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{"created":"2022-01-31T14:37:44.812775+00:00","id":"lit20619","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Hoppe-Seyler, G.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 97: 250-259","fulltext":[{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis dar Indigobildenden Substanzen im Urin.\n2. \u00dcber die Zersetzung der Indoxylsehwefels\u00e4ure im Urin dureh Bakterien und die Entstehung der sogenannten Indigurie.\n.\t. Von\nG. Hoppe-Seyler, Kiel.\n(Oer Redaktion angegangen am 19. April 1916.)\nDer Urin eines Mannes, der wegen Choleradiarrh\u00f6e im St\u00e4dtischen Krankenhause in Kiel zur Aufnahme kam, enthielt reichliche Mengen Indoxyl und demgem\u00e4\u00df von \u00c4therschwefels\u00e4ure, Es waren im Stuhlgang die Bacillen der Cholera asiatica vorhanden. Diese starke Indoxyl- und \u00c4therschwefels\u00e4ureausscheidung, wie ich sie schon fr\u00fcher bei Cholera geschildert hatte,1) ist auf die durch die Cholerabacillen erzeugte starke Indolbildung im Darm, die ja auch der f\u00fcr ihre Kulturen charakteristischen Indol- und Nitritbildung und der sogenannten Cholerarotp(Nitrosoindol-)Reaktion entspricht, zur\u00fcckzuf\u00fchren. Der Urin war klar, gelblich, enthielt weder Eiwei\u00df noch Zucker. Die 24 st\u00e4ndige Menge war 1800 ccm, das spezifische Gewicht 1012. Die Menge der \u00c4therschwefels\u00e4ure war 0,0235\u00b0/oS04H\u201e die Gesamttagesmenge 0,423 g. Ein Teil des Urins war in einer verkorkten Flasche aufbewahrt worden ohne irgendwelchen Zusatz. Als ich diesen Urin nach einigen Wochen wieder untersuchte, war er stark zersetzt, \u00fcbelriechend und hatte am Boden neben wei\u00dflichen Massen (Phosphaten usw.) ein reichliches, bl\u00e4ulich gef\u00e4rbtes Sediment abgeschieden. Die Fl\u00fcssigkeit selbst war bl\u00e4ulich-gr\u00fcn verf\u00e4rbt und reagierte stark alkalisch. Der Urin, dessen Menge 215 ccm betrug, wurde durch ein gewogenes Filter filtriert Das Filtrat war noch etwas gr\u00fcnlich verf&rbt Davon wurden 50 ccm zur Schwefels\u00e4urebestimmung verwendet\n*) Bert. Klin. Wochensehr., 1892, Nr. 43.","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der indigobildenden Substanzen im Urin. H. 251\nDas Ergebnis war:\nMenge\tder\tSulfat-Schwefels\u00e4ure\t0,0474\tg.\n\u00bb.\t\u00bb\t\u00c4therschwefels\u00e4ure\t0,0044\t\u00bb\nDer frische Urin hatte in 50 ccm ergeben:\nMenge\tder\tSulfat-Schwefels\u00e4ure\t0,0398\tg\n\u00bb\t\u00bb\t\u00c4therschwefels\u00e4ure\t\u00d6$il7\t\u00bb\nVergleicht man nun diese Zahlen, so ergibt sich, da\u00df die Sulfat-Schwefels\u00e4ure durch die Zersetzung um 0,0076 in 50 ccm zugen\u00f6mmen hatte, die \u00c4therschwefels\u00e4t\u00e4re dagegen eine Abnahme von 0,0073 in 50 ccm zeigte. Es entspricht also die Zunahme der Sulfat-Schwefels\u00e4ure fast genau der Ab-n\u00e4hme der Atherschwefels\u00e4uremenge. Es mu\u00df also bei der Bildung des Indigos im Urin die \u00c4therschwefels\u00e4ure zersetzt worden sein.