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{"created":"2022-01-31T14:42:42.581349+00:00","id":"lit20546","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Oswald, Adolf","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 93: 307-315","fulltext":[{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Nicht-Existenz der \u00abUroleucins\u00e4ure\u00bb.1)\nVcn\nAdolf Oswald, Z\u00fcrich.\nDer Redaktion zugegangen am 17. November 1014.)\nIm Jahre 1889 beschrieb Kirk2)unterdemNamen\u00ab Uroleucins\u00e4ure\u00bb eine aus Alkaptonharn gewonnene S\u00e4ure, welche die spezifischen Eigenschaften desvAlkaptonharns in sicli barg. Sie schmolz bei \u00abcirca\u00bb 138,3\u00b03) und gab analysenwerte, die auf die empirische Formel C9H10O5 passten.4) Eine n\u00e4here Identifizierung hat er nicht vorgenommen. Im Jahre 1891 stellten Wolkow und Baumann5) aus dem Harn von an der gleichen StofTweehselanomalie Leidenden Homogentisins\u00e4ure dar, eine durch die Synthese als Hydrochinonessigs\u00e4ure charakterisierte S\u00e4ure. Da deren empirische Formel C8H804 betrug6) und ihr Schmelzpunkt bei 1480 lag, so war sie mit jener nicht identisch.\nHomogentisins\u00e4ure ist bisher in allen F\u00e4llen von Alkapton-urie gefunden worden \u2014 es sind ca. 75 F\u00e4lle in der Literatur beschrieben \u2014 Uroleucins\u00e4ure dagegen seit der Entdeckung\n\u2019) Diese Untersuchungen sind zum gr\u00f6\u00dften Teil seiner Zeit im Agrikulturchemischen Laboratorium der Eidgen\u00f6ssischen Technischen Hochschule angestellt worden. Die letzten Analysen wurden im pharmakologischen Institut ausgef\u00fchrt.\n*) R. Kirk, On a new new acid found in human urine which darkens with alkalies (alcaptonuria), Journ. of Anat. and Physiol, Rd. 23, S. 69 (1889).\n3)\t\u00ababout 133,3\u00b0 0.\u00bb\n4)\tC = 54,45 \u00b0/u, H \u2014 4,98%. (Berechnet f\u00fcr C0Hl0O6 : C -= 54,54%, H = 5,05 %).\n*) M. Wolkow und E. Baumann, \u00dcber das Wesen der Alkap-tonurie, Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 15, S. 228 (1891).\nc) C = 57,36%, H = 5,28%. (Berechnet f\u00fcr CJLO. : C = 57,14% H = 4,76 %).\t.","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"308\nAdolf Oswald,\nder Homogentisins\u00e4ure nur in zweien. Das eine Mal von Huppert1) in einer Probe des Kirkschen Originalpr\u00e4parates, aus dem er allerdings zuvor eine grofi\u00e9 Menge von Homogentisins\u00e4ure gewonnen hatte.*) Das zweite Mal von Langstein und Meyer3) bei einem anderen Alkaptonuriker. Sie fanden sie nach dem Huppertschen Verfahren zeitweise neben Homogentisins\u00e4ure, jedoch in so geringer Ausbeute, da\u00df sie nach ihrer Aussage nur f\u00fcr eine Schmelzpunktbestimmung und die Vornahme einiger Reaktionen ausreichte. Eine Elementaranalyse hat Huppert nicht vorgenommen, trotzdem ihm ca. 2 g der S\u00e4ure zur Verf\u00fcgung standen, sondern auf Grund einer ann\u00e4hernden \u00dcbereinstimmung des Schmelzpunktes seines K\u00f6rpers mit dem Kirks eine Identit\u00e4t beider ohne weiteres angenommen. Hupperts K\u00f6rper schmolz bei 131,5\u00b0.4) Die Kirksche Elementarformel passte auf eine