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{"created":"2022-01-31T14:32:57.352459+00:00","id":"lit19604","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Kossel, A.","role":"author"},{"name":"N. Gawrilow","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 81: 274-279","fulltext":[{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"Wettere Unterauchungwi Ober die freien Amidogruppen der\nProteinetoffe.\n\u25a0 ' Von\nA. Kossel und N* * Gawrilow.1) ^\n(Aus dem physiologischen Institute der Universit\u00e4t Heidelberg.)\nDurch eine Reihe von Untersuchungen aus dem hiesigen Laboratorium ist die Auffassung begr\u00fcndet worden, da\u00df in den nat\u00fcrlich vorkommenden Proteinen zwei verschiedenartige freie Amidogruppen vorhanden sind, die eine geh\u00f6rt dem Guanidin, die zweite dem Lysin an. Die Beobachtungen, welche diese Anschauung begr\u00fcnden, sind in fr\u00fcheren Mitteilungen ausf\u00fchrlich dargelegt worden. Es sei an folgende Tatsachen erinnert. Das S\u00e4urebindungsverm\u00f6gen der Protamine steht in einem leicht erkennbaren Zusammenh\u00e4nge mit der Menge der im Molek\u00fcl enthaltenen Guanidin-und Lysingruppen.*) Die salpetrige S\u00e4ure greift, wenn sie unter bestimmten Bedingungen auf Proteine einwirkt, nur am Lysinstickstoff an, w\u00e4hrend die \u00fcbrigen freien Amidogruppen, welche die starke Alkalescenz der Protamine bedingen, sich wie die Amidogruppen des Guanidins verhalten, d. h. nicht reagieren.8) Auch die Art des Eintritts der Nitrogruppe ist dieser Annahme sehr g\u00fcnstig.4)\nUnsere in dieser Mitteilung enthaltenen Untersuchungen sind imstande, diese Anschauung mit Hilfe einer anderen Beweisf\u00fchrung zu st\u00fctzen. Die M\u00f6glichkeit hierzu bot sich auf Grund der bekannten Methode von S\u00f6rensen, welche auf der Einwirkung des Formaldehyds beruht. Nach S\u00f6rensen5) untere scheiden sich die Amidogruppen des Guanidins in ihrem Verhalten zu Formol von denen der freien Amidos\u00e4uren ; w\u00e4hrend\ni) Mitgeteilt von A. Kossel am 9. September 1912 in der Versammlung der British association for the advancement of science (Physiologische Sektion) in Dundee.\n\u2022) cf. M. Goto, Diese Zeitschr., Bd. 37, S. 94 (1902).\n*) A. Kossel und A, T. Cameron, Diese Zeitschr., Bd. 76, S. 457 (1912); A. Kossel und F.Wei\u00df,, Sitzungsber. d. Heidelberger Akademie d. Wiss., Math.-physik. KlasSe, Abt B, 30. M\u00e4rz 1912; A. Kossel und\nF. Wei\u00df, Diese Zeitschr., Bd. 78, S.402 (1912).\n\\ 4) A. Kossel und E. L. Kennaway, Diese Zeitschr., Bd. 72, S.486 (1911); A. Kossel und F. Wei\u00df, l. c.\nB) S. P. L. S\u00f6rensen, Biochem. Zeitschr., Bd. 7, S.45 (1907).","page":274},{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die freien Amidogruppen der ProteinstofTe. 275\nletztere mit Formaldehyd die bekannte Verbindung eingeben, ist dies bei den ersteren nicht der Fall. Wenn somit unsere oben erw\u00e4hnte Auffassung richtig ist, d\u00fcrfen diejenigen Proteine, welche kein Lysin enthalten, selbst wenn sie starke Alkalescenz besitzen und reich an freien Amidogruppen sind, keinen \u00abformol-titrierbaren\u00bb Stickstoff enthalten, die lysinhaltigen Proteine hingegen m\u00fc\u00dften unter der Einwirkung des Formols einen sauren Charakter annehmen. Dieser Voraussetzung entsprechen die folgenden Versuchsergebnisse.