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{"created":"2022-01-31T14:57:21.715131+00:00","id":"lit20007","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Funk, Casimir","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 89: 373-377","fulltext":[{"file":"p0373.txt","language":"de","ocr_de":"Studien \u00fcber Beriberi.\nX. Mitteilung.\nExperimentelleBeweifle gegen die toxische Theorie der Beriberi.\n'v\tVon\t-\t.\n\u2019\tCasimir Funk.\n(From the Department of Chemical Physiology, Cancer Hospital Research Institute,\nLondon, Hrompton, SW )\n(Der lledaktion zugegangen am 12. Februar 1914.)\nIm vorigen Jahre sind besonders in Deutschland Stimmen laut geworden* die die Beriberi als eine Intoxikation auffa\u00dften, indem sie glaubten, da\u00df die Gifte im Reiskorn vorgebildet sind. So berichteten z. B. Abderhalden und Lamp\u00e9,1 *) da\u00df Tauben nach F\u00fctterung mit gekochtem Reis viel sp\u00e4ter an Beriberi erkranken, als wenn sie auf ungekochtem Reis gesetzt werden. Sie erkl\u00e4rten den Vorgang in der Weise, da\u00df durch den Koch-proze\u00df Gifte entweder extrahiert oder zerst\u00f6rt werden. Andere Autoren wie z. B. Caspari und Moszkowski*) vermuten, da\u00df das Gift sich aus dem Reis im Organismus selbst bildet.\nSchon vor drei Jahren habe ich mit meinem damaligen Mitarbeiter, Herrn E. A. Cooper,3) gezeigt, da\u00df bei ausschlie\u00dflicher Ern\u00e4hrung der V\u00f6gel mit reinen Kohlenhydraten, wie St\u00e4rke, Inulin, Lactose, Rohrzucker und Dextrin, sich eine typische V\u00f6gel-Beriberi entwickelt. Diese Versuche waren gegen die damals sehr verbreitete toxische Theorie der Beriberi gerichtet, indem sie zeigten, da\u00df Reis kein Gift enth\u00e4lt.\nWie ich in meiner vorl\u00e4ufigen Mitteilung4) ausf\u00fchrte, \u2014 worin ich die Resultate schon kurz mitgeteilt habe \u2014 habe\n*) Zeitschr. f. die gesamte exp. Med., Bd. 1, S. 296, 1913.\n*) Berl. klin. Wochenschr., Bd. 50, S. 1515, 1913.\n3)\tThe Lancet., S. 1266, 1911.\n4)\tFroc. of the Physiol. Soc., Dezember 1913.\nHoppe-Seyler\u2019g Zeitschrift f. physiol. Chemie. LXXX\u00ceX.\tk 26","page":373},{"file":"p0374.txt","language":"de","ocr_de":"Casimir Funk.\nich die Versuche von Abderhalden und Lampe aufgenommen. Ich habe zwei Serien von Tauben mit gekochtem und ungekochtem Reis gefuttert und habe zuerst die Befunde der oben genannten Autoren best\u00e4tigen k\u00f6nnen. Die Tiere auf gekochtem Reis entwickelten Beriberi bedeutend sp\u00e4ter. Es war zuerst sehr schwer, den Grund dieses merkw\u00fcrdigen Verhaltens herauszufinden. Da der Reis beim Kochen bedeutend an Volum zunimmt, ist nun vermutet worden, da\u00df vom gekochten Reis es nicht m\u00f6glich ist, gen\u00fcgend gro\u00dfe Quantit\u00e4ten den Tieren zuzuf\u00fchren. Die Vermutung erwies sich als richtig; wurden n\u00e4mlich exakt dieselben Quantit\u00e4ten gekochten und ungekochten Reis verabreicht, so bricht die Krankheit in derselben Zeit, wenn nicht fr\u00fcher beim gekochten Reis aus. Die theoretischen Gr\u00fcnde daf\u00fcr werden wir in der darauffolgenden Arbeit sehen.