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{"created":"2022-01-31T14:28:35.483329+00:00","id":"lit19549","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Feulgen, R.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 80: 73-78","fulltext":[{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verhalten dar achten Nucleins\u00e4ure zu Farbstoffen.\nI. Mitteilung.\n' 'Voll': :\nR. Feulgen. \u25a0\n(Aus dem physiologischen Institut der Universit\u00e4t Berlin.)\n(Der Redaktion zugegangen am 27. Juni 1912.)\n\u00dcber die genaueren chemischen Bindungsverh\u00e4ltnisse der Substanzen des Zellkernes besitzen wir trotz vieler hierauf gerichteter Arbeiten noch lange nicht die w\u00fcnschenswerte Klarheit. Die Gr\u00fcnde hierf\u00fcr liegen nicht darin, da\u00df man sich nicht gen\u00fcgend viel und gen\u00fcgend gleichm\u00e4\u00dfiges Material von Zellkernen verschaffen k\u00f6nnte; das ist leicht zug\u00e4nglich, seitdem zuerst Hoppe-Seyler die roten Blutk\u00f6rperchen zu seinen bekannten qantitativen Untersuchungen1 * 3 * * *) benutzt, und seitdem Miesch er*) in den Spermatozoon der Fische ein so ausgezeichnetes Material aufgefunden hat.\nDie Schwierigkeiten, eine tiefere Einsicht in die eigenartigen Bindungsverh\u00e4ltnisse des Zellkernes zu gewinnen, sind vielmehr darin zu suchen, da\u00df man bisher \u00fcber den genaueren chemischen Aufbau der in Frage kommenden Bestandteile des Kernes nicht gen\u00fcgend orientiert war. Zwar wissen wir durch die grundlegenden Arbeiten von A. Kossel,9) da\u00df der Hauptbestandteil des Zellkernes, ein Nucleoproteid- schon bei leichten Eingriffen einen Teil seines Eiwei\u00dfes abgibt und in eine phosphorreichere Substanz, das Nuclein, \u00fcbergeht, und da\u00df dieses Nuclein erst bei energischerer Spaltung sich in Nucleins\u00e4ure und Eiwei\u00df weiter trennen l\u00e4\u00dft.\nDiese Ansicht wird durch das bekannte Schema ausgedr\u00fcckt:\n*) Mediz.-chem. Untersuchungen, T\u00fcbingen, Heft 8, S. 366.\n*) Gesammelte Arbeiten, Leipzig, C. F. W. Vogel.\n3) Untersuchungen \u00fcber die Nucleine und ihre Spaltungsprodukte.\nStra\u00dfburg, 188L\nDiese Zeitschrift, Bd. 8, S 512 u. a. m.\nLilienfeld, Diese Zeitschrift, Bd. 18, S, 478, Bd. 20, S. 103.","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74\tR. Feulgen,\nNucleoproteid Nuclein Eiwei\u00df Nucleins\u00e4ure Eiwei\u00df.\nDemgegen\u00fcber ist aber eingewendet worden, da\u00df die Existenz des Nucleins zweifelhaft sei, und da\u00df das Nucleoproteid weiter nichts sei als eine salzartige Verbindung von Nucleins\u00e4ure und basischem Eiwei\u00df.1)\nSolange man nun weder die genaue Konstitution der Nucleins\u00e4ure noch die der Eiwei\u00dfkomponente kannte, schien eine exakte L\u00f6sung dieser Streitfrage wenig aussichtsvoll; seitdem aber die Struktur der Nucleins\u00e4ure sicher festgestellt* *) ist, d\u00fcrfte auch eine Entscheidung zugunsten der einen oder anderen Ansicht m\u00f6glich werden, wenn man das Verhalten der Nucleins\u00e4ure zu anderen hochmolekularen Basen untersucht Zeigen derartige Salze, deren Natur ja nach der Art der Darstellung vollkommen zweifellos ist, das gleiche Verhalten wie die Nucleoproteide, so w\u00e4re damit die Frage dahin entschieden, da\u00df die Nucleoproteide in der Tat nur salzartige Verbindungen von Nucleins\u00e4ure und einem Eiwei\u00dfk\u00f6rper sind.