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{"created":"2022-01-31T14:00:24.881131+00:00","id":"lit19311","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Trier, Georg","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 73: 383-388","fulltext":[{"file":"p0383.txt","language":"de","ocr_de":"Amino\u00e4thylalkohol, ein Produkt der Hydrolyse des \u00ab Lecithins \u00bb (Phosphatide) der Bohnensaitien.\nVon\t\u2022 .\nGeorg Trier.\n(Aus dom agrikulturchemischen Laboratorium des Polytechnikums in Z\u00fcrich.)\n(Der Redaktion zugegangen am 2. Juli 1911.)\n*\nIn einer schon vor einiger Zeit unter Leitung von Prof. E. Schulze begonnenen Untersuchung hatten wir uns die n\u00e4here Erkenntnis der Zusammensetzung der in . den Bohnensamen (Phaseolus vulgaris), wie in anderen Pflanzensamen vorkommenden fetl\u00e4hnlichen, Phosphor und Stickstoff enthaltenden Substanzen, die man jetzt als Phosphatide zu bezeichnen pflegt, zum Ziele gesetzt.\nDie Resultate dieser Arbeit werden sp\u00e4ter, wenn dieselbe einem gewissen Abschlu\u00df zugef\u00fchrt worden ist, im Zusammen-^ hang ver\u00f6ffentlicht werden. Hier will ich. nur \u00fcber ein Ergebnis berichten, das eines allgemeineren Interesses nicht zu entbehren scheint.\t\\\t\u2022\nDas Lecithin (Phosphatid) war aus Rohnensamen nach dem im hiesigen Laboratorium \u00fcblichen und des \u00f6fteren beschriebenen1) Verfahren dargestellt und gereinigt worden. Bei der in zweckm\u00e4\u00dfiger Weise ausgef\u00fchrten Spaltung mit Barythydrat wurde aus einer Fraktion2) des aufgearbeiteten Hydro-lysats das salzsaure Salz einer Base isoliert, die sich; sowohl vom Cholin, wie von dessen Zersetzungsprodukten Trimethylamin oder Neurin deutlich unterscheidet. Es stellte sich heraus, da\u00df es sich um das salzsaure Salz des A m i n o \u00e4 t h y 1 a 1 k o h o 1 s handelt.\t\u2022\n*) E. Schulze, \u00dcber die zur Darstellung von Leiithin und anderen Phosphatiden aus Pflanzensamen verwendbaren Methoden. Diese Zeitschrift. Bd. LV, S. 338.\n*) In anderen Fraktionen wurde Cholin nachgewiesen.","page":383},{"file":"p0384.txt","language":"de","ocr_de":"384\tGeorg Trier,\nDurch Versetzen der w\u00e4sserigen Losung des salzsauren Salzes mit starker Salzs\u00e4ure und Goldchloridl\u00f6sung wurde nach l\u00e4ngerem Stehen im Exsikkator ein sehr sch\u00f6n krystallisierendes Goldsalz erhalten. Ein einzelner Krystall erreichte eine L\u00e4nge von \u00fcber 1 cm. Das leicht l\u00f6sliche Goldsalz wurde sorgf\u00e4ltig ausgewaschen.\n0,3023 g gaben nach dem Ausf\u00e4llen des Golds durch Schwefelwasserstoff und Gl\u00fchen des Goldsulfids 0,1490 g Gold, entsprechend 49,29 \u00b0/o Au.\nF\u00fcr Amino\u00e4thylalkoholchloraurat CfLNHjHCJ \u2022 Au CI,\n; I \u25a0'\nCH, OH\nberechnet sieh Au = 49,17 \u00b0/o.\n(Trimethylaminehloraurat, sowie Chloraurate isomerer Basen w\u00fcrden 19,44 \u00b0/o Au verlangen. Es sei ausdr\u00fccklich darauf hingewies\u00e9n, da\u00df leichtfl\u00fcchtige Basen bei der Zersetzung des Lecithins (Phosphatids) \u00fcberhaupt nicht entstanden waren, wie durch die Versuchsan\u00f6rdnung mit Sicherheit festgestellt werden konnte.)\nDas Goldsalz schmolz olrne Zersetzung unter vorhergehendem Erweichen. Zwischen 186\u2014187\u00b0 schien es vollkommen zusammengeschmolzen zu sein.