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{"created":"2022-01-31T14:13:31.188349+00:00","id":"lit19675","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Arnold, Vinzenz","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 83: 304-314","fulltext":[{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"Weitere Beobachtungen Ober die Arnoldsche Harnreaktion mit\nNltroprussidnatrium.\nVon\nTineen* * Arnold.\n(Aus der Abteilung f\u00fcr Infektionskrankheiten des allgemeinen Krankenhauses in Lemberg.) (Der Redaktion zugegangen am 9. Januar 1913.)\nHolobut1) fand die von mir beschriebene violette Nitroprussidreaktion*) nicht nur nach Fleischgenu\u00df, sondern auch nach Aufnahme anderer Speisen (R\u00fchreier, K\u00e4se, Milch, Gr\u00fctze) positiv. Sie erreichte sogar in einigen F\u00e4llen (z. B. nach Genu\u00df von 5\u20146 R\u00fchreiern) eine Intensit\u00e4t, wie dies sonst nach Aufnahme von gebratenem Fleisch gesehen wurde. Da das Bier auch zu den Nahrungsmitteln zu z\u00e4hlen ist, so darf es nicht auffallen, da\u00df Holobut auch nach Genu\u00df gr\u00f6\u00dferer Quantit\u00e4ten desselben eine positive Nitroprussidreaktion auftreten sah Holobut kam daher, ebenso wie auch andere Autoren, welche die violette Nitroprussidreaktion untersucht haben, zu dem Ergebnis, da\u00df diese Reaktion nicht f\u00fcr den stattgehabten Genu\u00df von Fleisch oder Fleischbr\u00fche spezifisch ist, wenn auch eine starke violette Nitroprussidreaktion fast ausnahmslos auf den Genu\u00df von Fleisch zur\u00fcckzuf\u00fchren ist. Soweit sind die von Holobut festgestellten Tatsachen als richtig anzuerkennen.\nAm Schlu\u00df seiner Arbeit spricht Holobut jedoch die Ansicht aus, da\u00df die violette Nitroprussidreaktion am deutlichsten nach Aufnahme stark eiwei\u00dfhaltiger Nahrung zum Vorschein komme, so da\u00df man vermuten k\u00f6nnte, ob nicht vielleicht die Eiwei\u00dfk\u00f6rper in einem engeren Zusammenh\u00e4nge zum Auftreten dieser Reaktion st\u00fcnden. Holobut hat jedoch nicht ber\u00fccksichtigt, da\u00df die von mir beschriebene Reaktion\n*) Diese Zeitschrift, Bd. 56, 1906.\n\u2022) Diese Zeitschrift, Bd. 49, 1906.","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Am old sehe Hamreaktion mit Nitroprussidnatrium. 305\nam intensivsten gerade nach Genu\u00df von Beeftea zur Beobachtung gelangt; sie ist aber in diesem Falle gewi\u00df nicht auf den Eiwei\u00dfgehalt der Fleischbr\u00fche zur\u00fcckzuf\u00fchren, denn Beeftea enth\u00e4lt nur Spuren eines durch Ammonsulfat f\u00e4llbaren Eiwei\u00dfk\u00f6rpers. Die Fleischbr\u00fche kann zwar, wenn das Fleisch durch l\u00e4ngere Zeit der Siedetemperatur ausgesetzt war. noch etwas Leim enthalten; ich konnte jedoch nach Aufnahme von 20 g Gelatine im Verlauf von 3 Stunden eine positive violette Nitroprussidreaktion im Harne nicht nachweisen. Daf\u00fcr w\u00fcrde auch der Umstand sprechen, da\u00df der die Reaktion hervorrufende K\u00f6rper der Fleischbr\u00fche sehr rasch resorbiert wird, denn man sieht schon 20 Minuten nach Aufnahme des Beeftea in den leeren Magen die violette Nitroprussidreaktion im Harn auftreten. Dieser K\u00f6rper wird \u00fcbrigens nicht erst durch die Verdauungst\u00e4tigkeit gebildet, denn man sieht die violette Nitroprussidreaktion ebenso rasch und ebenso stark auftreten, wenn man das