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{"created":"2022-01-31T14:41:33.373098+00:00","id":"lit20635","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Wieland, Heinrich","role":"author"},{"name":"Hermann Sorge","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 98: 59-64","fulltext":[{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen Ober die Gallens\u00e4uren. |||. Mitteilung.\nOie strukturellen Beziehungen zwischen ChoMur\u00ab und Oesoxy-\ncholsiure.\nVon\nHeinrich Wieland und Hermann Serge.\n(Aus dem chemischen Laboratorium der Kgl. Akademie der Wissenschaften zu M\u00fcnchen ) (Der Redaktion zugegangen am 82. August 1916.)\nDie beiden einzigen bis jetzt sicher bekannten Gallen-s\u00e4uren, Chols\u00e4ure und Desoxychols\u00e4ureV unterscheiden sich, was schon die Bezeichnung ausdr\u00fcckt, in der Zusammensetzung um ein Sauerstoffatom voneinander. Die Formel der Chols\u00e4ure ist C24H4005, die der Desoxychols\u00e4ure C24H40O4. Chols\u00e4ure ist nach der vor einigen Jahren vorg\u00e9schlagenen Nomenklatur1) als Trioxycholancarbons\u00e4ure zu bezeichnen,' es liegt nahe, in der Desoxychols\u00e4ure mit ihren zwei alkoholischen Hydroxylgruppen, die ihr nahe verwandte Dioxychol\u00e4ncar-bons\u00e4ure zu sehen, der eine Hydroxylgruppe des Chols\u00e4ure-molek\u00fcls fehlt. So nahe diese Vermutung liegt; so ist sie doch bis heute keineswegs bewiesen. Zwar scheint ihre Feststellung in eitler der grundlegenden Arbeiten von Mylius \u00fcber die .Gallens\u00e4uren enthalten zu sein. Mylius*) gibt an, da\u00df er aus einer der F\u00e4ulnis \u00fcberlassenen L\u00f6sung von Natriumcholat Desoxychols\u00e4ure isoliert habe. Die Richtigkeit dieser Angabe begegnet indes zwei Bedenken. Einmal war zur Zeit, als Mylius seine Versuche anstellte, die Darstellung reiner, von Choleins\u00e4ure8) und damit auch von Desoxychols\u00e4ure freier Chols\u00e4ure eine kaum zu l\u00f6sende Aufgabe. Manche Irrt\u00fcmer aus jener Periode der Gallens\u00e4ureforschung sind auf diesen Umstand zur\u00fcckzuf\u00fchren. Ferner sind die analytischen Belege und die Schmelzpunktsangaben f\u00fcr die\n*) Diese Zeitschrift, Bd. 80, S. 290 (1912).\n\u2022) Ber. Bd. 19, S. 377 (1886).\n*) Vgl. Diese Zeitschrift, Bd. 97, S. 1 (1916).","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"\u00ee\t\u2022\t\u2022\n^\tHeinrich Wieland und Hermann Sorge,\nvon Mylius isolierte S\u00e4ure nicht gen\u00fcgend scharf, um ihre Identit\u00e4t mit Desoxychols\u00e4ure \u00fcber alle Zweifel sicher zu stellen.\nBei einer einmaligen Wiederholung des Mvliusschen F\u00e4ulnisversuches mit absolut reiner Chols\u00e4ure haben wir keine Desoxychols\u00e4ure isolieren k\u00f6nnen. Wir wollen trotz dieses Mi\u00dferfolgs die M\u00f6glichkeit jenes biologischen \u00dcbergangs nicht bestreiten, haben aber vorerst um so lieber auf die Fortsetzung der h\u00f6chst widerw\u00e4rtigen F\u00e4ulnis versuche verzichtet, als sich nach einer einwandfreien und durchsichtigen chemischen Methode die Beziehungen zwischen Chols\u00e4ure und Desoxychols\u00e4ure kl\u00e4ren lie\u00dfen.