel durch. Das Urbild sei ein grellrothes Fl\u00e4chenst\u00fcck auf schwarzem Grunde d. h. ein Fl\u00e4chenst\u00fcck, welches eine Strahlung aussendet, die vorwiegend die rothempfindenden Fasern erregt. Diese werden also auch vorwiegend erm\u00fcdet. Bedecken wir nun Objekt und Grund mit einer weis-sen Fl\u00e4che, so werden alle Retinaelemente von einer Strahlung getroffen, welche im unerm\u00fcdeten Element alle drei Fassergattungen gleich stark erregt. Die den Grund bedeckenden Theile der Fl\u00e4che werden demnach wirklich weiss erscheinen. In den Netzhautelementen aber, in welchen durch das Urbild die rothempfindenden Fasern st\u00e4rker als die beiden andern erm\u00fcdet sind, werden die blau- und gr\u00fcnempfindenden durch das weisse Licht st\u00e4rker afficirt und es wird also auf der weissen Fl\u00e4che ein blaugr\u00fcnes Nachbild des rothen Urbildes erscheinen. Selbstverst\u00e4ndlich hebt sich das blaugr\u00fcne Nachbild dunkel von dem weissen Grunde ab, da ja in seinem Bereiche auf der Netzhaut als einer erm\u00fcdeten die Gesammterregung geringer ist als in der vollst\u00e4ndig unerm\u00fcdeten Umgebung.\nSchiebt man statt der weissen eine gelb aussehende Fl\u00e4che vor das rothe Urbild und seinen schwarzen Grund, so erscheint darauf ein gr\u00fcnes Nachbild vom rothen Urbild. In der That erregt ja jetzt das reagirende Licht vorzugsweise die roth- und gr\u00fcn empfindenden Fasern wenig die blauempfindenden. Nun sind aber die rothempfindenden Fasern sehr erm\u00fcdet. Es muss also an den betreffenden Netzhautstellen die Rothempfindung zur\u00fccktreten und die Gr\u00fcnempfindung allein in sehr entschiedenes Uebergewicht kommen.\nDie ganze Lehre von der F\u00e4rbung negativer Nachbilder farbiger Objekte kann man in folgende S\u00e4tze zusammenfassen, die man als Folgerungen aus der YouNG\u2019schen Theorie oder als Ausdruck der beobachteten Thatsachen ansehen kann. Sei A der Farbenton der Lichtempfindung, welchen die vom Urbilde ausgesandte Strahlung hervorbringt und B der, welcher dem reagirenden Lichte entspricht.","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"Negative Nachbilder farbiger Objekte.\n227\nDer Farbenton des Nachbildes wird dann vom Farbenton B derart abweichen, dass er dem zu A komplement\u00e4ren Farbenton C \u00e4hnlicher wird. In diesem zwischen B und C liegenden Farbenton wird aber das Nachbild blasser (mehr grau) als das reagirende Licht erscheinen, wenn der Farbenton B dem A n\u00e4her liegt als dem C und ges\u00e4ttigter wenn B dem C n\u00e4her liegt als dem A. Interessant ist noch der specielle Fall, wo der Farbenton B des reagirenden Lichtes genau mit dem Farbenton C der zur Farbe des Urbildes komplement\u00e4r ist \u00fcbereinstimmt. In diesem Falle wird das Nachbild genau im Farbenton des reagirenden Lichtes erscheinen, aber noch ges\u00e4ttigter aussehen als dieses selbst. Diese Thatsache l\u00e4sst sich wie Helmholtz gezeigt hat selbst an Spektralfarben beobachten. L\u00e4sst man z. B. auf eine kleine Retinastelle blaugr\u00fcnes Licht l\u00e4ngere Zeit einwirken und hierauf nach Beseitigung desselben auf eine gr\u00f6ssere Retinafl\u00e4che, welche die erstere einschliesst, rothes homogenes Licht aus dem Spektrum, so erscheint in dem gr\u00f6sseren rothen Felde ein Nachbild des vorher blaugr\u00fcnen Fleckes von so ges\u00e4ttigter R\u00f6the, dass dagegen das Roth der Umgebung, wo die unerm\u00fcdeten Netzhautelemente von dem homogenen