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{"created":"2022-01-31T14:14:47.632668+00:00","id":"lit19509","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Kossel, A.","role":"author"},{"name":"F. Weiss","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 78: 402-413","fulltext":[{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"Ober das Sturin.1)\nVon\nA. Rossel und F. Weiss.\n(Aus dom physiologischen Institut der Universit\u00e4t Heidelberg.)\nDie folgenden Untersuchungen sollen dazu dienen, die freien und reaktionsf\u00e4higen Gruppen im Molek\u00fcl eines der einfachsten Proteine, des Sturins, festzustellen und durch Vergleichung dieser Ergebnisse mit denen der Hydrolyse eine Vorstellung von dem Bau des Molek\u00fcls zu erhalten. Selbstverst\u00e4ndlich suchen wir die Bedeutung dieser Arbeiten nicht in der Aufkl\u00e4rung der Konstitution dieses speziellen, wenig verbreiteten Protamins, sondern in der \u00dcbertragung der an ihm gewonnenen Anschauungen auf die Proteinstoffe im allgemeinen.\nDie Vorstellungen \u00fcber die Konstitution dieses K\u00f6rpers, welche beim heutigen Stande unserer Kenntnisse in erster Linie zu diskutieren sind, scheinen uns die in der folgenden Formel dargestellten zu sein. Als ein charakteristischer Teil des Sturinmolek\u00fcls ist folgende Atomgruppierung anzusehen:\nNH\u2014GH\u2014CO I\nR\nNH\u2014GH\u2014CO\nI\nR*\nNH-CH \u2014CO I\nR.\nHierbei k\u00f6nnen die Zeichen R, Rn R, usw. folgende Werte haben:\na)\t\u2014 CSH6\u2014NH\u2014CNH\u2014NHj\n,N--CH\nb)\t\u201cCH.-C/ I\n%CH-NH\nc)\t\u2014 C^NH,\nd)\t-CH,\n1 e) L4H9\n') Vorl\u00e4ufig mitgeteilt in den Sitzungsberichten der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, 30. M\u00e4rz 1912.","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Starin.\n40\u00bb\n\u00dcber die Reihenfolge, sowie \u00fcber die relativen und absoluten Mengen der unter a), b), c) usw. bezeichneten Gruppen soll die Formel nichts aussagen. Auch ist es nicht ausgeschlossen, da\u00df neben den in der Formel dargestellten Atomverkettungen noch andere, den Proteinen eigent\u00fcmliche Gruppierungen vorhanden sind:\nFindet nun an den durch die punktierte Linie bezeichneten Stellen eine Aufspaltung unter Wassereintritt statt, so erfolgt die Bildung folgender Produkte:\na)\tArginin\nb)\tHistidin\nc)\tLysin\nd)\tAlanin\ne)\tLeucin oder ein Isomeres.\nMenge der hydrolytischen Spaltungsprodukte. F\u00fcr alle Untersuchungen dieser Art ist es zun\u00e4chst wichtig, die Menge der in dem Sturin enthaltenen Bausteine m\u00f6glichst genau zu ermitteln. Nun sind die Methoden zur quantitativen Bestimmung der basischen Spaltungsprodukte seit den im Jahre 1900 ausgef\u00fchrten Untersuchungen von A. Kossel und F. Kutscher1) in mancher Hinsicht verbessert worden und es war deshalb eine erneute Bestimmung derselben w\u00fcnschenswert.\nDas f\u00fcr diese Analysen verwendete Sturin wurde in der fr\u00fcher beschriebenen Weise*) dargestellt und durch die Abscheidung als \u00d6l und als Pikrat gereinigt.