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{"created":"2022-01-31T14:08:37.214083+00:00","id":"lit19403","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Strunk, H.","role":"author"},{"name":"H. Prie\u00df","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 76: 136-144","fulltext":[{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage des sulfitartig gebundenen Schwefels in der Wolle.\nVon\nKorpsstabsapotheker Dr. H. Strunk und Einj.-freiw. Milit\u00e4rapotheker Dr. H. Prie\u00df.\n(Aus dem Medizinischen Untersuchungsamt bei der Kaiser Wilhelms-Akademie in Berlin., (Der Redaktion zugegangen am 17. Oktober 1911.)\nDurch die Untersuchungen von K. A. H. M\u00f6rner1) \u00fcber die Bindung des Schwefels in den Proteinstoffen ist der Nachweis erbracht Worden, da\u00df in dem Keratin der Haare s\u00e4mtlicher Schwefel in der Form von Cystin enthalten ist. Auf Grund dieses Ergebnisses mu\u00dfte die \u00e4ltere Annahme, da\u00df in den Eiwei\u00dfk\u00f6rpern zwei verschieden gebundene Schwefelatome enthalten seien, das eine in Form des Schwefelwasserstoffs, das andere in nicht abspaltbarer, vielleicht h\u00f6her oxydierter Form,2) aufgegeben werden.\nNeuerdings hat nun N. P. Rai ko w3) in seinen Arbeiten \u00ab\u00dcber den Zustand des Schwefels in den Eiwei\u00dfk\u00f6rpern\u00bb und \u00ab\u00dcber die Existenz von an Sauerstoff gebundenem Schwefel in der Wolle\u00bb nachzuweisen versucht, da\u00df beim Behandeln einer von ihm untersuchten Wolle mit sirup\u00f6ser Phosphors\u00e4ure schon bei gew\u00f6hnlicher Temperatur Schwefeldioxyd frei wird. Den Ausf\u00fchrungen Raikows ist schon E. Grandmougin4) entgegengetreten, der bei seinen Nachpr\u00fcfungen niemals die Abspaltung von schwefliger S\u00e4ure beim Behandeln von Wolle mit sirup\u00f6ser Phosphors\u00e4ure feststellen konnte. Anderseits sind die Angaben Raikows von 0. Baudisch5) in seiner Arbeit\n') Diese Zeitschrift, Bd. 28, S. 595 (1895), u. Bd. 34, S. 207 (1901). \u00abCystin, ein Spaltungsprodukt der Hornsubstanzen\u00bb und \u00abZur Kenntnis der Bindung des Schwefels in den Proteinstoffen\u00bb.\n*) \u00d6. Cohnheim, Chemie der Eiwei\u00dfk\u00f6rper, III. Auf!., S. 81.\n'*) Chem. Ztg., 1905, S. 900, u. 1907, S. 539.\n4) Chem. Ztg., 1907, S. 174.\n\u2022) Chem. Ztg., 1908, S. 620.","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber sulfitartig gebundenen Schwefel in der Wolle. 137\n'Zur Kenntnis des Schwefels im Keratinmolek\u00fcl\u00bb nkchgepr\u00fcft und in vollem Umfange best\u00e4tigt worden.\nDie Beobachtungen Raikows sind in die Lehrb\u00fccher von Hammarsten1) und R\u00f6ttger2) \u00fcbernommen worden, und es wird auch an diesen Stellen die Ansicht vertreten, ein Teil des Schwefels st\u00fcnde im Keratin wahrscheinlich in direkter, sulfitartiger Bindung zum Sauerstoff.\nAls wir vor einiger Zeit ein Verfahren auszuarbeiten hatten, um in Wolle (Milit\u00e4rtuchen) geringe Mengen schwefliger S\u00e4ure nachzuweisen, waren wir gezwungen, uns mit den Beobachtungen Raikows zu besch\u00e4ftigen. Wir hatten n\u00e4mlich gefunden, da\u00df die in den Tuchen nachgewiesene schweflige S\u00e4ure in einem bestimmten Falle die Ursache f\u00fcr die Entstehung von Schwefelwasserstoff gewesen war, wodurch die Metallkn\u00f6pfe der noch ungebrauchten Bekleidungsst\u00fccke w\u00e4hrend des Lagerns auf den Vorratskammern der Truppenteile angegriffen worden waren und einen dichten \u00dcberzug von Kupfersullid und dessen Oxydationsstufen erhalten hatten. Der Schwefelwasserstoff entstand hierbei durch Aufspaltung des Keratin-molek\u00fcls mit Schwefels\u00e4ure und diese wieder durch die Oxydation der Vorhandenen schwefligen S\u00e4ure.