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{"created":"2022-01-31T12:50:25.521233+00:00","id":"lit19873","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Kor\u00f6sy, K. v.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 86: 356-367","fulltext":[{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"Ober Zuckerresorption.\nVon\nK. v. Kor\u00f6sy.\n(Mitteilung aus dom physiologischen Institut der Universit\u00e4t Budapest.)\n(Der Redaktion zugegangen am 17. Juni 1913.)\nDie Grunds\u00e4tze der Physiologie der Kohlenhydrate werden seit den Untersuchungen Claude Bernards zu den am sichersten begr\u00fcndeten physiologischen Kenntnissen gerechnet, welche auch der Pathologie als sichere Grundlage dienen k\u00f6nnen. So wird es als \u00fcber allen Zweifel stehend betrachtet, da\u00df die Kohlenhydrate nach der Verdauung als einfachste Zucker in die Vena portae gelangen, um dann in der Leber in Glykogen verwandelt zu werden. Diese Glykogentheorie fand aber in Pavy einen heftigen Gegner; seine Auffassung, welche aus seinem letzten Werke1) leider nicht in gen\u00fcgendem Zusammenh\u00e4nge erhellt, l\u00e4\u00dft sich kurz folgenderma\u00dfen zusammenfassen:\nDer aus dem Darme resorbierte Zucker gelangt von dem Bruchteile abgesehen, welcher in der Darmwand in Fett umgewandelt wird,2) gr\u00f6\u00dftenteils an Eiwei\u00df gebunden, durch Vermittlung der wei\u00dfen Blutk\u00f6rperchen in die Lymphbahnen iPavy, S. 55 und 68; mikroskopische Beobachtung, S. 79). Nur wenn sehr viel Zucker auf einmal resorbiert wird, gelangt der in der Darmwand nicht \u00abassimilierte\u00bb Anteil desselben durch die Vena portae in die Leber, und wird dort in Glykogen umgewandelt (S. 66). Pavy f\u00fchrt f\u00fcr seine Auffassung und gegen die \u00abGlykogentheorie\u00bb im wesentlichen folgende\n*) F. W. Pavy, On carbohydrate metabolism. London, Churchil tUOU. Die Zusammenfassung seiner Theorie, s. S. 111.\n*) Pavy f\u00fchrt als Beweis hierf\u00fcr die im histologischen Pr\u00e4parate erhaltenen Osmiumtetroxyd-Reaktionen an. L. c.. S. 83.","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"357\n\u00dcber Zuckerresorption.\nVersuchsergebnisse auf: Der Hauptfehler der \u00e4lteren Beobachtungen besteht in dem Umstande, da\u00df die im Augenblicke des Todes eintretende Ver\u00e4nderung des Blutzuckergehaltes vernachl\u00e4ssigt wurde (S. 7); das Blut der Arterien enth\u00e4lt ebensoviel (auch weniger) Zucker als das der Venen (S. 8); der Zuckergehalt des Blutes ist bei Ern\u00e4hrung kleiner als w\u00e4hrend des Hungers iS. 33); aus den verschiedensten Eiwei\u00dfarten k\u00f6nnen zuckerartig reduzierende Substanzen abgespalten werden (S. 35), Pavy folgert aus seinen Versuchen, nach welchen bei parenteraler Zuckerzufuhr der Harnzucker dem Blutzucker parallel zunimmt (S. 19), da\u00df der aus dem Darme resorbierte Zucker im Blute nicht in freiem Zustande vorhanden sein kann, weil sonst w\u00e4hrend der Zuckerresorption eine starke Glykosurie auftreten m\u00fc\u00dfte. Diese Versuche beweisen aber offenbar nichts gegen die \u00ab Glykogentheorie \u00bb, weil ja nach derselben der gesamte aus dem Darme in die Vena portae gelangende resorbierte Zucker durch die Leber zur\u00fcckgehalten wird.