Trioxyphenyl-propions\u00e4ure oder eine Hydrochinonmilchs\u00e4ure. Da er durch Oxydation des methylierten Produktes mittelst Kaliumpermanganates Dimethylgentisins\u00e4ure erhielt, genau wie auch bei der Oxydation der methylierten Homogentisins\u00e4ure, so nahm Huppert an, die fragliche S\u00e4ure enthalte im Kern nur zwei alkoholische Hydroxylgruppen und die dritte befinde sich in der Seitenkette. Er erkl\u00e4rte sie darum als Hydrochinonmilchs\u00e4ure. Eine Pr\u00fcfung seiner Auffassung durch die synthetische Darstellung hat er nicht vorgenommen. Diese stellten sp\u00e4ter Neubauer und Fla tow \u00bb) an. Sie fanden dabei, da\u00df synthetisch dargestellte Hydrochinonmilchs\u00e4ure nicht die gleichen chemischen\n*) Huppert, \u00dcber die Alkaptons\u00e4uren. Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 23, S. 412 (1897).\n. *) Huppert (loc. cit.) spricht ganz beil\u00e4ufig von einem fr\u00fcheren Pr\u00e4parat von Uroleucins\u00e4ure, das er dargestellt h\u00e4tte. Ob das auf einen dritten Fall zu beziehen w\u00e4re, ist nicht deutlich ausgesprochen.\n*) h. hangstein und E. Meyer, Beitrag zur Kenntnis der Al-kaptonurie. Deutsch. Arch. f. klin. Med. Rd. 78, Si 161 (1903).\n*) Huppert gibt zwar irrt\u00fcmlicherweise den von Kirk gefundenen Schmelzpunkt als bei 130,3\u00b0 liegend an. Das andere Pr\u00e4parat Hupperts schmolz nach seiner Angabe bei 133\u00b0.\n5) 0. Neubauer und L. Flatow, Synthesen von Alkaptons\u00e4uren, Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 52, S. 375 (1907).","page":308},{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Nicht-Existenz der Uroleucins\u00e4ure. .\t309\nEigenschaften besitzt, wie der von Hu ppert untersuchte K\u00f6rper. Damit wurde die Konstitution des letzteren wieder ganz un-. gewi\u00df. Aufgefallen war schon Huppert und Kirk und sp\u00e4ter Langstein und Meyer1 *), da\u00df der fragliche K\u00f6rper die Ebene des polarisierten Lichtes nicht drehte, w\u00e4hrend doch Substanzen mit einem asymmetrischen Kohlenstoffatom, wie Hydrochinonmilchs\u00e4ure eines besitzt, im Organismus nicht in der Racem-form, sondern in einer der beiden aktiven Formen aufzutreten pflegen (bisher nur mit einer einzigen Ausnahme).\nIn neuerer Zeit ist Uroleucins\u00e4ure trotz minuti\u00f6sen Suchens nicht mehr gefunden worden. Huppert hat sie in einem anderen Fall vergeblich gesucht und nur Homogentisins\u00e4ure gefunden. Auch in dem von Langstein und Meyer seiner Zeit untersuchten Fall konnten sie sp\u00e4ter Neubauer und Falta*) nicht mehr finden.\nDurch diese negativen Befunde entstanden allm\u00e4hlich Zweifel an der tats\u00e4chlichen Existenz der Uroleucins\u00e4ure und sicherlich w\u00e4ren solche schon fr\u00fcher aufgetreten, wenn nicht ein Forscher von der Qualit\u00e4t Hupperts sich so bestimmt im positiven Sinne ausgedr\u00fcckt h\u00e4tte. Man mu\u00dfte .sich fragen, ob die vermeintliche Uroleucins\u00e4ure nicht eine verunreinigte Homogentisins\u00e4ure gewesen sei. Diese Meinung gewann an Boden, als Gar rod und Hurthley3) aus dem Harn eines Patienten, aus dem sie nach anderer, zuverl\u00e4ssigerer Methode bei wiederholter, auf einen Zeitraum von mehreren Jahren sich erstreckender Untersuchung umsonst nach Uroleucins\u00e4ure gefahndet hatten, nach dem von Kirk befolgten Verfahren ein Pr\u00e4parat erhielten, das dem Kirk sehen K\u00f6rper entsprach. Es schien somit nur die Methodik am Befunde der \u00abUroleucin-s\u00e4urea Schuld zu sein. Garrod und Hurthley pr\u00fcften danach auch den seiner Zeit von Kirk untersuchten Fall, der noch\n\u2018) Loc. cit.