\nDer beim Abfiltrieren des blau gef\u00e4rbten Niederschlags auf dem Filter erhaltene R\u00fcckstand wurde nun mit verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure und darauf mit Wasser ausgewaschen, getrocknet und gewogen. Der R\u00fcckstand wog danach 0*054 g* /\u2022\nBei der Indigoblaubildung aus Indoxylschwefels\u00e4\u00fcre ist das Verh\u00e4ltnis des Indigoblaus zur Schwefels\u00e4ure wie 131 zu 98 = 1,32. Die zersetzte Menge \u00c4therschwefels\u00e4ure \u2019 betrug 0,0147 g in 100 ccm oder in 215 ccm 0,0316 g, Dieser Menge w\u00fcrden 0,0417 Indigo entsprechen, w\u00e4hrend im ganzen 0,054 ausgeschieden wurden. Danach ist anzunehmen, da\u00df der gr\u00fc\u00dfte Teil des gebildeten Indigos der zersetzten \u00c4therschwefels\u00e4ure entspricht.\nEs fragte sich nun, wodurch diese Zersetzung der Indoxyl-schwefels\u00e4ure und die Bildung von Indigp verursacht war.\nEs wurden daher von reichlich indoxylhaltigem Urin eines an Darmtuberkulose leidenden Knaben:\n1.\t100 ccm ohne Zusatz,\n2.\t100 ccm mit Natriumcarbonat alkalisch gemacht;\n3.\t100 ccm mit einigen Tropfen eines reichlich Bakterien haltenden Urins von einem Kranken mit Cystitis,\n4.\t100 ccm ebenso und noch mit Natriumcarbonat bis zur alkalischen Reaktion versetzt, in offenem Erlenmeyer-Kolben in den Brutschrank gesetzt.\nHoppe-Seyler\u2019\u00ab Zeitschrift f. physiol. Chemie. XCVII.\t\u201918 .","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"252\nG. Hoppe-Seyler,\nPer Urin ergab frisch :\n0,126 Sulfat-, 0,0282 g \u00c4therschwefels\u00e4ure, zusammen 0,154 S04Ht in\n100 ccm\nIn allen Urihportionen bildete sich nach einigen Tagen ein br\u00e4unlicher Niederschlag aus, aber kein blauer Farbstoff. In Probe 2 wurde nach vier Tagen die \u00c4therschwefels\u00e4ure bestimmt. Sie betrug 0,0272 o/0. Es war also nur eine ganz geringe Menge erst zersetzt.\nDie Probe 4 ergab bald reichliche Entwickelung von Kokken und Bacillen verschiedener Art und\n0,152 Sulfat-, 0,0078 g \u00c4therschwefels\u00e4ure, zusammen 0,159 g in 100 ccm, also starke Zersetzung der letzteren. Die Indigoprobe war negativ.\nDie Probe 1 zersetzte sich sehr langsam, nach 14 Tagen war der Urspr\u00fcnglich saure Urin aber stark alkalisch geworden, roch nach Ammoniak, enthielt reichlich Bakterien und gab keine Indigoprobe mehr. Die Schwefels\u00e4urebestimmung ergab:\n0,1578 Sulfat-, 0,0064 \u00c4therschwefels\u00e4ure, zusammen 0,1642 S04H, in\n: 100 ccm. .\nEs war also auch hier unter Verschwinden der Indoxyl-reaktion zu Zersetzung der \u00c4therschwefels\u00e4ure gekommen. Da\u00df die Gesamtwerte f\u00fcr Schwefels\u00e4ure Zunahmen, liegt an der Verdunstung von Wasser, wenn diese auch durch Auff\u00fcllen mit Wasser zu verhindern gesucht wurde.\nEs zeigte sich also, da\u00df unter der Einwirkung von Bakterien besonders in alkalischem Urin die Indoxylschwefels\u00e4ure zersetzt wird. ; ^\nHerr Prosektor Dr. Emmerich hat mich nun in dankenswerter Weise unterst\u00fctzt, in dem er die Impfung der Urinproben mit Heinkulturen \u00fcbernahm.\nUm zugleich Indigobildung wie in dem Choleraurin herbei-zuf\u00fchren, wurde reichlich Indoxyl enthaltender Urin mit einem nitrilbildenden Bakterium geimpft, da es m\u00f6glich war, da\u00df das gebildete Nitrit die Oxydation bewirkte. Cholerabacillen bilden ja Nitrit aus Nitraten. Es wurde nun ein von einer Fleischvergiftung herr\u00fchrender nitritb\u00fcdender Stamm, den wir Herrn Privatdozent Dr. Bitter verdanken, gew\u00e4hlt. Es trat aber nur ein br\u00e4unlicher Niederschlag, kein Indigo auf.","page":252},{"file":"p0253.