\nDas Ergebnis dieser Bestimmungen ist in der folgenden Zusammenstellung enthalten. * Die Zahlen geben das Verh\u00e4ltnis des Gesamtstickstoffs zum Basenstickstoff an. Die Kolonne II enth\u00e4lt die durch W\u00e4gung der krystallisierten Salze ermittelten Werte. Da kleine Verluste hierbei unvermeidlich sind, sind sie als Minimalwerte anzusehen. Die Kolonne I ergibt die Stickstoffwerte der ganzen h raktion, aus welcher die Basen gewonnen sind, also Maximalwerte. Die richtigen Werte liegen beim Lysin den Minimalzahlen n\u00e4her.\nM A. Kossel und F. Kutscher, Diese Zeitschrift, Bd. 31, S. 184\nU900).\n*) A. Kossel, Diese Zeitschrift, Bd. 26, S. 165 (1898).","page":403},{"file":"p0404.txt","language":"de","ocr_de":"404\nA. Kossel und F. Weiss,\nVon 100 Teilen Stickstoff entfallen auf:\nII\nArginin\t67,4\t66,7\nHistidin\t10,1\t9,0\nLysin\t7,5\t5,5\nIm Barytniederschlag zur\u00fcckgeblieben\t5,0\t\nIm Silberniederschlag zur\u00fcckgeblieben\t1,7\t\nIm Filtrat der Phosphorwolframs\u00e4uref\u00e4llung ( \u00ab Monoamidos\u00e4uren > )\t8,6\t\nVergleicht man diese Zahlen mit den fr\u00fcher von A, Kosse) und F. Kutscher angegebenen, so ergibt sich folgendes:\nProzente des Gesamtstickstoffs A. K. u. F. K. A. K. u. F. W. Argininfraktion\t63,5\t67,4\nHistidinfraktion\t11,8\t10,1\nLysinfraktion\t8,4\t7,5\nS\u00e4urebindung wer moyen des Sturins. Vergleicht man die Ergebnisse der vollst\u00e4ndigen Hydrolyse mit dem S\u00e4urebindungsverm\u00f6gen des Sturins, so gelangt man zu Ergebnissen, welche f\u00fcr die Beurteilung der obigen Formel von Bedeutung sind. In dem gegebenen Schema ist die Carboxylgruppe des Arginins mit der Amidogruppe eines benachbarten Amidos\u00e4urerestes, hingegen die a-Amidogruppe des Arginins mit einer Carboxylgruppe unter Wasseraustritt verbunden \u2014 somit bleibt die einem\nf\u00e4hig. Es mu\u00df also dieser Formel gem\u00e4\u00df jedem Molek\u00fcl des im Protamin gebundenen Arginins ein Basen\u00e4quivalent entsprechen. Dies ist auch bei denjenigen Protaminen, welche nur Arginin und keinen anderen Baustein enthalten, der Fall \u2022\u2014 wie fr\u00fchere im hiesigen Institut ausgef\u00fchrte Untersuchungen erwiesen haben. Das S\u00e4urebindungsverm\u00f6gen des Salmins ist genau so gro\u00df, wie der Menge der in ihm enthaltenen Guanidingruppen entspricht.\nBeim Sturin ist jedoch dies Verh\u00e4ltnis ein anderes. Nimmt man auf Grund der oben mit geteilten Analyse an, da\u00df von je\n*) Vgl. z. B. M. Goto, Diese Zeitschrift, Bd. 37, S. 94 (1902).\n*) Berechnet aus fr\u00fcheren Analysen, z. B. denen von Goto (l. c.).","page":404},{"file":"p0405.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Sturin.\n105\n100 Stickstoffatomen des Sturins 67 in Form von Arginin enthalten sind und zieht man in Betracht, da\u00df auf je vier Atome des Argininstickstoffs ein basisches \u00c4quivalent zu rechnen ist,\nso w\u00fcrden auf 100 Stickstoffatome des Sturins nur 67, also\n4\netwa 17 durch die Guanidingruppe des Arginins bedingte basische \u00c4quivalente vorhanden sein. Da nun aber die basischen \u00c4quivalente des Sturins ungef\u00e4hr zu 24 f\u00fcr 100 Atome Stickstoff gefunden sind, so ergibt sich, da\u00df auch Histidin und Lysin an der Basicit\u00e4t des Sturins beteiligt sein m\u00fcssen.\n. Nun k\u00f6nnen die basischen Eigenschaften der das Protaminmolek\u00fcl bildenden Bausteine in verschiedener Weise \u2014 direkt oder indirekt \u2014 zur Geltung kommen. Es k\u00f6nnte z. B. eine Monoamidos\u00e4ure, etwa Alanin, dem folgenden Schema B. gem\u00e4\u00df an den Guanidinrest angef\u00fcgt sein.