rothen Lichte getroffen werden, blass erscheint. In dieser Thatsache liegt der Beweis des bemerkenswerthen Satzes, dass die Farbenempfindungen, welche durch homogene Strahlungen auf unerm\u00fcdeten Netzhautstellen hervorgebracht werden, noch lange nicht die ges\u00e4ttigtsten sind, deren der Sehapparat \u00fcberhaupt f\u00e4hig ist. Diese kommen erst dann zu Stande, wenn homogene Strahlungen auf Netzhautstellen wirken, die zuvor durch die komplement\u00e4re Strahlung erm\u00fcdet sind. Im Sinne der YouNG-\u2019schen Theorie entspricht dieser Satz der oben gemachten Annahme, dass jede homogene Strahlung im erm\u00fcdeten Netzhautelement jede der drei Fasergattungen erregt wenn auch vorzugsweise ein oder zwei derselben.","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228 Fick, Physiol. Optik II. 6. Cap. Erregung d. Netzhaut durch andere Ursachen.\nSECHSTES CAPITEL.\nErregung der Netzhaut durch andere Ursachen als Lichtstrahlung.\nI. Mechanische und elektrische Reizung der Netzhaut.\nDie Einstrahlung von Aetheroscillationen auf die Netzhaut ist keineswegs die einzige Einwirkung, welche ihre Elemente in denjenigen Bewegungszustand versetzen kann, welchem eine Lichtempiin-dung entspricht. Vor Allem ist es eine l\u00e4ngst bekannte Thatsache, dass die Netzhautelemente sehr leicht von aussen mechanisch und elektrisch gereizt werden k\u00f6nnen. Jeder heftige Stoss auf das Auge f\u00fcllt das ganze Gesichtsfeld mit einem intensiven Lichtblitze. Genauer kann man die Wirkung mechanischen Druckes erkennen, wenn man Ihn in massigem Grade auf einen beschr\u00e4nkten Theil des Augapfels wirken l\u00e4sst der mit nerv\u00f6sen Netzhautelementen versehen ist, der also hinter dem Aequator liegt. Man verf\u00e4hrt am einfachsten so, dass man das Auge nach innen wendet und nun am \u00e4usseren Winkel mit dem Fingernagel oder einem abgestumpften Holzstifte gegen den Augapfel dr\u00fcckt. Man sieht alsdann bei geschlossenem Auge im dunkelen Gesichtsfelde eine lichte Scheibe mit dunklem Rande der noch einmal von einem hellen ums\u00e4umt ist. Der Ort dieses \u201eDruckbildes\u201c oder \u201ePhosphens\u201c liegt nat\u00fcrlich nasenw\u00e4rts im Gesichtsfelde, da die Reizung eines Schl\u00e4fenw\u00e4rts von der Axe gelegenen Netzhautpunktes selbstverst\u00e4ndlich auf ein nasenw\u00e4rts gelegenes \u00e4usseres Objekt bezogen wird. Dr\u00fcckt man oben, so erscheint das Phosphen unten im Gesichtsfelde und umgekehrt. Macht man den beschriebenen Versuch bei offenem Auge, so zeichnet sich das Phosphen im Ganzen dunkel im hellen Gesichtsfelde. Daraus ist zu schliessen, dass der Druck die von ihm getroffenen Netzhautelemente nicht nur reizt, sondern auch ihre Reizbarkeit f\u00fcr Strahlung herabsetzt.\nVon den zahlreichen Erscheinungen, welche auf mechanische Erregung der Netzhautelemente zu beziehen sind, mag nur noch eine von Purkinje und Czermak unter dem Namen des Akkommodations-phosphens beschriebene erw\u00e4hnt werden. Diese beiden Beobachter geben an, dass am \u00e4usseren Rande ihres Gesichtsfeldes, das durch Abhaltung \u00e4usseres Lichtes verdunkelt ist, eine lichte in sich ge-","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"Elektrische Reizung. Eigenlicht.\n229\nschlossene Ringlinie aufblitzt, wenn sie von gr\u00f6sster Anstrengung des Akkommodationsapparates pl\u00f6tzlich zur Ruhe desselben \u00fcbergehen. Czeemak meint, dass diese Erscheinung zu erkl\u00e4ren sei durch die Zerrung, welche die an der ora serrata gelegenen Netzhautelemente von der beim Nachlassen des tensor chorioideae sich pl\u00f6tzlich anspannenden Zonula Zinnii erleiden.