Beeftea per rectum einverleibt, oder es, wie Holobut, unter die Haut injiziert. Ein Einflu\u00df der Eiwei\u00dfk\u00f6rper auf die Entstehung des mit Nitroprussidnatrium reagierenden K\u00f6rpers ist jedoch auch auf Grund meiner Versuche anzuerkennen, doch kann diese Reaktion jedenfalls nicht ausschlie\u00dflich mit den Eiwei\u00dfk\u00f6rpern unserer Nahrung in Zusammenhang gebracht werden. Um nun dieser Frage n\u00e4her zu treten und \u00fcber die Bedingungen ins Reine zu kommen, unter welchen die violette Nitroprussidreaktion im Harne zur Beobachtung gelangt, habe ich einige Versuche mit verschiedenen N\u00e4hrstoffen vorgenommen. Es wurde dabei in der Weise vorgegangen, da\u00df nach Aufnahme eines Nahrungsstoffes der Harn der Versuchsperson durch etwa 7 Stunden (in etwa 1\u2014l1/e st\u00fcndlichen Pausen) untersucht wurde. Untersucht man durch k\u00fcrzere Zeit, so kann es leicht Vorkommen, da\u00df besonders nach Aufnahme indifferenter N\u00e4hrstoffe (z. B. reiner Eiwei\u00dfk\u00f6rper) eine positive Reaktion \u00fcbersehen wird, weil sie erst in einer sp\u00e4teren Zeit zum Vorschein kommt. Es d\u00fcrfte dies wohl meist damit Zusammenh\u00e4ngen, da\u00df solche indifferente N\u00e4hrstoffe die Verdauungst\u00e4tigkeit in ungen\u00fcgendem Grade anregen, so da\u00df die Verdauungsprodukte erst sp\u00e4t in zur","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"30\u00df\tVinzenz Arnold,\nHervorrufung der Reaktion gen\u00fcgender Menge in den S\u00e4ftekreislauf gelangen. \u00dcbrigens ist oft auch nach 7 Stunden die Produktion und Ausscheidung dieses mit Nitroprussidnatrium reagierenden K\u00f6rpers noch nicht vollendet und dies nicht nur nach Fleischgenu\u00df, sondern auch nach Aufnahme anderer N\u00e4hrstoffe. Die Fl\u00fcssigkeitsaufnahme ist bei solchen Versuchen zu beschr\u00e4nken, da sonst die Konstatierung schw\u00e4cherer Reaktionen infolge der Harnverd\u00fcnnung Schwierigkeiten bereiten k\u00f6nnte. Schw\u00e4chere Reaktionen sind leichter nach vorheriger Entf\u00e4rbung des Harns durch Tierkohle nachzuweisen. Nach E. Herzfeld und X. Buss1) wird zwar der die violette Reaktion im Harn hervorrufende K\u00f6rper durch die Tierkohle absorbiert, doch geschieht dies nur dann, wenn dem Harn zuviel davon zugesetzt wurde. Die Entf\u00e4rbung des Harnes ist \u00fcbrigens nur selten notwendig, da die violette Reaktion sehr leicht zu erkennen ist.\nIn diesen Versuchen wurde vor allem auch der Einflu\u00df reiner N\u00e4hrstoffe (Eiwei\u00dfk\u00f6rper, Kohlenhydrate) untersucht, um zu erfahren, welche Bestandteile unserer Nahrung diese Farbenreaktion hervorzurufen imstande w\u00e4ren. Es erhielt daher die Versuchsperson zuerst das koagulierte und gut ausgewaschene Eiereiwei\u00df von 7 Eiern, nachdem durch vorherige Untersuchung die vollst\u00e4ndige Abwesenheit dieser Reaktion im Harne derselben festgestellt worden war. Gleichzeitig wurde nur etwas unges\u00fc\u00dfter Tee, welcher sich vollst\u00e4ndig indifferent verh\u00e4lt, verabreicht. Die Versuche wurden immer vormittags zwischen 8-9 Uhr begonnen. 21/* Stunden nach Aufnahme des Eiwei\u00dfes wurde im Harne eine zwar sehr schwache, aber deutlich erkennbare violette Reaktion nachgewiesen, die erst nach Ablauf mehrerer Stunden aus dem Harne verschwand. Auch in einem zweiten Versuche trat nach dem Genu\u00df der gleichen Menge koagulierten und ausgewaschenen Eiereiwei\u00dfes eine zwar schwache, aber deutlich erkennbare violette Nitro-prussidreaktion in dem Harn der Versuchsperson auf und konnte darin durch mehrere Stunden nachgewiesen werden.