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{"created":"2022-01-31T13:57:13.954600+00:00","id":"lit19257","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Meyer, F.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 71: 466-471","fulltext":[{"file":"p0466.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage der Verweildauer von Fl\u00fcssigkeiten im Magen.\nVon\nF. Meyer, Bad Kissingen.\n'Aus d**r \u2022wjH'rimentellen biologischen Abteilung des k\u00f6niglichen pathologischen Instituts\nder Universit\u00e4t Berlin.)\n(Der Itedaktion zugegangen am tri. M\u00e4rz 1911.)\nIn ihren Arbeiten \u00fcber die Bewegungsreflexe des Magen-darnikanals und \u00fcber die Verweildauer von Fl\u00fcssigkeiten im Magen kommen Franz Best und Otto Cohnheim1) zu Resultaten, die den Gesamtergebnissen der bisher aus dem hiesigen Institut ver\u00f6ffentlichten Arbeiten zuwiderlaufen. Sowohl in der H. Roed er sehen Arbeit2) (Beitrag zur Motilit\u00e4t des Magens, Art h. f. Kinderheilk., Bd. LIII), in der Boeder die Elementarversuche mit einfachen L\u00f6sungen anstellt, sowie in der gemeinsam von mir3) mit H. Boeder ver\u00f6ffentlichten Arbeit \u00fcber die Verweildauer der Kissinger Mineralw\u00e4sser im Vergleich zu anderen Fl\u00fcssigkeiten im Magen kamen wir zu dem Ergebnis, da\u00df die Verweildauer abh\u00e4ngig sei 1. von der Temperatur und 2. von der molekularen Konzentration der L\u00f6sungen. Hyper und hypertonische L\u00f6sungen verlassen nach unseren Erfahrungen schneller den Magen als isotonische, sehr kalle Temperaturen regen die Motilit\u00e4t st\u00e4rker an als Temperaturen von Blutw\u00e4rme. Best und Cohnheim kommen nun in ihrer Arbeit zu dem entgegengesetzten Resultat, n\u00e4mlich da\u00df isotonische L\u00f6sungen rascher den Magen verlassen als reines Wasser und rascher als konzentrierte Salzl\u00f6sungen. Ferner geben sie an, da\u00df kalte und hei\u00dfe Temperaturen gar keinen Einflu\u00df auf die Motilit\u00e4t aus\u00fcben. Wie erkl\u00e4rt sieh diese auffallende Inkongruenz der Ergebnisse dieser Forscher mit unseren Versuchsresultaten. Ein Vergleich der Versuchsanordnung gibt dar\u00fcber sofort Aufschlu\u00df. Lest und Cohnheim haben eine andere Versuchstechnik gew\u00e4hlt wie wir. Sie experimentierten an einem Hund\n') Bes t und Cohn heim. Diese Zeitschrift. Bd. LXIX. S. 2.\n*) H. Boeder. Archiv f. Kinderheilkunde. Bd. LUI.\ns) F. Meyer und 11. Roeder. Berliner klinische W.. 1910. Nr. 20.","page":466},{"file":"p0467.txt","language":"de","ocr_de":"\u00ee ber die Verweildauer von Fl\u00fcssigkeiten im Magen. R>7\nmit Magenfistel und durchschnittenem Oesophagus. Die Durchschneidung des Oesophagus geschah, um durch Scheinf\u00fctterung die psychische Motilit\u00e4t zu ber\u00fccksichtigen, welche angeblich nach ihren Vorversuchen die Verweildauer der Fl\u00fcssigkeiten im Magen bestimmen sollte. Sie hatten gefunden, da\u00df Saufen und Durst die Magenbewegungen beschleunigten. Die zu untersuchende Fl\u00fcssigkeit wurde in ihren Versuchen von der Magenfistel aus in den Magen gespritzt und nach 10 Minuten die Testierende Fl\u00fcssigkeit aus der Fistel abgelassen. Durch die Scheinf\u00fctterung sollte der psychische Effekt gewahrt bleiben.