\nPavys Beobachtungen wurden durch sp\u00e4tere Untersuchungen teilweise best\u00e4tigt, doch herrscht auf diesen Gebiete viel Widerspruch.1) So m\u00fcssen wir speziell die Frage nach der Beteiligung einerseits der Lymphwege, anderseits der wei\u00dfen Blutk\u00f6rperchen an der Resorption der Kohlenhydrate als unentschieden betrachten. Auch die mir erst n\u00e0ch Fertigstellung meiner Arbeit bekannt gewordenen, gelegentlich ihrer Untersuchungen \u00fcber die osmotischen Verh\u00e4ltnisse der Resorption erhobenen Beobachtungen von Dun in- Borkowski und Wachtel,2) wonach nach einst\u00fcndiger Resorption einer 5\u00b0/oigen Traubenzuckerl\u00f6sung aus einer k\u00fcnstlich durchbluteten Darmschlinge ungef\u00e4hr die H\u00e4lfte der Zuckermenge weder im Darminhalte, noch im Blute aufzufinden war, sprechen f\u00fcr die Richtigkeit der Pavy sehen Auffassung.\nIm Verlaufe meiner Versuche \u00fcber Eiwei\u00dfresorption3)\nl) Die neueste zusarnmenfassende Darstellung dieser Trage s. bei J. Bang, Der Blutzucker. Wiesbaden, Bergmann, 1913. VI. Kap.\n*) Anzeig. Akad. Wiss. Krakau, Math.-Naturw.-Klasse B. Nr. 7, S. 746 (1912).\n*) Kor\u00f6sy, Diese Zeitschrift, Bd. 57, S. 2(>7 (1908). In diesen Versuchen fand ich. daft hei Eiwei\u00dfresorption der Nichteiwei\u00df-, d. h. der","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358\tK. v. K\u00f6 ros y ,\nwollte ich mich einmal \u00fcberzeugen, in welchem Ma\u00dfe ein K\u00f6rper, der .sicher unver\u00e4ndert in das Blut gelangt, unter den gew\u00e4hlten Versuchsbedingungen, d. h. wenn der Blutkreislauf heim Hunde auf Darmkanal, Herz und Lungen beschr\u00e4nkt wird, zur Resorption kommt. In dieser Absicht f\u00fchrte ich einen Versuch \u00fcber Zuckerresorption aus, konnte aber in der zu Ende des Versuches gewonnenen Blutprobe qualitativ keinen Zucker nachweisen. Dies bildete den Ausgangspunkt zu den hier zu beschreibenden Versuchen.\nDas operative Verfahren war das im wesentlichen schon beschriebene: Den Hunden wurden, ohne vorherige Di\u00e4tregelung, unter k\u00fcnstlicher Atmung in der Brusth\u00f6hle die beiden nach oben abgehenden \u00c4ste der Aorta unterbunden, manchmal auch die V. cava sup. ; in der Bauchh\u00f6hle wurden Milz und Mesenterium entfernt, die Aorta unterhalb der Art. mesent. sup. und dieArtt.hepatt. unterbunden; schlie\u00dflich wurde die V. portae in das zentrale Ende der durchschnittenen V. cava inf. gebunden, w\u00e4hrend der periphere Stumpf der letzteren unterbunden wurde. Die einzelnen Phasen dieses Verfahrens vertauschte ich hie und da.\nNach Beendigung der Operation injizierte ich soviel einer KPVoigen Traubenzuckerl\u00f6sung (500\u20141000 ccm), bis der Darm prall gef\u00fcllt war. Die erste Blutentnahme geschah w\u00e4hrend\ndurch Gerbs\u00e4ure nicht f\u00e4llbare N nicht zunimmt, sondern umgekehrt der Eiwei\u00df-N-Gehalt des Blutes, nach Reduktion auf gleiche Konzentration, eine zwar geringe Zunahme erf\u00e4hrt. Vor kurzem fand Folin (Thejourn. of biol. ehern., Bd. 11, S. 87, 1912), da\u00df nach Unterbindung der Nierengef\u00e4\u00dfe bei Resorption von Eiwei\u00df, bezw. von Verdauungsprodukten des Eiwei\u00dfes, der Nichteiwei\u00df-N-Gehalt des Blutes zunimmt. \u00c4hnliche Befunde wurden von E.P. Cathcart und Lea the s (Journ. of physiol., Bd. 33, S. 462, 