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der indigobildenden Substanzen im Urin. ; II. 253\nDa nun in Urinen, die von Leuten mit Cystitis und Pyelitis herr\u00fchrten, Ausscheidung von Indigo beim Stehenlassen oder auch schon in den Hamwegen beobachtet ist, Golibacillen aber die h\u00e4ufigste Ursache derartiger Erkrankungen sind, so stellte ich Versuche mit Colist\u00e4mmen an.\nDer Urin desselben Kranken wurde in sterile R\u00f6hrchen gebracht und geimpft:\n1.\tmit dem Colistamm der Prosektur des Krankenhauses,\n2.\tmit einem bei Darmkatarrh aus dem Stuhl gez\u00fcchteten,\n3.\tmit einem aus einer entz\u00fcndeten Gallenblase erhaltenen Colistamm.\nDie R\u00f6hrchen 1 und 2 zeigten bei ruhigem Stehen im Brutschrank nach 10 Tagen den oberen Teil der Fl\u00fcssigkeit br\u00e4unlich violett verf\u00e4rbt, den unteren noch gelblich, R\u00f6hrchen 3 die ganze Fl\u00fcssigkeit gelblich.\nFiltriert ergab\t*\n1\treichlich blauen R\u00fcckstand auf dem Filter, der sich mit blauer Farbe in Chloroform l\u00f6ste, im Filtrat nur geringe Indoxylreaktion,\n2\tweniger blauen R\u00fcckstand, im Filtrat auch nur geringe Indoxylreaktion,\n3\tkeinen Indigo im R\u00fcckstand, reichliche Indoxylprobe\nim Filtrat.\t.\nDaraus ging hervor, da\u00df Colibacillen, die Indoxylschwefel-s\u00e4ure zerlegen und Indigo bilden k\u00f6nnen, da\u00df dies aber nieht alle St\u00e4mme tun, sondern einzelne diese Eigenschaft nicht besitzen.\nEs wurde nun der ziemlich konzentrierte Urin eines Mannes mit Magencarcinom, der sehr reichlich Indoxyl enthielt und daher eine tiefblaue Farbe bei der Probe mit Salzs\u00e4ure und Chlorkalkl\u00f6sung gab, mit dem Colistamm 1 geimpft. Der Urinent-hielt frisch :\n0,061 g \u00c4therschwefels\u00e4ure in 100 ccm.\nNach 4 t\u00e4gigem Verweilen im Brutschrank hatte sich nur ein etwas schw\u00e4rzlicher Niederschlag gebildet. . Indoxyl \u2022 war noch reichlich nachweisbar. Die Bestimmung der \u00c4ther-s Schwefels\u00e4ure ergab:\n0,075 in 100 ccm.","page":253},{"file":"p0254.txt","language":"de","ocr_de":"254\tG, Hoppe-Seyler,\n-Der Urin reagierte noch sauer, er roch nicht zersetzt. Der Rest wurde nun auf die H\u00e4lfte mit Wasser verd\u00fcnnt, mit Natriumcarbonat alkalisch gemacht und wieder mit demselben Colistamm 1 geimpft. Nach kurzer Zeit zersetzte der Urin sich und bildete einen br\u00e4unlichen Niederschlag, aber keinen deutlichen Indigo* im Filtrat war keine Indoxylreaktion mehr vorhanden.\nDie Bestimmung der \u00c4therschwefels\u00e4ure ergab nun 0,0201 g in 100 ccm des urspr\u00fcnglichen Urins.\nEs war also nun ein gro\u00dfer Teil der Indoxylschwefel-s\u00e4ure zersetzt. Doch war es nicht zur Oxydation zu Indigo, sondern zu Derivaten desselben, Indirubin usw. gekommen.\nAus diesem Versuch schien hervorzugehen, da\u00df dieser Urin in unverd\u00fcnntem, saurem Zustand keinen g\u00fcnstigen N\u00e4hrboden f\u00fcr Bakterien darstellte. Er enthielt auch wohl frisch gelassen keine Bakterien. So konnte an ihm nachgewiesen werden, ob in sterilem Zustande eine Zersetzung etwa unter dem Einflu\u00df des Luftsauerstoffs stattfinden k\u00f6nnte.