\nDa\u00df in diesem Falle die schweflige S\u00e4ure sicher nicht als normaler Bestandteil der Wolle angesprochen werden konnte, stand au\u00dfer Zweifel, da die Beobachtung \u00fcber die Ver\u00e4nderung dor Kn\u00f6pfe an anderen Bekleidungsst\u00fccken vorher nicht gemacht worden war. Wir bestimmten die schweflige S\u00e4ure, indem wir 400 qcm Tuch mit 200 ccm l\u00b0/oiger Phosphors\u00e4ure bei kleiner Flamme der Destillation im Kohlens\u00e4urestrom unterwarfen und die \u00fcbergehende schweflige S\u00e4ure in Jodl\u00f6sung leiteten. Bei gleicher Versuchsanordnung konnten wir in einem anderen Tuch derselben Art, ebenso wie in zwei verschiedenen Proben ungef\u00e4rbter Naturwolle keine Spur von schwefliger S\u00e4ure nachweisen.\nImmerhin war es aber doch notwendig, die Frage sicher m stellen, ob in der Wolle sulfitartig gebundener Schwefel\n') Lehrbuch der physiologischen Chemie, 6. Aufl., 1907.\n*) Lehrbuch der Nahrungsmittelchemie, 4. Aufl., 1810.","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nH. Strunk und H. Prie\u00df,\n\u00fcberhaupt enthalten ist, der mit Phosphors\u00e4ure unter Umst\u00e4nden in dieser Bindung abgespalten werden kann. Wir glaubten die erforderlichen Untersuchungen auch besonders deshalb von neuem aufnehmen zu m\u00fcssen, weil sowohl Rai ko w wie auch Baudisch, nach ihren Angaben die schweflige S\u00e4ure nur durch den Geruch nachgewiesen haben.\nDie von uns untersuchte Wolle entnahmen wir einmal dem Vliese eines frisch geschlachteten Schafes, ein andermal einer Berliner Wollhandlung, die uns die Ware als inl\u00e4ndische Schwei\u00dfwolle bezeichnete. In beiden F\u00e4llen war die Wolle reichlich schmutzig. Sie wurde zur Entfernung der Kotmassen mit Wasser l\u00e4ngere Zeit gewaschen und nachher mit Benzin vom Fett befreit. In diesem Zustande wurden die beiden Proben zu der von Ra\u00fccow beschriebenen Untersuchung auf abspaltbares Schwefeldioxyd verwandt.\nEs hat sich nun in der Tat ergeben, da\u00df aus beiden Wollproben durch sirup\u00f6se Phosphors\u00e4ure schon bei gew\u00f6hnlicher Temperatur etwas schweflige S\u00e4ure freigemacht wurde. Nur war die Menge so gering, da\u00df wir das Zehnfache der von Raikow angegebenen Wollmengen benutzen mu\u00dften, um einen sicheren Nachweis des Schwefeldioxyds erbringen zu k\u00f6nnen. F\u00fcr die Ermittelung der Menge der freiwerdenden schwefligen S\u00e4ure wurde ein Versuch mit der Schwei\u00df wolle in folgender Weise angestellt. 300g gewaschene und entfettete Wolle wurden in einer Flasche von 5 1 Inhalt mit 3 kg Phosphors\u00e4ure von ca. 84\u00b0 o \u00fcbergossen. Mittels Kohlens\u00e4ure wurde durch einen doppelt durchbohrten Stopfen die Luft aus der Flasche vollst\u00e4ndig verdr\u00e4ngt. Das Zuleitungsrohr wurde dabei bis auf den Boden gef\u00fchrt. Die gut verschlossene Flasche wurde genau nach den Angaben Raikows 4 Wochon beiseite gestellt. In dieser Zeit hatte sich die Wolle fast vollst\u00e4ndig zu einem dicken, schwarz-braunen Brei aufgel\u00f6st. Mittels Kohlens\u00e4ure wurde das dar\u00fcber stehende Gas, an dem ein \u00dcberdruck nicht zu erkennen war, langsam durch eine stark gek\u00fchlte, mit wenig Salzs\u00e4ure versetzte L\u00f6sung von Baryumchlorid und nachfolgend durch eine Jodl\u00f6sung von bekanntem Gehalt geleitet.