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{"created":"2022-01-31T16:40:45.578672+00:00","id":"lit19452","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Schulz, Fr. N.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 77: 121-128","fulltext":[{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"Das Reduktionsverm\u00f6gen des normalen Harns.\nVon\nPr. N. Schulz.\n(Aus der chemischen Abteilung des physiologischen Institutes in Jena.)\n(Der Redaktion zugegangen am 25. Januar 1912.)\nNormaler, zuckerfreier Harn zeigt bei richtiger Anstellung der Tromm ersehen Probe kein nennenswertes Reduktionsverm\u00f6gen. Bei zu starkem Erw\u00e4rmen kann man jedoch bei der Trommerschen Probe auch mit normalen Harnen betr\u00e4chtliche Reduktion von Kupferoxydhydrat zu Oxydul bekommen. Es liegt das daran, da\u00df der Harn auch normalerweise betr\u00e4chtliche Mengen reduzierender Stoffe (vor allem Kreatinin und Harns\u00e4ure) enth\u00e4lt.\nWill man mit zuckerfreiem Harn ausgesprochene Reduktionserscheinungen sich vorf\u00fchren, so braucht man nur einen \u00dcberschu\u00df von Kupfer anzuwenden, und dann l\u00e4ngere Zeit zu kochen. Versetzt man 5 ccm Harn, der in klinischem Sinne zuckerfrei ist, mit dem gleichen Volumen starker Natronlauge und dann mit etwa 5\u201410 Tropfen konzentrierter Kupfersulfatl\u00f6sung, so entsteht ein dicker Niederschlag von blauem Kupferoxydhydrat. Erw\u00e4rmt man nun zum Sieden und h\u00e4lt einige Zeit im Sieden, so wird aus dem blauen ungel\u00f6sten Kupfer-hvdroxyd schwarzes, ebenfalls ungel\u00f6stes Kupferoxyd. Erw\u00e4rmt man nun weiter, so tritt nach verschieden langer Zeit (etwa nach zwei Minuten) eine Reduktion des schwarzen Kupferoxyds zu Oxydul ein. Man sieht, wie die schwarzen Flocken zun\u00e4chst einen gelblichen Schimmer bekommen und dann ziemlich pl\u00f6tzlich durch und durch intensiv gelb-rot werden. W\u00fc\u00dfte man nicht, da\u00df es sich um eine gegen die Trommersche Vorschrift angestellt e Probe handelte, so w\u00fcrde man auf Grund dieses Befundes sagen, da\u00df es sich um eine stark positive \u00abZuckerprobe\u00bb handele.\nEs macht immerhin einige M\u00fche, auf diese Weise ein betr\u00e4chtliches Reduktionsverm\u00f6gen des Harns nachzuweisen, so da\u00df kaum anzunehmen ist, da\u00df dem praktischen Arzt, mit wenig \u00dcbung in chemischem Arbeiten, h\u00e4ufiger auf diese Weise","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122\nFr. N. Schulz.\neine. Fehldiagnose unterl\u00e4uft. Man wird sofort sehen, da\u00df der betreffende Harn kein gr\u00f6\u00dferes L\u00f6sungsverm\u00f6gen f\u00fcr Kupferoxydhydrat hat, wird demnach auch nur geringe Mengen von Kupfersulfatl\u00f6sung hinzugeben und au\u00dferdem wird man das Kochen, schon weil die Fl\u00fcssigkeit schwer ruhig zum Sieden zu bringen ist, nicht so lange fortsetzen, da\u00df eine Oxydulau.s-scheidung eintritt.\nGelegentlich anderer Untersuchungen habe ich die auffallende Beobachtung gemacht, da\u00df jeder normale Harn ein gro\u00dfes L\u00f6sungsverm\u00f6gen f\u00fcr Kupferoxydhydrat hat. wenn man dem Harn zuerst Kupfersulfat und nachher erst Lauge zusetzt.