\nGegen diese Versuchsanordnung haben wir in unserer fr\u00fcheren Arbeit schon Front gemacht, indem wir darauf hinwiesen und durch Versuche erwiesen, da\u00df in den \u00e4lteren diesbez\u00fcglichen Arbeiten der Duodenalreflex, welcher die Fort-Schaffung des Mageninhalts in den D\u00fcnndarm regelt, infolge des Abflie\u00dfens des Inhalts aus der Magenfistel nach au\u00dfen nicht angesprochen werden resp. in Aktion treten kann. Hatte doch v. Mehring1) schon auf dem Kongre\u00df f\u00fcr innere Medizin im Jahre 1807 zeigen k\u00f6nnen, da\u00df die Entleerung des Magens ungleich l\u00e4nger dauerte, wenn er den D\u00fcnndarm von der Fistel aus k\u00fcnstlich mit Fl\u00fcssigkeit anf\u00fcllte, als ohne die Anf\u00fcllung. Eine Arbeit von Gross2) in New York \u00fcber die direkte Berieselung des Duodenums beim Menschen wirft ein neues Licht auf diesen Regulationsmechanismus. Gross fand, da\u00df die mit Hilfe seiner Duodenalr\u00f6hre (eines langen, mit einer Blei- oder Silberkugel am Ende beschwerten Schlauches) in das Duodenum direkt eingegossene Fl\u00fcssigkeit nicht sofort in das Jejunum abflie\u00dft, sondern eine Zeitlang (3\u20145 Min.) je nach der eingef\u00fchrten Menge in dem Duodenum stehen bleibt, um dann sto\u00dfweise dem Jejunum zugef\u00fchrt zu werden. Dies, vermochte er auch r\u00f6ntgenologisch nachzuweisen. Es \u00fcbt nun w\u00e4hrend dieser Zeit die Fl\u00fcssigkeitss\u00e4ule einen gewissen direkten Reiz auf die Duodenalschleimhaut aus und regt sie zur Secretion an. Indem aber das Nahrungsgemisch solange im Duodenum verweilt, bis es die optimale Reaktion durch Zuflu\u00df der Secrete\n,\u2018) v. Mering. Verh. d. Kongr. f\u00fcr M., 1893 und 1897.\n*) Gross. M\u00fcnch, med. W.. Nr. 7. 1911","page":467},{"file":"p0468.txt","language":"de","ocr_de":"erhalten hat, wird zugleich der Duodenalreflex in der Verweilzeit durch die Menge und die chemische Beschaffenheit des fl\u00fcssigen Ghymus angesprochen und die Weiterbef\u00f6rderung des testierenden Mageninhalts geregelt.\nLm keinen Fehler durch St\u00f6rung des Duodenalreflexes zu haben, benutzten wir bei unseren Versuchen stets n\u00fcchterne Hunde, d. h. Iiere, die 24 Stunden nichts zu fressen bekommen hatten. Die Beobachtung der Entleerung der Fl\u00fcssigkeit in den Darm geschah durch eine in die Duodenalfistel eingeheilte Kan\u00fcle, die mit einem Glasr\u00f6hrchen und abklemmbaren Gummischlauch armiert wurde. Die Entnahme einer geringen Probe alle 2 Minuten von insgesamt h\u00f6chstens 25\u201430 ccm konnte bei der Gesamtmenge von 200 ccm Fl\u00fcssigkeitszufuhr nicht in Betracht kommen. Einigen Zweifel konnte jedoch die Nieht-ber\u00fccksiehtigung der psychischen Motilit\u00e4t hervorrufen. Best und Cohnheim legen, wie erw\u00e4hnt, gro\u00dfen Wert darauf. Sie nehmen an, da\u00df die Getr\u00e4nke, die dem Hunde nicht schmecken und mit der Sonde gegeben werden m\u00fcssen, blo\u00df durch diese psycho-physischen Vorg\u00e4nge l\u00e4nger im Magen zur\u00fcckgehalten werden, und experimentierten daher an oesophagotomierten Hunden. Um den Einflu\u00df der Psyche, wenigstens soweit der Geschmack durch das Saufen in Betracht kommt, auf die Motilit\u00e4t festzustellen, traf ich folgende Versuchsanordnung: Ich lie\u00df einen Duodenalfistelhund warme Fleischbouillon saufen und verglich die Entleerungszeit mit der Verweildauer derselben Menge von gleicher Bouillon, die ich dem Hund eingo\u00df. Einen Unterschied konnte ich nicht finden.\nVersuch 1. 200 ccm Bouillon von Rind 38\u00b0 gesoffen, Verweildauer 113\u20141*413 Uhr = 70 Min,\n200 ccm Bouillon von Rind 3H\u00b0 eingegossen. Verweildauer 12 55\u2014 27 Uhr = 72 Min.