\nBei der bekannten grossen elektrischen Reizbarkeit aller Nervenfasern ist es nicht \u00fcberraschend auch die Opticusfasern elektrisch reizbar zu finden. In der .That sieht man das ganze Gesichtsfeld hell aufblitzen wenn man einen elektrischen Strom, der Zweige durch das Auge sendet schliesst oder \u00f6ffnet. Der Strom darf hierbei sogar \u00e4usserst schwach sein. W\u00e4hrend der Dauer eines konstanten das Auge durchfliessenden Stromes zeigen sich auch noch einige Lichterscheinungen, die jedoch wohl nicht alle auf eine eigentliche Reizung der N'ervenelemente des Auges durch den konstanten Strom zu beziehen sind, obwohl eine solche an sich nicht unwahrscheinlich ist, da andere sensibele Nerven auch durch den konstanten Strom in dauernder Erregung gehalten werden.\nWenn ein schwacher elektrischer Strom bei geschlossenem Auge aufsteigend durch den nervus opticus geleitet wird, so erscheint w\u00e4hrend seiner Dauer das dunkle Sehfeld heller und mehr blass violett. Die Eintrittstelle des Sehnerven soll dabei in den ersten Augenblicken als eine dunkle Kreisscheibe erscheinen. Geht unter gleichen Umst\u00e4nden der Strom absteigend durch den Sehnerven, so wird das Gesichtsfeld noch dunkler und r\u00f6thlichgelb, wobei sich auch wieder die Eintrittsstelle des Sehnerven auszeichnen soll und zwar als hellere bl\u00e4uliche Scheibe.\nII. Eigenliclit der Retina.\nDie Theile des Sehnervenapparates sind nun wie viele andere Nervenapparate z. B. die Gef\u00e4ssnerven die Hemmungsfasern des Vagus und so weiter auch dann meist nicht in vollst\u00e4ndiger Ruhe, wenn keinerlei \u00e4ussere reizende Einwirkung stattfindet. Man nennt bekanntlich eine derartige fortw\u00e4hrende Erregung in einem Nervengebiete, die durch innere Ursachen bewirkt wird, eine tonische. Da aber jede Erregung des Sehnervenapparates als Lichtempfindung zum Bewusstsein kommt, so wird hier die tonische Erregung die Folge haben, dass das Sehfeld auch bei vollst\u00e4ndigem Abschluss des Auges gegen Einstrahlung und andere \u00e4ussere Reize nicht absolut dunkel ist. Diese Lichterscheinungen ohne \u00e4usseren Reiz nennt man das \u201eEigen-","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230 Fick. Physiol. Optik IL 6. Cap. Erregung d. Netzhaut durch andere Urschen.\nlicht der Retina\u201c. Es ist im Allgemeinen nicht konstant, sondern besteht in allerlei bewegten, theils farbigen theils farblosen Flecken die Gestalt und Farbe best\u00e4ndig \u00e4ndern. Die tonische Erregung des Sehapparates ist also in seinen verschiedenen Elementen offenbar in best\u00e4ndigem Auf- und Abwogen begriffen, was bei andern tonisch erregten Nervenapparaten wohl auch der Fall sein wird.\nWas die reizenden Ursachen sind, welche die tonische Erregung hier zu Stande bringen, ist nicht mit Sicherheit zu sagen, doch d\u00fcrfte wohl am meisten die Vermuthung f\u00fcr sich haben, dass es chemische Einwirkungen des Blutes auf nerv\u00f6se Elemente sind, die wir ja auch im Gef\u00e4ssnervencentrum ziemlich sicher als eine von den Ursachen der tonischen Erregung ansprechen k\u00f6nnen. Diese Vermuthung w\u00fcrde noch die andere nach sich ziehen, dass die Stellen wo die Reize des Blutes ein wirken nicht in den nur sp\u00e4rlich versorgten Nervenfasern zu suchen w\u00e4ren, sondern in den reichlicher