1906), ferner van Slyke und Meyer (The J. of biol. ch., Bd. 12, S. 399 1912) sowie Delaunay (C. r. Soc. Biol., Bd. 74, S. 767, 769, 1912), auch ohne Unterbindung der Nierengef\u00e4\u00dfe, erhoben. Folin folgert hieraus, da\u00df das resorbierte Eiwei\u00df in Gestalt freier Aminos\u00e4uren in das Blut gelangt. Abgesehen davon, da\u00df bei Resorption ungespaltenen Eiwei\u00dfes la. a. O. S. 94)die Zunahme des Nichteiwei\u00df-N kaum nachweisbar war, ist es noch fraglich, ob diese K\u00f6rper aus dem Darme und nicht aus anderen Organen in das Blut gelangen. Diese Frage l\u00e4\u00dft sich am klarsten mit der Methode des verk\u00fcrzten Kreislaufes entscheiden, wie dies auch durch die Resultate dieser Arbeit bewiesen wird.","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Zuckerresorption.\n\u2022lf>0\nder Operation, die zweite im allgemeinen unmittelbar nachdem das Herz still stand durch Massieren desselben, oder w\u00e4hrend das Herz noch schlug. Das Blut wurde in paraffinierten Kolben aufgefangen, in welchen sich f\u00fcr 100 ccm Blut ca. 2 ccm einer 50a/oigen Natriumcitratl\u00f6sung befanden.\nDer Zuckergehalt des Blutes wurde nach Davy1) bestimmt, die Enteiwei\u00dfung geschah nach Michaelis und Ilona* *) mit Eisenl\u00f6sung. Die Enteiwei\u00dfung geschah meistens in mehreren Blutproben parallel, die so erhaltenen Werte sind gesondert angegeben: die einzelnen angegebenen Werte bedeuten aber nahezu ausnahmslos Mittelwerte aus 2\u201415 gut \u00fcbereinstimmenden Einzelbestimmungen. Die Einengung geschah im allgemeinen auf dem Wasserbade, manchmal im Vakuum, so z. B. in Vers. XI. In den ersten vier Versuchen wurde ohne Ans\u00e4uerung eingeengt, in den folgenden nach Ans\u00e4uerung mit Essigs\u00e4ure. Besonders Angestellte Versuche zeigten, da\u00df dieser Unterschied bei 10 ccm Blut keinen Fehler bedingt; 10 ccm desselben Blutes ergaben im ersten Falle 0,110, im zweiten 0,107\u00b0/o Zucker. Einige Male bestimmte ich den \u00abtotalen\u00bb Zucker (sucre total) nach L\u00e9pine,3) d. h. richtiger gesagt, die Gesamtmenge der freien und durch Spaltung erhaltbaren reduzierenden Substanzen. In Vers. I gebrachte ich -die Methode der osmotischen Kompensation von Bona und Michaelis.1) Der Zuckergehalt des zu Ende des Versuches gewonnenen Blutes wurde teilweise auf Grund des H\u00e4matokritwertes, teilweise auf Grund des H\u00e4moglobingehaltes auf den Verd\u00fcnnungsgrad des ersten Bluts reduziert. Die ohne Reduktion angegebenen Zuckerwerte beziehen sich auf das durch die Citratl\u00f6sung verd\u00fcnnte Blut; die Reduktion eliminiert sowohl die so entstehenden Unterschiede der Verd\u00fcnnung, als auch die w\u00e4hrend des Versuches stattfindende Ver\u00e4nderung der Blutkonzentration.\n\u2018) Hoppe-Seyler-Thierfelder, Handb. d. ehern. Anal., VIII. Aull.. 1909, S. 607.\n*) Ebenda, S. 656.\na) J. L\u00e9pine et R. Boulud, Journ. d. physiol, et pathol. g\u00bb'*n., Bd. 13, S. 178 (1911).\n4) Rona und Michaelis, Bioch. Zeitschr., Bd. li, ^476 (1908).","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"Folgende Tabelle bringt die Resultate der Versuche. In die Tabelle wurden nur die Ergebnisse der Versuche \u00fcber Zuckerresorption im Darm aufgenommen, w\u00e4hrend die Resultate der verschiedenen Kontrollversuche einzeln besprochen werden sollen.