\nA-\tB.\nch-co- 1\t-NH \u2014 CH-CO.... CH,\t..NH-CH\u2014CO\n1 NH I\t\tU.H,\n\t\t1 NH\n<: = NH I\t\tC = NH\nnh2\t\t1 NH-CO\nI\nCHS\nEs w\u00e4re m\u00f6glich, da\u00df das ganze System in dem Falle B. dieselbe Basicit\u00e4t besitzt, wie bei der unter A. angef\u00fchrten Verkettung. Analoge Erw\u00e4gungen k\u00f6nnen auch f\u00fcr di\u00e8 Histidin-und Lysingruppe angestellt werden. Es erwies sich also als notwendig, durch weitere Versuche eine Aufkl\u00e4rung dar\u00fcber zu geben, ob die Wasserstoffatome an den basischen Gruppen der Zweigketten frei sind oder nicht.\nF\u00fcr das Histidin ist schon durch die bisherigen Untersuchungen die Gewi\u00dfheit gegeben, da\u00df alle drei Wasserstoffatome des Imidazolkerns in freiem Zustand vorhanden sind. Nach den folgenden Untersuchungen ist diese Annahme auch bez\u00fcglich Arginins und Lysins zul\u00e4ssig; sie erscheint jedenfalls beim heutigen Stande unserer Kenntnisse als die einfachste und n\u00e4chstliegende.","page":405},{"file":"p0406.txt","language":"de","ocr_de":"m\nA. Kossel und F. Weiss,\nDie Reaktionsf\u00e4higkeit des Imidazolkerns im Sturin ist durch die Versuche von H. Pauly festgestellt worden. Pauly1) zeigte, da\u00df die Kuppelung mit Diazobenzolsulfos\u00e4ure, zu deren Zustande* kommen nach Burian*) das Vorhandensein der freiem Imido-gruppe des Imidazolkerns erforderlich ist, auch am Sturinmolek\u00fcl vor sich geht. Hirayaraa3) f\u00fchrte nun die Benzol* sulfo- oder die Naphthalinsulfogruppe in das Sturin ein und stellte fest, da\u00df nunmehr diese Reaktion nicht mehr vor sich geht. Es m\u00fcssen also die f\u00fcr das Zustandekommen dieser Reaktion erforderlichen Wasserstoffatome durch S\u00e4urereste substituierbar sein. Eine weitere Schlu\u00dffolgerung ergibt sich aus dem .lodbindungsverm\u00f6gen des Sturins. Nach den Untersuchungen von Pauly4) ist dasselbe unter den von ihm angewandten Bedingungen ebenso gro\u00df wie das Jodbindungsverm\u00f6gen des in ihm enthaltenen Histidins. Dadurch hat Pauly festgestellt, da\u00df sich an den Ringkohlenstoffatomen des im Sturin verankerten Histidins zwei durch Jod substituierbare Wasserstoffatome befinden. Somit ist die Schlu\u00dffolgerung gerechtfertigt, da\u00df alle drei Wasserstoffatome im Imidazolkern des Sturins, ebenso wie im Histidin selbst, frei und an der Peptidbindung nicht beteiligt sind.\nVher die Bindung des Arginins und Lysins ergaben sich wertvolle Aufschl\u00fcsse aus den Versuchen \u00fcber die Einwirkung der salpetrigen S\u00e4ure. Van Slyke5) hat vor kurzem festgestellt, da\u00df die salpetrige S\u00e4ure unter bestimmten Bedingungen in der Weise auf die Proteinderivate einwirkt, da\u00df die in Peptidbindung vorhandenen Imidgruppen und ebenso die Guanidingruppe nicht angegriffen wird, da\u00df hingegen die Amidogruppe der Amidos\u00e4uren unter Stickstoffentwicklung quantitativ zersetzt wird. A. Kossel und A. T. Cameron3) haben nun das\n\u2018) H. Pauly, Diese Zeitschrift, Bd. 42, 5, 508 (1904).\n*) Burian, Ebenda, Bd. 43, S. 502 (1905).\n') Hirayama, Ebenda, Bd. 59, S. 285 (1909).\n4) Pauly, Ber. d. Deutsch, chem. Ges., Bd. 43, S. 2243 (1910).