damit gespeisten zelli-gen Elementen sei es an den peripherischen Enden in der Netzhaut oder an den centralen Enden im Hirn. Die Verst\u00e4rkung des Eigenlichtes der Retina w\u00e4hrend eines den Opticus aufsteigend durchflies-senden Stromes und die Schw\u00e4chung derselben w\u00e4hrend eines absteigenden scheint daf\u00fcr zu sprechen, dass die Reizstelle im Centrum zu suchen sei, denn diese Stellen sind bei aufsteigendem Strome im Katelektrotonus bei absteigendem im Anelektrotonus und werden also in jenem Falle mehr, in diesem weniger erregbar sein. Aubert1 sch\u00e4tzt auf Grund gewisser Versuche und Annahmen die Helligkeit des Eigenlichtes seiner Netzhaut gleich der H\u00e4lfte der Helligkeit, in welcher ein von der Venus in gr\u00f6sstem Glanze beschienenes Blatt weisses Papieres erscheinen wird. Jedesfalls ist \u00fcbrigens die Intensit\u00e4t des Eigenlichtes der Retina eine sehr ver\u00e4nderliche Gr\u00f6sse.\nIII. Einwirkung der Netzliautelemente aufeinander. Contrast.\nH\u00f6chst merkw\u00fcrdig ist noch eine Gruppe von Lichterscheinungen, welche unter dem Namen des Contrastes zusammengefasst werden. Sie sind auch nicht hervorgebracht durch \u00e4ussere Einwirkung auf die Netzhautelemente, in welchen sie zu Stande kommen, sondern durch die Einwirkungen von Seiten benachbarter Netzhautelemente, durch welche in jenen Erregung oder Modifikationen der Erregbarkeit bewirkt werden.\nDie Grunderscheinung des Kontrastes ist von Alters her bekannt\n1 Aubert. Handb. d. ges. Augenheilkunde II. 2. H\u00e4lfte. S.486.","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"Einfachste Contrasterscheinungen.\n231\nund besteht darin, dass jedes Helle in dunkler Umgebung\u2019 heller, in noch hellerer Umgebung dunkler erscheint. Es giebt besonders zwei Versuche, in denen man diese Erscheinung sehr rein und sch\u00f6n zur Anschauung bringen kann. Man nehme eine Scheibe die wie Fig. 60 mit weissen und schwarzen Sektoren bemalt ist.\nWird dieselbe mit der erforderlichen Geschwindigkeit um eine in ihrem Mittelpunkt zu ihr senkrecht stehende Axe gedreht, so sollte sie nach den fr\u00fcher entwickelten S\u00e4tzen in vier Zonen zerfallen, deren jede vollst\u00e4ndig gleich hell erscheinen m\u00fcsste und zwar die innerste ganz schwarz jede folgende nach aussen heller als die vorhergehende. Dies ist nun aber keineswegs der Anblick den die gedrehte Scheibe bietet, vielmehr erscheint jede Zone an ihrem inneren Rande, wo sie an die dunklere Zone grenzt heller, am \u00e4usseren Rande dunkler und dazwischen aufs zarteste ab-schattirt. Vielleicht noch sauberer und beweisender ist der Versuch, wenn man vor einer weissen Fl\u00e4che eine Reihe von etwa vier Kerzen aufstellt und nun dazwischen bis gegen die Mitte der Reihe einen undurchsichtigen Schirm mit senkrechter gerader Kante vorschiebt. Dann wird ein Theil der weissen Fl\u00e4che von allen vier Kerzen beleuchtet sein, dann folgt ein senkrechter Streif, der nur von dreien, dann einer der nur von zweien beleuchtet ist u. s. w. bis zu dem Theil der Fl\u00e4che, welcher von keiner Kerze Licht erh\u00e4lt. Jeder dieser Streifen ist in seiner ganzen Breite gleich stark beleuchtet und doch erscheint er auf der Seite, wo er an den dunkleren grenzt heller, auf der andern dunkler und dazwischen zart abschat-tirt. Keine Erkl\u00e4rung liegt wohl f\u00fcr diese Erscheinungen n\u00e4her als die, dass eben eine starke Erregung einer Netzhautstelle die Erregbarkeit