\nNr.\tK\u00f6rper* gewicht kg\tDauer des Versuches Min.1)\tZuckergehalt der I. Blutprobe 1:\tZuckergehalt der II. Blutprobe \u00b0/o\tDerselbe auf den Verd\u00fcnnungsgrad des I. Blutes reduziert \u00b0/o\nI\t18\t' 30\t0,1\u00ab\t0,109, 0,111\t0.11\n\u00bb\t28\t30\t0,187, 0,20 t\t0,109. 0,113\t0,11\nIII\tio\t90\t0,080\tr\t3,\nIV\t18\t30\to, ir>34)\t0.28 t4)\t0.27\nV\t21\t30\t0,117, 0,117\t0,108, 0,111\t0,13\nXI\t16\t150\t0,153, 0.155\t0,0-18, 0,0-13\t0.0-1\nWir sehen also, da\u00df der Blutzucker w\u00e4hrend der Zucker-\nresorption im allgemeinen nicht zu-, sondern abnimmt, und zwar umsomehr, je l\u00e4nger der Versuch dauert. Diese Abnahme des Blutzuckers kann die Folge der Ausschaltung der Leber oder der Nebennieren sein;5) wichtig ist aber, da\u00df die im Darme befindliche 10\u00b0'oige Zuckerl\u00f6sung selbst den so entstehenden Zuckerverlust des Blutes nicht zu ersetzen vermag. In Vers. IX wollte ich das Verhalten des Blutzuckers bei ver-k\u00fcrztem Kreisl\u00e4ufe ohne Zuckerinjektion direkt untersuchen; der Versuch dauerte leider nur 10 Minuten und zeigte w\u00e4hrend dieser kurzen Zeit eine kaum nachweisbare Abnahme des Blutzuckers.\nUnter den angef\u00fchrten Versuchen, zu welchen ich noch den eingangs erw\u00e4hnten Versuch hinzurechnen kann, zeigt nur Vers. IV eine Zunahme des Blutzuckers, wenn wir von der\n') Von Beginn der Injektion der Zuckerl\u00f6sung bis zur zweiten Blutentnahme.\n*) Die ganze Fl\u00fcssigkeitsmenge gen\u00fcgte nicht zur Reduktion von 10 ccm Pavyscher CuS04-L\u00f6sung; der Zuckergehalt war hieraus berechnet jedenfalls weniger als 0,069\u00b0/o.\n3)\t<0,07lo/o.\n4)\tAus den f\u00fcr Plasma und Blutk\u00f6rperchen besonders bestimmten Werten auf das Vollblut umgerechnet.\nh) Bang, J., 1. c., VIII. Kap.","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Zuckerresorption.\ni\nnicht in Betracht kommenden kleinen Zunahme absehen, welche bei Vers. V in der reduzierten zweiten Blutprobe zu sehen ist. Die Zunahme des Blutzuckers in Vers. IV konnte dadurch verursacht sein, da\u00df in diesem Falle die zweite Blutentnahme erst 15 Minuten nach Stillstand des Herzens geschah, und der Zucker so durch die \u00abtote\u00bb Darmwand hindurch diffundieren konnte. Zur Best\u00e4tigung dieser Erkl\u00e4rung f\u00fchrte ich Vers. VIII zu Ende, trotzdem der Stillstand des Herzens schon w\u00e4hrend der Operation erfolgte. Die \u00dc2 Stunde nach Injektion der 10\u00b0/oigen Zuckerl\u00f6sung entnommene Blutprobe, welche viel Gerinnsel enthielt, besa\u00df einen Zuckergehalt von 0,37n/o. Dies.zeugt also f\u00fcr die Richtigkeit der gegebenen Erkl\u00e4rung.\nEs k\u00f6nnte die Frage auftauchen, ob nicht irgendwie die Resorption \u00fcberhaupt durch die gebrauchte Versuchanordnung verhindert war. Diesbez\u00fcglich kann ich mich aber auf die Versuche von Bogd\u00e4ndy1) berufen, nach welchen, wenn unter denselben Bedingungen in den Darm eine 10\u00b0/oige Bromidl\u00f6sung injiziert wurde, 55 bezw. 35 Minuten nachher sich im Blute 0,31 bezw. 0,41 \u00b0/o (reduziert 0,47\u00b0/o) Bromid anh\u00e4uften.