\n*) Neubauer und Falta, \u00dcber das Schicksal einiger aromatischer S\u00e4uren bei der Alkaptonurie, Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 42r S. H! (19(B).\n3) A. K. Garrod und W. H. Hurthley, On the supposed occurence of uroleucic acid in the urine in some cases of alcaptonuria, Journ. of Physiol. Bd. 36, S. 136 (1907).","page":309},{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"310\nAdolf Oswald,\nam Leben und inzwischen vom Kinde zum Mann herangewachsen war, und fanden mit der von ihnen angewendeten, durchaus einwandfreien Methodik nur Homogentisins\u00e4ure und keine weitere Alkaptons\u00e4ure, w\u00e4hrend Kirk seiner Zeit von dem Patienten m\u00fchelos gro\u00dfe Mengen seiner S\u00e4ure erhalten hatte. Damit durfte man die Frage nach der Existenz der Uro-leucins\u00e4ure als im negativem Sinne erledigt betrachten. Trotz alledem blieb aber freilich der Befund Hupperts einer bei 131,5\u00b0 schmelzenden S\u00e4ure unaufgekl\u00e4rt.\nIch habe zuf\u00e4llig den Alkaptonuriker, der s. Z. Langstein und Meyer zu ihren Untersuchungen gedient hatte, unter die H\u00e4nde bekommen. Der Patient lag auf der hiesigen medizinischen Klinik und Prof. Eichhorst hatte die Liebensw\u00fcrdigkeit, mir zu gestatten, den Harn von ca. 14 Tagen zu sammeln. Es sei mir erlaubt, auch an dieser Stelle Herrn Prof. Eichhorst hierf\u00fcr zu danken. Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, nochmals zu pr\u00fcfen, ob sich eventuell \u00ab Uroleucins\u00e4ure > darin nach weisen lie\u00dfe, und wenn das nicht der Fall sein sollte, ob sich unter Umst\u00e4nden Anhaltspunkte daf\u00fcr finden lie\u00dfen, wie Hupperts Befunde zu erkl\u00e4ren seien. Ich will gleich vorwegnehmen, da\u00df ich die Gegenwart eines Stoffes mit den Eigenschaften der Uroleucins\u00e4ure in meinem Falle mit Sicherheit habe ausschlie\u00dfen k\u00f6nnen. Was den zweiten Punkt anbelangt, so erzielte ich bei der Untersuchung von Hupperts Originalpr\u00e4paraten, zu der ich aus gleich anzuf\u00fchrenden Gr\u00fcnden veranla\u00dft wurde, h\u00f6chst unerwartete Resultate, die die Existenz der Uroleucins\u00e4ure als nichtig erkennen lie\u00dfen. Doch will ich in meiner Schilderung dem Gange der Untersuchungen folgen. Sie gestalteten sich folgenderma\u00dfen.