\nIch habe es nun unternommen, die nucleinsauren Salze von Farbbasen darzustellen, \u2014\u25a0 ich habe gerade diese basischen Stoffe gew\u00e4hlt, weil die Farbbasen trotz des verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig hohen Molekulargewichtes gegen m\u00e4\u00dfig starke Eingriffe (z. B. Hydrolysieren mit verd\u00fcnnten Minerals\u00e4uren) sehr resistent sind, sich leicht wiedergewinnen und identifizieren lassen. Ferner aber hoffte ich bei dieser Gelegenheit Aufschl\u00fcsse dar\u00fcber zu bekommen, ob die allgemein bekannte F\u00e4rbbarkeit des Zellkernes mit basischen Farbstoffen eine wirkliche Salzbildung ist odernur eine Adsorptionserscheinung, bei derchemische Bindungen zwischen S\u00e4ure und Base nicht die Hauptrolle spielen. Die Gegenwart der stark sauren Nucleins\u00e4ure im Zellkern lie\u00df immerhin an die M\u00f6glichkeit denken, da\u00df es sich bei der F\u00e4rbung auch um ^ine reine Salzbildung handele.\nAls ersten Versuch in dieser Richtung habe ich die Ver-\n\u25a0 f) J. Bang, Hofmeisters Beitr\u00e4ge, Bd. 4, S. 331, Bd. 5, S. 817.\n*) H. Steudel, Diese Zeitschrift, Bd. 77, S. 497.","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verhalten der echten Nucleins\u00e4ure zu Farbstoffen. I. 75\nalso das nucleins\u00e4ure TetramethyldiamidotriphenyIc\u00e0rbinol, dar gestellt. .\t\u2022 -\t.\nDa das Malachitgr\u00fcn des Handels f\u00fcr meine Versuche unbrauchbar war, habe ich aus dem k\u00e4uflichen oxalsauren Salz die freie Base durch \u00fcbersch\u00fcssiges Alkali abgeschieden und wiederholt aus Ligroin umkryst\u00e4llisiert. Nach f\u00fcnfmaligem Umkrystallisieren erhielt ich ein vollkommen farbloses Produkt, das den verlangten N-Gehalt besa\u00df.\n0,4314 g liefern 30,0 ccm N (\u00fcber 33\u00b0/o Kalilauge gern.) t = 18\u00b0; p = 750 mm; entsprechend 8,05\u00b0/o N (ber. 8,09\u00b0/o).\n* Aus der freien Base wurde durch Zugabe der berechneten Menge Salzs\u00e4ure das Chlorid hergestellt, auf dem Wasserbade eingeengt und im Vakuum getrocknet.\nDa die Nucleins\u00e4ure eine vierbasische S\u00e4ure ist, so l$g es am n\u00e4chsten, analog dem vierbasischen Natriumsalze auch f\u00fcr die Nucleins\u00e4urefarbstoffverbindung ein vierbasisches Salz vorauszusetzen; in einem dementsprechenden Verh\u00e4ltnis wurde deshalb zun\u00e4chst das nucleins\u00e4ure Natrium mit dem Chlorsalz des Malachitgr\u00fcnleukohydrats zusammengebracht und zwar in etwa 10\u00b0/o L\u00f6sung. Als Nucleins\u00e4ureformel habe ich die von H. Steudel1) angegebene gew\u00e4hlt: C45H6iN15P4Om 9 HtO.\nMol.-Gew. der Nucleins\u00e4ure = 1455 -j- 9;Hf\u00d6 = 1617.\nFarbbase = CMHJfiN,0. Mol.-Gew. = 346.\nDer Verbindung von Nucleins\u00e4ure mit vier Molek\u00fclen der Base kommt also ein Molekulargewicht von nicht weniger als 2929 zu, entsprechend einer Formel: ^iSS\u00ae15T^\u00d6^J4\t? HjO.\nHierin wurde die gleiche Menge Konstitutionswasser (9 Molek\u00fcle) angenommen wie in der Nucleins\u00e4ure.