\nNach Zusatz von Bromwasser im \u00dcberschu\u00df entstand eine","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber sulfitartig gebundenen Schwefel in der Wolle. 139\nK\u00e4llung von Baryumsulfat. Gefunden wurden 0,0186 BaS04 = 0,0051 S02. Der Gehalt der Jodl\u00f6sung war unver\u00e4ndert geblieben.\nDa nach den Raikowschen Angaben beim l\u00e4ngeren Stehen von neuem der Geruch nach Schwefeldioxyd auftreten sollte, so wurde nach weiteren 6 Wochen wiederum der Versuch gemacht, die entstandene Menge zu bestimmen. Mit R\u00fccksicht darauf, da\u00df die geringen Mengen Baryumsulfat, die bei dem ersten Versuch gefunden wurden, m\u00f6glicherweise von einer lliichtigen Schwefelverbindung herr\u00fchren konnten, die beim behandeln mit Bromwasser Schwefels\u00e4ure lieferte, wurde der Nachweis des Schwefeldioxyds diesmal mit Strontiumacetat ausgef\u00fchrt. Die Versuchsanordnung war dieselbe. Es bildete sich beim Durchleiten des Gases durch 2 ccm einer 10\u00b0/oigen Strontiumacetatl\u00f6sung alsbald der f\u00fcr S02 charakteristische Niederschlag. Mit n/io-Jodl\u00f6sung wurde das gesamte in der Vorlage befindliche S02 gemessen und zu 0,0013 g gefunden.\nDemnach belief sich die Menge des aus 300 g Wolle mit sirup\u00f6ser Phosphors\u00e4ure innerhalb 10 Wochen abspaltbaren Schwefeldioxyds insgesamt auf 0,0064 g.\nWenn nun auch die Raikowschen Angaben durch unseren Versuch bis zu einem gewissen Grade best\u00e4tigt worden sind, so glauben wir doch nicht, da\u00df aus den geringf\u00fcgigen Mengen schwefliger S\u00e4ure geschlossen werden darf, in der Wolle sei normalerweise ein Teil des Schwefels in sulfitartiger Bindung vorhanden. Der gesamte Schwefelgehalt dieser Wollprobe betrug 3,63 \u00b0,o. Der sulfitartig gebundene Teil entsprach demnach nur 1 im des \u00fcberhaupt vorhandenen. Bei diesem Zahlenverh\u00e4ltnis i^t man eher geneigt, der Annahme Grandmougins zuzustimmen, da\u00df dieser sulfitartig gebundene Schwefel auf irgend eine Weise von der Wolle nachtr\u00e4glich aufgen\u00f6mmen worden sein d\u00fcrfte. Es braucht aber wohl nicht besonders betont zu werden, da\u00df w\u00e4hrend der Versuche jede Ber\u00fchrung der Wolle mit schwefliger S\u00e4ure peinlichst vermieden wurde.\nW7ir haben nun eine andere Ursache f\u00fcr das Vorhandensein so geringer Mengen schwefliger S\u00e4ure gefunden, und es ist uns auch gelungen, auf experimentellem W^ege eine beledigende Erkl\u00e4rung f\u00fcr die Entstehung zu geben.","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nH. Strunk und H. Prie\u00df,\nVon den Schwefel Verbindungen, die dem Wollkleid des Schafes unter gew\u00f6hnlichen Verh\u00e4ltnissen zug\u00e4nglich sind, schien uns der Schwefelwasserstoff f\u00fcr die Entstehung von sulfitartigen Schwefelbindungen zun\u00e4chst in Frage zu kommen. Die Wolle hat, solange sie vom Schafe getragen wird, oft Gelegenheit, mit diesem Gase in Ber\u00fchrung zu kommen, sei es in den St\u00e4llen, in denen der D\u00fcnger meistens lange Zeit liegen bleibt, oder auch \u00fcberall dort, wo der an dem Wollstoff klebende Kot langsamer Zersetzung unterliegt. Wir entschlossen uns, deshalb, zu untersuchen, ob das Vorkommen von sulfitartig gebundenem Schwefel auf eine vorhergegangene Einwirkung von Schwefelwasserstoff zur\u00fcckgef\u00fchrt werden kann.