\n*) Van Slyke, Ber. d. Deutsch, chem. Ges., Bd. 43, S. 3170(1910); Journ. of Biol. Chem., Vol. 9, p, 185 (1911).\ne) A. Kossel und A. T. Cameron, Diese Zeitschrift, Bd. 76, S. 457 (1912).","page":406},{"file":"p0407.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Sturin.\n407\nSalmin und Clupein mit Hilfe dieses Verfahrens untersucht und gefunden, da\u00df diese Protamine hierbei keinen Stickstoff entwickeln. W\u00e4re in ihnen gem\u00e4\u00df der oben in Erw\u00e4gung gezogenen Formel B. Seite 405 eine nicht zum Guanidin geh\u00f6rige Amido-gruppe vorhanden, so h\u00e4tte sich eine Stickstoffentwicklung einstellen m\u00fcssen. Auf Grund dieses Versuchs ist also das Vorhandensein einer freien Guanidingruppe anzunehmen.\nSchon fr\u00fcher hatten Skraup und Hoernes beobachtet,1) da\u00df das Casein und Glutin durch salpetrige S\u00e4ure in Substanzen \u00fcbergef\u00fchrt werden k\u00f6nnen, welche bei der Hydrolyse kein Lysin liefern. A. Kossel und A. T. Cameron, welche \u2014 wie eben erw\u00e4hnt \u2014 bei den lysinfreien Protaminen keine Einwirkung der salpetrigen S\u00e4ure fanden, stellten bei den lysin-haltigen Protaminen eine solche fest, und zwar war die entwickelte Stickstoffmenge bei dem lysinreicheren Cyprinin eine gr\u00f6\u00dfere, als bei dem lysin\u00e4rmeren Sturin. Alle diese Beobachtungen wiesen darauf hin, da\u00df in verschiedenen Protaminen eine Aminogruppe des Lysins frei und f\u00fcr die Einwirkung der salpetrigen S\u00e4ure leicht zug\u00e4nglich geblieben ist.\nDiese Annahme wird durch die folgenden Versuche best\u00e4tigt.\n10 g Sturinsulfat wurden unter Zusatz von 70 ccm Eisessig in 200 ccm Wasser gel\u00f6st. Ferner wurden 90 g Natriumnitrit in 400 ccm Wasser gel\u00f6st. Zu dieser L\u00f6sung lie\u00dfen wir unter Umr\u00fchren durch einen R\u00fchrapparat die Sturinl\u00f6sung tropfenweise hinzutreten. Nach Beendigung der Reaktion wurde der gr\u00f6\u00dfere Teil der noch in L\u00f6sung befindlichen salpetrigen S\u00e4ure bei Zimmertemperatur durch Einleiten von Kohlens\u00e4uregas ausgetrieben, die Fl\u00fcssigkeit mit Natronlauge neutralisiert und mit Natriumpikrat ausgef\u00e4llt. Der reichliche Niederschlag wurde abfiltriert, ausgewaschen, in schwefels\u00e4urehaltigem Wasser suspendiert und durch \u00c4ther von Pikrins\u00e4ure befreit. Die schwefelsaure L\u00f6sung wurde durch Alkohol gef\u00e4llt, der Niederschlag nochmals in Wasser gel\u00f6st und die Alkoholf\u00e4llung wiederholt. Die anfangs klebrige Alkoholf\u00e4llung wurde beim Stehen unter\n*) Zd. H. Skraup und Ph. Hoernes, Monatshefte der Chemie. Bd. 27, S. 631 und 653 (1906); Bd. 28, S. 447 (1907).","page":407},{"file":"p0408.txt","language":"de","ocr_de":"m\nA. Kossel und F. Weiss,\nAlkohol so hart, da\u00df sie sich leicht zu einem wei\u00dfen, schwach gelbstichigen Pulver zerreiben lie\u00df. Die Ausbeute betrug 8 g.\nDas so gewonnene \u00abDesamidosturin\u00bb hatte seine basischen Eigenschaften bewahrt, wenn auch das S\u00e4urebindungsverm\u00f6gen infolge des Verlustes einer Amidogruppe etwa um ein F\u00fcnftel abgenommen hatte. Die durch Alkohol gef\u00e4llte Substanz war ein Sulfat, dessen Schwefels\u00e4uregehalt nach dem Trocknen bei 100\u00b0 im Mittel 17,44\u00b0/o HsS04 betrug, w\u00e4hrend als Ausgangsmaterial angewandtes Sturinsulfat 21,97 \u00b0/o H8S04 enthielt.