\nBei meinen Versuchen lie\u00df ich 10 g nucleinsaures Natrium in Reaktion tr\u00e8ten mit 8,54 g Farbsalz, und zwar wurde die etwa 10\u00b0/oige L\u00f6sung des nucleinsauren Natriums lahgsam und unter Umschwenken in die 10\u00b0/oige L\u00f6sung der salzsauren\n*) Das nucleins\u00e4ure Natrium verdanke ich Herrn Prof. H. Steudel, es war dasselbe Material, das er seinen letzten Arbeiten \u00fcber die Konstitution der Nucleins\u00e4ure, Diese Zeitschrift, Bd. 77, S. 497, zugrunde gelegt hatte.","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\t,\tR. Fettigen,\nFarbbase hineingegossen. Es schied sich zun\u00e4chst eine gallertige Masse ab, die aber bald verschwand und allm\u00e4hlich einem schwarzen, flockigen, weichen Niederschlage Platz machte. Das Reaktionsgemisch wurde fiber Nacht stehen gelassen, am anderen Tage abzentrifugiert, wiederholt mit Wasser aufgef\u00fchrt und zentrifugiert, dann der Niederschlag auf einem Tonteller abgepre\u00dft und im Vakuumexsikkator bei gew\u00f6hnlicher Temperatur getrocknet. Beim Auswaschen gelang es nicht, das Waschwasser auch nur ann\u00e4hernd farblos zu bekommen; es war jedesmal intensiv gr\u00fcn gef\u00e4rbt, w\u00e4hrend die Substanz anscheinend quoll. Die trockene Substanz stellte eine schwarze, an der Oberfl\u00e4che r\u00f6tlich schillernde por\u00f6se Masse dar, die sich infolge ihrer Porosit\u00e4t zwar leicht zerdr\u00fccken, aber wegen ihrer gro\u00dfen H\u00e4rte sich au\u00dferordentlich schwer pulverisieren lie\u00df. (Im Gegensatz zu dem nucleinsauren Natrium und dem urspr\u00fcnglichen Farbsalz.)\nDie Pr\u00fcfung auf Halogen verlief vollkommen negativ. Die Substanz gab weder nach Carius einen Niederschlag von Chlorsilber noch die Beilsteinsche Flammenreaktion, sie war also vollst\u00e4ndig chlorfrei; es mu\u00df also bei der Reaktion wirklich eine doppelte Umsetzung unter Salzbildung eingetreten sein, um eine Adsorption kann es sich wegen der Chlorfreiheit der Substanz nicht handeln.\nBei der Beurteilung der Analysenwerte st\u00f6\u00dft man bei diesem K\u00f6rper auf \u00e4hnliche Schwierigkeiten wie bei dem nucleinsauren Natrium wegen des sehr wechselnden Wassergehaltes, indem es auch in unserem Falle anscheinend unm\u00f6glich ist, den K\u00f6rper bis zu einem Grade absoluter Trockenheit zu trocknen, so da\u00df die absoluten Prozentzahlen nur ann\u00e4hernd zu verwerten sind. Auch hier mu\u00df man auf das Verh\u00e4ltnis des Stickstoffs zum Phosphor, das unabh\u00e4ngig von einem unbekannten Wassergehalte ist, das gr\u00f6\u00dfere Gewicht legen. Im folgenden sind die Werte je zweier P- und N-Bestim-mungen wiedergegeben.\n1.\nN-Bestimmung (Dumas).\n0,2740 g liefern 29,0 ccm N \u00fcber 33 \u00b0/o Kalilauge gern, b 758; t \u2014 20\u00ae.\t- . \u2022","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verhalten der echten Nucleins\u00e4ure zu Farbstoffen. I.\t77\nN-GehaU = 12,12 \u00b0/o.\nP-Bestimmung (Neumann).\n0,1773 g entsprechen 15,4 ccm n/s-NaOH == 4,81 \u00b0/o P. 0,1726 \u00bb\t\u00bb\t15,0 \u00bb n'i-NaOH = 4,85 \u00ae/o P.\n\u25a0 W:\nN-Bestimmung (Dumas).\n0,2858 g liefern 29,8 ccm N \u00fcber 33\u00b0/o Kalilauge gern, b = 752; t = 18\u00b0.\nN-Gehalt == ll,94\u00b0/o.\nP-Bestimmung (Neumann).\n0,1936 g entsprechen 16,8 ccm n/*-NaOH = 4,81 \u00b0/o P,\nBerechnet f\u00fcr\ndas einbasische Salz das zweibasische Salz das dreibasische Salz +\tC87H109Ni4P4Om+9H1O: C,MHiMN,1P40#4t9H,0:\n\u00b0/oN= 12,27\t11,71\t11,34\n\u00b0/o P = 6,38\t5,45\t4,77\nN : P = 1,93\t2,13\t2,38\nBerechnet f\u00fcr\t\tGefunden:\ndas vierbasische Salz\nC1MH167N,3P4034+ 9 H,0:\tMittel\n\u00b0/o N = 11,00\t12,12 11,94\t12,03\n#/o P = 4,24\t4,81 4,85 4,81 4,82\u2018\nN:P = 2,60\t: 2.80\nDas Verh\u00e4ltnis von Stickstoff zu Phosphor, das. in diesem Falle ja allein ma\u00dfgebend ist, pa\u00dft entschieden am besten f\u00fcr das vierbasische Salz.