\nDie Menge des l\u00f6sbaren Kupferoxydhydrats schwankt etwas nach der Konzentration und der Zusammensetzung des betreffenden Harnes. Man kann aber durchschnittlich sagen, da\u00df 5 ccm Harn etwa die Kupferoxydhydratmenge, die aus 5 bis 10 Tropfen konzentrierter Kupfersulfatl\u00f6sung stammt, in L\u00f6sung zu halten vermag. Eiwei\u00dffreier Harn von der normalen, schwach sauren Reaktion bleibt klar, wenn man ihn mit der oben genannten Menge Kupfersulfatl\u00f6sung versetzt. Gibt man nun tropfenweise 30\u00b0/oige Natronlauge hinzu, so erh\u00e4lt man bei gen\u00fcgendem Zusatz von Natronlauge (15\u201420 Tropfen auf o ccm Harn) eine dunkelblaue L\u00f6sung, die, wenn man nicht zu viel Kupfersulfat hinzugegeben hat, abgesehen von der leichten Phos-phattr\u00fcbung, klar ist. Hat man zu viel Kupfersulfat hinzugegeben, so ist die L\u00f6sung getr\u00fcbt durch ungel\u00f6stes Oxydhydrat. Auffallenderweise ist in den B\u00fcchern nirgends darauf hingewiesen, da\u00df der normale Harn ein so gro\u00dfes L\u00f6sungsverm\u00f6gen f\u00fcr Kupferoxydhydrat besitzt, wenn man Kupfersulfat und Natronlauge nicht in der Reihenfolge der Trommersehen Vorschrift, sondern in der umgekehrten Reihenfolge zusetzt.\nDieser auffallende Unterschied beruht wohl im wesentlichen auf dem Gehalt des Harns an Kreatinin, wenigstens verh\u00e4lt sich eine Kreatininl\u00f6sung in dieser Hinsicht ebenso wie der Harn. 5 ccm einer l\u00b0/oigen Kreatininl\u00f6sung verm\u00f6gen die aus ca. 5 Tropfen konzentrierter Kupfersulfatl\u00f6sung stammende Kupferoxydhydratmenge aufzul\u00f6sen, wenn man zuerst das Kupfer-","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"Das Reduktionsverm\u00f6gen des normalen Harns.\t123\nsulfat und dann die Natronlauge hinzugibt. Versetzt man die Kreatimnl\u00f6sung erst mit Natronlauge und dann mit Kupf\u00e8rsulfat so l\u00f6st sich dagegen gar kein Kupferoxydhydrat mit blauer Farbe.\nEine Kreatinl\u00f6sung zeigt weder bei vorhergehendem noch bei nachfolgendem Zusatz von Kupfersulfat ein L\u00f6sungsverm\u00f6gen f\u00fcr Kupferoxydhydrat. Da Kreatinin durch Einwirkung von Alkali leicht in Kreatin \u00fcbergeht, ist die Erscheinung also dadurch zu erkl\u00e4ren.\nDie Kreatininmengen im Harn sind aber viel geringer, wie die der oben genannten Kreatininl\u00f6sung. Ob neben dem Kreatiningehalt des Harns noch andere Stoffe in Betracht kommen, konnte ich nicht feststellen. Es m\u00fc\u00dfte sich um einen der Stoffe handeln, der in betr\u00e4chtlicheren Mengen im Harn vorkommt. Harnstoff, Hippurs\u00e4ure, Harns\u00e4ure zeigen nicht dieses Verhalten der Kreatininl\u00f6sung. Nach Worm-M\u00fcller kann auch harnsaures Alkali bei gen\u00fcgendem \u00dcberschu\u00df von Alkalihydrat Kupferoxydhydrat in L\u00f6sung halten, es tritt aber bald ein wei\u00dflicher Niederschlag von harnsaurem Kupferoxydul auf. Der leichte Niederschlag, der sich namentlich beim Erw\u00e4rmen von Harn, der erst mit CuS04 und dann mit Lauge versetzt wurde, bemerkbar macht, und von dem die Oxydulausscheidung oft deutlich ausgeht, besteht zum betr\u00e4chtlichen Teil aus solchem harnsaurem Kupferoxydul.\nIch bin diesen Dingen ins Einzelne bisher nicht nacli-jregangen, da es mir zun\u00e4chst auf die rein praktische Seite ankam, vor einer bisher nicht ber\u00fccksichtigten Fehlerquelle der Trommersehen Probe zu warnen.