\n4) Med. Klinik 1910. Nr. 20.","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Arnoldsehe Harnreaktion mit Nitroprussidnatrium. 307\nIn einem weiteren Versuche war nach Aufnahme von 60 g Nutrose, welche in m\u00f6glichst wenig hei\u00dfem Wasser gel\u00f6st wurde, die violette Reaktion 2 Ls Stunden sp\u00e4ter zwar sehr schwach, aber deutlich nachweisbar; 4 Stunden sp\u00e4ter war sie noch immer positiv, w\u00e4hrend 6 Stunden sp\u00e4ter nur noch eine Spur dieser Reaktion nachzuweisen war. Nach einem Liter gekochter Milch war die Reaktion erst 5 Stunden sp\u00e4ter schwach positiv. Nach Genu\u00df von 3U 1 saurer Milch wurde eine schwache Reaktion 2 Stunden sp\u00e4ter konstatiert. 4 Stunden sp\u00e4ter war die Reaktion sehr schwach, aber noch nachweisbar.\nNach Aufnahme von 200 g rohen Fleisches war 2 La Stunden sp\u00e4ter eine eben noch erkennbare Reaktion zu konstatieren; in den sp\u00e4teren Harnportionen war die Reaktion nicht mehr sicher nachzuweisen.\nNach Genu\u00df von 2 Semmeln war die violette Reaktion bereits nach einer Stunde ganz deutlich nachzuweisen; 2 bis 3 Stunden sp\u00e4ter war sie schw\u00e4cher, aber noch immer deutlich. 5 Stunden sp\u00e4ter war sie noch immer positiv, aber sehr schwach\nNach Genu\u00df eines Kuchens, welcher aus reiner St\u00e4rke unter Zusatz von etwas Rohrzucker zubereitet worden war, war 4 Stunden sp\u00e4ter eine zwar sehr schwache, aber deutliche Reaktion nachzuweisen. 7 Stunden sp\u00e4ter war die Reaktion deutlich positiv, auch der Farbenumschlag in Blau nach Zusatz von Essigs\u00e4ure war deutlich sichtbar. Sogar nach 10 Stunden war die Reaktion noch positiv. Die Reaktion erschien daher versp\u00e4tet, blieb aber dann ebenso lange nachweisbar, wie sonst.\nNach Genu\u00df von 125 g Butter war 21 la Stunden sp\u00e4ter eine Spur der Reaktion nachweisbar. (Nach Herz leid und Busse trat nach 150 g Butter eine schwache Reaktion auf.)\nNach 240 g Rohrzucker war 2 Stunden sp\u00e4ter eine schwache, aber deutliche Reaktion nachweisbar. Nach weiteren 3 Stunden war die Reaktion nicht mehr deutlich zu erkennen.\nNach einem Liter Pilsnerbier, das vorher durch Eindampfen der Fl\u00fcssigkeit auf Ls von seinem Alkoholgehalt befreit worden war, war 11H Stunden sp\u00e4ter eine zwar deutliche, aber keineswegs starke Reaktion nachzuweisen. Nach weiteren 2 Stunden war die Reaktion noch positiv, aber bereits bedeutend schw\u00e4cher.","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"\u00abw\tVinzenz Arnold,\nNach reinem Alkohol war die violette Reaktion nicht zu beobachten.\nNach einem L\u00f6ffel des Liebigschen Fleischextraktes, welches in einer Schale hei\u00dfen Wassers aufgel\u00f6st worden war, war die violette Nitroprussidreakti\u00f6n nicht nachzuweisen. Das Liebigsche Extrakt verh\u00e4lt sich also anders, als eine aus frischem Fleisch zubereitete Fleischbr\u00fche und kann daher als vollwertiger Ersatz derselben wohl nicht angesehen werden.\nNach w\u00e4sserigen Ausz\u00fcgen von Gew\u00fcrzen, deren einige in dieser Hinsicht untersucht wurden, wurde das Auftreten der violetten Nitroprussidreakti\u00f6n nie beobachtet.