\n1.\t0,1811 g Desamidosturin gaben 0,0740 g BaS04, entsprechend 17,33% llaS04.\n2.\t0,1624 g Desamidosturin gaben 0,0678 g BaSO.,, entsprechend 17,55% H,S04.\nDas Desamidosturinsulfat war in Wasser leicht l\u00f6slich und wurde \u00e4hnlich wie Sturinsulfat durch Ammonsulfat aus dieser L\u00f6sung ausgesalzen. Es gab die Biuretreaktion und in sodaalkalischer L\u00f6sung mit Diazobenzolsulfos\u00e4ure sofort einen scharlachroten Farbstoff, der als Niederschlag ausfiel.\n5 g des Sulfats wurden mit einer Mischung von 15 ccm Schwefels\u00e4ure und 30 ccm Wasser 12 Stunden am R\u00fcckflu\u00df-k\u00fchler gekocht und dann mit Hilfe des Silberbarytverfahrens untersucht. Die Analyse f\u00fchrte zu folgenden Zahlen:\nProzente des Gesamtstickstoffs:\n\tDesamidosturin\tSturin\nArgininfraktion\t67,6\t67,4\nHistidinfraktion\t10,1\t10,1\nLysinfraktion\t0\t5,5\nMonoamidos\u00e4urefraktion 12,7\t\t8,6\nVergleichen wir diese Zahlen mit denen des urspr\u00fcnglichen Sturins, so sehen wir, da\u00df die Prozente des Histidin-\nund Argininstickstoffs die gleichen geblieben sind. Es beweist\n\u2022\u2022 _\nalso dieser Versuch \u2014 in \u00dcbereinstimmung mit den oben erw\u00e4hnten Resultaten von A. Kossel und A. T. Cameron \u2014, da\u00df die Amidogruppen des Arginins durch die salpetrige S\u00e4ure nicht angegriffen werden. Die prozentische Steigerung des Arginin-und Histidinstickstoffs, welche durch den Wegfall des Lysins","page":408},{"file":"p0409.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Sturin.\nm\nhervorgerufen werden sollte, ist so gering, da\u00df sie in den Analysen nicht zum Ausdruck gelangt.\nBemerkenswert ist der Zuwachs des Monoamidos\u00e4ure-stickstofTs, der offenbar von der Desamidierung des Lysins herzuleiten ist.\nVon Bedeutung f\u00fcr die Beurteilung der Guanidingruppen im Sturin sind auch einige Versuche \u00fcber die Einwirkung der Salpeters\u00e4ure auf das Sturin. A. Kossel und E. L. Kennaway1 *) haben festgestellt, da\u00df das Clupein durch Salpeters\u00e4ure in Nitro-clupein \u00fcbergef\u00fchrt wird. Dieses liefert bei der Hydrolyse durch Schwefels\u00e4ure Nitroarginin. ln gleicher Weise verh\u00e4lt sich das Salmin nach den Beobachtungen von E. Wechsler.8) Hierbei tritt die Nitrogruppe in den Guanidinrest ein3; und das Nitroarginin, welches \u00fcbrigens auch durch Nitrieren von Arginin dargestellt werden kann, ist offenbar als ein Derivat des von Thiele4 * *) dargestellten asymmetrischen Nitroguanidins aufzufassen. Wir haben die analoge Substanz auch aus dem Sturin dargestellt.\nSturinsulfat wurde in der von A. Kossel und \u00c9. L. Kennaway angegebenen Weise in Portionen von 4\u20145 g nitriert und das Nitroprodukt tropfenweise unter Umr\u00fchren in Eiswasser gegossen. Das Nitrosturin fiel zun\u00e4chst in wei\u00dfen Flocken aus, welche sich jedoch bald schmierig zusammenballten. Mit Eiswasser gewaschen und alsdann mit absolutem Alkohol durchgeknetet, erstarrt es zu einer Masse, welche sich leicht zu einem schweren gelblichen Pulver verreiben l\u00e4\u00dft. Die Ausbeute betrug 80\u00b0/o des angewandten Sturinsulfats.