\nEine Wiederholung dieses Versuches an einem andern Versuchshunde ergab fast dieselben Entleerungszeiten.\nVersuch 2. 200 ccm Bouillon von Pferdefleisch mit Liebigs Extrakt 38\" gesoffen, Verweildauer 240\u201435fi Uhr = 70 Min.\n200 ccm Bouillon von Pferdefleisch mit Liebigs Extrakt 38\u00b0 eingegossen, Verweildauer F2'* \u2014 447 Uhr = 84 Min.","page":468},{"file":"p0469.txt","language":"de","ocr_de":"i\u2019b<T du* Verweildauer von Fl\u00fcssigkeiten im Magen. H)9\nIch habe auch doppelseitig intrathorakai vagotomierto Hunde zu denselben Versuchen herangezogen, in der Annahme. dal) auf dem Vaguswege psychische Vorg\u00e4nge fortgeleitet w\u00fcrden und die nerv\u00f6sen Vorg\u00e4nge damit ausge-schaltet seien.\nVersuch 3. 200 ccm Bouillon von Pferdefleisch\u2019mit Liebigs Heischextrakt 38\u00b0 eingegossen, Verweildauer von 2-\u20143* [Ihr-- 62 Min.\n200 ccm Bouillon von Pferdefleisch mit Liebigs Fleischextrakt 38\u00b0 gesoffen, Verweildauer von 3^\u20144*^ Uhr = 72 Min.\n(Hierbei ist aber zu bemerken, da\u00df das Saufen von 3**\u00b0_\u00e40 Uhr\ndauerte, mithin von den 72 Min. mindestens 10 Min. in Abzug zu bringen sind.) Auch bei diesem Hunde sind die Differenzen der Verweildauer nach Saufen oder Eingie\u00dfen unbedeutend. Indem ich also das psycho-physisehe Moment unber\u00fccksichtigt lassen konnte, habe ich nun, um die Unterschiede der Versuchsanordnung, bei welcher die Gesamtfl\u00fcssigkeitsmenge auf nat\u00fcrlichem Wege aus dem Magen in den Darm \u00fcbergeht gegen\u00fcber der \u00e4lteren fauch von Best und Cohn heim beliebten) zu zeigen, bei der die nach 10 Min. zu Rest im Magen gebliebene Fl\u00fcssigkeitsmenge nach au\u00dfen abgelassen wird, die Verweildauer von L\u00f6sungen bei Magenfistel- und Duodenallistel-hunden mit gleichtemperiertem Wasser von gleicher Menge verglichen. W\u00e4hrend Cohnheim und Best zu dem-Resultate kommen, da\u00df physiologische Kochsalzl\u00f6sung am schnellsten, Wasser langsamer und Kochsalzl\u00f6sung von 2\u00b0/o noch langsamer den Magen verlassen, kam ich zu folgenden Resultaten:\nVersuch I. Magenfistelhund.\nEs wurden eingegossen mittels Schlundsonde: 200 ccm physiologische Kochsalzl\u00f6sung von 37\" C. Verweildauer = 79 Min.\n200 ccm Wasser 37\u00b0 C. Verweildauer = 80 Min.\nVersuch 5. Duodenalfistelhund.\n200 ccm physiologische Kochsalzl\u00f6sung i37\u00b0C.) Verweildauer = 80 Min.\n200 ccm Wasser 37\" C. Verweildauer = 81 Min.","page":469},{"file":"p0470.txt","language":"de","ocr_de":"470\nF. Me ver. \u00ab\nVersuch \u00df. Magenfistelhund.\n200 ccm 2\u00b0/oige Kochsalzl\u00f6sung (370 C.) Verweildauer = 52 Min.\n200 ccm Wasser von 37\u00b0 C. Verweildauer = 76 Min.\nVersuch 7. Duodenallistelhund (erkrankt darauf).\n200 ccm 2\u00b0/'oige Kochsalzl\u00f6sung 37\u00b0 C. Verweildauer = *2 Min.\n200 ccm Wasser 37\u00b0 C. Verweildauer = 96 Min.\nAus diesen Versuchen, die sich mit unseren fr\u00fcheren Versuchen decken, ergibt sich zum mindesten, da\u00df 2\u00b0/oige Kochsalzl\u00f6sung keineswegs l\u00e4nger im Magen verweilt als Wasser oder gar als physiologische 0,9\u00d6/Vige Kochsalzl\u00f6sung, sondern meist schneller den Magen verl\u00e4\u00dft. Auch die Zuckerl\u00f6sungen habe ich hinsichtlich ihrer Verweildauer nachgepr\u00fcft und habe ich gefunden, da\u00df schwache Zuckerl\u00f6sungen schneller als Wasser den Magen verlassen, w\u00e4hrend st\u00e4rkere Zuckerl\u00f6sungen auffallend lange im Magen bleiben.