\nMan ersieht aus den mitgeteilten Versuchen, da\u00df die reinen N\u00e4hrstoffe (Kohlenhydrate und Eiwei\u00dfk\u00f6rper) nur eine schwache Nitroprussidreakti\u00f6n hervorzurufen imstande sind. Eine kr\u00e4ftigere violette Reaktion sehen wir nach dem Genu\u00df dieser N\u00e4hrstoffe in entsprechend zubereiteter Form, durch welche di\u00eb Verdaulichkeit derselben erh\u00f6ht wurde, w\u00e4hrend z. B. reine Eiwei\u00dfk\u00f6rper dib Verdauungst\u00e4tigkeit zu wenig anregen und daher vielleicht zu einem Teile der Verdauung entgehen d\u00fcrften. Die intensivste Reaktion wird jedoch nach Einverleibungdes fast keine N\u00e4hrstoffe enthaltenden Beeftea beobachtet. Diese so auffallende Wirkung des Beeftea ist daher auf Reizstoffe zu beziehen, welche durch die Einwirkung der Siedehitze auf labile Extraktsubstanzen der tierischen Zellen entstanden sein d\u00fcrften. Sie sind vielleicht unter den gleichzeitig entstehenden Geschmackssubstanzen des Fleisches zu suchen. Es wird dies durch den Umstand nahegelegt, da\u00df die Intensit\u00e4t der violetten Reaktion nach dem Genu\u00df von Fleisch oder Beeftea desto st\u00e4rker ist, je wohlschmeckender Beeftea oder Fleisch waren; es kann jedoch diese Beobachtung auch anders erkl\u00e4rt werden, denn der Wohlgeschmack des Fleisches h\u00e4ngt von Umst\u00e4nden ab, welche anderseits auch eine reichlichere Produktion jener Extraktsubstanzen beg\u00fcnstigen m\u00fcssen, aus denen durch die Einwirkung h\u00f6herer Temperaturen die Reizstoffe des Fleisches hervorgehen. Die anderen Organe des Tierk\u00f6rpers verhalten sich entsprechend ihrem Zellreichtum ebenso wie das Fleisch.","page":308},{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Arnoldsche Harnreaktion mit Nitroprussidnatrium. 309\nDie Tatsache, da\u00df Dach Aufnahme so verschiedener N\u00e4hrstoffe (Amylum, Rohrzucker, Eiwei\u00dfk\u00f6rper, Beeftea) das Auftreten der violetten Nitroprussidreaktion im Harn beobachtet wird, schlie\u00dft den anf\u00e4nglich von mir angenommenen exogenen Ursprung der mit Nitroprussidnatrium reagierenden Substanz aus. Die Ausscheidung dieses K\u00f6rpers h\u00e4ngt \u00fcbrigens nicht nur von der St\u00e4rke des Reizes, sondern auch von dem Zustand des Organismus ab. So wird auf der H\u00f6he eines schweren Abdominaltyphus nach Aufnahme von Beeftea nur eine sehr schwache und dazu versp\u00e4tet auftretende Nitroprussidreaktion beobachtet. Die Reizwirkung ist also, soweit sie sich wenigstens in dem Auftreten dieser Reaktion \u00e4u\u00dfert, in dem schwer gesch\u00e4digten Organismus nur eine geringe. Zugleich besteht in solchen sehr schweren F\u00e4llen auch ein starker Widerwille gegen jede Nahrungsaufnahme. Nach \u00dcberwindung des H\u00f6hestadiums der Erkrankung nimmt nun zugleich mit dem wieder erwachenden Nahrungsbed\u00fcrfnis auch diese Reaktion wieder allm\u00e4hlich an St\u00e4rke zu. Nach Eintritt der Rekonvalescenz wird sie gew\u00f6hnlich bald wiecter normal, ln weniger schweren F\u00e4llen von Infektionskrankheiten ist nur eine mehr oder weniger starke Abnahme der Intensit\u00e4t dieser Reaktion zu bemerken. Eine normale St\u00e4rke dieser Reaktion d\u00fcrfte daher auch einem normalen Verhalten der Ern\u00e4hrungsfunktionen des Organismus entsprechen.