\nDer K\u00f6rper besitzt ebenso wie das Nitroclupein und das Nitrosalmin saure Eigenschaften, er ist l\u00f6slich in verd\u00fcnnter Natronlauge und aus dieser L\u00f6sung durch S\u00e4uren f\u00e4llbar. Die Biuretreaktion f\u00e4llt positiv aus, auch tritt, ebenso wie beim\nl) A. Kossel und E. L. Kennaway. Diese Zeitschrift, Bd. 72.\nS. 486 (1911).\n*) E. Wechsler, Diese Zeitschrift, Bd. 78, S. 53 (1912).\n:() A. Kossel und F. Weiss, Sitzungsbcr. d. Heidelberger Aka-\ndemie d. Wissensch., 30. M\u00e4rz 1912.\n*) J. Thiele, Annalen d. Chemie, Bd. 270. S. 1 (1892).","page":409},{"file":"p0410.txt","language":"de","ocr_de":"MO\nA. Kosscl und F. Weiss,\nSturin, in sodaalkalischer L\u00f6sung die Bildung eines roten Farbstoffs mit Diazobenzolsulfos\u00fcure ein.\n8 g des Nitrosturins wurden mit einer Mischung von 24 g konzentrierter Schwefels\u00e4ure und 48 ccm Wasser 6 Stunden am R\u00fcckflu\u00dfk\u00fchler gekocht und das Reaktionsprodukt in der bekannten Weise mit Hilfe des Silberbarytverfahrens verarbeitet. Es wurden folgende Spaltungsprodukte nachgewiesen: Nitroarginin, Arginin, Histidin, Lysin.\nDie Ausbeute an Nitroarginin betrug 0,7 g. Der K\u00f6rper schmolz scharf bei 229\u00b0 funkorr.). Die Stickst off bestimmung gab folgende Werte:\n0,1255 g Substanz gaben 34,4 ccm Stickstoff bei 14\u00b0 und 749 mm Bar.\nGefunden:\tBerechnet f\u00fcr CfiH1$N504:\nStickstoff 31,0\t31,96 \u00b0/o.\nDie Menge des Arginins war nur eine geringe; dasselbe wurde als Pikrolonat nachgewiesen; ebenso das Histidin. Das Lysin wurde in bekannter Weise als Pikrat dargestellt. Die Gegenwart des Arginins neben dem Nitroarginin l\u00e4\u00dft vermuten, da\u00df die Nitrierung des Sturins keine vollst\u00e4ndige gewesen ist.\nEinwirkung der Alkalien auf Sturin. Wir f\u00fchren noch einige Beobachtungen an, aus denen sich ein Schlu\u00df auf die Bindung der Carboxylgruppen des Arginins, Histidins und Lysins ziehen l\u00e4\u00dft.\nIm Laufe unserer Untersuchungen \u00fcber die Einwirkung von Alkalien auf Protamine und h\u00f6here Proteine1) machten wir die Beobachtung, da\u00df alle diese K\u00f6rper durch Natronhydrat oder Barythydrat bei Bruttemperatur allm\u00e4hlich so ver\u00e4ndert werden, da\u00df ihre optische Aktivit\u00e4t stark herabgesetzt wird oder verschwindet. Wir haben nachgewiesen, da\u00df diese Umwandlung auf einer \u00c4nderung der Konfiguration beruht, denn man erh\u00e4lt bei der Hydrolyse des inaktiven Clupeins oder Clupeons oder Leims sowohl Arginin, wie Ornithin, Histidin und Lysin in inaktivem Zustand.\n\u00c4hnliche Resultate haben wir auch beim Sturin erhalten.\n10 g Sturinsuilat wurden in 200ccm n/\u00bb-Natronlauge gel\u00f6st, die L\u00f6sung blieb 6 Tage bei Bruttemperatur stehen. Die Links-\n') A. Kossei und F. Weiss, Diese Zeitschrift, Bd. 59, S. 492 (1909); Bd. 60, S. 311 (1909) ; Bd. 68, S. 165 (1910).","page":410},{"file":"p0411.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Sturin.\nII!