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{"created":"2022-01-31T14:32:18.570445+00:00","id":"lit20553","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Kossel, A.","role":"author"},{"name":"S. Edlbacher","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 93: 396-400","fulltext":[{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen \u00fcber das Histidin.\n*\tVon\nA. Kossel und S. Kdlbacher.\nBei den Untersuchungen \u00fcber den Nachweis des Histidins, welche K. Inouye im hiesigen Institut anstellte,1) ergaben sich folgende Tatsachen: Die von H. Pauly beschriebene2) Kuppelung des Histidins mit Diazobenzolsulfos\u00e4ure, welche zur Bildung eines roten Farbstoffs f\u00fchrt, tritt auch beim Monobenzoylhistidin ein. Diese Reaktion erfolgt jedoch nicht, wenn das im Proteinmolek\u00fcl gebundene Histidin nach vorheriger Anwendung der Schotten-Baumannschen Reaktion mit Benzoylchlorid und Natronlauge der Einwirkung der Diazobenzolsulfos\u00e4ure unterworfen wird. Ebenso wie das intraprotein gebundene Histidin verh\u00e4lt sich der Histidinmethyl\u00e4ther.\nInouye zog hieraus den Schlu\u00df, da\u00df es die Peptidbindung der Garboxylgruppe ist, \u00abwelche den Eintritt der Benzoylgruppe in den Imidazolkern in einer solchen Weise erm\u00f6glicht, da\u00df nunmehr die Reaktion mit Diazobenzolsulfos\u00e4ure nicht mehr erfolgen kann\u00bb.3)\nBald nacn dem Erscheinen dieser Mitteilung machte Herr A. Windaus uns durch \u00dcbersendung seiner 1910 erschienenen \u00bbNotiz \u00fcber die Aufspaltung des Imidazolringes\u00bb1) auf eine von ihm beobachtete Tatsache aufmerksam, welche eine Erkl\u00e4rung f\u00fcr das Verhalten des Histidins zu geben schien. Herr Windaus war n\u00e4mlich durch seine Untersuchungen \u00fcber das Verhalten des Imidazylpropions\u00e4ureamids zu Benzoylchlorid und Natronlauge zu dem Schlu\u00df gekommen, da\u00df unter diesen Umst\u00e4nden \u00abdie Best\u00e4ndigkeit der Imidazolcarbons\u00e4uren durch das Vorhandensein einer freien Carboxylgruppe bedingt ist und durch Veresterung der Carboxylgruppe zum Verschwinden gebracht wird\u00bb. Hiernach m\u00fc\u00dfte auch der Imidazolring des Histidins durch Benzoylchlorid und Alkali in der von Bam-\n') Diese Zeitschrift, Bd. 83, S. 79 (1912).\n*) Diese Zeitschrift, Bd. 42, S. 508 (1904).\n*) Nach unseren Beobachtungen wird das Eintreten der Rotf\u00e4rbung nicht \u2014 wie Inouye angibt \u2014 durch \u00fcbersch\u00fcssiges Benzoylchlorid, wohl aber durch Natronlauge beeintr\u00e4chtigt.\n*) Chem. Ber., Bd. 43, S. 499 (1910).","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen \u00fcber das Histidin.\n397\nberger und Berl\u00e9 festgestellten Weise1) aufgespalten werden, wenn die Carboxylgruppe dieser Amidos\u00e4ure gebunden ist. Hingegen sollte die Aufspaltung nicht erfolgen, wenn die Carboxylgruppe frei ist. Da nun nach Pauly die Reaktion des Histidins mit Diazobenzolsulfos\u00e4ure auf dem Vorhandensein eines Imidazolkerns beruht, so m\u00fc\u00dfte die Rotf\u00e4rbung durch dieses Reagens unter diesen Umst\u00e4nden verloren gehen und es w\u00e4re somit eine Erkl\u00e4rung f\u00fcr die von Inouye beschriebenen Erscheinungen gegeben.\nWir haben einige Versuche \u00fcber das Verhalten des Histidins angestellt, welche diese Auffassung best\u00e4tigen. Unsere Versuche zeigen, da\u00df der Histidinmethylester durch Benzoylierung in einen Tribenzoyltriamidos\u00e4uremethylester \u00fcbergeht.\nCH\u2014NH\\ II\t^CH c\tn/\tCH-NH \u2022 CO \u2022 CA II C\u2014NH CO CA CH,\n1 CH,\t\nCHNH,\t| CH-NH \u2022 CO \u2022 CA i\t6\nI COOCH3\tcooch3\nHistidinmethylester\tTribenzoylprodukt\nZur Darstellung des Benzoylprodukts wurden 4 g Histidin-methylesterdichlorhydrat2) in 100 g Wasser gel\u00f6st und 40 g krystallisierte Soda gepulvert eingetragen.