\nEine andere Reihe der Versuche wurde mit der sog. synthetischen Di\u00e4t ausgef\u00fchrt, die aus Casein, Fett, St\u00e4rke, Zucker und Salzen bestand, in einer Zusammensetzung, wie sieOsborne und Mendel1) f\u00fcr ihre Wachsturasversuche anwandten. Auch hier entwickelte sich eine typische Beriberi und zwar bei der Anwendung des Handels-Caseins, welches geringe Mengen von Vitaminen aus der Milch mitrei\u00dft, eine mehr chronische Form, die der menschlichen Beriberi entspricht. Wird das Casein l\u00e4ngere Zeit mit Alkohol extrahiert, so entwickelt sich die Krankheit in derselben Zeit wie beim Reis. Diese Versuche sind auch deswegen interessant, weil sie zeigen, da\u00df die f\u00fcr die Wachstumsversuche und Stoffwechselversuche so oft benutzte Nahrung auch tats\u00e4chlich vitaminfrei ist, worauf ich schon fr\u00fcher hinwies.2)\nZum Schlu\u00df habe ich Versuche angestellt, um den Vitamingehalt von Beriberi-Tauben festzustellen. Gesunde und erkratikte Tauben wurden fein zerteilt und mit Alkohol in der K\u00e4lte extrahiert. Mit diesen Extrakten wurden nun bei Beriberi-Tauben Heilungsversuche angestellt, indem die w\u00e4sserigen Extrakte aus je einer Taube, einer erkrankten Taube, per os zugef\u00fchrt wurden. Die erhaltenen Resultate sprechen nicht zugunsten der toxi-\n*) Journ. of Biol. Chem., Bd. 15, S. 311, 1918 u. a. A.\n*) Diese Zeitschrift, Bd. 88, S. 352, 1913.","page":374},{"file":"p0375.txt","language":"de","ocr_de":"Studien \u00fcber Beriberi. X. \u2018375\nsehen Theorie. Es hat sich n\u00e4mlich gezeigt, daij hei Zufuhr der Extrakte aus den Beriberi-Tauben nicht eine Spur von toxischen Erscheinungen zur Beobachtung kam, sondern eine Heilung der Krankheit resultierte. Freilich hat sich gezeigt, da\u00df die Extrakte aus gesunden Tauben viel mehr Vitamine enthielten. Diese Resultate sind sehr interessant, da sie zeigen, da\u00df der gesamte Vorrat des Organismus an Vitaminen nicht mobilisiert werd\u00e9n kann. Es scheint somit, da\u00df das Tier die lebenswichtigen Organe zuerst der Vitamine beraubt und zugrunde geht, bevor der ganze Vitaminvorrat ersch\u00f6pft wird.\nExperimenteller Teil\nAls Versuchstiere wurden Tauben angewandt, die Nahrung wurde in den meisten Versuchen, wie jetzt \u00fcbrigens in meinem Laboratorium immer geschieht, in Pillenform maschinell hergestellt, wodurch eine genaue Dosierung der einzelnen Bestand-teile erreicht wird. Die Tiere wurden k\u00fcnstlich ern\u00e4hrt.\nVersuch I. In diesem Versuch wurden je 6 Tauben mit gekochtem und ungekochtem poliertem Reis gef\u00fcttert und zwar bei ungekochtem Reis 30 g t\u00e4glich. Von gekochtem wurde so viel Reis gegeben, als dies eben m\u00f6glich war, da 30 g Reis nach dem Kochen zwischen 150\u2014200g ausmachen. Die Kesul-tate waren die folgenden : Die Tiere wurden regelm\u00e4\u00dfig gewogen ; um den Umfang der Arbeit nicht zu vergr\u00f6\u00dfern, werden aber die Gewichte nicht mitgeteilt.