\nDaher wurde am 29. Dezember 1915 eine gr\u00f6\u00dfere Menge mit ausgekochtem Katheter in einen sterilen Erlenmeyer-Kolben entleert, dieser mit Wattepfropf versehen, in den Brutschrank gestellt.\nDer Urin war r\u00f6tlich gef\u00e4rbt, gab sehr starke Indoxyl-probe, reagierte sauer. v Er enth\u00e4lt frisch\n0,0632 g \u00c4therschwefels\u00e4ure in 100 ccm.\nAm 15. Januar 1916 wird eine Probe entnommen. Sie ist klar, nur dunkler gef\u00e4rbt, gibt noch ebenso starke Indoxl-reaktion und enth\u00e4lt\n0,0608 g \u00c4therschwefels\u00e4ure in 100 ccm.\nEs wird nun ein Teil mit derselben Menge Wasser verd\u00fcnnt, mit kohlensaurem Natrium alkalisch gemacht, mit Colistamm 1 geimpft und weiter im Brutschrank stehen gelassen. Am 12. Februar ist die Fl\u00fcssigkeit tr\u00fcbe, gibt keine Indoxylreaktion und enth\u00e4lt\n0,0176 \u00c4therschwefels\u00e4ure in 100 ccm des urspr\u00fcnglichen Urins.","page":254},{"file":"p0255.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der indigobildenden Substanzen im Urin. II. 255\nEs ist also nun eine starke Zersetzung der Indoxylschwefel-s\u00e4ure durch die Colibacillen eingetreten. Der \u00dcbrige Urin, der \u00f6fters durch Ausgie\u00dfen von Proben ausgiebig mit Luft m Verbindung gebracht ist, bleibt bis zum 15. Februar noch im Brutschrank stehen. Er enth\u00e4lt noch ebenso reichlich Indoxyl, ist klar und erweist sich steril.\nEr enth\u00e4lt\n0,0688 Atherschwefels\u00e4ure in 100 ccm.\nEs ist also eine Spaltung der Indoxylschwefels\u00e4ure bei 7 w\u00f6chentlichem Verweilen im Brutschrank, luftdurchl\u00e4ssigem Watte Verschlu\u00df, \u00f6fterem Umsch\u00fctteln, beim Ausgie\u00dfen von Proben nicht eingetreten. Der Urin wird nun noch mit Colibacillen geimpft, doch bleibt er steril, die Bacillen k\u00f6nnen in ihm sich nicht entwickeln.\nDa sich auch im verd\u00fcnnten alkalisch gemachten Drin dieses Kranken durch Colibacillen nur Zersetzung der \u00c4therschwefels\u00e4ure, aber keine Indigobildung erzielen lie\u00df, wurde noch ein Versuch mit dem Urin des Kranken mit Darmtuberkulose gemacht. Dieser enthielt zwar weniger Indokyl, war aber weniger konzentriert und zersetzte sich leichter\nAm 25. Januar 1916 enth\u00e4lt dieser Urin f'k\n0,0168 \u00c4therschwefels\u00e4ure in 100 ccm.\nEin Teil wird mit der gleichen Menge Wasser verd\u00fcnnt, alkalisch gemacht und mit dem Colistamm 1 geimpft, in den Brutschrank gestellt.\nAm 4. Februar ist der Urin tr\u00fcbe und gibt beim Filtrieren einen blauen R\u00fcckstand, der in Chloroform sich in blauer Farbe aufl\u00f6st.\nDas Filtrat gibt keine Indigoreaktion mehr, f\u00e4rbt sich\nbeim Kochen mit Salzs\u00e4ure nicht dunkel und gibt dann kaum eine Tr\u00fcbung beim Versetzen mit Chlorbaryum.