\nDas Chloraurat des Amino\u00e4thylalkohols beschreibt Knorr1) in folgender Weise: \u00abDas Chloraurat krystallisiert aus seiner konzentrierten w\u00e4sserigen L\u00f6sung in langen Nadeln, die im polarisierten Licht schiefe Ausl\u00f6schung zeigen, also optisch zweiachsig sind. Es schmilzt unter vorhergehendem Sintern bei ca. 190\u00b0.\u00bb\nDie leichte L\u00f6slichkeit der Salze in Wasser bewog Knorr, nach einer S\u00e4ure zu suchen, die mit dem Amino\u00e4thylalkohol ein schwer l\u00f6sliches Derivat bildet. Er fand diese S\u00e4ure in der in jener Arbeit zum ersten Male beschriebenen Pikrolon-s\u00e4ure, die bekanntlich seither als Basenf\u00e4llungsmittel eine weite Verbreitung gefunden hat.\nZum Vergleich mit dem aus dem Bohnensamenphosphatid\nn Ber. d. Deutsch, chem. Ges., Bd. XXX, S. 910.","page":384},{"file":"p0385.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Amino\u00e4thylalkohol.\t385\ngewonnenen Pr\u00e4parat, stellte ich Amino\u00e4thylalkohol synthetisch nach der von Knorr1; verbesserten Methode von Wurtz*) dar. Es wurde \u00c4thylenoxyd mit reichlich \u00fcbersch\u00fcssiger Ammoniakl\u00f6sung behandelt und die eingedunstete L\u00f6sung einer zweimaligen fraktionierten Destillation unterworfen: Es wurde nur die bei 160\u2014165\u00b0 bei 718 mm Druck \u00fcbergangene Fraktion ber\u00fccksichtigt.\nDas salzsaure Salz der synthetischen Base stimmte in bezug auf Gestalt, Hygroskopizit\u00e4t und Reaktion mit dem aus dem analysierten Goldsalz regenerierten salzsauren Salz \u00fcberein.\nDas Goldsalz der synthetischen Bas\u00e9 wurde nicht wie von Knorr in w\u00e4sseriger L\u00f6sung, sondern bei Gegenwart von starker Salzs\u00e4ure krystallisieren gelassen. Es schied sich nach l\u00e4ngerem Stehen \u00fcber Schwefels\u00e4ure in gro\u00dfen Krystallen aus, die den aus dem Phosphatid gewonnenen vollkommen glichen. Sie schmolzen auch in der gleichen, oben beschriebenen Weis\u00e9 und zeigten im Gemisch mit dem nat\u00fcrlichen Pr\u00e4parat nicht die geringste Schmelzpunktdepression.\nDie salzsauren Salze der nat\u00fcrlichen, wie der synthetischen Base verhielten sich Alkaloidreagentien gegen\u00fcber, soweit gepr\u00fcft werden konnte, in gleicher Weise.\nZum Zweck einer krystallograpbischen Vergleichung mit dem synthetischen Pr\u00e4parat wurde das salzsaure Salz der nat\u00fcrlichen Base wieder in das Chloraurat \u00fcbergef\u00fchrt. Von diesem wurde wieder ein gr\u00f6\u00dferer Krystaff erhalten; der aber hinsichtlich der Fl\u00e4chenausbildung gegen\u00fcber dem zuerst erhaltenen betr\u00e4chtlich zur\u00fcckstand. Herr Prof. Dr. U. Grubenmann, der die gro\u00dfe Freundlichkeit hatte, die vergleichende kry-stallographische Untersuchung auszuf\u00fchren, teilte uns hier\u00fcber folgendes mit:\n\u00abDie Untersuchung der beiden Substanzen hat ergeben, da\u00df dieselben identisch sein d\u00fcrften. Sie zeigen beide gleiche krystallographische Entwicklung: (110), (010) mit unsicherer Endabgrenzung (vielleicht [111] und [011]); auf dem Prisma l\u00f6schen sie mit 24\u00b0 schief aus und lassen denselben pleo-\n\u2018) 1. c., siehe auch D. R. P. Nr. 97102.\n2) Liebigs Annalen, Bd. 114, S. 51.