\nDie Schafwolle hat die Eigenschaft, betr\u00e4chtliche Mengen Schwefelwasserstoff aufnehmen zu k\u00f6nnen. Bringt man gut entfettete und trockene Wolle in ein Gef\u00e4\u00df, aus dem man alle Luft durch Schwefelwasserstoff verdr\u00e4ngt hat, so nimmt die Wolle innerhalb weniger Tage eine eigelb\u00e4hnliche F\u00e4rbung an. Es liegt dann offenbar eine Verbindung von Keratin mit Schwefelwasserstoff vor, die hinsichtlich der Farbe den Polysulfiden gleicht. Zwar haben G. v. Georgievics und Pollak1) selbst f\u00fcr starkeS\u00e4uren, wie Salzs\u00e4ure und Schwefels\u00e4ure, angenommen, da\u00df sie bei der Einwirkung auf Wolle eine einfache Salzbildung nicht verursachen, und da\u00df ihre Aufnahme als ein Adsorptionsvorgang aufzufassen sei. Aber man wird bei der Einwirkung des Schwefelwasserstoffs auf Wolle andere Verh\u00e4ltnisse annehmen m\u00fcssen, weil die erw\u00e4hnte eigelbfarbene Verbindung durchaus keinen Geruch nach Schwefelwasserstoff zeigt. Bringt man die mit Schwefelwasserstoff ges\u00e4ttigte Wolle in ein durch Chlorcalcium trocken gehaltenes Gef\u00e4\u00df, in dem sich auch etwas Bleioxyd befindet, so wird jede Spur etwa noch lose anhaftenden Schwefelwasserstoffs durch das Bleioxyd gebunden. Der Schwefelgehalt bleibt alsdann konstant, so lange man den Sauerstoff der Luft durch ein indifferentes Gas, z. B. Wasserstoff, fern h\u00e4lt. Sobald Sauerstoff zu der Wolle Zutritt hat, beginnt die Oxydation des Schwefelwasserstoffs.\n*) Sitzung d. Akad. d. Wissensch. in Wien, nach Chem. Ztg., 1911.\nS. 768.","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber sulfitartig gebundenen Schwefel in der Wolle. 141\nBesonders schnell geht der Schwefelgehalt der mit Schwefelwasserstoff behandelten Wolle zur\u00fcck, wenn neben dem Sauerstoff auch noch Wasser damit in Ber\u00fchrung kommt. Infolge der gro\u00dfen Wasseranziehungskraft der Wolle gen\u00fcgt schon die Luftfeuchtigkeit um eine hydrolytische Dissoziation und damit einen Verlust an gasf\u00f6rmigem Schwefelwasserstoff zu verursachen, der sich durch den Geruch deutlich zu erkennen gibt. Solche Wolle verliert dann sehr schnell ihre gelbe Farbe und enth\u00e4lt nach einiger Zeit auch schweflige S\u00e4ure und Schwefels\u00e4ure, wie noch an sp\u00e4teren Versuchen gezeigt werden wird. Auch dieses ist ein Beweis f\u00fcr die M\u00f6glichkeit einer chemischen Bindung zwischen Schwefelwasserstoff und Wolle.\nUm die Menge Schwefelwasserstoff zu ermitteln, die das Keratin der Wolle zu binden vermag, wurden zun\u00e4chst Schwefelbestimmungen der beiden zu den Versuchen verwandten Woll-proben ausgef\u00fchrt, von denen die eine, wie schon erw\u00e4hnt, eine Haut wolle, die andere eine aus dem Handel bezogene deutsche Schwei\u00dfwolle war. Bekanntlich unterliegt der Schwefelgehalt der Wolle sehr gro\u00dfen Schwankungen. 