\nDie \u00c4therschwefels\u00e4urebestimmung ergibt nur einen R\u00fcckstand von 0,0003, der der Asche des Filtrierpapier\u00e9 entspricht. Es ist also die gesamte \u00c4therschwefels\u00e4ure einschlie\u00dflich der\nIndoxylschwefels\u00e4ure unter Bildung von Indigo durch die Einwirkung der Colibacillen zersetzt worden.","page":255},{"file":"p0256.txt","language":"de","ocr_de":"256\tGHopp-Seyler,\n'Da\u00df die Golibacillen in konzentrierteren, an \u00c4therschwefels\u00e4uren reicheren Urinen sich nicht entwickeln, die Urine steril bleiben, liegt wohl daran, da\u00df die aus Glukurons\u00e4ureverbin-dungen sich abspaltenden aromatischen Substanzen dies verhindern. Namentlich kommt da Phenol in Betracht. So ergaben die zu diesen Untersuchungen verwandten Urine auch beim Destillieren mit Salzs\u00e4ure ein Destillat, welches reichlich Phenol enthielt und demgem\u00e4\u00df einen starken Niederschlag mit Bromwasser gab.\nDas indoxylschwefelsaure Kalium ist nun, wie Baumann und Brieger1) angeben, in alkalischer L\u00f6sung z. B. Natronlauge sehr widerstandsf\u00e4hig, zersetzt sich aber leicht in saurer L\u00f6sung z. B. nach Zusatz von etwas Salzs\u00e4ure. Doch tritt beim Eindampfen sauer reagierenden Urins, wie ich mich oft \u00fcberzeugen konnte, wenn dieser nicht durch Bakterien zersetzt war, keine Zerlegung ein.\nStanford* *) hat nun, weil er fand, da\u00df indoxylhaltiger Urin beim Stehen an der Loft oft schon nach einigen Stunden keine Indigoprobe mehr gibt, den Schlu\u00df gezogen, da\u00df die indigobildende Substanz nicht Indoxylschwefels\u00e4ure sein k\u00f6nnte, zumal er sie aus Menschenurin nicht isolieren konnte. Auch die Existenz der Indoxylglukurons\u00e4ure erkennt er nicht an. Er glaubt nicht an bakterielle Zersetzung, da manchmal trotz Anwesenheit von Bakterien im Urin die Indigoreakfion erhalten blieb, sie anderseits im angeblich sterilen Urin rasch verschwand. Er meint also, \u00abda\u00df die indigoliefernden Substanzen nicht immer dieselben sind, sondern ein Gemisch von nahe verwandten Verbindungen der Indigogruppe darstellen\u00bb. H\u00e4tte Stanford in einem einzigen Urin die \u00c4therschwefels\u00e4ure vor und nach dem Verschwinden der Indigoreaktion bestimmt, so w\u00e4re er nicht zu dieser irrt\u00fcmlichen Anschauung gekommen. Er h\u00e4tte ferner bei genauem Studium der Literatur das Vorkommen von Indoxylglukurons\u00e4ure im Urin nicht bestreiten k\u00f6nnen. Wie ich in meiner ersten Mitteilung*) gezeigt habe,\n*) Diese Zeitschr., Bd. 3, S. 254.\n\u2022) Diese Zeitschr., Bd. 87, S. 188, 1913.\n\u2022) Diese Zeitschr., Bd.97, S. 171.","page":256},{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der indigobildenden Substanzen im Urin. II. 257\nkann man indoxylschwefelsaures Kalium nach, meiner Methode aus menschlichem Drin darstellen und die oben geschilderten Versuche zeigen, da\u00df das Verschwinden der Indigoreaktion auf Zerlegung der Indoxylschwefels\u00e4ure durch Bakterien beruht. Da Stanford Urin von allerhand Geisteskranken zu seinen Versuchen benutzt hat, so ist noch zu ber\u00fccksichtigen, da\u00df bei diesen h\u00e4ufig Cystitis infolge Eindringens von Bakterien,\" besonders Colibacillen in die Harnwege besteht, und daher der Urin schon mit Bakterien durchsetzt gelassen wird, also sehr rasch sich zersetzen kann. Da Geisteskranke vielfach mit Medikamenten behandelt werden, so ist es nicht ausgeschlossen, da\u00df diese zum Teil in den Urin \u00fcbergegangen waren .und besonders bei dem Versuch der Isolierung der Indoxylverbindungen st\u00f6rend wirkten, namentlich da ein Gemisch von allen m\u00f6glichen Urinen von verschiedenem Indoxylgehalt in gro\u00dfen Quat tit\u00e4ten verarbeitet wurde. Stanfords Schl\u00f6sse sind also als unbegr\u00fcndet zur\u00fcckzuweisen.