\t\u2019\t:","page":385},{"file":"p0386.txt","language":"de","ocr_de":"386\tGeorg Trier,\nchronischen Farbenwechsel von gelb nach orange erkennen. Krystallsystem : monoklin oder triklin. \u00bb\nDie Fraktion, aus welcher der Amino\u00e4thvlalkohol isoliert wurde, enthielt etwa l'.i der gesamten im \u00abLecithin\u00bb enthaltenen Stickstoffmenge. Da sie au\u00dferdem nur ganz wenig Cholin enthalten konnte, so ist es leicht m\u00f6glich, da\u00df das Phosphatid betr\u00e4chtliche Mengen des Aminoalkohols einschlo\u00df und da\u00df bei dahinzielendem Verfahren die geringe Ausbeute an diesem Hydrolysenprodukt wird wesentlich gesteigert werden k\u00f6nnen.\nIn seinem Buche1) \u00abDie chemische Konstitution des Gehirns des Menschen und der Tiere\u00bb beschreibt Thud ich um (S. 145) eine Zersetzung des von ihm Kephalin genannten Phos-phatids mit Barythydrat. Dabei erhielt er neben Cholin (von ihm als Neurin bezeichnet) zwei Basen, von denen er es unentschieden lie\u00df, ob sie als sekund\u00e4re Spaltungsprodukte (aus Cholin gebildet) oder als in einem Teil des Kephalins pr\u00fc-formiert anzusehen seien.\nDer einen in Form des Platinsalzes isolierten, gibt er die approximative Formel C5H14N20 \u2022 HClPtCl4, die andere wild in folgender AVeise beschrieben: * Aus dem Alkohol, welcher das Neurin (= Cholin) geliefert hatte, wurde eine kleine Menge eines krvstallisierenden Platinsalzes erhalten, welches nach dem \u00dcihkryslallisieren bei \u2022 der Analyse die folgenden Verh\u00e4ltnisse der Elemente ergab.\u00bb (Folgt die Analyse.) \u00abDaraus kann man die Formel 2(C2H7NO \u2022 HCl) -}- PtCl4 berechnen. Man k\u00f6nnte die im Salz enthaltene Base als Dimethvlamin betrachten, in welchem das dritte Atom Wasserstoff durch Hydroxyl vertreten ist; oder man k\u00f6nnte es auch als Oxethylamin erkl\u00e4ren, also als einen aus Neurin durch den Verlust von drei Radikalen Methyl und einem Radikal Wasser gebildeten K\u00f6rper.\u00bb\nDie Angaben Thudichums sind sp\u00e4ter bestritten worden. W. Koch2) schlie\u00dft aus seinen N-Methylbestimmungen nach der Methode von Herzig und Meyer, da\u00df das Kephalin kein Cholin, dagegen Monomethyloxy\u00e4thylamin enthalte. Es gelang\n'i T\u00fcbingen 1901, Verlag von Fr. I\u2019ietzcker.\nf Diese Zeitschrift. Bd.;:36,\u2018S. 137 : ltd. 37. S. 181.","page":386},{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Amino\u00e4thylalkohol.\t'387\nihm jedoch nicht, die Verbindung (Platinsalz) in reiner Form zu fassen. Fr\u00e4nkel und seine Mitarbeiter Neubauer1) und Dimitz2) best\u00e4tigen die Angaben Kochs, doch haben auch sie keine stickstoffhaltigen Produkte bei der Hydrolyse des Kephalins zu charakterisieren vermocht, w\u00e4hrend Cousin3) im Kephalin hingegen nur Cholin fand und die von Thudichum beschriebenen Nebenbasen als Zersetzungsprodukte des Cholins betrachtet.\nDer Amino\u00e4thylalkohol ist offenbar die Muttersubstanz des Gholins und d\u00fcrfte im Molek\u00fcl der als Lecithin, Lecithane oder Phosphatide bezeichnten fett\u00e4hnlichen Stoffe eine \u00e4hnliche Funktion versehen wie das Cholin, das als alkoholischer, mit der Glycerinphosphors\u00e4ure veresterter Bestandteil dieser Verbindungen angesehen wird.\nSeitdem vor kurzem gezeigt worden ist,4) da\u00df das in gewissen Pflanzen aiiftretende Stachydrin das vollkommen me-thylierte Derivat des als Eiwei\u00dfspaltungsprodukt st\u00e4ndig beobachteten a-Prolins darstellt, mu\u00df man, insbesondere im Hinblick auf das weitverbreitete Betain,5) die Methylierung stickstoffhaltiger Spaltungsprodukte von Eiwei\u00dfstojfen usw. als einen allgemeiner im Pflanzenreich auftretenden Vorgang betrachten. Es kann nun auch f\u00fcr das Cholin, das wir in jedem Pflanzenextrakt antreffen,6) eine derartige Beziehung aufgestellt werden, indem wir es als durch vollkommene Methylierung des Amino-\u00e4thylalkohols entstanden ansehen.