\nDa\u00df nicht etwa die Oxyproteins\u00e4uren f\u00fcr dieses L\u00f6sungsverm\u00f6gen in Betracht kommen, geht daraus hervor, da\u00df auch nach der Ausf\u00e4llung der Oxyproteins\u00e4uregruppe durch Zinksulfat (nach Kojo) der Harn noch ein gleich hohes L\u00f6sungsverm\u00f6gen f\u00fcr Kupferoxydhydrat zeigt, wenn man zuerst Kupfersulfat hinzugibt. Auch Entfernung der mit neutralem Bleiacetat oder mit basischem Bleiacetat f\u00e4llbaren Stoffe \u00e4ndert dieses L\u00f6sungsverm\u00f6gen des Harnes nicht.\nDiese Eigenschaft des normalen Harnes bei verkehrter Anstellung der Trommerschen Probe, reichliche Mengen von","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124\nFr. N. Schulz,\nKupferoxydhydrat mit blauer Farbe in L\u00f6sung zu halten, birgt die Gefahr in sich zur Diagnose auf einen abnormen Zuckergehalt in Harnen, die tats\u00e4chlich keine abnormen Zuckermengen enthalten. Man kann n\u00e4mlich mit normalen Harnen mit Leichtis-keit eine Reduktion dieses gel\u00f6sten Kupferoxydhydrats zu Oxydul, das sich als gelbroter Niederschlag ausscheidet, erzielen.\nIch habe an einer Anzahl von normalen Harnen die Bedingungen ausprobiert, unter welchen diese Reduktion sich mit ziemlicher Sicherheit demonstrieren l\u00e4\u00dft. Man nehme 5 ccm Harn, gebe dazu tropfenweise konzentrierte Kupfersulfatl\u00f6sung. Fs ist nun auszuprobieren, wie viel Kupferoxydhydrat durch die 5 ccm Harn in L\u00f6sung gehalten werden kann ; 5\u201410 Tropfen ist die durchschnittlich in Betracht kommende Menge. Die Reaktion l\u00e4\u00dft sich am besten demonstrieren, wenn man m\u00f6glichst reichlich Kupfersulfat hinzugibt, jedoch darf kein nennenswerter \u00dcberschu\u00df von ungel\u00f6stem Kupferoxydhydrat nach dem Zusatz von Lauge vorhanden sein. Hat man diese ausprobierte Menge von Kupfersulfatl\u00f6sung hinzugesetzt, so f\u00fcgt man etwa 15\u201420 Tropfen 30\u00b0/oige Natronlauge hinzu. Es ist wesentlich, da\u00df man weder zu wenig, noch viel zu viel Natronlauge in Anwendung bringt.\nHat man so eine sch\u00f6n dunkelblaue L\u00f6sung, die fast v\u00f6llig klar ist, erhalten, so erw\u00e4rmt man zum Sieden. Man bemerkt schon, ehe volles Sieden im Gang ist, da\u00df die blaue Farbe wesentlich abbla\u00dft, mehr gr\u00fcnlich wird, oder auch ganz einer gelb-r\u00f6tlichen Farbe Platz macht. Dann beobachtet man, wie nach einigem Sieden, oft schon nach wenigen Sekunden (nach l\u00e4ngstens einer Minute, wenn man das Optimum f\u00fcr den betreffenden Harn getroffen hat), eine leichte Tr\u00fcbung von schwer definierbarer Farbe eintritt, die dann aber rasch und fast pl\u00f6tzlich gelb-r\u00f6tlich wird. In wenigen Sekunden ist die Probe von einem reichlichen, diffusen, gelb-r\u00f6tlichen Niederschlag durchsetzt, der sich nach einiger Zeit als fester, k\u00f6rniger, gelb-r\u00f6tlicher Niederschlag zu Boden setzt.\nDie Abscheidung des Oxydulniederschlages erfolgt am sch\u00f6nsten, wenn man nicht zu stark erw\u00e4rmt; man erw\u00e4rme einmal zu vollem Sieden, bezw. bis zum Verschwinden der","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"Das Reduktionsverm\u00f6gen des normalen Harns.