\nIn diese L\u00f6sung wurden unter best\u00e4ndigem Sch\u00fctteln allm\u00e4hlich 20 g Benzoylchlorid eingetropft. Nun wurde noch ungef\u00e4hr eine Stunde im offenen Gef\u00e4\u00df kr\u00e4ftig gesch\u00fcttelt, wobei sich das Reaktionsprodukt in' wei\u00dfen Kr\u00fcmmein ausscheidet. Nachdem das Tribenzoylprodukt \u00fcber Nacht gestanden hatte, wurde die alkalische Fl\u00fcssigkeit abgegossen und die ausgeschiedene Masse mit \u00c4ther in der Reibschale verrieben, um eingeschlossenes unver\u00e4ndertes Benzoylchlorid zu entfernen. Dann wurde abgesaugt und aus verd\u00fcnntem Alkohol umkry-stallisiert. Die Ausbeute entspricht ungef\u00e4hr 60\u00b0/o der Theorie an reinem Produkt. Wie zu erwarten war, gab das reine Produkt keine Farbenreaktion mit Diazobenzolsulfos\u00e4ure.\n\u2018) Ann. der Chem. 273, 342 (1893). *) Pauly, 1. e.","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398\nA. Kossel und S. Edlbacher,\nMit zunehmender Reinheit nimmt die L\u00f6slichkeit in Alkohol ab. Die Substanz ist unl\u00f6slich in Wasser und in \u00c4ther, relativ leicht l\u00f6slich in Eisessig. Sie krystallisiert in langen verfilzten Nadeln vom Schmelzpunkt 219\u00b0 (unscharf). Sie l\u00f6st sich bei ganz geringem Erw\u00e4rmen in w\u00e4sserigen Alkalien und in konzentrierter Salzs\u00e4ure. Trotz der vorhandenen Doppelbindung scheint sie nur schwierig Brom zu addieren, w\u00e4hrend sie von Kaliumpermanganat und Soda leicht angegriffen wird.\nDie Analysen nach Pregl lieferten folgende Zahlen:\n2,88 mg gaben 0,217 ccm N (748 mm, 16\u00b0) gef.: 8,76\u00b0/o N\nF\u00fcr C\u201eHS6NS05 berechnet:\t8,91 \u00b0/o N\n5,510mg gaben 2,73 mg H20 und 13,88mg C02, gef.: 5,54% H; 68,70% (I F\u00fcr C27H26N,05 berechnet:\t5,35% H; 68,76% C\nDer durch die obige Reaktion ge\u00f6ffnete Imidazolring scheint sich beim trocknen Erhitzen des Tribenzoylprodukts leicht wieder zu schlie\u00dfen, offenbar geht hier eine Reaktion vor sich, welche der Schlie\u00dfung des Glyoxalidinringes beim Erhitzen der Acylderivate des \u00c4thylendiamins und anderer Diamine analog ist.1) Erhitzt man das Tribenzoylprodukt im trockenen Reagensglas, so erh\u00e4lt man einen R\u00fcckstand, welcher die Rotf\u00e4rbung mit Diazobenzolsulfos\u00e4ure und Alkalicarbonat gibt.\nDas Garnosin, welches nach den Untersuchungen von Gulewitsch2) eine Verbindung von Histidin mit \u00df-Alanin ist, verh\u00e4lt sich bei dieser Reaktion ebenso, wie das freie Histidin, d. h. der Imidazolring wird durch Benzoylchlorid weder bei Gegenwart von Natriumcarbonat, noch von Natronhydrat ge\u00f6ffnet. Eine Entscheidung der Frage, welcher der beiden Bausteine des Carnosins als Acyl vorhanden ist, l\u00e4\u00dft sich auf diesem Wege nicht erbringen, denn es ist selbstverst\u00e4ndlich nicht ausgeschlossen, da\u00df auch die freie Carboxylgruppe einer mit dem Histidin peptidartig verbundenen Amidos\u00e4ure eine sch\u00fctzende Wirkung auf den Imidazolring aus\u00fcben kann.\nIm Anschlu\u00df an diese Ergebnisse wollen wir erw\u00e4hnen, da\u00df die Carboxylgruppe des Histidins einen \u00e4hnlichen Einflu\u00df auf die Reaktion des Imidazolkerns gegen den Formaldehyd\n') A. W. Hofmann, Chem. Ber. 21, S. 2332 (1888).\n*) W. v. Gulewitsch, Diese Zeitschrift, 73, S. 434 (1911).","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen \u00fcber das Histidin. .\n399\nhat. Wir halten dies mit R\u00fccksicht auf die Formoltitration der ProteinstofTe und ihrer n\u00e4chsten Spaltungsprodukte f\u00fcr bemerkenswert.\nDas Imidazol selbst reagiert mit Formaldehyd. Wenn man eine nlio-L\u00f6sung von Imidazol mit Salzs\u00e4ure auf Lackmusneutralit\u00e4t bringt und sodann mit Formaldehyd versetzt, so wird die zur Neutralisation erforderliche Salzs\u00e4uremenge ann\u00e4hernd wieder frei. Bei unsern Versuchen entsprach die freiwerdende S\u00e4uremenge1) 84\u201485\u00b0/o der auf ein basisches \u00c4quivalent des Imidazols berechneten S\u00e4uremenge. Von den beiden Stickstoifatomen des Imidazols wird also das eine, welches die alkalische Reaktion bedingt, ann\u00e4hernd vollst\u00e4ndig mit Formaldehyd gekuppelt.