\nBis jetzt wei\u00df man nur, da\u00df die beiden S\u00e4uren bei energischem Abbau nach Absprengung von 6 Kohlenstoffatomen im gleichen Oxydationsprodukt, der Choloidans\u00e4ure C18Ht808, Zusammentreffen. Es ist das Verdienst von Pregl, dies nachgewiesen zu haben.1)\nDie erste Wirkung von Oxydationsmitteln liefert verschiedenartige S\u00e4uren von unver\u00e4nderter Kohlenstoffatomzahl, bei der Chols\u00e4ure die beiden isomeren S\u00e4uren Ct4G3408, Bilian-s\u00e4ure und Isobilians\u00e4ure, bei der Desoxychols\u00e4ure entsprechend die Choians\u00e4ure und Isocholans\u00e4ure C24H3807.\nDer Beweis, da\u00df auch jene 6 abgespaltenen C-Atome in beiden S\u00e4uren gleich angeordnet sind, da\u00df also die Strukturbasis f\u00fcr Chols\u00e4ure und Desoxychols\u00e4ure die gleiche ist, wurde auf folgendem Wege erbracht.\nChols\u00e4ure geht bei der trockenen Destillation im Vakuum unter Abspaltung von 3 Molek\u00fclen Wasser in eine dreifach unges\u00e4ttigte S\u00e4ure C,4H340f, die Cholatriencarbons\u00e4ure, \u00fcber. Durch Hydrierung erh\u00e4lt man aus ihr die Stamms\u00e4ure der ganzen Gruppe, die Cholancarbons\u00e4ure C24H4002. Desoxychols\u00e4ure gab uns bei der trockenen Destillation in vorz\u00fcglicher Ausbeute die zu erwartende Choladiencarbons\u00e4ure Ct4H3602, und deren Hydrierung f\u00fchrte zu einer ges\u00e4ttigten S\u00e4ure, die mit Cholancarbons\u00e4ure vollkommen identisch war.\nChols\u00e4ure \u2014-> Cholatriencarbons\u00e4ure V\nDesoxychols\u00e4ure \u2014-> Choladiencarbons\u00e4ure /\t* Cholancarbons\u00e4ure.\n\u2019) Diese Zeitschrift, Bd. 65, S. 160 (1910).","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Gallens\u00e4uren. III.\t61\nDie sichere Feststellung dieser Beziehungen ist an sich notwendig, sie ist aber unerl\u00e4\u00dflich f\u00fcr den, der die einfacher zusammengesetzte Desoxychols\u00e4ure als Ausgangsmaterial fur die Konstitutionserforschung der Gallens\u00e4uren ben\u00fctzen will. Alle Resultate, die bei der Bearbeitung der Desoxychols\u00e4ure gewonnen werden, k\u00f6nnen nun, soweit es sich um das Hauptproblem, das Kohlenstoffger\u00fcst, handelt, ohne weiteres auf die Chols\u00e4ure \u00fcbertragen werden.\nWieland und Weil haben bei der partiellen Hydrierung der Cholatrienearbons\u00e4ure schon eine Choladiencarbons\u00e4ure erhalten. Mit ihr ist die neue, aus der Desoxychols\u00e4ure gewonnene, nicht identisch. Deren Schmelzpunkt liegt viel niedriger, und au\u00dferdem gibt sie nicht die bei der S\u00e4ure von Wieland und Weil besonders pr\u00e4chtige Farbreaktion mit Essigs\u00e4ureanhydrid und Schwefels\u00e4ure. Die Isomerie ist jedenfalls auf die verschiedene Lage der Doppelbindungen zur\u00fcckzuf\u00fchren und zwar d\u00fcrften sie in der neuen S\u00e4ure r\u00e4umlich entfernter von einander liegen.\nDie erst in Angriff genommene Untersuchung der \u00df-Chol-adiencarbons\u00e4ure erlaubt uns, eine kleine, zurzeit noch wenig bedeutsame Angabe \u00fcber den Standort der Hydroxylgruppen zu machen. In der ersten Abhandlung ist gezeigt worden, da\u00df bei der Oxydation der Cholatrienearbons\u00e4ure mit Permanganat ein Molek\u00fcl Essigs\u00e4ure gebildet wird. Daraus wurde auf die Gruppierung C=CH\u2014CH, und f\u00fcr die Chols\u00e4ure auf C\u2014CH,\u2014CH, oder C\u2014CH\u2014CH, geschlossen.\nOH\tH OH\n\u00df-Choladiencarbons\u00e4ure liefert bei der Oxydation keine Essigs\u00e4ure, und dies berechtigt zu der Folgerung, da\u00df in der\nDesoxychols\u00e4ure jene Hydroxylgruppe der Chols\u00e4ure fehlt. Ob die\nbeiden \u00fcbrigen in beiden S\u00e4uren an gleicher Stelle stehen, ist zwar wahrscheinlich, aber nicht sicher. Der positive Ausfall des F\u00e4lrinis-versuehs, der wiederholt werden soll, w\u00fcrde es beweisen.')