\nDie violette Nitroprussidreaktion wird im Anschlu\u00df an die Verdauungst\u00e4tigkeit und die damit verbundene Resorption und Verarbeitung der N\u00e4hrstoffe beobachtet. Die sie hervorrufenden Stoffe sind N\u00e4hrstoffe und Reizstoffe, welche auch die Verdauungst\u00e4tigkeit anregen. Es ist jedoch fraglich, ob der Verdauungst\u00e4tigkeit an und f\u00fcr sich, d. i. abgesehen davon, da\u00df durch sie die N\u00e4hrstoffe f\u00fcr die Resorption vorbereitet werden m\u00fcssen, ein Einflu\u00df auf die Entstehung der violetten Reaktion zuzuschreiben ist. Der Reiz des Beeftea, welches ebenso gut vom Rectum wie vom Magen aus zur Wirkung kommt, sowie der resorbierten N\u00e4hrstoffe gelangt ja auf dem Blutwege \u00fcberall hin. Die Ern\u00e4hrung ist aber eine Funktion aller vitalen Elemente des Organismus. Der im Ham durch die violette Nitroprussidreaktion nachgewiesene K\u00f6rper entsteht","page":309},{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"310\tVinzenz Arnold,\ndaher als Produkt einer mit den Ern\u00e4hrungsprozessen zusammenh\u00e4ngenden allgemeinen Zellt\u00e4tigkeit, welche durch den Reiz der in den S\u00e4ftekreislauf aufgenommenen N\u00e4hrstoffe und gewisser Reizstoffe hervorgerufen wird. Die gr\u00f6\u00dfte Intensit\u00e4t dieser Reaktion beobachten wir jedenfalls nach dem Genu\u00df von Beeftea oder Fleisch Der chemische Vorgang, welcher nach Aufnahme von N\u00e4hrstoffen zur Ausscheidung des K\u00f6rpers der violetten Reaktion f\u00fchrt, erf\u00e4hrt durch die Reizwirkung des Fleisches eine kr\u00e4ftige Steigerung; da es nur wenig wahrscheinlich ist, da\u00df diese Reizwirkung sich nur auf diesen einen Vorgang beschr\u00e4nken sollte, so darf wohl angenommen werden, da\u00df auch die funktionelle Aktivit\u00e4t und Arbeitsleistung der Zellen \u00fcberhaupt gehoben werden. Diese Ansicht wird auch durch das Ergebnis einiger Versuche, die ich an einem Diabetiker anzustellen in der Lage war, gest\u00fctzt. Dieser 50j\u00e4hrige Kranke schied bei gemischter Nahrung etwa 1 \u00b0/0 Zucker aus. Bei entsprechender Di\u00e4t war der Harn zuckerfrei. Nach Genu\u00df von l1/*\u20142 Semmeln zum Fr\u00fchst\u00fcck enthielt der 2 Stunden sp\u00e4ter erhaltene Harn wieder Zucker. Wenn nun der Kranke gleichzeitig mit den Semmeln so viel Beeftea bezw. gebratenes Fleisch erhielt, da\u00df der Ham eine ziemlich intensive Nitro-prussidreaktion darbot, so war nun entweder kein Zucker, oder nur Spuren davon in dem 2\u20142l/a Stunden sp\u00e4ter entleerten Harn nachweisbar. (Die Ausscheidung des die violette Reaktion hervorrufenden K\u00f6rpers mu\u00df dabei durch etwa 2 Stunden in einer gewissen H\u00f6he andauern, was leichter durch Fleisch zu erzielen ist.) Der Organismus dieses Kranken war daher imstande, den aus dem Darmkanal zustr\u00f6menden Zucker zu verwerten, so lange die Reiz Wirkung des Beeftea in einer gewissen H\u00f6he andauerte.\nEs wird daher auch kein Zufall sein, da\u00df das Fleisch, welches als das vorz\u00fcglichste unserer Nahrungsmittel angesehen wird, auch nach dem Zeugnis der violetten Nitroprussidreaktion die st\u00e4rkste Reizwirkung aus\u00fcbt, so da\u00df h\u00f6here Grade dieser Reaktion auf den vorausgegangenen Genu\u00df von Fleisch bezogen werden k\u00f6nnen. Diese Wirkung tritt auch fr\u00fcher ein, als nach anderen Nahrungsmitteln. Auch der Fleischbr\u00fche","page":310},{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Arnoldsche Harnroaktion mit Nitroprussidnatrium. 