\nDa nun das Alanin, wie S\u00f6rensen zuerst gezeigt hat, ebenfalls ein mit Formaldehyd reagierendes Stickstoffatom enth\u00e4lt, so k\u00f6nnte man erwarten, da\u00df das Imidazylalanin oder Histidin zwei mit Formaldehyd kuppelnde Stickstoffatome besitzen w\u00fcrde. Dies ist aber nicht der Fall. Nach den Untersuchungen von S\u00f6rensen reagiert nur eines der drei Stickstoffatome des Histidins mit Formaldehyd. Bei drei Versuchen fand S\u00f6rensen:2) 97; 96; 94,3\u00b0/o der f\u00fcr ein reagierendes Stickstoffatom berechneten Menge. Henriques und Gjaldb\u00e4k8) gaben sp\u00e4ter eine h\u00f6here Zahl an, n\u00e4mlich 131\u2014152\u00b0/o der f\u00fcr ein reagierendes Stickstoffatom berechneten Menge (43\u201450,8\u00b0/o des gesamten Stickstoffs). WTegen dieser mangelnden \u00dcbereinstimmung haben wir die Formoltitrierung des Histidins (unter Anwendung von Phenolphtalein und Thymolphtalein)\nt\nnoch einmal gepr\u00fcft und hierbei in 4 Versuchen die Werte : 118; 118; 116; 133\u00b0/o der auf ein reagierendes Stickstoffatom berechneten Menge gefunden.\nBedeutend h\u00f6here Werte ergaben sich jedoch, als wir den Methylester des Histidins untersuchten. Hier erhielten wir bei 2 Versuchen 174 und 200\u00b0/o. Nach diesen Versuchen\n\u2018) Thymolphtalein als Indikator.\n*) S\u00f6rensen, Comptes rendus du laboratoire de Carlsberg, 7, 1 (1907), s. auch Biochemische Zeitschr., Bd. 7, S. 77.\n') Henriques und Gjaldb\u00e4k, Diese Zeitschr., Bd. 75, S.379 (1911).","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"400\nA. Kossel und S. Edlbacher, \u00dcber Histidin.\nn\u00e4hert sich die gefundene Zahl der Formaldehydbindung von zweien der drei im Histidin enthaltenen Stickstoffatome. Die Ungenauigkeit der Zahlenwerte sind mindestens zum Teil auf die Schwierigkeit der Lackmusneutralisation zur\u00fcckzuf\u00fchren.1) Vergleicht man die Werte, welche f\u00fcr das Imidazol, das Imidazolalanin und den Imidazolalaninester gefunden sind, so ergibt sich trotz dieser Ungenauigkeiten, da\u00df die Gegenwart einer freien Garboxylgruppe auch in diesem Fall die Reaktionsf\u00e4higkeit des Imidazolkerns mit Formaldehyd herabsetzt, \u00e4hnlich wie dies beim Benzoylchlorid der Fall ist.\nNeuerdings haben Obermayer und Will he im die Ansicht ge\u00e4u\u00dfert, da\u00df es mit Hilfe der Formoltitrierung gelingt, \u00abdie endst\u00e4ndigen Amidogruppen in einer bestimmten Eiwei\u00dfmenge zu titrieren*.2) Diesem Satz widersprechen die Ergebnisse der Untersuchungen von A. Kossel und Gawrilow;3) denn es hat sich gezeigt, da\u00df diejenigen Proteine, bei denen der reichste Gehalt an freien Amidogruppen nachgewiesen werden konnte, z. B. die Protamine der Salmingruppe, \u00fcberhaupt nicht mit Formaldehyd unter den Bedingungen der S \u00d6ren sen sehen Formoltitrierung reagieren. Es sind also im Proteinmolek\u00fcl Amidogruppen vorhanden, welche durch die Formoltitrierung nicht angezeigt werden, anderseits kann die Formolbindung aber auch in solche Teile des Proteinmolek\u00fcls eintreten, welche keine Amidogruppen enthalten. Ersteres ist der Fall bei der freien Amidogruppe des im Protein gebundenen Guanidins, letzteres beim Imidazolring des im Protein enthaltenden Histidins, dessen Carboxylgruppe peptidartig gebunden ist. Einige Erfahrungen, welche sp\u00e4ter mitgeteilt werden sollen, weisen darauf hin, da\u00df noch andere formolbindende Gruppen im unzersetzten Proteinmolek\u00fcl auftreten k\u00f6nnen. \u2014\n*) Auch Henriques und Gjaldb\u00e4k weisen auf diese Schwierigkeit hin.\n*) Ober may er und Will heim, Biochemische Zeitschrift, Bd. 50, S. 384 (1913), s. auch ebenda, Bd. 38, S. 338 (1912).\n3) A. Kossel und Gawrilow, Diese Zeitschrift, Bd. 81, S. 274(1912).\nt\t__","page":400}],"identifier":"lit20553","issued":"1914-15","language":"de","pages":"396-400","startpages":"396","title":"Einige Bemerkungen \u00fcber das Histidin","type":"Journal Article","volume":"93"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:32:18.570451+00:00"}