0. Dammar1) gibt 0,8\u20143,8\u00b0/o Schwefel an. Nach dem Verfahren- von As-both2) fanden wir in der Hautwolle bei 4,12\u00b0/o Feuchtigkeit und 0,80 \u00b0/o Asche 3,68 \u00b0/o Schwefel ; in der Schwei\u00dfwolle, die mit Seife, Ammoniak und Pottasche nach dem Verfahren von Victor Jactit3) gewaschen werden mu\u00dfte, weil sie sehr viel Kot enthielt, bei 4,11 \u00b0/o Feuchtigkeit und 1,65 \u00ae/o Asche 3,50\u00b0/o Schwefel. Von dieser Wolle wurde auch eine Elementaranalyse nach Dennstedt vorgenommen, um in sp\u00e4teren Versuchsstadien bei der Beurteilung des vermehrten Schwefels von einem etwa ver\u00e4nderten Wassergehalt der mit Schwefelwasserstoff behandelten Wolle unabh\u00e4ngig zu sein. Es wurden, auf aschefreie Wolle berechnet, gefunden:\nC = 49,66<>/o,\tN = 15,14o/o,\nH = 7,39o/o,\tS = 3,56 0/0.\n') Chemische Technologie, 5. Bd., S. 16 (1898). *) Chem. Ztg., Bd. 19, S. 204 (1895).\n') Die chemische Bearbeitung der Wolle (1877).","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nH. Strunk und H. Prie\u00df,\nM\u00e4rker und Schulz1) haben in einer Wolle deutscher Herkunft ziemlich dieselben Werte gefunden, n\u00e4mlich C = 49,25; H --= 7,57 ; N = 15,86; S = 3,66.\nDie Wolle, deren Zusammensetzung genau ermittelt war, wurde 14 Tage lang mit Schwefelwasserstoff in einer Flasche eingeschlossen, aus der s\u00e4mtliche Luft durch den Schwefelwasserstoff verdr\u00e4ngt worden war. Die nach Asboth mit dieser Wolle ausgef\u00fchrte Schwefelbestimmung ergab 8,65\u00b0 o. Die Elementaranalyse ergab f\u00fcr aschefreie Wolle:\nG = 47,09 \u00b0/o,\tN = 14,730/0.\nH = 6,91 o/o,\nUm weitere Erfahrungen mit der SchwefelwasserstolT-wolle zu sammeln, wurde sie an der Luft ausgebreitet. Durch die Einwirkung der Luftfeuchtigkeit wurde eine Dissoziation der Schwefelwasserstoffverbindung verursacht, die sich durch den Geruch zu erkennen gab. Der Schwefelgehalt ging rasch zur\u00fcck und die gelbe Farbe verschwand vollst\u00e4ndig. Als die Wolle nach 14 Tagen wieder zwei Tage lang \u00fcber Chlorcalcium getrocknet wurde, betrug der Schwefelgehalt 5,67 \u00b0/o bei 6,1 \u00b0/\u00ab Feuchtigkeit. Nach 4 Wochen wurden bei dem gleichen Feuchtigkeitsgehalt 5,77 und 5,59 \u00b0/o Schwefel gefunden. Mithin war der Schwefelgehalt, abgesehen von kleinen Abweichungen, die wahrscheinlich durch die verschiedene Beschaffenheit der einzelnen Wollhaare bedingt wurden, konstant geblieben. Von dem gebundenen Schwefelwasserstoff waren nur noch ganz geringe Mengen nachweisbar; der weitaus gr\u00f6\u00dfte Teil war zu schwefliger S\u00e4ure und Schwefels\u00e4ure oxydiert worden. Ein w\u00e4sseriger Auszug gab mit Baryumchlorid eine starke Schwefels\u00e4urereaktion.\nAls 20 g der so vorbereiteten Wolle nach den Angaben Kaikows mit 300 g Phosphors\u00e4ure in einer Flasche unter Ausschlu\u00df von Luft zusammengebracht wurden, konnte nach 4 Wochen die entstandene gasf\u00f6rmige schweflige S\u00e4ure durch Einleiten in Strontiumacetatl\u00f6sung nachgewiesen werden.\nF\u00fcr die Bestimmung der von dieser Wolle gebundenen\n*) D\u00e4mmer, Chem. Technologie, 5. Bd., S. 16.","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber sulfitartig gebundenen Schwefel in der Wolle. 143\nschwefligen S\u00e4ure destillierten wir die Wolle, wie schon beschrieben, mit l\u00b0/oiger Phosphors\u00e4ure im Kohlens\u00e4urestrom, wobei als Vorlage Jodl\u00f6sung benutzt wurde. Die Schwefels\u00e4ure wurde als Baryumsulfat gewogen. Gefunden wurden 0,1272 g BaS04 = 0,0354 g S02. Demnach enthielt die Wolle 0.187\u00b0/o schwefliger S\u00e4ure.