\nDer Harn des Mannes wurde w\u00e4hrend 16 Tagen gesammelt, und um die Ausbeute an Alkaptons\u00e4ure zu vermehren, wurden ihm au\u00dfer einer eiwei\u00dfreichen Kost t\u00e4glich 2\u20143 g Tyrosin nach der Vorschrift Mittelbachs1) in zwei resp. drei Gaben mit der Nahrung verabreicht. Der Harn wurde in Tagesportionen verarbeitet und zwar nach dem Ver-\n') E. Mittclbach, Ein Beitrag zur Kenntnis der Alkaptonurie, Deutsch. Arch. f. klin. Medizin, Bd. 71, S. 50 (1901).","page":310},{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Nicht-Existenz der Uroleucinsiiure. \u2022\t811\nfahren Garrods.1) Er wurde auf freier Flamme bis beinahe zum Sieden erhitzt und hei\u00df mit je 100 g neutralem Bleiacetat in Substanz versetzt, danach hei\u00df von dem gebildeten Niederschlag abfiltriert und in den Eissehrank gestellt. Nach 24 Stunden wurden die gro\u00dfen, oft zu ausgedehnten Rasen vereinigten Drusen von zentimeterlangen braunen Krystallen von homogentisinsaurem Blei abfiltriert. Zur Identifizierung wurde ein kleiner Teil zu Pulver zerrieben, in \u00c4ther aufgeschwemmt und durch Einleiten von Schwefelwasserstoff vom Blei getrennt, das Schwefelblei abfiltriert und die farblose \u00e4therische L\u00f6sung an der Luft eindunsten gelassen. Die alsdann ausgeschiedenen Krystalle wurden in Wasser aufgenommen, mit etwas Tierkohle bei m\u00e4\u00dfigem Erw\u00e4rmen behandelt und das Filtrat langsam im Vakuum \u00fcber Schwefels\u00e4ure eindunsten gelassen. Es schieden sich sch\u00f6ne Krystalle aus, die, getrocknet und vom Krystall-wasser befreit den Schmelzpunkt der, Homogentisins\u00e4ure zeigten (148\u00b0).\nDie vom homogentisinsauren Blei getrennten Mutterlaugen wurden vereinigt, durch Einleiten vom Schwefelwasserstoff vom Blei befreit und das Filtrat anf\u00e4nglich auf dem Wasserbad bei niederer Temperatur und sp\u00e4ter im Vakuum bei 40\u00b0 bis zum d\u00fcnnfl\u00fcssigen Sirup eingedunstet. Nach dem Abk\u00fchlen wurde der dunkle Sirup mit \u00c4ther vielmals ausgesch\u00fcttelt und zwar so oft als noch etwas in L\u00f6sung ging. Die \u00e4therischen L\u00f6sungen lie\u00dfen beim Eindunsten einen dunkelbraunen, mit langen, nadelf\u00f6rmigen Krystallen untermengten Sirup zur\u00fcck. In \u00c4ther, \u00c4thyl- und Methylalkohol, Essigester ging sowohl Sirup wie Krystalle \u00fcber, dagegen nahm Benzol nur die Krystalle unter hellkirschroter F\u00e4rbung nicht aber den Sirup auf. Beim Eintrocknen schieden sich die Krystalle gr\u00f6\u00dftenteils als nur noch schwach gef\u00e4rbte, feste Nadeln aus, w\u00e4hrend der Farbstoff sich fast vollst\u00e4ndig als braune Masse gegen die Peripherie des Krystallbelages verzog. Auch in Chloroform, Schwefelkohlenstoff und Aceton l\u00f6sten sich die Krystalle leicht,\n*) A. E. Garrod, Alcaptonuria: a simple method for the extraction of homogentisic acid from the urine. Journ. of Physiol. Hd. 23, S 512 (1899).","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312\nAdolf Oswald,\ndagegen schwer in Wasser, verd\u00fcnnten Alkalien und S\u00e4uren. Bei der Aufnahme in Aceton blieb eine geringe Menge kleiner, wei\u00dfer, derber Krystalle zur\u00fcck. Es wurde darum die ganze Portion des Rohproduktes mit Aceton behandelt. Die Gesamtmenge der zur\u00fcckgebliebenen Krystalle reichte gerade zu einer Schmelzpunktbestimmung aus. Dieser lag bei 115\u00b0. Weiteres konnte \u00fcber diese Fraktion nicht festgestellt werden. Die nach Eindunsten des Acetons sich ausscheidenden Nadeln wurden von anhaftendem P arbstoff durch Behandeln der methylalkoholischen L\u00f6sung mit Tierkohle befreit. Durch Versetzen des Filtrates mit Wasser bis zur beginnenden Tr\u00fcbung schieden sich schneeweise bis zu 2*/z cm lange Nadeln aus. Wurde die F\u00e4llung rasch vorgenommen, so schlug sich die Substanz dagegen in Porm d\u00fcnner Schuppen nieder. Der Schmelzpunkt lag bei 123\u00b0.