in den \u00fcbrigen herabsetzt und zwar um so mehr, je n\u00e4her sie ihnen liegt. Diese Annahme ist auch schon l\u00e4ngst stillschweigend gemacht oder ausgesprochen. Sie ist aber in neuerer Zeit von Helmholtz ganz in den Hintergrund gedr\u00e4ngt worden, der diese und viele \u00e4hnliche Erscheinungen lediglich auf eine T\u00e4uschung in der Beurtheilung der Helligkeit bezogen wissen wollte, etwa wie man einen mittelgrossen Mann neben einem kleinen f\u00fcr gross, neben einem grossen f\u00fcr klein h\u00e4lt. Nur vereinzelte Stimmen haben sich immer wieder jener n\u00e4her liegenden Erkl\u00e4rung zugewandt, aber vor","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232 Fick, Physiol. Optik II. 6. Cap. Erregung d. Netzhaut durch andere Ursachen.\neinigen Jahren ist es wie mir scheint Hering ]) gelungen, durch scharfsinnige Zergliederung der Thatsachen und neue Modifikationen der Versuche unwiderleglich festzustellen, dass die Contrasterschei-nungen wesentlich auf einer Aenderung der Erregbarkeit der einen Netzhautstelle durch Reizung der benachbarten beruhen.\nEine Erscheinung, welche sehr schlagend die in Rede stehende Annahme beweist besteht darin, dass ein negatives Nachbild auf einer hellen Fl\u00e4che sich zusehends mehrere Sekunden lang verdunkelt. Durch T\u00e4uschung des Urtheils kann dies nicht erkl\u00e4rt werden.\nHering hat aber ferner gezeigt, dass die Einwirkung benachbarter Netzhautstellen aufeinander nicht lediglich in Herabsetzung der Erregbarkeit der einen bei Reizung der andern besteht. Vielmehr kehrt sich bei sehr anhaltender Reizung der Erfolg um, so dass in der nicht oder schwach gereizten die Erregbarkeit zunimmt resp. eine Erregung inducirt wird. In der That, fixirt man ein helles Objekt auf dunklem Grunde sehr andauernd, so tritt nur in der ersten Zeit die vorhin beschriebene Contrasterscheinung hervor, dass n\u00e4mlich der dunkle Grund in der N\u00e4he des hellen Objektes noch dunkler erscheint. Allm\u00e4hlich verbreitet sich um das helle Objekt ein lichter Schimmer, der namentlich bei pl\u00f6tzlicher Schliessung der Augen im nunmehr ganz verdunkelten Gesichtsfelde als sehr heller Saum, um das tief dunkle Nachbild des hellen Objektes auf leuchtet. Hering hat diesen Versuch noch mannigfach modificirt und eine ganze Reihe von Erscheinungen beschrieben, die sich entschieden nicht durch Ur-theilst\u00e4uschungen erkl\u00e4ren lassen.\nWendet man bei den Contrastversuchen statt weisses Lichtes farbiges an, so treten auch in den beeinflussten Netzhautstellen Farbenerscheinungen auf, die im Sinne der YouNG\u2019schen Theorie etwa dahin zusammengefasst werden k\u00f6nnen, dass die Erregbarkeit derjenigen Fasergattung der nicht gereizten Elemente am meisten vermindert und in der sp\u00e4teren Phase am meisten erh\u00f6ht wird, welche in den benachbarten gereizten Elementen am meisten erregt ist.\nDie Annahme, dass benachbarte Netzhautelemente aufeinander wirken k\u00f6nnen, d\u00fcrfte eine anatomische Grundlage finden in der wenigstens von manchen Autoren behaupteten Verkn\u00fcpfung der zelligen Elemente der Netzhaut. Die Gesetze dieser gegenseitigen Einwirkung benachbarter Netzhautelemente bed\u00fcrfen aber zweifellos noch weiterer Untersuchung.\n1 Hering, Zur Lehre vom Lichtsinne. Sitzgsber. d. Wiener Acad. Juni 1872. December 1873.","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Erscheinungen des gelben Flecks.\n233\nANHANG.