\nGekochter Reis Ausbruch der Beriberi im\nTod\n44 Tage\nUngekochter Reis\nAusbruch der Beriberi\tV Tod\n25 Tage\t.26 Tage\nVersuch II. In diesem Versuch warden genau dieselben Quantit\u00e4ten gekochten und ungekochten Reis in Pillenform ver-abreicht und zwar 10 g jeder Taube t\u00e4glich. Bei gekochtem Reis wurde nat\u00fcrlich der Reis zuerst gewogen und dann gekocht. Folgende Resultate wurden erhalten :","page":375},{"file":"p0376.txt","language":"de","ocr_de":"Casimir Funk,\n\u25a0 Gekocht Ausbruch der Beriberi\ter Reis Tod\tUngekoch Y ; Ausbruch der Beriberi\titer Reis Tod\n\u25a0; 27 Tage j 29 Tage Dieser Versuch wurde n Versuch III. Hier wun\t\t28 Tage \u00fct gleichem Result ie den Tauben eir\t30 Tage at wiederholt, l Gemisch von\nHandelscasein, und zwar geko<\tFett, St\u00e4rke, 2 :ht und ungekoch\tMucker und Salzen t verabreicht. Zufu\tin Pillenform hr 30 g t\u00e4glich.\nUngekochte Ausbruch der Beriberi\tMischung \u25a0\u25a0'.S Tod\tGekochte Ausbruch der Beriberi\tMischung Tod\n37 Tage\t\u00ab Tage\t27 Tage\t31 Tage\nDieser Versuch zeigt, da\u00df das Handelscasein Spuren von Vitaminen enth\u00e4lt, welche beim Kochen teilweise zerst\u00f6rt werden. Das Kochwasser wurde mit in den Pillen verarbeitet. Hier zeigt sich experimentell der Einflu\u00df des Kochens auf den Vitamingehalt der Nahhing.\nVersuch IV. Die Versuchsanordnung war dieselbe wie in Versuch III nur mit dem Unterschied, da\u00df das Gasein des Handels 12 Stunden mit absolutem Alkohol am R\u00fcckflu\u00dfk\u00fchler extrahiert wurde. Die Mischung wurde nur ungekocht gegeben und zwar 10 g t\u00e4glich. Der Versuch wurde gleichzeitig und parallel dem Versuch II angesetzt. Die Tiere entwickelten Beriberi durchschnittlich nach 26 und starben nach 28 Tagen, also etwas fr\u00fcher als die Tiere an derselben Menge Reis.\nVersuch V. 4 gesunde und 4 Beriberi-Tauben im letzten Stadium wurden get\u00f6tet, gepfl\u00fcckt, jede durch eine Fleisch-lpasehine geschickt und mit dreifacher Menge absolutem Alkohol auf der Sch\u00fcttelmaschine in der K\u00e4lte extrahiert. Die Extrakte wurden abfiltriert und die Filtrate im Vakuum eingedampft. Die R\u00fcckst\u00e4nde wurden mit wenig Wasser aufgenommen und Beriberi-Tauben per os gegeben. In allen acht F\u00e4llen wurde eine Heilung herbeigef\u00fchrt, die jedoch bei den Beriberiextrakten nicht so lange wie bei den Extrakten aus normalen Tauben\nw\u00e4hrte. Die Versuche werden in dieser Richtung festgesetzt.","page":376},{"file":"p0377.txt","language":"de","ocr_de":"Studien \u00fcber Beriberi. X.\n377\nSchlu\u00dfs\u00e4tze. ^\n1,\tExperimentelle Beriberi entwickelt sich bei gekochtem oder ungekochtem Reis in derselben Zeit, wenn gleiche Mengen Reis verabreicht werden.\n2.\tEin Nahrungsgemisch, aus Gasein, Fett, St\u00e4rke, Zucker und Salzen bestehend, erzeugt Beriberi. Das Handelscasein enth\u00e4lt Spuren Vitamine und werden diese durch das Kochen oder Extraktion mit Alkohol zerst\u00f6rt resp. entfernt, so wird\n, 3. Alkoholische Extrakte aus Beriberi-Tauben verm\u00f6gen Beriberi-Tauben zu heilen, ohne irgend welche Giftwirkung zu entfalten. Die Tiere erkranken an Beriberi, ohne ihren Vitaminvorrat im Organismus g\u00e4nzlich zu ersch\u00f6pfen.","page":377}],"identifier":"lit20007","issued":"1914","language":"de","pages":"373-377","startpages":"373","title":"Studien \u00fcber Beriberi. X. Mitteilung: Experimentelle Beweise gegen die toxische Theorie der Beriberi","type":"Journal Article","volume":"89"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:57:21.715136+00:00"}