\n*) Als die vorliegende Untersuchung schon abgeschlossen war, erfuhr ich zuf\u00e4llig auf brieflichem Weg von Herrn Kollegen Fritz Pregl-Graz, da\u00df er auf anderem Weg zu dem gleichen Ergebnis gekommen ist, wie wir.\tii ur","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nHeinrich Wieland und Hermann Sorge, Experimentelles.\nDie Destillation der Desoxychols\u00e4ure.\nWie wir in der k\u00fcrzlich erschienenen Abhandlung berichtet haben, sind wir bei der Vakuumdestillation der sogenannten Choleins\u00e4ure zuerst ihrer Natur auf die Spur gekommen. Es ging zuerst Fetts\u00e4ure \u00fcber, die wir als Gemisch von Stearin- und Palmitins\u00e4ure erkannten; dann folgte Cho-ladiencarbons\u00e4ure. Da sich die in der Vorlage erstarrenden Fetts\u00e4uren sehr leicht von dem nachfolgenden Hauptprodukt mechanisch abtrennen lassen, so kann man an Stelle von Desoxychols\u00e4ure auch die nat\u00fcrliche Choleins\u00e4ure der Galle als Material verwenden.\nZur Destillation haben wir den von Wieland und Weil verwendeten elektrischen Ofen mit der beschriebenen Apparatur1) benutzt, die sich auch hier vortrefflich bew\u00e4hrte. Die Kapillare haben wir weggelassen. Um die \u00df-Choladiencarbons\u00e4ure in guter Ausbeute zu erhalten, l\u00e4\u00dft man die Wasserabspaltung unter langsamem Anw\u00e4rmen bei m\u00f6glichst tiefer Temperatur vor sich gehen. 11,5g aus Eisessig umkrystallisierte Desoxychols\u00e4ure (1 Mol. Essigs\u00e4ure enthaltend) werden im Vakuum von 12 mm mit 4 Amp. Stromst\u00e4rke (110 Volt Spannung) auf 300\u00b0 erhitzt. Unter Aufsch\u00e4umeri geht die Spaltung vor sich und bei weiterer vorsichtiger Steigerung der Temperatur geht bei 320\u2014340\u00b0 (au\u00dfen im Heizraum gemessen) fast die ganze Substanzmenge \u00fcber, in dem erweiterten Ansatzrohr zu einer fast farblosen harzigen Masse erstarrend (8,5 g). Dabei soll kein wei\u00dfes Sublimat auftreten. Die Operation beansprucht 5\u20146 Stunden, braucht aber nur von Zeit zu Zeit beaufsichtigt zu werden. Nach dem Erkalten sp\u00fclt man den geringf\u00fcgigen R\u00fcckstand mit Chloroform heraus, beseitigt das anh\u00e4ngende Chloroform und l\u00f6st dann das Destillat aus dem Ansatz am R\u00fcckflu\u00dfk\u00fchler mit 16 ccm Ligroin heraus. Die L\u00f6sung, die najch dem Erkalten bald zu einem Krystallbrei erstarrt, wird nach mehrst\u00fcndigem Stehen in Eis abgesaugt, die auskrystallisierte S\u00e4ure wird mit\n*) Diese Zeitschrift, Bd. 80, S. 292 (1912).","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Gallens\u00e4uren. 111.\t63\nGasolin gewaschen und zur v\u00f6lligen Reinigung aus der vierfachen Menge hei\u00dfen Ligroins umkrystallisieH. In Gestalt der ersten Krystallisation werden, wenn man di\u00e9 geringe Nachausbeute aus der Mutterlauge hinzurechnet, 5,5\u20146 g \u00df-Choladien-carbons\u00e4ure gewonnen, das sind bis zu 65\u00b0/o der Theorie.\nDie reine S\u00e4ure krystallisiert in feinen flachen Nadeln vom Schmelzpunkt 132-133\u00b0; bei 127\u00b0 beginnt die S\u00fcbstanz zu sintern. Sie ist in allen organischen L\u00f6sungsmitteln, au\u00dfer Petrol\u00e4ther, leicht l\u00f6slich, kann indes aus wenig hei\u00dfem Alkohol umkrystallisiert werden. Die Lieb ermann sehe Farbreaktion mit Essigs\u00e4ureanhydrid und konzentrierter Schwefels\u00e4ure* (ein Tropfen) verl\u00e4uft \u00fcber Rot, Braun nach Olivgr\u00fcn. Dabei tritt intensive gr\u00fcne Flurorescenz auf, wie auch mit konzentrierter Schwefels\u00e4ure allein. Gegen Permanganat ist die S\u00e4ure unges\u00e4ttigt.