\n\u00dcbrigens fand ich auch f\u00fcr den Zucker den Beweis, da\u00df er unter den gegebenen Versuchsbedingungen als solcher resorbiert werden kann, aber nicht von dem Darme, sondern von der Bauchh\u00f6hle aus. Vers. VII f\u00fchrte ich ebenso aus wie die \u00fcbrigen, injizierte aber die 10\u00b0/oige Zuckerl\u00f6sung nicht in den Darm, sondern in das vorher vern\u00e4hte Peritoneum, was in k\u00fcrzester Zeit eine bedeutende Zunahme des Blutzuckers zur Folge hatte :\nK\u00f6rpergewicht kg\tDauer des Versuches Min.\tZuckergehalt der I. Blutprobe \u00b0/o\tZuckergehalt der II. Blutprobe \u00b0/o\n18\t12\t0,180, 0,179\t0.333, 0,337 '\nDieser Versuch beweist auch, da\u00df die Anh\u00e4ufung des Zuckers im Blute durch den von Sieber und Drierzgowski2) beobachteten Glukasegehalt der Lunge nicht verhindert wird.\nl)J. Bogd\u00e4ndy, Diese Zeitschrift, Bd. 84, S. 16 (1910).\na) N. Sieber und W. Drierzgowsky, Diese Zeitschrift, Bd. 62, S. 263 (1909).","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"3f\u00bb2\nK. v. Kor\u00f6sy,\nDer resorbierte Zucker gelangt also nach meinen Versuchen nicht als solcher in das Blut der V. portae. Wenn wir auch die Resorption auf dem Wege der Lymphwege nicht als ganz ausgeschlossen betrachten, m\u00fc\u00dften wir doch erwarten, da\u00df schon infolge des physikalischen Prozesses der Diffusion wenigstens ein Teil des Zuckers seinen Weg in die Blutbahn nimmt, wie dies bei der Diffusion durch die \u00abtote\u00bb Darmwand auch der Fall ist (Vers. VIII). Wenn der Zucker im Blute nicht nachweisbar ist, mu\u00df er irgend eine Umgestaltung erlitten haben, und zwar mu\u00df dies w\u00e4hrend seines Durchtrittes durch die Schleimhaut geschehen sein, da der durch die Serosa kommende Zucker sich im Blute anh\u00e4uft (Vers. VII). Der Zucker mu\u00df w\u00e4hrend dieser Umgestaltung entweder in eine komplexere Bindung \u00fcbergehen, oder sich in einfachere K\u00f6rper spalten. F\u00fcr die Wahrscheinlichkeit der letzteren Annahme lassen sich llarleys1) Versuche anf\u00fchren, der nach Unterbindung der Ureteren eine Traubenzuckerl\u00f6sung in das Blut injizierte, und 1 herauf eine Zunahme des Milchs\u00e4uregehaltes des Blutes beobachten konnte.\nDie erstere Annahme w\u00fcrde im ganzen und gro\u00dfen der Auffassung von Pavy entsprechen; f\u00fcr seine Wahrscheinlichkeit sprechen mehrere Beobachtungen. Filippi2) fand bei Hunden mit Eckscher Fistel nach Kohlenhydratern\u00e4hrung im Blute viel Glykogen. Nach den Versuchen von Levene und Meyer3) polymerisiert das Muskelplasma und das Pankreasextrakt verschiedene Zucker; nach Doxiades4) bildet sich aus der dem Serum zugesetzten Glukose Maltose. Harden5) beobachtete, da\u00df aus dem Zucker w\u00e4hrend der alkoholischen G\u00e4rung sich ein schw\u00e4cher reduzierendes Kohlenhydrat bildet. Zur Verfolgung dieser Frage ben\u00fctze ich das Verfahren von L \u00e9pi ne. L \u00e9pine versteht unter \u00abvirtuellem Zucker\u00bb die Ge-\n') V. Harley, Arch. f. Anat. u. Physiol., 1893. Supplem. 46.\n*) F. Filippi, Zeitschr. f. Biol., Bd. 50, S. 72 (1908).\n:I) P. A. Levene und G. M. Meyer, The journ. of biol. chem., Bd. 9, S. 99 (1911); Bd. 11, S. 347 (1912).\n4) L. Doxiades, Biochem. Zeitschr., Bd. 38. S. 307 (1912).\nfi) A.Harden. Alcolhohcfermentation.Longmens,London 1911,S.29.","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"Iber Zuckerrcsorplion.