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{"created":"2022-01-31T15:28:13.323920+00:00","id":"lit19535","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Winterstein, E.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 79: 353-358","fulltext":[{"file":"p0352s0001.txt","language":"de","ocr_de":"F\n\nSurli mum klivho' .|i - Alt I n-t it ntv iliell Fii\"ll m /iiiii'll","page":0},{"file":"p0353.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Erinnerung\nan\nE. Schulze.\nMit einem Bildnis.\n\u00ab\nDie biologische Wissenschaft hat einen gro\u00dfen Verlust erlitten. Am Samstag den 15. Juni kurz vor 12 Uhr verschied in Z\u00fcrich nach langem, schwerem Krankenlager Prof. Dr. Ernst Schulze, dem die Pflanzenchemie und auch die Agrikulturchemie so viele bedeutende Untersuchungen verdankt. Dr. phil. Ernst Schulze, Dr. med. hon. causa der Universit\u00e4t Heidelberg, Professor an der Eidgen\u00f6ssischen Technischen Hochschule, wurde in dem im Leinetal gelegenen Flecken Bovenden bei G\u00f6ttingen am 31. Juli 1840 geboren. Sein Vater war lange Zeit Oberamtmann in Reinhausen. Sein Gro\u00dfvater war der Hofrat G. E. Schulze, Professor der Philosophie in G\u00f6ttingen. Im Fr\u00fchjahr 1858 bestand Schulze sein Maturit\u00e4tsexamen in G\u00f6ttingen und bezog gleich darauf die dortige Universit\u00e4t, wo er unter Fr. W\u00f6hler und Limpricht Chemie studierte. Das Sommersemester 1859 verbrachte er in Heidelberg bei Bunsen. Durch Vermittlung W\u00f6hlers erhielt er, nach noch nicht vollendeten Studien, im Jahre 1861 eine Assistentenstelle bei Lehmann in Jena, in gleicher Eigenschaft war er sodann bei A. Geuther, dem Nachfolger Lehmanns, bis zum Jahre 1866 t\u00e4tig. Auf Zureden W\u00f6hlers \u00fcbernahm E. Schulze hierauf die Stelle eines Assistenten an der landwirtschaftlichen Versuchsstation\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. LXXIX.\n25","page":353},{"file":"p0354.txt","language":"de","ocr_de":"354\nin Weende bei G\u00f6ttingen. Hier, unter Hennebergs Leitung, des Begr\u00fcnders der landwirtschaftlichen F\u00fctterungslehre, f\u00fchrte er mit seinem Freunde M. M\u00e4rcker eine Reihe tierphysiologischer Versuche aus; die Ergebnisse dieser Untersuchung sind zum Teil in dem Journal f\u00fcr Landwirtschaft ver\u00f6ffentlicht. Mit M\u00e4rcker publizierte er auch eine gr\u00f6\u00dfere Untersuchung \u00fcber die Zusammensetzung der rohen Schafwolle in dem Journal f\u00fcr praktische Chemie.\nIm Januar 1871 wurde ihm die Leitung der vonA. Kraemer, seinem nachmaligen Schwiegervater, mitbegr\u00fcndeten landwirtschaftlichen Versuchsstation in Darmstadt \u00fcbertragen. Die D\u00fcngermittelkontrolle, die ausschlie\u00dflich f\u00fcr praktische Zwecke bestimmten Kontrollanalysen waren nicht nach seinem Geschmack, und freudigen Herzens nahm er im Juni 1872 einen Ruf an das damalige Eidgen\u00f6ssische Polytechnikum in Z\u00fcrich an, wo er nun ununterbrochen 40 Jahre als Profess.or f\u00fcr chemische F\u00e4cher und f\u00fcr.Agrikulturchemie an der landwirtschaftlichen Abteilung t\u00e4tig war. Da an dieser Anstalt Ein** richtungen f\u00fcr tierphysiologische und Kulturversuche nicht bestanden, mu\u00dfte er zun\u00e4chst ein neues Forschungsgebiet ausfindig machen. Nachdem die in Weende begonnenen Untersuchungen \u00fcber die Zusammensetzung des Wollfetts beendet worden waren, wandte er sich der Untersuchung der Pflanzen zu.\nUnsere Kenntnisse \u00fcber die Zusammensetzung der landwirtschaftlich wichtigen Nutz- und Futterpflanzen waren damals recht mangelhafte, und hier griff nun Schulze mit vielem Geschick ein. Eine gro\u00dfe Anzahl von Abhandlungen \u00fcber diesen Gegenstand finden sich in den Landwirtschaftlichen Versuchsstationen und in dem Journal f\u00fcr Landwirtschaft.\nUnter Ben\u00fctzung von Mercurinitrat als F\u00e4llungsmittel gelang es ihm, aus R\u00fcbens\u00e4ften das Glutamin zu isolieren.