\ndrehung ging anfangs schnell, sp\u00e4ter sehr langsam zur\u00fcck, sie war am sechsten Tage fast v\u00f6llig verschwunden. Die Fl\u00fcssigkeit wurde sodann mit Schwefels\u00e4ure bis zur sehr schwach sauren Reaktion versetzt, mit \u00fcbersch\u00fcssigem Baryumcarbortat anger\u00fchrt und durch Erhitzen auf dem Wasserbade von dem bei der Reaktion gebildeten Ammoniak befreit. Die filtrierte Fl\u00fcssigkeit wurde nach dem Einengen mit Schwefels\u00e4ure anges\u00e4uert und in bekannter Weise dem Silberbarytverfahren unterworfen. Hierdurch wurde das durch die Natronlauge abgespaltene und in freiem Zustand in L\u00f6sung befindliche Lysin von den \u00fcbrigen Basen und dem durch Silberoxyd f\u00e4llbaren Gemisch der protonartigen Spaltungsprodukte getrennt. Das Lysin wurde in bekannter Weise als Pikrat gewonnen und erwies sich als v\u00f6llig inaktiv. Der durch Silbernitrat und Baryt erhaltene Niederschlag, weicher neben etwa vorhandenem Ar-ginin und Histidin die Protone, d. h. die peptidartig gebundenen Bausteine, enthielt, wurde vom Silber befreit und durch sechsst\u00fcndiges Kochen mit 33 volumprozentiger Schwefels\u00e4ure v\u00f6llig hydrolysiert. Aus der Reaktionsfl\u00fcssigkeit wurde das Arginin und Histidin in inaktivem Zustande gewonnen. Das durch die Schwefels\u00e4ure abgespaltene Lysin war fast ganz inaktiv, es war nur eine sehr geringe Beimengung von Rechlslysin nachzuweisen.\nDa\u00df diese Racemisierung nicht etwa durch eine nachtr\u00e4gliche Wirkung des Natronhydrats auf das bereits abgespaltene Arginin bewirkt sein kann, geht aus unsern fr\u00fcheren Versuchen hervor. Ebenso l\u00e4\u00dft sich auch beim Histidin feststellen, da\u00df die in obigen Versuchen obwaltenden Bedingungen nicht imstande sind, eine Racemisierung herbeizuf\u00fchren.\n2 g Histidinchlorhydrat wurden mit 24 ccm \u201c/\u00ab-Natronlauge bei Bruttemperatur digeriert. Die Untersuchung der alkalischen L\u00f6sung unmittelbar nach ihrer Herstellung ergab im 10 cm-Rohr eine Drehung von 1,0*. Diese Drehung ver\u00e4nderte sich auch nach einer Einwirkungsdauer von 60 Tagen nicht. Ebenso unwirksam war Barythydrat.\nNach den interessanten Beobachtungen von H. D. Dakin1) an Hydanto\u00efnen ist anzunehmen, da\u00df diese Racemisierung auf die Bildung einer Enolform zur\u00fcckzuf\u00fchren ist, bei welcher\n*) H. D. Dakin, Americ. Chem. Journ., Vol. 44, Nr. 1,(1910).","page":411},{"file":"p0412.txt","language":"de","ocr_de":"412\nA. Kassel und F. Weiss\ndas KohlenstofTatom der Gruppe GH seine asymmetrische Beschaffenheit verliert. Die obige Formel w\u00fcrde also in der alkalischen inaktiven L\u00f6sung folgenderma\u00dfen zu schreiben sein:\n....NH \u2014 C = COH-NH \u2014C^COH\u2014 NH..\nR\tR,\nBei der hydrolytischen Spaltung w\u00fcrden aus der Enolform inaktive Reaktionsprodukte hervorgehen.\nH. D. Dakin hat sogleich auf die Bedeutung der Enolform f\u00fcr die Erkl\u00e4rung der bei den Proteinen beobachteten Inaktivierung aufmerksam gemacht und zugleich angedeutet, da\u00df es m\u00f6glich ist, auf diesem Wege festzustellen, ob die Carboxylgruppe der Amidos\u00e4uren frei ist oder nicht, denn nur in letzterem Falle kann die Racemisierung eintreten.\nDiesen Anschauungen von H. D. Dakin gem\u00e4\u00df ist also aus der Inaktivierung durch Natronhydrat der Schlu\u00df zu ziehen, da\u00df die Carboxylgruppen der Arginin-, Histidin- und Lysinmolek\u00fcle bei ihrer Bindung im Sturin verstopft sind. Auch dies stimmt mit der obigen Formel \u00fcberein.