\n125\nblauen F\u00e4rbung, dann nehme man das Reagenzglas aus der Flamme heraus und lasse etwas abk\u00fchlen. Manchmal kommt schon w\u00e4hrend dieses ersten Abk\u00fchlens die Ausf\u00e4llung des Oxyduls zustande. Meist mu\u00df man aber noch einmal oder auch mehrere Male aufkochen. Das wesentliche ist, da\u00df man so kurz zum Sieden erw\u00e4rmt, da\u00df die Ausscheidung erst beginnt, wenn die Fl\u00fcssigkeit nicht mehr in vollem Sieden begriffen ist. Wenn man in dieser vorsichtigen Weise erw\u00e4rmt, dann scheidet sich das Oxydul sofort in gro\u00dfen Flocken ab. und auch mit reinerer Farbe. Es ist auffallend, da\u00df die Abscheidung von Oxydul zun\u00e4chst an den feinen Flocken beginnt, zu denen sich die leichte Tr\u00fcbung der alkalisierten Probe beim Sieden zusammengeballt hat (Phosphattr\u00fcbung, harnsaures Kupferoxydul). An diese Flocken lagert sich dann fast in einem Moment das rasch anschie\u00dfende Oxydul an.\nEin ganz \u00e4hnliches Verhalten beobachtet man bisweilen auch bei richtig angestellter Trommerscher Probe1) mit diabetischen Harnen. Salkowski hat dieses eigent\u00fcmliche pl\u00f6tzliche Anschie\u00dfen des Oxydulniederschlages bei einem Falle von Pentosurie beschrieben. Es ist dies Verhalten aber nicht spezifisch f\u00fcr Pentosurie.\nEs ist klar, da\u00df wir es hier mit einer Fehlerquelle der 1 rom me r sehen Probe zu tun haben, die praktisch durchaus im Bereich der M\u00f6glichkeit liegt. Ist als erster Fehler der Zusatz der Kupfersulfatl\u00f6sung vor der Lauge erfolgt, so ist zum Vollenden der T\u00e4uschung nur noch n\u00f6tig, da\u00df der Zusatz des Kupfersulfats und der Lauge ann\u00e4hernd in den oben n\u00e4her be-zeichneten Mengenverh\u00e4ltnissen stattfindet. Das ohne weiteres auffallende L\u00f6sungsverm\u00f6gen des Harnes f\u00fcr Kupferoxydhydrat gibt dann sicher leicht den Anla\u00df, etwas st\u00e4rker zu erw\u00e4rmen, zumal die schon beim einfachen Aufkochen eintretende Entf\u00e4rbung der blauen L\u00f6sung auch weiterhin den Verdacht auf abnorme Zuckermengen best\u00e4rkt.\n\u2018) Eine besondere Warnung vor dieser Fehlerquelle der Tromm ersehen Probe habe ich k\u00fcrzlich in der M\u00fcnchn. med. Wochenschr. ver\u00f6ffentlicht.\n\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. LXXVIl.","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126\nFr. N. Schulz,\nEs geh\u00f6ren allerdings bestimmte Konzentrationsverh\u00e4ltnisse dazu, um die beschriebene Reduktionserscheinung deutlich zu machen. Bei zu geringem Zusatz von Kupfersulfat und auch von Lauge kommt es nur zur Entf\u00e4rbung und nicht zur Ausf\u00fcllung von Oxydul. Auch ein gro\u00dfer \u00dcberschu\u00df von Lauge verhindert die Ausf\u00fcllung des Oxyduls. Bei eiwei\u00dfhaltigen Harnen kommt es ebenfalls nur zur Entf\u00e4rbung.\nAuf diese verschiedenen Schwierigkeiten mag es zur\u00fcckzuf\u00fchren sein, da\u00df auf diese Fehlerquelle der Trommerschen Probe noch nirgends hingewiesen wurde. Es wird zwar in Praxi nicht gar so selten Vorkommen, da\u00df die Reagenzien in der verkehrten Reihenfolge zugesetzt werden; aber die F\u00e4lle, in denen dann wirklich eine sch\u00f6ne intensive Oxydulbildung beobachtet wird, werden doch wesentlich seltener sein.