\nVersuch 8. Duodenalfistelhund.\n150 ccm Wasser\t= 52 Min.\n150 \u00bb 2\u00b0/oige Zuckerl\u00f6sung = 25\nVersuch 9. 200 ccm Wasser von 37\u00b0 C. = 66 Min.\n200 ccm 8\u00b0 uige Zuckerl\u00f6sung - 37\u00b0 C. = 122\t>\nDieselben Resultate fand Herr Katsch in unserem Institut. der diese Resultate mit anderen Versuchen in seiner Dissertation zusammenstellen wird. Mit diesen Ergebnissen stimmen auch die Resultate von Rest und Cohn he im insofern \u00fcberein, als sie ebenfalls ein auffallend langes Verweilen der isotonischen Zuckerl\u00f6sung erkennen lassen, w\u00e4hrend sie bei den niedrigen Zuckerl\u00f6sungen keinen Unterschied gegen\u00fcber der Verweildauer von Wasser gesehen haben wollen. Ihre Versuchsanordnung gibt jedoch nur Aufschlu\u00df \u00fcber die St\u00e4rke der Anregung der Motilit\u00e4t w\u00e4hrend der ersten 10 Minuten nach Kinspritzen der L\u00f6sung oder Fl\u00fcssigkeit in den Magen, keineswegs aber \u00fcber die Verweildauer der Gesamt fl\u00fcssigkeitsmenge im Magen. Nicht durch die Au\u00dferachtlassung der psychophysiologischen Vorg\u00e4nge zu Beginn der Nahrungsaufnahme","page":470},{"file":"p0471.txt","language":"de","ocr_de":"LVr die Verweildauer von Fl\u00fcssigkeiten im Magen 171\nkonnten wir zu anderen Resultaten kommen, sondern durch die gr\u00f6\u00dfere Anpassung an die nat\u00fcrlichen Yerh\u00e4ltni sse. Die Frage, wieweit der Hunger die Versuchsergebnisse beeinflusse, schied nach den oben gemachten Mitteilungen von vornherein aus. da wir ja stets nur mit n\u00fcchternen Tieren experimentierten. Was sonst die psychische Beeinflussung anbetrifft, so zeigen die angef\u00fchrten Versuche mit Bouillon, welch letztere wir abwechselnd saufen lie\u00dfen und eingossen, keine Verz\u00f6gerung. Es mag also die von Best und C\u00f6hnheim angef\u00fchrte Beschleunigung der Magenbewegungen durch Saufen gegen\u00fcber dem Eingie\u00dfen f\u00fcr den Beginn der Entleerung zu Recht bestehen. auf den Gesamtablauf hat sie keinen Einflu\u00df. Wir zweifeln nicht, da\u00df f\u00fcr die Secretion der Einflu\u00df von Unlust-und Lustgef\u00fchlen gar wohl in Betracht kommt, wie ja schon fr\u00fcher Bickel den Kinflu\u00df psychischer Prozesse auf die Magen-secretion im Experiment nachgewiesen hat. Von einer ausgesprochenen \u00abpsychischen Motilit\u00e4t \u00bb k\u00f6nnen wir aber wohl nicht sprechen. Wenn wir nach alledem unsere Versuchsergebnisse mit denen von Best und Cohnheim in Vergleich setzen, so ergibt sich daraus ganz unzweifelhaft die Tatsache, da\u00df durch vor\u00fcbergehende psycho-physiologische Einfl\u00fcsse bei der Nahrungsaufnahme der Begi nn der Moti 1 it\u00e4tskurve mit-bestimmt wird, da\u00df aber auf die gesamte Verweildauer der Fl\u00fcssigkeit im Magen, also auf die L\u00e4ngt; der Kurve das fragliche Moment keinen Einflu\u00df hat. Wir' werden aber \u00fcber die Motilit\u00e4tsfrage nicht eher zu endg\u00fcltigen Zahlen kommen und zu einer Verst\u00e4ndigung gelangen, bis nicht der W7ert der alten und neuen Methodik gegeneinander, abgegrenzt ist. \u2022 Diese Abgrenzung mit herbeizuf\u00fchren, war der Zweck der vorliegenden Untersuchungen.","page":471}],"identifier":"lit19257","issued":"1911","language":"de","pages":"466-471","startpages":"466","title":"Zur Frage der Verweildauer von Fl\u00fcssigkeiten im Magen","type":"Journal Article","volume":"71"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:57:13.954606+00:00"}