\n3*>3\nsamtmenge der aus dem Blute durch FluorwasserstolThydrolyse gewinnbaren reduzierenden Substanzen; derselbe mu\u00df also im wesentlichen aus Glvkosamin bestehen, aber auch das eventuell vorhandene Glykogen enthalten. Mit diesem Verfahren wird \u00e8igent-lich der \u00abvirtuelle\u00bb + \u00abfreie\u00bb = \u00abtotale\u00bb Zucker bestimmt, und hieraus nach Abzug des freien Zuckers (\u00absucre imm\u00e9diat\u00bb) der \u00abvirtuelle\u00bb Zucker berechnet\nNr.\t\u2022 .\t\u00abTotaler Zucker\u00bb \u00b0/o\t\u00abFreier Zucker\u00bb %\t\u00abVirtueller Zucker\u00bb %\nIII.\tI. Blutprobe \u00bb\u2022 , > reduziert\t! \u25a0 1 . I \u25a0 1 s \u00a7 1 o \u00f6 | ]\t0,08\t0.03\n\tI. Blutprobe\t0,12')\t. 0,09\u2018)\t, 0.03\nV.\tII.\t\u00bb reduziert\t0,15\t0,13\t0,02\nTrotz dieser negativen Resultate halte ich es nicht f\u00fcr\t\t\t\t\nausgeschlossen, da\u00df bei l\u00e4nger dauerndem Versuche der \u00ab virtuelle Zucker > zunehmen w\u00fcrde. Die erhaltenen Mengen des \u00abvirtuellen\u00bb Zuckers sind \u00fcbrigens etwas geringer als jene L\u00e9 pines.2;\nIm Verlaufe meiner Versuche machte ich noch einige Beobachtungen bez\u00fcglich dreier Nebenfragen, und zwar bez\u00fcglich des Zuckergehaltes der Blutk\u00f6rperchen, des freien Zustandes des Blutzuckers und des Vorhandenseins eines Disacchariden oder niedrigen Polysaccharides im Blute,\nDa ich vermutete, da\u00df der im Blute in komplexerer Bindung vorhandene (\u00abvirtuelle\u00bb) Zucker w\u00e4hrend des Versuches zunehmen wird, wollte ich Plasma und Blutk\u00f6rperchen einzeln untersuchen. Ich dachte besonders in dem \u00abvirtuellen\u00bb Zuckergehalte der letzteren, speziell der wei\u00dfen Blutk\u00f6rperchen, eine Zunahme linden zu k\u00f6nnen, obgleich dieser Annahme die Beobachtung von Levene und Meyer3) gewisserma\u00dfen wider-\n) Aus den f\u00fcr Plasma und Blutk\u00f6rperchen besonders bestimmten Werten auf das Vollblut umgerechnet; die wahren Werte w\u00e4ren etwas hoher, siehe S. 364 unten.\n2 J* L\u00e9Pine> Le diab\u00e8te sucr\u00e9. Paris, Alcan, 1909, I. Kap.\nRi 11 J* 0*4 Levene und G. M. Meyer, The journ. of biol. chem Bd. 11, S. 361 (1912); Bd. 12, S. 265 (1912); Bd. 14, S. U9. 551 (1913\nHoppe-Seyler\u2019a Zeitschrift f. physiot. Chemie. LXXXVt.\t20","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"K. v. K\u00f6rosy,\nspricht, nach welcher die einer Zuckerl\u00f6sung zugef\u00fcgten wei\u00dfen Blutk\u00f6rperchen den Zucker nicht polymerisieren, sondern in geringem Ma\u00dfe zu Milchs\u00e4ure spalten. Die zweite Blutprobe von Vers. IV konnte aber aus obenerw\u00e4hntem Grunde nicht herangezogen werden, und in Vers. V war die Menge der erhaltenen zweiten Blutprobe zu gering, um Plasma und Blutk\u00f6rperchen besonders untersuchen zu k\u00f6nnen. Trotzdem kann ich bez\u00fcglich der ersten (dem normalen Blute entsprechenden) Blutprobe die Beobachtung von Ron a und Michaelis1) sowie anderer8) best\u00e4tigen, da\u00df die Blutk\u00f6rperchen freien Zucker enthalten.\nDas Blut wurde zentrifugiert, der Zuckergehalt des so erhaltenen Plasmas und Blutk\u00f6rperchen besonders bestimmt, und aus dem Zuckergehalte der Plasma enthaltenden Blutk\u00f6rperchen mittels des H\u00e4matokritwertes der Zuckergehalt der reinen Blutk\u00f6rperchen berechnet. Die Bestimmung des freien Zuckers geschah auch in diesem Falle nach Enteiwei\u00dfung mit Eisenl\u00f6sung mittels der Methode von Pavy, jene des \u00abtotalen\u00bb resp. \u00abvirtuellen\u00bb Zuckers nach L\u00e9 pine.