\nWie ist nun das Verhalten beim Erw\u00e4rmen, die eigentliche Reduktionserscheinung zu erkl\u00e4ren ? Wesentlich ist olfenbar das Kreatinin sowohl als L\u00f6sungsmittel f\u00fcr das Kupfer-oxvdhydrat, als auch als reduzierender Stoff. Die F\u00e4higkeit des Kreatinins (und auch des Kreatins), Kupferoxyd zu Oxydul zu reduzieren, ist lange bekannt. Es kommt aber, wenn man etwa Kreatinin mit Fehlingscher L\u00f6sung kocht, nicht zu einer Ausf\u00fcllung des Oxyduls, sondern nur zu einer Entf\u00e4rbung. Eine Abscheidung des Oxyduls l\u00e4\u00dft sich dagegen erzielen, wenn man die Fl\u00fcssigkeit mit kohlensaurem Natrium s\u00e4ttigt. Die zun\u00e4chst beim Erw\u00e4rmen eintretende Entf\u00e4rbung bei der falschen Trommerschen Probe mit Harn wird also wohl wesentlich mit auf das Kreatinin zu setzen sein.\nAls zweiter reduzierender Stoff kommt die Harns\u00e4ure' in Betracht. Der Harns\u00e4ure kommt ein betr\u00e4chtliches Reduktionsverm\u00f6gen zu. Nach Worm-M\u00fcller kann 1 Mol. Harns\u00e4ure 2 Mol. GuO (aus Fehlin g scher L\u00f6sung stammend) reduzieren. Im Gegensatz zum Kreatinin kann man mit Harns\u00e4ure nicht nur eine Reduktion des Oxyds zu Oxydul, sondern auch eine Ausscheidung von Oxydul erzielen. Es geh\u00f6ren jedoch bestimmte Reduktionsbedingungen dazu, um eine maximale Ausscheidung von Oxydul zu erzielen. Insbesondere ist nach Worm-M\u00fcller bei Verwendung einer zur vollkommenen Oxydation","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"Das Riduktionsverm\u00f6gen des normalen Harns.\n127\nungen\u00fcgenden Kupferoxydmenge die Ausscheidung eine unvollkommene, da die gebildeten Zersetzungsprodukte der Harns\u00e4ure imstande sind, mehr als die bei der Reduktion gebildete Oxydulmenge in L\u00f6sung zu halten.\nF\u00fcr die Tromm ersehe Probe kommen auch noch andere Moffe als L\u00f6sungsmittel f\u00fcr Oxydul in Betracht, und zwar sowohl direkt als auch durch bei der Probe entstehende Zer->etzungsprodukte. Vor allem ist hier das Harneiwei\u00df zu nennen. Daher wird ja auch bei der Trommerschen Probe verlangt, da\u00df man das koagulierbare Eiwei\u00df vorher entferne. Will man sieh das Reduktionsverm\u00f6gen des Harns bei verkehrter Anwendung der Trommerschen Probe besonders prompt Vorf\u00fchrern so kann man den Harn zuerst schwach mit Natrium-carbonat alkalisieren und dann mit Zinksulfat f\u00e4llen (Verfahren von Kojo). Man nehme auf 100 ccm Harn 30\u201440 Tropfen konzentrierte Natriumcarbonatl\u00f6sung und 30 ccm 10\u00b0/oige Zinksulfat l\u00f6sung. Das erhaltene Filtrat gibt starke Ausscheidung von Oxydul, oft schon ehe der Harn vollauf zum Sieden gekommen ist, jedenfalls nach ganz kurzem Sieden.\nEin recht interessanter Versuch ist folgender. Man nehme 5 ecm Filtrat von der Zinkf\u00e4llung, gebe 5\u201410 Tropfen konzentrierte Kupfersulfatl\u00f6sung hinzu und dann 20 Tropfen Natronlauge. Man erh\u00e4lt eine dunkelblaue fast v\u00f6llig klare L\u00f6sung. Erw\u00e4rmt man nunmehr zum Sieden und nimmt, sobald die Fl\u00fcssigkeit ins richtige Wallen kommt, aus der Flamme heraus, so sieht man, da\u00df sich in der entf\u00e4rbten oder bla\u00df gr\u00fcnlichen Fl\u00fcssigkeit ein flockiger wei\u00dflicher Niederschlag befindet, der f\u00fcr einen einfachen Phosphatniederschlag etwas reichlich erscheint. Beobachtet man nunmehr w\u00e4hrend des Abk\u00fchlens, so sieht man, da\u00df der wei\u00dfliche Niederschlag langsam zunimmt harnsaures Kupferoxydul). Pl\u00f6tzlich wird der Niederschlag gelblich und in wenigen Sekunden ist die Fl\u00fcssigkeit erf\u00fcllt von <*inem dicken Oxydulniederschlag, der sich rasch zu Boden setzt.