\t\u2019\nIch habe mich bem\u00fcht, f\u00fcr diese Ansicht noch eine weitere St\u00fctze zu gewinnen, indem ich die Menge der Farbbase bestimmte, die in die Verbindung eingegangen war. Das Malachit-gr\u00fcnleukohydrat ist mit Alkali leicht aus seinen Salzen abzuscheiden und mu\u00dfte also bei der Behandlung der Substanz mit Natronlauge ungel\u00f6st Zur\u00fcckbleiben, w\u00e4hrend die Nucleins\u00e4ure als nucleinsaures Natrium in L\u00f6sung blieb. In der Tat l\u00f6ste sich auch die Substanz in Natronlauge unter Entf\u00e4rbung leicht auf, indem sich gleichzeitig ein wei\u00dfer milchiger Niederschlag abschied. Dieser Niederschlag blieb aber, offenbar wegen der Anwesenheit der Nucleins\u00e4ure, in kolloidaler L\u00f6sung,und lie\u00df sich nicht von der Fl\u00fcssigkeit trennen, Erst wenn durch mehrst\u00fcndiges","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78 R. Feulgen, Verhalten der echten Nudeins\u00e4ure zu Farbstoffen. L\nKochen mit 5\u00b0/oiger Schwefels\u00e4ure die Nucleins\u00e4ure vorher zerst\u00f6rt worden war, konnte der mit Natronlauge erzeugte Niederschlag hei Gegenwart von viel Talkum in eine leicht filtrierbare Form gebracht werden. Nach nochmaligem L\u00f6sen in Essigs\u00e4ure, Filtration und Ausf\u00e4llung mit Natronlauge lie\u00df sich so eine Substanz gewinnen, deren Menge 41 \u00b0/o des angewandten nuclein-sauren Malachitgr\u00fcns betrug (berechnet f\u00f6r ein vierbasisches Safe 47\u00b0/o Malachitgr\u00fcnleukohydrat).\nNach diesen Ergebnissen wird man zu der Annahme gef\u00fchrt, da\u00df in der Tat die Verbindung der Nudeins\u00e4ure mit dem Malachitgr\u00fcn ein Salz ist, dessen Bildung durch doppelte Umsetzung zustande kommt.\nNudeinsaures Natron + salzsaures Malachitgr\u00fcn = nuclein-saures Malachitgr\u00fcn -f- Chlornatrium.\nIch beabsichtige, die gleichen Versuche wie hier beschrieben, hoch mit anderen Farbbasen auszuf\u00fchren; sollten sich auch hier die gleichen Resultate ergeben, so wird es von besonderem Interesse sein, das Verhalten der Nucleoproteide den Farbstoffen gegen\u00fcber zu untersuchen ; es w\u00e4re dann zu erwarten, da\u00df, wenn wirklich auch hier eine doppelte Umsetzung stattfindet, sich nur ein Teil des Molek\u00fcls des Nucleoproteides, der saure Anteil, mit der Farbbase verbindet, w\u00e4hrend die basische Komponente, an die S\u00e4ure der Farbbase gebunden, sich im Filtrat vorfinden m\u00fc\u00dfte;\nAber derartige Untersuchungen sto\u00dfen auf gro\u00dfe Schwierigkeiten, die schon selbst die Deutung der so leicht \u00fcbersehbaren Verh\u00e4ltnisse der Wechselwirkung von Nudeins\u00e4ure und Farbbase erschweren. Merkw\u00fcrdigerweise l\u00f6st sich n\u00e4mlich schon beim einfachen Auskochen des nucleinsauren Malachitgr\u00fcns mit Alkohol auf dem Wasserbade ein Teil des Farbstoffes im Alkohol auf. Ob bei dieser Operation schon das so labile Molek\u00fcl der Nudeins\u00e4ure zerst\u00f6rt oder ein \u00c4ther der Farbbase gebildet wird, mu\u00df ich vorl\u00e4ufig dahingestellt sein lassen \u2014 phosphorhaltige Substanz war jedenfalls nicht in das alkoholische Extrakt hineingegangen.\nDie Untersuchungen werden von mir fortgesetzt.","page":78}],"identifier":"lit19549","issued":"1912","language":"de","pages":"73-78","startpages":"73","title":"Das Verhalten der echten Nucleins\u00e4uren zu Farbstoffen. I. Mitteilung","type":"Journal Article","volume":"80"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:28:35.483334+00:00"}