\n! Nr. )\tZuckergehalt des Plasmas \u00b0/o\tZuckergehalt der reinen Blutk\u00f6rperchen >\nIV. j \u00abFreier* Zucker\t0,201, 0,196\t0,07\n1 \u00abFreier* Zucker\t0,11\t0,05\nV. ! \u00abTotaler\u00bb\t\u00bb\t0,18\t0,06\n| \u00abVirtueller\u00bb \u00bb\t0,07\t0,01\nIn Vers. V war die Menge des direkt bestimmten freien Blutzuckers (0,12 \u00b0/o) gr\u00f6\u00dfer, als nach Berechnung aus den f\u00fcr Plasma und K\u00f6rperchen besonders bestimmten Werten (0,09\u00b0/o); offenbar nahm w\u00e4hrend des lange dauernden Zentrifugierens und des auch sonst verz\u00f6gerten Aufarbeitens die Glykolyse zu. \u00c4hn-\nl) P. Rona und L. Michaelis, Bioch. Zeitschr., Bd. 16. S. 60 il909); Bd. 17, S. 375 (1909).\n*) J. L\u00e9pine und R. Boulud, ebenda, Bd. 32, S. 287 (1911); Hollinger, ebenda. Bd. 17, S. 1 (1909); E. Frank u. H. Brettschneider. Diese Zeitschrift, Bd. 76, S. 226 (1911).","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Zuckerresorption.\t3\u00df5\nliehe Divergenzen fanden auch Ron a und Michaelis.1) Das Plasma besa\u00df in Vers. V einen bedeutenden \u00abvirtuellen\u00bb Zuckergehalt, was mit L\u00e9pines2) Werten ziemlich gut \u00fcbereinstimmt. Die Blutk\u00f6rperchen zeigten nur einen verschwindenden Gehalt an \u00abvirtuellem\u00ab Zucker.\nIn meinem allerersten, vor langem ausgef\u00fchrten Versuche fand ich \u2014 wie erw\u00e4hnt \u2014 in der zweiten Blutprobe qualitativ keinen Zucker. In Vers. I der hier mitgeteilten Reihe wollte ich mich neben der chemischen Zuckerbestimmung auch mittels der von Ron a und Michaelis3) stammenden sch\u00f6nen Methode der osmotischen Kompensation davon \u00fcberzeugen, ob das zu Ende des Versuches gewonnene Blut \u00fcberhaupt freien Zucker enth\u00e4lt. Das Ergebnis war, da\u00df die zuckerfreie, isotonische Au\u00dfenfl\u00fcssigkeit in 6 Stunden unter st\u00e4ndiger R\u00fchrung. bei Zimmertemparatur vom Blute einen Zuckergehalt von weniger als 0,05 \u00b0/o gewann (Titrationswert 0,11 \u00b0/o). Die erste Blutprobe wurde unter denselben Bedingungen gegen eine isotonische und zugleich 0,1 \u00b0/o Traubenzucker enthaltende L\u00f6sung dialysiert, wobei der Zuckergehalt der letzteren auf 0,13\u00b0/o stieg (Titrationswert 0,14 \u00b0/o). Dies best\u00e4tigt also die Beobachtung von Rona und Michaelis, da\u00df sich der Blutzucker mittels der Methode der osmotischen Kompensation als in freiem Zustande befindlich zeigt.\nBei dem bez\u00fcglich der Resorption von der Bauchh\u00f6hle aus angestellten Vers. VII wollte ich mich auch davon \u00fcberzeugen, ob die Reduktionskraft des Blutzuckers nach S\u00e4urehydrolyse zunimmt, wie dies Pavy4 *) haupts\u00e4chlich f\u00fcr das Kaninchen-, aber auch f\u00fcr das Hundeblut (S. 14) und L\u00e9pine*) f\u00fcr das Hundeblut angeben. Vielleicht steht der neuerdings von mehreren6) erhobene Befund, da\u00df die Blutk\u00f6rperchen einen nicht verg\u00e4rbaren kohlen-\n*) P. Rona u. J. Michaelis, Biochem. Zeitschr., Bd. 16,8.60(1909).\n*1 J. L \u00e9pi ne, 1. c., S. 73.\n:\u2018) P. Ronau.L.Michaelis,Biochem.Zeitschr., Bd. 14,S.476(1908).