\nAuf diese Weise wurden ziemlich viel Verluste erlitten und da die Ausbeute so wie so nur sehr gering war, mu\u00dfte ein weniger verlustreicher Weg zur Darstellung eingeschlagen werden. Da sich kein L\u00f6sungsmittel finden lie\u00df, das die Krystalle ohne die letzten Verunreinigungen aufnahm, so wurde der K\u00f6rper mit nur geringen Verlusten auf folgende Weise erhalten. Beim langsamen Eindunsten der benzolischen L\u00f6sung in der Glasschale schieden sich die Krystalle in der Mitte der Schale stets schneewei\u00df aus, w\u00e4hrend die randst\u00e4ndigen Partien allein gef\u00e4rbt blieben. Es wurden daher stets letztere mit dem Spatel entfernt und abermals in Benzol gel\u00f6st, und die gleiche Prozedur so lange wiederholt, bis fast alle Krystalle in schneewei\u00dfem Zustande erhalten wurden. Auch das so gewonnene Produkt schmolz bei 123\u00b0 und stellte lange wei\u00dfe Nadeln dar. Sie zeigten die oben angegebenen L\u00f6slichkeitsverh\u00e4ltnisse. Ihre Menge betrug 0,6 g. Sie waren\tstickstoffrei. Eine Elementar-\nanalyse ergab Werte f\u00fcr C7H6Of.\n0,1\u00bb28 g Substanz = 0,3853 g CO, und 0,0676 g H,0.\nBerechnet f\u00fcr C7H602:\tGefunden:\nC = 68,85\u00b0/o\t68,77%\nH= 4,91 \u00b0/o\t4,95o/o.","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Nicht-Existenz der Uroleucins\u00e4ure .\n313\nSomit handelte es sich um Benzoes\u00e4ure, die wohl durch das lange Einengen auf dem Wasserbade in saurer L\u00f6sung aus Hippurs\u00e4ure abgespalten worden war. Ein (Jemenge der Krystalle mit k\u00e4uflicher reiner Benzoes\u00e4ure schmolz bei 121\u00b0.\nAus dem dunkelbraunen Sirup, der Mutterlauge der Benzoes\u00e4ure, schieden sich keine Homogentisins\u00e4ure und auch keine anderen Krystalle mehr aus. Eine als Uroleucins\u00e4ure anzusehende Krystallfraktion war nicht erh\u00e4ltlich.\nAuf \u00e4hnliche Weise, wie soeben beschrieben, hat Huppert seine Uroleucins\u00e4ure erhalten, d. h. er schied gleichfalls Homogentisins\u00e4ure als Bleisalz mit Bleiacetat aus, entfeinte das \u00fcbersch\u00fcssige Blei mit Schwefelwasserstoff und sch\u00fcttelte die eingeengten Filtrate mit \u00c4ther aus. Dabei schildert er, da\u00df schon in dem bis zum Syrup eingeengten Filtrate des Schwefelbleies an der Oberfl\u00e4che strahlenf\u00f6rmige Krystalle sich ausschieden, die sich dann leicht in \u00c4ther l\u00f6sen. Beim Eindunsten des \u00c4thers gewann er dann das Produkt, das er als Uroleucins\u00e4ure ansah.