\nIm Jahre 1875 begann er seine Untersuchungen der stickstoffhaltigen Verbindungen der Keimpflanzen. Damals fand die von Pfeffer ausgesprochene Ansicht, da\u00df das pflanzliche Eiwei\u00df beim Keimungsproze\u00df in eine Zuckerart und Asparagin zerf\u00e4llt, allgemeine Anerkennung. Bei Untersuchung der Keimpflanzen von Wicken, der Sojabohne, des K\u00fcrbis, vor allem aber bei den ein-\n\u25a0 (","page":354},{"file":"p0355.txt","language":"de","ocr_de":"355\ngehenden, auf \u00fcber drei Dezennien ausgedehnten Untersuchungen der Keimpflanzen von blauer, gelber und wei\u00dfer Lupine wurde festgestellt, da\u00df darin neben Asparagin auch dessen Homologes, das von Schulze entdeckte Glutamin, und verschiedene Aminos\u00e4uren sich vorfinden. In den K\u00fcrbiskeimpflanzen, in welchen Asparagin nicht aufgefunden werden konnte, wird dieses durch Glutamin vertreten. In den Keimpflanzen der gelben Lupine wurden zwei bis dahin nicht bekannte Verbindungen: das Phenylalanin und das Arginin entdeckt. Aus den oben genannten Keimpflanzen wurden Aminovalerians\u00e4ure, Leucin, Isoleucin, Tyrosin, Prolin, Tryptophan, Histidin und Lysin, aus den Wickenkeimlingen das Guanidin gewonnen. Von diesen Verbindungen war nur das Leucin als Pflanzenbestandteil schon bekannt. Diese genannten Stickstoffverbindungen treten in den verschiedenen Keimpflanzen und in den verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung in recht wechselnder Menge auf, und manche konnten nur in \u00e4u\u00dferst geringen Mengen daraus dargestellt werden. Da nun das Asparagin oder in einigen wenigen Keimpflanzen das Glutamin den weitaus gr\u00f6\u00dften Teil der nicht eiwei\u00dfartigen stickstoffhaltigen Verbindungen ausmacht, so gelangte Schulze auf Grund seiner ausgedehnten Untersuchungen zur Ansicht, da\u00df die Monoaminos\u00e4uren und Basen beim Keimungsproze\u00df in Asparagin bezw. Glutamin \u00fcbergehen und dann in den gr\u00fcnen Organen unter Zuhilfenahme der Assimilationsprodukte wieder zu Eiwei\u00df regeneriert werden. Dieser Ansicht ist von Pfeffer widersprochen worden; sie fand aber, nachdem auch seine Sch\u00fcler weitere Aufkl\u00e4rungen in dieser Frage brachten, allgemeine Anerkennung. Somit war der Eiwei\u00dfstoffwechsel in den Keimpflanzen aufgekl\u00e4rt. Diese Untersuchungen erbrachten auch den Nachweis, da\u00df die Spaltungsprodukte des pflanzlichen Eiwei\u00dfes die gleichen sind, wie sie auch bei der Spaltung von tierischen Eiwei\u00dfstoffen durch Fermente oder andere Agenzien entstehen.\nDa\u00df im Stoffwechsel der Pflanze der Abbau durch Fermente erfolgt, wurde durch einen seiner Sch\u00fcler, hier nachgewiesen. Es wurde ferner gezeigt, da\u00df die in Keimpflanzen aufgefundenen stickstoffhaltigen Spaltungsprodukte auch durch\n25*","page":355},{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"856\nZersetzung von pflanzlichen Eiwei\u00dfsubstanzen mit S\u00e4uren oder Baryt erhalten werden k\u00f6nnen.\nDie Konstitution des Leucins und Arginins wurde schon vor vielen Jahren eruiert.\nMan darf wohl sagen, da\u00df die Untersuchungen Schulzes \u00fcber die stickstoffhaltigen Pflanzenbestandteile viel dazu beigetragen haben, da\u00df unsere Kenntnisse \u00fcber die Eiwei\u00dfverbindungen heute so weit fortgeschritten sind.\nDie Untersuchung des Wollfetts ergab das Vorhandensein eines isomeren Cholesterins, des Isocholesterins.\nBei Untersuchungen von Knollen der Stachyspflanze wurde das Stachydrin aufgefunden, dessen Konstitution auch in unserem Laboratorium ermittelt wurde. Das in Wicken von Schulze entdeckte Vernin erwies sich identisch mit dem Guanosin.