\nDie von mir ausgef\u00e4hrten Versuche geben endlich auch Aufschlu\u00df \u00fcber das Wesen der sogenannten Indigiirie, wobei ein oft bl\u00e4ulich oder gr\u00fcnlich gef\u00e4rbter Urin entleert wird, der ein Sediment von Indigo absetzt. Gew\u00f6hnlich erfolgt diese Indigoausscheidung erst bei der nachtr\u00e4glichen Zersetzung des Urins, wenn er einige Zeit im Glase Stehen bliebt. Auch indigohaltige Konkremente haben sich bei Zersetzung von ihdoxyl-reichem Urin in den Harnwegen gebildet.\nSchon fr\u00fch erw\u00e4hnt wird von 0. Wyss1) u. a. die Blauf\u00e4rbung des Choleraurins beim Stehen jnfodge Indigobildung.\nOrd* *) beschreibt einen haupts\u00e4chlich aus Indigo und phosphorsaurem Kalk bestehenden Stein, der aus dem Nierenbecken einer Frau stammte, bei der die andere Niere durch Sarkom zerst\u00f6rt war.\nAuch' Chiari8) schildert indigohaltige Konkremente, die in Nierenkelchen sich fanden und nach Hofmeister einen Phosphatstein als Kern, darum herum eine Schicht v\u00f6\u00fc eiwei\u00df-\n') Archiv d. Heilkunde, Bd. 9, S.236, 1868.\n*) Beri. klin. Wochenschr., 1878, Nr. 25.\n\u2022) Prager med. Wochenschr., 1888, Nr. 60.","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"258\tG. Hoppe-Seyler,\nartiger Grundsubstanz mit phosphorsauren Erden und feinen Nadeln und K\u00f6rnern von dunkelblauer und roter Farbe, die Indigoblau und \u00abUrorubin\u00bb enthielten, zeigten. Kahler1 * *) schildert bei einer 76j\u00e4hrigen Frau intermittierende Ausscheidung von Indigoblau im Urin, der dann infolge Zersetzung des Harnstoffs alkalisch reagierte. Bogdanow-Beresowsky*) fand bei einem Fall mit eiternder Fistel am Kreuzbein in dem zeitweise dunkel kirschfarbenen tr\u00fcben Urin Indigokrystalle. Der Urin gab die Jaff\u00e9sche Probe dann nicht; sie war aber reichlich vorhanden, wenn der Urin normal gef\u00e4rbt war. Wolf\u00bb) beschreibt starke Indigurie bei Ileus und Perforationsperitonitis. Wang^ beobachtete bet einem 7*/s j\u00e4hrigen M\u00e4dchen mit sehr starkem Indoxylgehalt des Urins br\u00e4unlich violette Farbe desselben und beim Filtrieren blauen R\u00fcckstand, der in Chloroform gel\u00f6st Indigokrystalle ausschied. Bei der Sektion fanden sich violette Konglomerate in Rundzelleninffltraten der linken Niere. Reale 6 7) beschreibt Indigurie (Glaukurie) bei einem M\u00e4dchen und f\u00fchrt sie auf Zersetzung von Indoxylglukurons\u00e4ure zur\u00fcck. Auch Traumann6) und Sommerfeld9) ver\u00f6ffentlichen F\u00e4lle von Indigurie bei Kindern.\nWenn man die aus der Literatur bekannten F\u00e4lle und meine Versuche zusammenh\u00e4lt, so kommt man zu dem Resultat, da\u00df die Ausscheidung von Indigo als Sediment im Urin und die gr\u00fcne oder blaue Farbe desselben zur\u00fcckzuf\u00fchren sind auf bakterielle Zersetzung eines stark indoxylhaltigen Urins, und zwar wird diese Zensetzung herbeigef\u00fchrt besonders durch gewisse ColibaciUen. Da Colibacillen durch die Blutbahn besonders bei Darmst\u00f6rungen leicht in die Nieren und Hamwege gelangen k\u00f6nnen, so wird beim Stehen der Urin sich rasch zersetzen, und es werden dabei auch die Indoxylverbindungen\n*) Ebenda.