\nEs stellte sich nun die Frage, ob Hupperts Uroleucins\u00e4ure nicht etwa mit Benzoes\u00e4ure verunreinigte Homogentisins\u00e4ure gewesen sei. Tats\u00e4chlich erhielt ich beim' Vermischen von zwei Teilen Homogentisins\u00e4ure und einem Teil Benzoes\u00e4ure ein Gemenge, das bei 130\u00b0 oder 131\u00b0 schmolz, je nachdem etwas mehr oder weniger Benzo\u00ebs\u00e2ure im Vergleiche zur Homogentisins\u00e4ure verwendet wurde. Um diese Frage aufzukl\u00e4ren, wandte ich mich an Herrn Prof. v. Zeynek, in dessen Institut seiner pers\u00f6nlichen Mitteilung zufolge die alten Pr\u00e4parate Hupperts aufbewahrt waren. Herr Prof. v. Zeynek stellte mir in sehr liebensw\u00fcrdiger Weise alle Pr\u00e4parate Hupperts, drei an der Zahl, zur Verf\u00fcgung. Es sei mir gestattet, ihm auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank daf\u00fcr auszusprechen. Beim Anblick der Pr\u00e4parate fiel mir sogleich die \u00c4hnlichkeit derselben mit verwitterter Homogentisin-s\u00e4ure auf, wie sie beim Stehen an der Luft schon nach einigen Wochen aussieht. Es waren (Pr\u00e4parat I) gro\u00dfe milchige, graugelblichwei\u00dfe, opake Krystalle. Die beiden anderen Pr\u00e4parate","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"314\nAdolf Oswald,\nstellten nicht charakterische, hellgraubraune Pulver dar. Ihrer Menge nach betrug Pr\u00e4parat I 0,49 g, Pr\u00e4parat II 0,1 g und Pr\u00e4parat III 0,45 g. Pr\u00e4parat I war eigenh\u00e4ndig von Professor v. Zeynek aus den von Huppert signierten Originalfl\u00e4schchen entnommen und verpackt worden. Pr\u00e4parat II und III befanden sich noch in den von der Hand Hupperts gezeichneten Gl\u00e4sern, welche seit dessen Tod sollen nie ge\u00f6ffnet worden sein. Bei der Schmelzpunktbestimmung erlebte ich die \u00dcberraschung, zu konstatieren, da\u00df Pr\u00e4parat I bei 148\u00b0 schmolz, w\u00e4hrend, wie wir gesehen haben, Huppert f\u00fcr die Uroleucins\u00e4ure 131,5\u00b0 angegeben hatte, Pr\u00e4parat II schmolz bei U9\u00b0 und Pr\u00e4parat III bei 146\u00b0. Da die letzteren gef\u00e4rbt waren, stellte der etwas abweichende Schmelzpunkt nichts \u00dcberraschendes dar.\nNach diesem auff\u00e4lligen Befunde hatte die zun\u00e4chst gehegte Auffassung einer Verunreinigung des Pr\u00e4parates mit Benzoes\u00e4ure nicht viel Wahrscheinlichkeit f\u00fcr sich. Dennoch wurde ein Teil von Pr\u00e4parat I mit Benzol behandelt. Dabei ging aus den zu Pulver zerriebenen Krvstallen in Spuren eine hellgraugelbe Substanz \u00fcber, welche den Schmelzpunkt 148\u00b0 zeigte. Aus Pr\u00e4parat II ging ebenfalls in Spuren eine Substanz mit dem Schmelzpunkt 147\u00b0 \u00fcber, w\u00e4hrend aus Pr\u00e4parat III, auch nur spurenhaft, eine hellgraugelbe Substanz \u00fcberging, welche bei 188\u00b0 schmolz. Siedendes Benzol nahm eine Substanz auf, welche beim Verdunsten desselben in sch\u00f6nen Kryst\u00e4llchen zur\u00fcckblieb, die bei 146\u00b0 schmolzen. Ein K\u00f6rper vom Schmelzpunkt der Benzoes\u00e4ure (121\u00b0) war nicht erh\u00e4ltlich.\nDa Pr\u00e4parat II und III in Pulverform waren, wurde versucht sie zu krystallisieren. Zu diesem Behufe wurden sie in kaltem Wasser aufgenommen, in dem sie sich bis auf vorhandene b ilterfasern mit marsalagelber Farbe glatt l\u00f6sten, und mit etwas Tierkohle bei gelindem erw\u00e4rmen behandelt. Die hellgelben Filtrate schieden beim spontanen Eindunsten an der Luft sch\u00f6ne Krystalle aus von derselben Form, wie die des Pr\u00e4parates I. Der Schmelzpunkt lag bei beiden nach 24st\u00fcn-digem Trocknen im Vakuum \u00fcber Schwefels\u00e4ure bei 148\u00b0.