311\nmu\u00df ein h\u00f6herer Wert zuerkannt werden, als dies bisher geschehen ist, da in dieselbe die dem Fleisch eigent\u00fcmlichen Reizstoffe \u00fcbergehen. Mit dieser Reizwirkung der Fleischbr\u00fche h\u00e4ngt wohl auch das angenehme Kraftgef\u00fchl zusammen, welches wir nach Aufnahme derselben empfinden. Die Ansicht Bung es (Lehrb. d. Physiologie d. Menschen, 1905), welcher eine stimulierende Altgemeinwirkung der Fleischbr\u00fche nicht zugibt, besteht also nicht zu Recht. Nur auf der H\u00f6he schwerer Infektionskrankheiten wird diese Allgemeinwirkung, so weit sie in der violetten Nitroprussidreaktion zutage tritt, fast vermi\u00dft. Jedenfalls wird diese eigent\u00fcmliche Wirkung der W\u00fcrzstoffe des Fleisches, die sich in dem Auftreten der violetten Nitroprussidreaktion verr\u00e4t, f\u00fcr die Ern\u00e4hrung nicht gleichg\u00fcltig sein.\nDie von mir angegebene Harnreaktion hat bisher keine gen\u00fcgende Beachtung erfahren, trotzdem der ihr zugrunde liegende, noch unbekannte K\u00f6rper ein normaler und h\u00e4ufig im Harn nachweisbarer Harnbestandteil ist. Die Kenntnis dieser Reaktion ist besonders bei Vornahme der Wey Ischen Kreatininprobe unerl\u00e4\u00dflich. Die violette Nitroprussidreaktion wird durch das Kreatinin des Harnes nicht beeintr\u00e4chtigt. Bereits mit einem Tropfen der 4\u00b0/\u00bbigen Nitroprussidnatriuml\u00f6sung auf 10\u201420 ccm Harn erh\u00e4lt man nach Zusatz von 5\u201410\u00b0/oiger Natronlauge die volle Intensit\u00e4t dieser Farbenreaktion ; unter diesen Umst\u00e4nden reagiert aber das Kreatinin des Harnes bei gleichzeitiger Anwesenheit des die violette Reaktion gebenden K\u00f6rpers, wenn \u00fcberhaupt, so in kaum sichtbarer Weise. Wird mehr Nitroprussidnatrium zugesetzt, so bemerkt man auch, da\u00df der st\u00f6rende Einflu\u00df der fast gleichzeitig auftretenden Wey Ischen Reaktion immer mehr zur Geltung gelangt, so da\u00df die gesonderte Beobachtung der violetten Nitroprussidreaktion bald nicht mehr m\u00f6glich ist. Dieses Verhalten beider Reaktionen war auch die Ursache, da\u00df die violette Nitroprussidreaktion trotz der H\u00e4ufigkeit ihres Auftretens im Harn \u00fcbersehen werden konnte. Die beiden so verschiedenen Farbenreaktionen beeinflussen sich nat\u00fcrlich gegenseitig in st\u00f6render Weise. Wird die Weylsche Kreatininreaktion mit einem Harne vorgenommen, welcher zugleich eine st\u00e4rkere violette Nitroprussidreaktion gibt, so bemerkt","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"Vinzenz Arnold,\nman im ersten Augenblick nach dem Zusatz der Lauge noch das tiefe Violett dieser Reaktion ; dieses wird dann durch ein sattes Braunrot abgel\u00f6st, welches dann in braune und braungelbe Farbent\u00f6ne und schlie\u00dflich in gelb \u00fcbergeht. Wird Essigs\u00e4ure zugesetzt; so sieht man ebenfalls noch das Blau der Arnold-sehen Reaktion, welches rasch in einen gr\u00fcnlichen Farbenton \u00fcbergeht. Das reine Rot, resp. Rotgelb der Weylschen Kreatininreaktion sieht man erst, wenn vor Anstellung dieser Reaktion der der violetten Nitr\u00f6prussidreaktion zugrunde liegende K\u00f6rper eliminiert wurde. Man darf es daher in keinem Falle unterlassen, sich