\nWir stellten fest, da\u00df bei den lysinfreien Proteinen, und zwar bei verschiedenen Protaminen der Salmingruppe \u2014 den Salminen aus den Testikeln verschiedener Salmoniden, ferner dem Clupein, dem Esocin, dem Scombrin, au\u00dferdem bei h\u00f6heren lysinfreien Proteinen: dem Zein und Hordein, der formolti-trierbare Stickstoff v\u00f6llig fehlt oder in sehr geringer, nur durch Verunreinigung oder geringe Zersetzung der Pr\u00e4parate zu erkl\u00e4render Menge beobachtet wird. Letzteres scheint beim Esocin der Fall zu sein. Sobald jedoch in der Reihe der Proteine das Lysin als Baustein erscheint, ist auch formoltitrier-barer Stickstoff vorhanden. Dies letztere Ergebnis' fanden wir beim Sturin, beim Cyprinin und beim Crenilabrin. Da\u00df die meisten h\u00f6heren Proteine, welche ja bekanntlich Lysin enthalten, mit Formaldehyd Verbindungen eingehen und formoltitrierbar sind, ist eine l\u00e4ngst bekannte und viel untersuchte Erscheinung.\nIm allgemeinen scheinen die lysinreicheren Protamine auch reicher an formoltitrierbarem Stickstoff zu sein, doch sind die bisher vorliegenden Analysen noch nicht zahlreich genug, um hier\u00fcber zu entscheiden. Ein durchgehend proportionales Verh\u00e4ltnis zwischen beiden Gr\u00f6\u00dfen ist kaum zu erwarten. Ganz abgesehen davon, da\u00df bei Ausdehnung dieser Untersuchungen auf andere Proteine neben der Amidogruppe des Lysins noch andere formoltitrierbare Gruppen gefunden werden k\u00f6nnen, mu\u00df man auch mit der M\u00f6glichkeit verschiedenartiger Bindungen des Lysins rechnen. Auch k\u00f6nnten \u00e4u\u00dfere, nicht mit Zersetzung verbundene Einwirkungen das Proteinmolek\u00fcl so ver\u00e4ndern, da\u00df eine urspr\u00fcnglich reaktionsf\u00e4hige Amidogruppe ihre Reaktionsf\u00e4higkeit gegen Formol verliert.","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276\tA. Kossel und N. G&wrilow,\nMan wird mit der Verallgemeinerung der hier gefundenen Resultate auf die formenreiche Klasse der Proteine vorsichtig sein m\u00fcssen. Jedenfalls bieten aber die bisherigen Beobachtungen einen neuen Beweis f\u00fcr die Richtigkeit der oben ausgesprochenen Anschauungen \u00fcber die freien Amidogruppen der Proteine. Durch die Feststellung des Zusammenhangs mit dem Lysingehalt der Proteine hat die formoltitrimetrische Untersuchung eine erh\u00f6hte Bedeutung f\u00fcr die Konstitutionsforschung in der Eiwei\u00dfchemie gewonnen.\nAus unseren Versuchen \u00fcber das Verhalten der zur Salmingruppe geh\u00f6rigen Protamine ist noch eine weitere bemerkenswerte Schlu\u00dffolgerung zu ziehen. Das freie Prolin ist, wie S\u00f6rensen feststellte (1. c.), durch F\u00f6rmol titrierbar, obwohl es keine Amido-, sondern eine Imidogruppe enth\u00e4lt. Da nun die Protamine der Salmingruppe, welche unter der Einwirkung des Formols keine saure Reaktion annehmen, erhebliche Mengen Prolin enthalten, so ergibt sich, da\u00df das intra-protein gebundene Prolin keine Formolbindung eingeht. Sofern man daher \u00fcberhaupt die Pr\u00e4existenz des Prolins im Molek\u00fcl der Proteine annimmt \u2014 und diese Annahme ist sehr wahrscheinlich \u2014, so mu\u00df man schlie\u00dfen, da\u00df der Stickstoff des Prolins an der Peptidbindung in diesen Proteinen teilnimmt. Dies f\u00fchrt aber wiederum zu der Schlu\u00dffolgerung, da\u00df der Prolinstickstoff dieser Proteine terti\u00e4rer Stickstoff ist.