\n*) Pavy, 1. c., S. 13.\n\u2019) J. L\u00e9 pine, 1. c., S. 61.\n6) H. Lyttkens u. J. Sandgren, Biochem. Zeitschr., Bd. 26. S. 382 < 1910); E. Frank u. A. Brettschneider, 1. c.","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"K. V. K\u00f6r\u00f6sy,\n366\nhydratartigen Stoff enthalten, mit diesen Beobachtungen in Zusammenhang. Das nach Enteiwei\u00dfung erhaltene Filtrat wurde ungef\u00e4hr auf das urspr\u00fcngliche Volumen eingeengt, bis zu 2\u00b0/,. mit Salzs\u00e4ure versetzt,1 2 Stunde lang am R\u00fcckflu\u00dfk\u00fchler hydrolysiert; die erste (normale) Blutprobe ergab 0,171, 0,177 \u00b0/n Zucker, die zweite 0,326\u00b0/o, gegen\u00fcber 0,180, 0,179 resp. 0,333. 0,337 \u00b0/o vor der Hydrolyse. Die Reduktionskraft blieb also im wesentlichen unver\u00e4ndert, jedenfalls nahm sie nicht zu; wir haben also keinen Grund, die Anwesenheit eines Disaccharides, z. B. von Maltose, oder eines niederen Polysaccharides im Blute anzunehmen. Der Gegensatz zu den Befunden von Pavy und L\u00e9 pine kann durch die verschiedene Art der Enteiwei\u00dfung verursacht sein.\nDas Hauptergebnis dieser Versuche ist also, da\u00df bei Beschr\u00e4nkung des Blutkreislaufes auf Darm, Lungen und Herz der resorbierte Zucker nicht als solcher in das Blut gelangt. Hierbei darf aber nicht vergessen werden, da\u00df der Darm unter normalen Verh\u00e4ltnissen mit dem ganzen Organismus in Gegenwirkung steht, was durch die gebrauchte Versuchsanordnung sozusagen ganz eliminiert wird. Es k\u00f6nnen sowohl das Nervensystem, als die Produkte der inneren Sekretion von Einflu\u00df sein. Von den letzteren kann das f\u00fcr den Kohlenhydratstofl-wechsel sehr bedeutungsvolle Adrenalin nicht in den verk\u00fcrzten Kreislauf gelangen, w\u00e4hrend die Produkte des Pankreas hineingelangen k\u00f6nnen, sogar eventuell in dem engen Kreisl\u00e4ufe eine st\u00e4rkere Wirkung entfalten. Es ist auch m\u00f6glich, da\u00df den Phosphaten bei der Zuckerresorption eine bedeutende Rolle zukommt, da ja dieselben nach den Untersuchungen von Harden1 ) und Euler2) bei der alkoholischen G\u00e4rung mit dem Zucker in enge Verbindung treten.\nA. Harden, 1. c., S. 38.\n*) H. Euler, Diese Zeitschrift, Bd. 74, S. 15 (1911); Bd. 73, S. 241. 468 (1911); Bd. 77. S. 395, 488 (1912); Bd. 80, S. 175, 205(1912); Euter (ebenda, Bd. 79, S. 375 [1912]) verfolgte auch das Schicksal dieser komplexen Verbindung im tierischen Organismus.","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Zuckerresorplion.\n\nMeine Versuche beweisen jedenfalls, da\u00df die Resorption des Zuckers sicher nicht der einfache Proze\u00df ist, f\u00fcr den er gehalten wurde. Der Chemismus desi tierischen Organismus arbeitet \u00fcberhaupt mit viel tiefer greifenden Umgestaltungen, als man es auf Grund der \u00e4lteren Untersuchungen zu deuten pflegt. Die erste Etappe der N\u00e4hrstoffe bei ihrer Wanderung durch den tierischen Organismus, ihr Durchtritt durch die Darmschleimhaut, kann schon mit tiefgreifenden Umgestaltungen einhergehen.","page":367}],"identifier":"lit19873","issued":"1913","language":"de","pages":"356-367","startpages":"356","title":"\u00dcber Zuckerresorption","type":"Journal Article","volume":"86"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:50:25.521238+00:00"}