\nEinige unerkl\u00e4rte subjektive Licktersckeinungen.\nUnter verschiedenen Umst\u00e4nden macht sich im Gesichtsfelde die dem gelben Fleck der Netzhaut entsprechende Stelle besonders be-merklich. F\u00fcr jeden leicht wahrnehmbar ist eine solche Erscheinung hei intermittirender Beleuchtung. Wenn man z. B. die massig gespreizten Finger einer Hand vor einem gleichm\u00e4ssig hellen Hintergr\u00fcnde rasch hin- und herbewegt, so bedeckt sich das Gesichtsfeld mit flimmernden dunkeln Flecken und die dem gelben Flecke entsprechende Stelle zeichnet sich aus durch regelm\u00e4ssige Anordnung dieser Fleckchen, ganz in der Mitte erscheint ein genauer Kreis mit auffallend hellem Saume.\nDer Kreis, welcher der Mitte des gelben Fleckes entspricht, erscheint manchen Beobachtern auch zuweilen in gleichm\u00e4ssiger konstanter Beleuchtung namentlich wenn dieselbe blau ist. Er soll dann von einem dunklen Hofe umgeben sein entsprechend der gef\u00e4sslosen Zone des gelben Fleckes. Um den dunkeln Hof zeigt sich ein unbestimmt begrenzter genau kreisf\u00f6rmiger oder rhombischer heller Ring von Helmholtz 1 als LoEWi\u2019scher Ring bezeichnet.\nSieht man nach einer gleichm\u00e4ssig hellen Fl\u00e4che durch eine polarisirende Vorrichtung z. B. durch ein NicOL\u2019sches Prisma so erscheinen auf dem gelben Fleck die sogenannten HAiDiNGER\u2019schen B\u00fcschel. In weisser Beleuchtung zeichnen sich n\u00e4mlich heller als der Grund und bl\u00e4ulich gef\u00e4rbt zwei hyperbolisch jedoch verwaschen begrenzte Flecke aus. Die reelle Axe der Hyperbel, deren Mittelpunkt der fixirte Punkt ist, liegt senkrecht zur Polarisationsebene, so dass sich bei Drehung des Nicols vor dem Auge die ganze Erscheinung dreht. Um die Linie herum, in welcher die Polarisationsebene die Netzhaut schneidet, erscheint das Gesichtsfeld etwas dunkler und (in weisser Beleuchtung) gelblich gef\u00e4rbt. Die ganze Erscheinung umspannt einen Gesichtswinkel von etwa 4\u00b0.\nDa das Licht des hellen Himmels theilweise polarisirt ist, so nehmen manche Menschen die B\u00fcschel wahr, wenn sie nach dem blauen Himmel auch ohne polarisirende Vorrichtung sehen.\n1 Helmholtz, Physiol. Optik S. 419.","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234 Fick, Physiol. Optik II. 6. Cap. Anhang: Subjektive Lichterscheinungen.\nHelmholtz 1 versucht die Erscheinung zu erkl\u00e4ren durch die Annahme von Doppelbrechung in den Radialfasern des gelben Fleckes, welche hier etwas schr\u00e4g von allen Seiten gegen die Mitte verlaufen.\nWenn man nach l\u00e4ngerem B\u00fccken den Kopf wieder erhebt und nach einer gleichm\u00e4ssig hellen Fl\u00e4che sieht, so sieht man oft auf derselben zahlreiche kleine helle Ringelchen mit heller Mitte in verschlungenen Bahnen herumlaufen. Sie haben grosse Aehnlichkeit mit mikroskopisch gesehenen Blutk\u00f6rperchen. Dies hat wohl manche Autoren veranlasst, sie f\u00fcr eine Erscheinung der Blutk\u00f6rperchen in den Capillaren der Netzhaut zu halten. Die \u00fcbrigen Umst\u00e4nde namentlich die Vereinzelung der Ringelchen und die Form ihrer Bahnen verbieten indessen eine solche Erkl\u00e4rung entschieden.\n1 Helmholtz, Physiol. Optik S. 422.","page":234}],"identifier":"lit19185","issued":"1879","language":"de","pages":"139-234","startpages":"139","title":"Erster Theil: Physiologie des Gesichtssinns, Zweiter Theil: Die Lehre von der Lichtempfindung","type":"Book Section","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:04:30.409050+00:00"}