\nExperimenteller Teil.\nBei der Ausf\u00fchrung der Titrierung verfuhren wir genau nach den Angaben von S\u00f6rensen. Als Indicator verwendeten wir ausschlie\u00dflich Phenolphthalein. Die zu untersuchenden Stoffe konnten meist leicht in neutraler w\u00e4sseriger L\u00f6sung erhalten werden, unter Umst\u00e4nden wurden die Substanzen auch in n/5-Salzs\u00e4ure gel\u00f6st und dann mit Natronlauge bis zur Neutralit\u00e4t versetzt. *) In einzelnen F\u00e4llen (s. die Tabellen) war es\n*) Zur Neutralisation der sauren L\u00f6sung setzten wir Natronlauge bis zur deutlich roten Farbe (zweites Stadium nach S\u00f6rensen) hinzu. Das Verhalten der Indicatoren bei Gegenwart von Protaminen scheint uns noch n\u00e4herer Untersuchung zu bed\u00fcrfen.","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die freien Amidogruppen der Proteinstoffe. 277\nerforderlich, zu 10 ccm der L\u00f6sung 5 ccm n/\u00e4-Salzs\u00e4ure hinzuzuf\u00fcgen uud sodann ohne vorherige Neutralisation 10 ccm der Form\u00f6ll\u00f6sung hinzuzusetzen. Im Laufe der Titrierung bis zum starken Rot trat dann gew\u00f6hnlich L\u00f6sung ein, deren Zustandekommen wir nur in wenigen F\u00e4llen durch Zuhilfenahme eines L\u00f6sungsmittels oder durch Verd\u00fcnnung beg\u00fcnstigen mu\u00dften. Um die Zul\u00e4ssigkeit dieser \u00c4nderung zu pr\u00fcfen, haben wir das so ge\u00e4nderte Verfahren bei einzelnen Pr\u00e4paraten gleichzeitig mit der urspr\u00fcnglichen Vorschrift angewandt. Es ergab sich \u2014 wie aus den unten mitgeteilten Tabellen ersichtlich ist \u2014 kein Unterschied der Resultate.\nDie Titrierung der mit Formol versetzten L\u00f6sung wurde stets bis zum starken Rot fortgesetzt. Die Kontroll\u00f6sung wurde immer so bereitet, da\u00df ihre Menge gleich derjenigen der zu untersuchenden L\u00f6sung war. War die zu pr\u00fcfende L\u00f6sung stark gef\u00e4rbt, so gaben wir der Kontroll\u00f6sung einen Zusatz von Bismarckbraun oder Orange S.\nDie zur Untersuchung verwendeten Protamine waren nach dem Verfahren von A. Kossel dargestellt worden. Einige von ihnen sind bisher noch nicht beschrieben worden. N\u00e4heres \u00fcber ihre Darstellung und Zusammensetzung soll in einer demn\u00e4chst erscheinenden Abhandlung mitgeteilt werden. Es sind dies folgende Protamine: Coregonin aus Coregonus albus, Sal-velin aus Salvelinus Namaycush, Esocin aus Esox Lucius. Wir verdanken das Material zu den beiden ersteren Pr\u00e4paraten dem Bureau of Fisheries in Washington D. C., die Testikel von Esox Lucius wurden uns von Herrn Professor Dr. H. Pauly in W\u00fcrzburg, die Spermapr\u00e4parate von Onco-rhynchus zum Teil von dem Bureau of Fisheries in Washington, zum Teil von Herrn Professor Dr. Alonzo Englebert Taylor in Philadelphia, Pa. zugesandt. Wir statten auch an dieser Stelle unsern Dank f\u00fcr das wertvolle Material ab.