\n*) Petersb. med. Wochenschr., 1897, Beil. S. 50.\n\u2022) Biss. Berlin 1887.\n-\t4 *) Salkowski-Festschrift, S. 397.\n\u2022) La nuova rivista clinico-therapeutica, \u00dfd. 5, S. 121, 1902.\n\u2022) Deutsche med. Wochenschr., Bd. 36, S. 796, 1910.\n7) M\u00fcnchn. med. Wochenschr., Bd. 68, S. 2793, 1911.","page":258},{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"Zar Kenntnis der indigobildenden Substanzen im Urin. II. 259\nzerlegt, das Indoxyl an der Luft aber zu Indigo oxydiert werden. Da\u00df der Sauerstoff dabei mitwirkt, zeigt das Auftreten der Verf\u00e4rbung zuerst in den oberen Teilen der Fl\u00fcssigkeit Bei Retention des Colibacillen haltenden Urins im Nierenbecken kann es dann schon dort zu Indigoausscheidung und Konkrement-\nbildung kommen.\nIst der Urin st\u00e4rker konzentriert, so/wird die Zersetzung nicht so leicht eintreten, da dann die Colibacillen sich nicht gut entwickeln k\u00f6nnen. Nicht alle Colibacillen haben diese Eigenschaft. Andere Bakterien k\u00f6nnen vielleicht ebenso wirken, doch sind die Colibacillen wohl am h\u00e4ufigsten im Urin vorhanden.\nZusammenfassend ergibt sich folgendes:\n1.\tIndoxylhaltiger Urin wird durch Bakterien, haupts\u00e4chlich manche Colibacillen, in der Weise Ver\u00e4ndert, da\u00df dielndoxyl-schwefels\u00e4ure gespalten wird und nun aus dem abgespaltenen Indoxyl sich Indigo oder mehr br\u00e4unliche . Farbstoffe bilden.\n2.\tDie Bestimmung der itherschwefels\u00e4ure ergibt dabei demgem\u00e4\u00df eine entsprechende Verringerung, die bis zu ihrem vollkommenen Verschwinden sich steigern kann. Zugleich Wird wohl auch die Indoxylglukurons\u00e4ure gespalten.\n3.\tAbnahme der \u00c4therschwefels\u00e4ure unter zugleich er-, folgender Indigoausscheidung spricht daf\u00fcr, da\u00df die indigobilden-den Substanzen (Hamindikan) haupts\u00e4chlich aus indoxylschwefef-saurem Kalium bestehen.\n4.\tBei der Bildung von Indigo wirkt die Anwesenheit von Luftsauerstoff (oder anderen oxydierenden Substanzen) mit.\n5.\tKonzentrierte an aromatischen Verbindungen (\u00c4therschwefels\u00e4ure und Glukurons\u00e4ure) reiche Urine bleiben oft auch beim Stehen an der Luft steril und zersetzen sich nicht, Colibacillen, die dann zugesetzt werden, entwickeln sich nicht,\nsondern gehen zugrunde.\n6. Bei der Bestimmung der Menge der \u00c4therschwefels\u00e4ure und des Indoxyls mu\u00df bakterielle Zersetzung d\u00e9s Urin vermieden, der Urin also m\u00f6glichst frisch untersucht oder,\nwenn dies nicht m\u00f6glich ist, steril aufbewahrt werden.","page":259}],"identifier":"lit20619","issued":"1916","language":"de","pages":"250-259","startpages":"250","title":"Zur Kenntnis der indigobildenden Substanzen im Urin, 2: \u00dcber die Zersetzung der Indoxylschwefels\u00e4ure im Urin durch Bakterien und die Entstehung der sogenannten Indigurie","type":"Journal Article","volume":"97"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:37:44.812781+00:00"}