\nPartielle Hydrolyse des Stnrim. W\u00e4hrend die Untersuchungen \u00fcber die hydrolytische Spaltung des Clupeins gewisse Aufkl\u00e4rungen \u00fcber die Verteilung der Argininreste gegeben haben, >) ist \u00fcber die Anordnung der Bausteine im Molek\u00fcl des Sturins nichts bekannt. Es erhebt sich die Frage, ob es nicht m\u00f6glich ist, durch partielle Hydrolyse Bruchst\u00fccke des Molek\u00fcls zu gewinnen, deren Untersuchung einen Schlu\u00df auf die Verteilung der Bausteine zul\u00e4\u00dft. Wir haben derartige Untersuchungen ebenfalls in Angriff genommen, doch haben sich in diesem Falle nicht so einfache Resultate ergeben, wie sie bei den fr\u00fcher im hiesigen Institut ausgef\u00fchrten Arbeiten \u00fcber die partielle Spaltung des Clupeins zu erzielen waren. Durch unvollst\u00e4ndige Hydrolyse konnten wir Produkte erhalten, welche eine andere Zusammensetzung hatten, wie das urspr\u00fcngliche Protamin, z. B. lie\u00dfen sich aus dem Gemisch der hydrolytischen Zersetzungsprodukte protonartige Substanzen gewinnen, welche reicher an Histidin und Arginin und \u00e4rmer an Lysin, sowie an\n*) A. Kossel und H. Pringle. Diese Zeitschrift, Bd. 49, S. 301\n(1900).","page":412},{"file":"p0413.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Sturin.\n413\nMonoamidos\u00e4uren waren, hingegen andere, welche wenig Histidin und viel Lysin enthielten. Durch passende Wahl der F\u00e4llungsmittel hatten wir uns hierbei gegen die M\u00f6glichkeit der Bei-mengung von freiem Arginin, Histidin und Lysin, sowie von freien Amidos\u00e4uren gesch\u00fctzt. Wir verzichten auf eine Be-schreibung unseres Verfahrens, da dasselbe keine Gew\u00e4hr daf\u00fcr bietet, da\u00df wir v\u00f6llig reine Produkte in H\u00e4nden gehabt haben, da somit ohnehin bis jetzt noch keine weitergehenden Schl\u00fcsse aus diesen Analysen gezogen werden k\u00f6nnen. Diese Analysenzahlen w\u00fcrden eine gr\u00f6\u00dfere Bedeutung erlangen, wenn es gel\u00e4nge, auf anderem Wege Produkte von der gleichen Zusammensetzung zu erhalten.\nEinige der von uns gewonnenen protonartigen Bruchst\u00fccke des Sturinmolek\u00fcls hatten folgende Zusammensetzung:\nVon 100 Teilen Stickstoff entfallen auf\n\tdie Arginin-\tdie Histidin-\tdie Lysin-\n\tfraktion\tfraktion\tfruktion\nim Proton I\t70,2\t15,9\t3,0\n\u00bb\tII\t75,4\t3,5\t1,7\n\u00bb\tIII\t75,3\t9,4\t3,4\n\u00bb\tIV\t76,8\t4,3\t8,5.\nDas einzige Bruchst\u00fcck des Sturins, welches bisher in reinem Zustand aus dem Sturin erhalten ist, ist anscheinend der von A. Kossel und A. Mathews1) durch Trypsinver-dauung erhaltene K\u00f6rper, welcher als Silbernitratverbindung in sch\u00f6nen Krystallen zu gewinnen war und die Zusammensetzung\nGl8H3\u00e4N7\u00b05 zei8te-\nWir ziehen aus diesen Untersuchungen den Schlu\u00df, da\u00df das am Eingang dieser Mitteilung aufgestellte Schema f\u00fcr die Zusammensetzung des Sturins den bisher bekannten Tatsachen am besten entspricht.\nDie Untersuchungen werden im hiesigen Institut fortgesetzt. Heidelberg, 4. April 1912.\n') A. Kossel und A. Mathews, Diese Zeitschrift, Bd. 25, S. 193\n(1898).\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. LXXV1H.\n28","page":413}],"identifier":"lit19509","issued":"1912","language":"de","pages":"402-413","startpages":"402","title":"\u00dcber das Sturin","type":"Journal Article","volume":"78"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:14:47.632674+00:00"}