vor Anstellung der Weylschen Kreatininreaktion von der Anwesenheit der violetten Nitr\u00f6prussidreaktion zu \u00fcberzeugen, um bei Vorhandensein derselben beide Reaktionen f\u00fcr sich getrennt vornehmen zu k\u00f6nnen, was sich leicht erreichen l\u00e4\u00dft, da der mit Nitroprussidnatrium reagierende K\u00f6rper der A rno 1 d sehe\u00bb Reaktion gegen Alkali empfindlich ist und daher durch Alkalisierung einer Harnprobe leicht eliminiert werden kann, w\u00e4hrend das Kreatinin dadurch nicht alteriert wird. Die mit Natron- oder Kalilauge alkalisierte Harnprobe kann bereits nach Verlauf von 3 Minuten zur Vornahme der Weylschen Reaktion ben\u00fctzt werden, da nach dieser Zeit ein st\u00f6render Einflu\u00df der violetten Nitr\u00f6prussidreaktion nicht mehr zu bef\u00fcrchten ist. Die WeyIsche Reaktion wird dann in der Weise vorgenommen, da\u00df man auf i ccm der L\u00f6sung 2 bis 3 Tropfen einer 4\u20145\u00b0/oigen Nitroprussidnatriuml\u00f6sung zuf\u00fcgt. (Die alkalische L\u00f6sung braucht zu diesem Zweck nicht erst vorher neutralisiert zu werden.) Noch einfacher ist es, zur Anstellung der Weylschen Reaktion dieselbe Harnprobe zu ben\u00fctzen, mit welcher die violette Nitr\u00f6prussidreaktion vorgenommen wurde. Diese Farbenreaktion bla\u00dft bei gew\u00f6hnlicher Zimmertemperatur binnen VU Minuten ab, es vergehen jedoch meist 3 Minuten, bis die Probe bla\u00dfgelb geworden ist: jetzt wird durch weiteren Zusatz von Nitroprussidnatrium die Wey Ische Reaktion vorgenommen, an welche noch durch Zusatz von Essigs\u00e4ure die Legalsche Acetonreaktion angeschlossen werden mu\u00df.\nAuch durch die gleichzeitige Anwesenheit von Aceton oder Acetessigs\u00e4ure erleidet die violette Nitr\u00f6prussidreaktion keine","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Arnoldsche Harnreaktion mit Xitroprussidnatrium. 313\nSt\u00f6rung, da auch diese Verbindungen mit einem tropfen einer 4\u00b0/oigen Nitroprussidnatriuml\u00f6sung auf 10\u201420 ccm Harn au schwach reagieren und daher diese Farbenreaktion nicht st\u00f6rend beeinflussen. Anderseits wird auch die Le gal sehe Reaktion durch eine positive violette Nitroprussidreaktion nicht gest\u00f6rt. Bei Ausf\u00fchrung der Legalschen Reaktion direkt im Harn ist ja nur der zweite Teil dieser Reaktion, d. i. die durch l\u00e4ngere Zeit persistierende Purpurrotf\u00e4rbung nach Zusatz von Essigs\u00e4ure f\u00fcr Aceton bezw. die Acetessigs\u00e4ure charakteristisch, da der erste Teil der Reaktion, d. i. die Rotf\u00e4rbung mit Nitroprussidnatrium und Kalilauge auf einer gleichzeitigen* Reaktion von. Kreatinin und Acetessigs\u00e4ure beruht. Wenn nun der untersuchte Harn auch noch eine positive violette Nitroprussidreaktion gibt, so wird zwar der erste Teil der Legalschen Reaktion jetzt auf der gleichzeitigen Reaktion von 3 Harnbestandteilen beruhen, w\u00e4hrend jedoch der f\u00fcr diese Reaktion charakteristische zweite Teil derselben, d. i. die persistierende Purpurrotf\u00e4rbung auf Zusatz von Essigs\u00e4ure, allein durch Aceton bezw. Acetessigs\u00e4ure bedingt ist. Es wird daher die Legalsche Reaktion weder durch das Kreatinin, noch durch die violette\n7\t;\t. i\nNitroprussidreaktion eine St\u00f6rung erleiden : es liegt daher keine N\u00f6tigung vor, diese f\u00fcr die klinische Harnuntersuchung so n\u00fctzliche