\nDie Analysen des Coregonins, Salvelins und Eso\u00f6ins sollen in dieser Zeitschrift sp\u00e4ter mitgeteilt werden ; sie ergaben, da\u00df diese Protamine dem Salmintypus angeh\u00f6ren, also sehr reich an Arginin sind und kein Lysin enthalten. Das-","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"**5\tA. Kossel und N. Gawrilow,\nselbe ist, wie A. E. Taylor zuerst nachgewiesen hat,1) bei dem aus Oncorhynchus Tshawytsha dargestellten Salmin der Fall. Das Oncorhynchus-Protamin hat nach den bisher vorliegenden Untersuchungen keine Abweichung vom Salmin des Rheinlachses gezeigt.\nDie Ergebnisse unserer Untersuchungen sind in den folgenden Tabellen dargestellt.\nTabelle \u00c0.\nLysinfreie Proteine.\n1\t2\t3\t4\t5\t6\n\tProzent-\tAnge-\tReaktion\tFormol-\tFormol-\nUntersuchte\t\twandte\tder L\u00f6sung\ttitrier-\ttitrierbarer\n\tgehalt\tSub-\tbei Beginn\tbarer\tStickstoff\nSubstanz\tan Stick-\t, stanz-\tder\tStick-\tin \u00b0/o des\n\tStoff*)\tmenge\tFormol-\tStoff\tGesamt-\n\t\tg\tWirkung\tg\tStickstoffs\nClupeinsulfat\t22,01\t0.1274\tneutral\t0,0\t0,0\n\u00bb\t22,01\t0,0637\tsauer\t0,0\t0,0\n\t22,01\t0,5956\tneutral\t0,0\t0,0\nSalminsulfat (aus Rheinlachs)\t21,77\t0,3054\t\u00bb'\t0,0\t0,0\n\u00bb\t21,77\t0,3113\t\u00bb\t0,0\t0,0\nSalminsulfat (aus Oncorhynchus)\t21,70\t0,2304\t\u00bb\t0,0\t0,0\n>\t21,70\t0,2312\t\u00bb.\t0,0\t0,0\nCoregoninsulfat\tnicht\t0,3275\t\t0,0\t0,0\n(aus Coregonus albus)\tbestimmt\t\t>\t\t\nSalvelinsulfalt (aus SalvelinusNamaycush)\t20,97\t0,2934\t\u00bb\t0,0\t0,0\nScombrinsulfat\tnicht bestimmt\t0,2312\t\u00bb \u2022\t0,0\t0,0\nEsocinsulfat (aus Esox Lucius)\t21,06\t0,3094\t\u00bb\t0,0013\t1,9\n- .*\t2i,06\t0,3465\t\u00bb\t0,0013\t1,9\nHordein\t17,21\u00bb)\t0,400\t\u00bb\t0,00056\t0,8\n\u00bb \u25a0\t17,21 \u00bb)\t0,400\t\u00bb\t0,00028\t0,4\nZein\t\\ nicht\t201ccin ges\u00e4ttigte\t\u00bb\t0,0\t0,0\n\u00bb\t/bestimmt\t20) L\u00f6sung\t\u00bb \u25a0\t0,0\t0,0\n*) Journ of biological chemistry, Bd. 5, S. 389 (1908). *) In dem lufttrockenen Pr\u00e4parat.\n\u00bb) Nach Osborne.","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die freien Amidogruppen der Proteinstoffe. 279\nTabelle B. Lysinhaltige Proteine.\nUntersuchte Substanz\tProzent- gehalt an Stickstoff \u2018)\tAnge- wandte Sub- stanz- menge\tGesamt- Stick- stoff 6\tRe- aktion der L\u00f6sung\tFormol- titrier- barer Stickstoff *\tFormol-titrierbarer Stickstoff in Prozenten des Gesamtstickstoffs\nSturinsulfat\t19,91\t0,6758\t0,1346\tneutral\t0,0094\t6,9\n>\t19,91\t0,5839\t0,1162\tsauer\t0,0073\t6,3\n. \u00bb \u2022\t19,91\t0,2899\t0,0573\tneutral\t0,0036\t6,4\nJ>\t19,91\t0,2033\t0,0405\t.\u00bb\t0,0028\t6,4\n\u00bb\t19,91\t0,2899\t0,0573\tsauer\t0,0036\t6,4\n\t19,91\t0,2033\t0,0405\t>\t0,0028\t6,4\nCyprininsulfat* 8) Erstes Pr\u00e4parat\t13,08\t0,3150\t0,0428\t\u00bb\t0,0054\t12,8\nDesgl.\t13,58\t0,3299\t0,0448\t\u00bb\t0,0058\t13,0\nCyprininsulfat*) Zweites Pr\u00e4parat\t18,22\t0,3402\t0,0620\t>\t0,0080\t13,2\nCrenilabrinsulfat\t15,72\t0,3538\t0,0556\t\u00bb\t0,0042\t7,5\n*) In der lufttrockenen Substanz.\n8) Die Pr\u00e4parate des Cyprininsulfats bestanden aus einer Mischung von a- und \u00df-Cyprinin.","page":279}],"identifier":"lit19604","issued":"1912","language":"de","pages":"274-279","startpages":"274","title":"Weitere Untersuchungen \u00fcber die freien Amidogruppen der Proteinstoffe","type":"Journal Article","volume":"81"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:32:57.352464+00:00"}