\nZur weiteren Aufkl\u00e4rung wurde Pr\u00e4parat I einer Elementaranalyse unterworfen. Dabei erhielt ich folgende Werte:","page":314},{"file":"p0315.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Nicht-Existenz der Uroleucins\u00e4ure.\t315\n0,3617 g Substanz ergaben 0,7540 g CO, und 0,1553 g H20 = 0,2056 g C und 0,0172 g H, somit :\n56,84 o./o C und 4,75 \u00b0/o H. Berechnet f\u00fcr Homogentisins\u00e4ure : 57,14 \u00b0/o C und 4,76 \u00b0/o H.\nDamit ist erwiesen, da\u00df die Originalpr\u00e4parate Hupperts, auf welche sich die Existenz der \u00abUroleucins\u00e4ure\u00bb gr\u00fcndet, aus reiner Homogentisins\u00e4ure bestanden, und damit ist die Nichtexistenz derselben dargetan.\nDa nun Hupperts Originalpr\u00e4parate aus den Originalpr\u00e4paraten Kirks stammten und nur dadurch erhalten waren, da\u00df Huppert aus ihnen vorher Homogentisins\u00e4ure gewonnen hatte, so ist im weiteren erwiesen, da\u00df auch Kirks Pr\u00e4parate aus Homogentisins\u00e4ure bestanden. Damit ist die Lehre von der Existenz der \u00abUroleucins\u00e4ure\u00bb auch ihrer letzten St\u00fctze beraubt.\nEs blieb nun aufzukl\u00e4ren, wieso das gleiche Pr\u00e4parat in den H\u00e4nden Hupperts einen niedrigeren Schmelzpunkt ergeben hatte, als in den meinen. Mit R\u00fccksicht darauf, da\u00df Homogentisins\u00e4ure leicht in ihr Lakton \u00fcbergeht, h\u00e4tte es sein k\u00f6nnen, da\u00df ein Teil des Pr\u00e4parates sich in dieser Weise umgewandelt h\u00e4tte. Da das Lakton in kaltem Wasser und Alkohol schwer l\u00f6slich ist, wurde die L\u00f6slichkeit in diesen Solventien gepr\u00fcft. Alle drei Pr\u00e4parate l\u00f6sten sich jedoch glatt und leicht darin. Den niederigen Schmelzpunkt Hupperts kann ich mir nur so erkl\u00e4ren \u2014 so schwer es auch h\u00e4lt, das f\u00fcr einen Forscher wie Huppert anzunehmen \u2014 da\u00df seine Pr\u00e4parate nicht ganz von Krystallwasser befreit waren, welches sie dann im Laufe der Jahre verloren.1)\n\u2018) Ich will nicht unterlassen, noch auf einen Punkt aufmerksam zu machen, den schon Garrod hervorhob. Huppert hatte.ohne weiteres f\u00fcr sein Pr\u00e4parat die Zusammensetzung angenommen, die Kirk f\u00fcr seine \u00abUroleucins\u00e4ure\u00bb angegeben hatte. Dabei konnte aber sein Pr\u00e4parat, selbst wenn es eine solche gegeben h\u00e4tte, gar nicht identisch mit dem Kirks sein, denn nach seinem eigenen Befund bestand das Kirk sehe Originalpr\u00e4parat, von dem sein eigenes Material herr\u00fchrte, zu einem gro\u00dfen Teil aus Homogentisins\u00e4ure, womit der Rest, den. er als \u00abUroleucins\u00e4ure\u00bb ansah, eine andere Zusammensetzung h\u00e4tte haben m\u00fcssen als Kirks S\u00e4ure.","page":315}],"identifier":"lit20546","issued":"1914-15","language":"de","pages":"307-315","startpages":"307","title":"\u00dcber die Nicht-Existenz der \"Uroleucins\u00e4ure\"","type":"Journal Article","volume":"93"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:42:42.581354+00:00"}