\nAnalysen:\n0,0900 g Substanz: 0,2657 CO, und 0,0824 H,0 0,1066 *\t>\t0,3153\t\u00bb\t>\t0,0947 *\n0,1329 \u00bb\t\u00bb\t0,3935\t\u00bb\t\u00bb\t0,1212 >\t.\nBer, : C 80,89\tH 10,11\nGef.: C 80,52, 80,67, 80,75, H 10,25, 9,94, 10,20.\nTitration. 0,0787 g wurden von 2,03 ccm Wio-KOH in verd\u00fcnntem Alkohol neutralisiert; berechnet f\u00fcr eine S\u00e4ure von Mol.-Gew. 256 : 2,21 ccm.\nDie Alkalisalze sind ebenso wie die der Gholatriencarbon-s\u00e4ure in Wasser sehr schwer l\u00f6slich. Das Gleiche gilt f\u00fcr das Baryumsalz.\nZur Hydrierung werden 3 g der reinen S\u00e4ure in wenig Alkohol gel\u00f6st und nach Zugabe von 0,5 g Palladiumschwarz unter Wasserstoff bis zum Aufh\u00f6ren der Absorption in der Birne gesch\u00fcttelt. Die schwerer l\u00f6sliche Cholancarbon-s\u00e4ure krystallisiert w\u00e4hrend des Prozesses aus, Wenn eine Probe Permanganat nicht mehr entf\u00e4rbt, bringt man den Inhalt der Birne nach Entfernung des Wasserstoffs auf dem Wasserbad zur L\u00f6sung, filtriert hei\u00df ab und krystallisiert die in der K\u00e4lte ausgeschiedene ges\u00e4ttigte S\u00e4ure noch zweimal aus Eisessig um. Sie erscheint in den f\u00fcr Cholancarbon-","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64 Heinr. Wieland u. Herrn. Sorge, \u00dcber Gallens\u00e4uren usw.\ns\u00e4ure charakteristischen kugeligen Aggregaten. Der Schmelzpunkt lag bei 154\u2014165\u00b0, wurde aber durch wiederholte Kry-stallisation aus Alkohol auf 156\u2014157\u00b0 gebracht. Im Gemisch mit einem Pr\u00e4parat von Cholancarbons\u00e4ure, die aus C ho latrie near bons\u00e4ure gewonnen war, schmolz die S\u00e4ure bei der gleichen Temperatur. Sie ist also damit identisch.\n0,1602g Substanz: 0,4683 GO, und 0,1612 H,0 CmHwO, Ber.: C 79,93, H 11,19 Gef.: C 79,70, H 11,26.\nF\u00fchrt man die Destillation der Desoxychols\u00e4ure unter raschem Erhitzen aus, so erh\u00e4lt man neben Choladiencarbon-s\u00e4ure eine prachtvoll krystallisierte isomere Verbindung, die sich durch ihre geringe L\u00f6slichkeit in Ligroin vom Hauptprodukt trennen l\u00e4\u00dft. Sie krystallisiert aus viel Ligroin oder auch aus hei\u00dfem Alkohol in langen gl\u00e4nzenden Nadeln vom Schmelzpunkt 215\u2014217\u00b0 (bei 204\u00b0 beginnende Sinterung).\n0,1040 g Substanz : 0,3089 CO, und 0,0971 H,0 Cl4HM0t\tBer. : C 80,89, H 10,11\nGef.: C 81,01, H 10,45.\nDiese isomere Substanz ist auffallenderweise keine S\u00e4ure. Sie wird erst bei l\u00e4ngerem Kochen mit Alkali zu einer solchen aufgespalten, was auch ihre Laktonnatur nicht gerade wahrscheinlich macht. Zudem verh\u00e4lt sie sich gegen Permanganat weit ges\u00e4ttigter als die Choladiencarbons\u00e4ure. Die Lieb ermann sehe Farbreaktion gibt sie nicht. Bis zur weiteren Untersuchung dieser interessanten Verbindung wollen wir keine Vermutung \u00fcber ihre Konstitution \u00e4u\u00dfern.","page":64}],"identifier":"lit20635","issued":"1916-17","language":"de","pages":"59-64","startpages":"59","title":"Untersuchungen \u00fcber die Gallens\u00e4uren, III. Mitteilung","type":"Journal Article","volume":"98"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:41:33.373104+00:00"}