\nEs ist also offenbar durch die Entfernung der Oxyprotein-sturefraktion die F\u00e4higkeit, das gebildete Oxydul in L\u00f6sung zu halten, herabgesetzt worden, soda\u00df man in diesem Falle die Reduktion schon ohne richtiges Sieden erzielen kann. An-","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128 Fr. N. Schulz, \u00dcber das Reduktionsverm\u00f6gen des normalen Harn>\n*\nscheinend eignet sich ein derartig vorbereiteter Harn am besten um dieses Reduktionsverm\u00f6gen des normalen Harnes quantitativ festzulegen.\nMan kann sich auch k\u00fcnstlich L\u00f6sungen herstellen, die sich ganz analog wie der Harn verhalten. Vermischt man z. R je 2 ccm einer je 1 \u00b0/o igen L\u00f6sung von Kreatinin, harnsaurem Natrium und Hippurs\u00e4ure in Wasser, f\u00fcgt dann 5 Tropfen konzentrierte Kupfersulfatl\u00f6sung und 20 Tropfen 30\u00b0/oige Natronlauge hinzu, so erh\u00e4lt man eine dunkelblaue L\u00f6sung, die bei kurzem Sieden starke Ausscheidung von Oxydul zeigt. Setzt man dagegen zu der obigen Mischung erst Natronlauge und erst dann Kupfersulfat, so bekommt man ausschlie\u00dflich eim* F\u00e4llung von Kupferoxydhydrat, \u00fcber der sich nach einigem Stehen eine farblose Fl\u00fcssigkeit absetzt, soda\u00df also in diesem Fall kein Oxydhydrat mit blauer Farbe gel\u00f6st ist.\nEs sind die hier angegebenen Mischungsverh\u00e4ltnisse zwar solche, wie sie im Harn nicht in Betracht kommen. Es w\u00fcrde sich aber wahrscheinlich auch mit anderen Konzentrationsverh\u00e4ltnissen eine \u00e4hnliche Reaktion erzielen lassen. Welche Bedeutung die Hippurs\u00e4ure hierbei hat, kann ich nicht genau an-geben. Es ist mir nicht gelungen, mit Kreatinin und Harns\u00e4ure bezw. harnsaurem Natrium allein L\u00f6sungen zu bekommen, die Entf\u00e4rbung der Kupferl\u00f6sung und Ausf\u00e4llung von Oxydul zeigen.\nOb die hier mitgeteilten Beobachtungen sich dazu eignen, um einen gewissen Reduktionswert des Harns quantitativ festzulegen, und in welcher Weise das geschehen kann, das sollen weitere Untersuchungen lehren.\nZusammenfassend sei hervorgehoben: 1. Mit normalen, zuckerfreien Harnen kann man stark positive Trommersch*1 Probe bekommen, wenn man zun\u00e4chst Kupfersulfatl\u00f6sung und erst dann Natronlauge hinzuf\u00fcgt. Es sei daher ausdr\u00fccklich vor dieser Abweichung von der Trommerschen Vorschrift gewarnt\n2. Kreatininl\u00f6sungen zeigen ebenso wie normaler Harn ein betr\u00e4chtliches L\u00f6sungsverm\u00f6gen f\u00fcr Kupferoxydhydrat, wenn man erst Kupfersulfat und dann Natronlauge hinzuf\u00fcgt, nicht aber bei Zusatz der Reagenzien in der umgekehrten Reihenfolge","page":128}],"identifier":"lit19452","issued":"1912","language":"de","pages":"121-128","startpages":"121","title":"Das Reduktionsverm\u00f6gen des normalen Harns","type":"Journal Article","volume":"77"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:40:45.578677+00:00"}