\n\u00dcberraschend war der Befund, da\u00df in verschiedenen pflanzlichen Objekten Guanidin und Allantoin sich vorfindet. Letztere Stickstoffverbindung hatte man bis dahin wohl als ausschlie\u00dflichen Bestandteil des Tierk\u00f6rpers angesehen. Ber\u00fccksichtigt man ferner noch, da\u00df Schulze zuerst auch die Untersuchung pflanzlicher Phosphatide in die Hand nahm und im Verein mit seinen Mitarbeitern nachwies, da\u00df das Lecithin die n\u00e4mlichen Spaltungsprodukte liefert wie das Eierlecithin, und wenn man ferner in Betracht zieht, da\u00df E. Schulze auch den pflanzlichen Cholesterinen seine Aufmerksamkeit geschenkt hat, so hat sein oft gemachter Ausspruch: \u00abin der chemischen Zusammensetzung des Pflanzen- und Tierk\u00f6rpers finden wir mehr \u00dcbereinstimmung, als man anf\u00e4nglich wohl vermuten durfte\u00bb, v\u00f6llige Berechtigung.\nBei den langj\u00e4hrigen Untersuchungen der Lupinenarten wurde auch das Alkaloid Lupidin entdeckt. Nachdem in den fr\u00fcheren Jahren auf die weite Verbreitung des Cholins hingewiesen wurde, widmete sich Schulze in den letzten der Untersuchung der Betaine. Die Ergebnisse der in dieser Zeitschrift dar\u00fcber publizierten Untersuchungen haben berechtigtes Aufsehen erregt.\nAuch mit der Untersuchung stickstofffreier Substanzen hat sich E. Schulze lange Jahre hindurch besch\u00e4ftigt ; die dabei","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"357\ngewonnenen Versuchsergebnisse sind nicht nur f\u00fcr die Pflanzenchemie, sondern auch f\u00fcr die Agrikulturchemie und f\u00fcr die Methodik der agrikulturchemischen Untersuchung von Bedeutung. In den Stachysknollen wurde die Stachyose entdeckt, die sich als ein Tetrasaccharid erwies; ein der Stachyose \u00e4hnliches, aber nicht krystallisierendes Kohlenhydrat, die Lupeose, wurde in Samen von Lupinen aufgefunden.\nSchon in Weende hat Schulze mit Henneberg oft dar\u00fcber gesprochen, da\u00df zuverl\u00e4ssige Methoden, die Mengen der Zellwandungen zu bestimmen, nicht vorliegen. Schulze hat dann gezeigt, weshalb das sogenannte Weende-Verfahren der \u00abRohfaserbestimmung\u00bb nach Henneberg keinen sicheren Aufschlu\u00df \u00fcber die Mengen der Zellwandungen geben kann. Es wurde gefunden, da\u00df die pflanzlichen Zellwandungen sich nicht nur aus dem Anhydrid der d-Glukose aufbauen, sondern, da\u00df daneben in vielen F\u00e4llen solche der Xylose, der Arabinose, der Mannose und der Galactose vorhanden sind, und da\u00df diese Mannane, Arabane, Xylane usw. gegen\u00fcber verd\u00fcnnten S\u00e4uren eine weit geringere Widerstandsf\u00e4higkeit aufweisen als die eigentlichen Cellulosen. Diese Zellwandbestandteile, die als Reserve-stofle in vielen pflanzlichen Objekten auftreten, wurden von Schulze als Hemicellulosen bezeichnet. In seinen in verschiedenen Zeitschriften sehr ausf\u00fchrlich beschriebenen Publikationen hat er die Ergebnisse seiner 40 j\u00e4hrigen wissenschaftlichen T\u00e4tigkeit einem gro\u00dfen Leserkreis zug\u00e4nglich gemacht.\nMit r\u00fchrender Geduld hat er trotz seiner schwachen Augen, dank seinem au\u00dfergew\u00f6hnlichen Ged\u00e4chtnis, noch mit Erfolg eigenh\u00e4ndig bis zu seiner Erkrankung im Laboratorium t\u00e4tig sein k\u00f6nnen.\nAn Anerkennungen f\u00fcr seine wissenschaftlichen Leistungen, an denen es ihm nie gefehlt hat, fand er trotz seiner gro\u00dfen Bescheidenheit gro\u00dfe Freude.\nMitte der 80 er Jahre wurde ihm die silberne Liebig-Medaille zuteil. Seine Untersuchungen \u00fcber die Bestandteile der Lupinensamen wurden im Jahre 1887 von der K\u00f6nigl. Gesellschaft der Wissenschaften in G\u00f6ttingen preisgekr\u00f6nt.","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358\nBesondere Ehrungen wurden ihm bei seinem 70. Geburtstag zuteil, bei welchem Anla\u00df er zum Dr. med. hon. causa der Universit\u00e4t Heidelberg promoviert wurde.\nEr hat sich mit seinen pflanzenchemischen Untersuchungen einen dauernden Namen in der Geschichte der biologischen Wissenschaften gesichert. Seinen Sch\u00e4lern bleibt er unverge\u00dflich.\nE. Winterstein.","page":358}],"identifier":"lit19535","issued":"1912","language":"de","pages":"353-358","startpages":"353","title":"Zur Erinnerung an E. Schulze","type":"Journal Article","volume":"79"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:28:13.323925+00:00"}