\nImmerhin ist die gefundene Menge schwefliger S\u00e4ure klein im Verh\u00e4ltnis zu der Vermehrung des Schwefelgehaltes, der durch, die Behandlung mit Schwefelwasserstoff verursacht worden war. Da sie aber das 300 fache der Menge betr\u00e4gt, die nach der von Raikow angegebenen Behandlung aus Naturwolle gefunden wurde, gen\u00fcgt sie, um die Raikow sehe Beobachtung zu erkl\u00e4ren. Der Schwefelwasserstoff kann mithin die Ursache f\u00fcr das Vorkommen von sulfitartig gebundenem Schwefel in der Wolle sein, und es ist nicht n\u00f6tig, da\u00df \u00fcberall dort, wo schweflige S\u00e4ure in Wolle gefunden wird, eine Ber\u00fchrung mit dieser S\u00e4ure vorhergegangen sein mu\u00df.\nAus unseren Beobachtungen geht hervor, da\u00df der sulfit-artig gebundene Schwefel als normaler Bestandteil der Wolle nicht anzusehen ist. Einen weitern Beweis konnten wir noch dadurch erbringen, da\u00df es m\u00f6glich war, mit schwachen Oxydationsmitteln, wie sie zum Bleichen der Wolle benutzt werden, den sulfitartig gebundenen Schwefel vollst\u00e4ndig und leicht zu beseitigen, ohne da\u00df sich die Eigenschaften der Wolle und ihr Schwefelgehalt dadurch \u00e4nderten. Die Schwei\u00dfwolle, aus der mit sirup\u00f6ser Phosphors\u00e4ure eine geringe Menge schwefliger S\u00e4ure erhalten wurde, behandelten wir, so wie es in der Bleicherei \u00fcblich ist, mit einer schwachen L\u00f6sung von Kaliumpermanganat und mit Wasserstoffsuperoxyd. Die nach Raikow angestellten Versuche ergaben nun keine schweflige S\u00e4ure mehr, wie beim Durchleiten des \u00fcber der Wolle stehenden Gases durch Strontiumacetatl\u00f6sung erkannt wurde. Die Versuchsanordnung h\u00e4tte es erm\u00f6glicht, eine Menge von 0,0003 g SO* noch als Strontiumsulfit und kleinere Mengen mit Jods\u00e4ure und St\u00e4rke zu erkennen.","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144 Strunk u. Prie\u00df, \u00dcber sulfitartig gebundenen Schwefel in der Wolle.\nZusammenfassung.\nDie Beobachtung Raikows \u00fcber die Entstehung von schwefliger S\u00e4ure aus Wolle, die mit gr\u00f6\u00dferen Mengen starker Phosphors\u00e4ure l\u00e4ngere Zeit in Ber\u00fchrung gebracht wird, wurde insofern best\u00e4tigt, als es gelang, eine geringe Menge schwefliger S\u00e4ure nachzuweisen. Jedoch kann aus diesem Befunde mit R\u00fccksicht auf die Mengenverh\u00e4ltnisse \u2014 300 g Wolle ergeben 0,0064 g S02 \u2014 nicht geschlossen werden, da\u00df ein Teil des Schwefels im Keratinmolek\u00fcl mit Sauerstoff in sulfitartiger Bindung steht. Es wurde gefunden, da\u00df die Wolle in trockenem Zustande ein au\u00dferordentlich gro\u00dfes Bindungsverm\u00f6gen f\u00fcr Schwefelwasserstoff hat, aus dem vielleicht sogar die gro\u00dfen Differenzen erkl\u00e4rt werden k\u00f6nnen, die bisher im Schwefelgehalt der Wolle beobachtet worden sind. Ferner wurde gefunden, da\u00df der von der Wolle chemisch gebundene Schwefelwasserstoff sich leicht zu schwefliger S\u00e4ure und Schwefels\u00e4ure oxydiert. Hierdurch ist schon die M\u00f6glichkeit f\u00fcr das Vorkommen geringer Mengen schwefliger S\u00e4ure in der Wolle des lebenden Tieres gegeben.","page":144}],"identifier":"lit19403","issued":"1911-12","language":"de","pages":"136-144","startpages":"136","title":"Zur Frage des sulfitartigen gebundenen Schwefels in der Wolle","type":"Journal Article","volume":"76"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:08:37.214089+00:00"}