\n\u2018) Biochem. Zeitschrift, Bd. 21. S. 32*1.\n*) Biochem. Zeitschrift, Bd. 21. S. 343.\n5) Joum. Pharm, et Ohim. [<>], Bd. 25, S.. 177.\n<) E. Schulze und G. Trier, Diese Zeitschrift. Bd. 5p, S. 233; Bd. 67. S. 46 u. 53. \u2014 Ber. d. Deutsch, them. Ges., Bd. 42, S. 4654\n\u25a0) Hier ist auch einer in j\u00fcngster Zeit erschienenen Mitteilung von Komburgh (Koninkl. Akad. van Wetensch. Amsterdam. Ref Chemisches Zentralblatt, 1911. Bd. 1, S. 15-18) zu gedenken, wonach das von Greshoff im Jahre 1890 entdeckte Hypaphorin als das\u2018\u00abBetain* des Tryptophans zu betrachten sein d\u00fcrfte.\n'\u2022) Wenigstens ist im hiesigen Laboratorium von E. Schulze und seinen Mitarbeitern Cholin bis jetzt in allen darauf Untersuchten Fflanz\u00bbn-\u00abxtrakten nachgewiesen worden, wie mitzuteilen mich Herr l\u2019rof. \u00c9 Schu l ze m freundlichster Weise autorisiert hat.","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"388\nG e or g T ri er, \u00dcber Amino\u00e4thylalkohol.\nWir haben gelegentlich der .\u00ab Betrachtungen \u00fcber die Bedeutung der Alkaloide und \u00fcber ihre Entstehung in den Pflanzen\u00bb,1] wiederholt Gelegenheit gehabt, darauf hinzuweisen, welche Bedeutung der sogenannten Cannizzaroschen Aldehydreaktion f\u00fcr die Bildung einfacher wie komplizierter Pflanzenbasen zukommen k\u00f6nnte. So ist auch eine Hypothese aufgestellt worden,2] welche die gemeinsame Abstammung des Cholins wie des Betains aus Formaldehyd \u00fcber Glykolaldehyd und Aminoacet\u00e4ldehyd durch Umwandlung dieses letzteren nach der Cannizzaroschen Reaktion in Amino\u00e4thylalkohol und Aminoessigs\u00e4ure erkl\u00e4ren sollte. Diese Hypothese ist nunmehr durch zwei Tatsachen gest\u00fctzt worden. Einmal ist es gelungen, wie eben gezeigt wurde, den Amino\u00e4thylalkohol im Pflanzenreich nachzuweisen, anderseits ist von zwei verschiedenen Seiten, kurz nach Erscheinen unseres B\u00fcches, das Vorkommen von Fermenten (freilich bis jetzt nur in tierischen Organen) nachgewiesen worden, welche die Gannizzarosche Umlagerung stickstofffreier Aldehyde bewirke^ beziehungsweise beschleunigen. Ich verweise auf die sch\u00f6nen Arbeiten von J. Parnas,3) sowie von F. Battelli und Fr\u00e4ulein L Stern.4)\nIch betrachte es als meine n\u00e4chste Aufgabe, den Amino\u00e4thylalkohol auch in anderen Phosphatiden aufzusuchen. Sodann werde ich bem\u00fcht sein, f\u00fcr die oben skizzierte Hypothese \u00fcber die gemeinsame Genese von Amino\u00e4thylalkohol Und Gly-kokoll, sowie ihrer quatern\u00e4ren Derivate Cholin und Betain experimentelle St\u00fctzen zu finden;\n') E. Winterstein und G. Trier, Die Alkaloide, Berlin 1910, Gebr\u00fcder Borntr\u00e4ger.\n*) Die Alkaloide, S. 311.\n*) Biochem. Zeitschrift, Bd. 28. S. 274.\n4) Biochem. Zeitschrift, Bd. 29, S. 130.","page":388}],"identifier":"lit19311","issued":"1911","language":"de","pages":"383-388","startpages":"383","title":"Amino\u00e4thylalkohol, ein Produkt der Hydrolyse des \"Lecithins\" (Phosphatids) der Bohnensamen","type":"Journal Article","volume":"73"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:00:24.881137+00:00"}