Reaktion nicht mit dem Ham selbst, sondern erst mit dem Harndestillat vorzunehmen, um so mehr, als auch eine Verwechslung mit anderen K\u00f6rpern, welche mit Nitroprussidnatrium reagieren, nicht zu bef\u00fcrchten ist. (p-Kresol kommt im Harn nicht frei, sondern in gebundener Form als \u00c4therschwefels\u00e4ure oder gepaarte Glukurons\u00e4ure vor; freies Indol wurde im Harn bisher nicht nachgewiesen; Mercaptan wurde tn Sp\u00fcren in gewissen F\u00e4llen nachgewiesen und verh\u00e4lt sich auch anders als Aceton, denn die mit Nitroprussidnatrium und. Alkali eintretende Yiolettf\u00e4rbung geht durch S\u00e4uren in gelblich \u00fcber.)\nEs w\u00e4re noch zuletzt an die Reaktion zu erinnern, die Thorm\u00e4hlen urspr\u00fcnglich bei einem Falle von Melanosarkom beobachtete. (Der Ham gibt mit Nitroprussidnatrium und Kalilauge eine tiefrotviolette F\u00e4rbung; beim Ans\u00e4uern entsteht eine tiefblaue Farbe.) Diese seltene Reaktion, die auf der Anwesen-\nHoppe-Seyler's Zeitschrift f. physiol. Chemie. LXXXI.\t22","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"314 Vinzenz Arnold, \u00dcber die Arnoldsche Harnreaktion.\nheit von Melanogen im Ham beruht, unterscheidet sich schon durch ihre Best\u00e4ndigkeit (ebenso wie die Nitroprussidreaktion des Indols) von der von mir beschriebenen Nitroprussidreaktion. Auch die beim Ans\u00e4uern entstehende Blauf\u00e4rbung \u00e4ndert sich beim Stehen nicht.\n(Ich m\u00f6chte noch bez\u00fcglich aller dieser Farbenreaktionen bemerken, da\u00df es nicht notwendig ist, nur frisch hergestellte Nitroprussidnatriuml\u00f6sungen zu gebrauchen. Die Nitroprussid-natriuml\u00f6sungen sind in braunen Fl\u00e4schchen und im Dunkeln aufbewahrt beliebig lange haltbar.)\nAus den hier mitgeteilten Beobachtungen ergibt sich, da\u00df die violette Nitroprussidreaktion einem endogen entstandenen Harnbestandteile entspricht. Die Bedeutung dieses K\u00f6rpers wird durch den Umstand erh\u00f6ht, da\u00df er im Harn als Produkt einer mit den Ern\u00e4hrungsprozessen zusammenh\u00e4ngenden und durch den Reiz der N\u00e4hrstoffe und gewisser W\u00fcrzstoffe des Fleisches hervorgerufenen Zellt\u00e4tigkeit erscheint. Dieser Vorgang schlie\u00dft sich daher zeitlich an die Verdauungst\u00e4tigkeit an, w\u00e4hrend im n\u00fcchternen Zustand diese Reaktion im Harn vermi\u00dft wird. Durch den Nachweis dieser Reaktion wird daher eine vorausgegangene Nahrungsaufnahme bewiesen; eine st\u00e4rkere Nitroprussidreaktion kann fast ausnahmslos auf den vorausgegangenen Genu\u00df von Fleisch oder kr\u00e4ftiger Fleischbr\u00fche bezogen werden. In voller St\u00e4rke findet man diese Reaktion bei normalen Individuen ; auf der H\u00f6he schwerer Infektionskrankheiten verschwindet die violette Nitroprussidreaktion fast vollst\u00e4ndig.\nVor Anstellung der WeyIschen Kreatininreaktion ist jeder Harn auf die Anwesenheit dieser Farbenreaktion zu untersuchen; w\u00e4re sie vorhanden, so kann sie leicht durch Alkalisieren einer Harnprobe eliminiert werden,","page":314}],"identifier":"lit19675","issued":"1913","language":"de","pages":"304-314","startpages":"304","title":"Weitere Beobachtungen \u00fcber die Arnoldsche Harnreaktion mit Nitroprissidnatrium","type":"Journal Article","volume":"83"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:13:31.188355+00:00"}