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{"created":"2022-01-31T15:09:58.803385+00:00","id":"lit20656","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Fischer, Emil","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 99: 54-66","fulltext":[{"file":"p0054.txt","language":"de","ocr_de":"Isomerie der Polypeptide.1;\nVon\nEmil Fischer.\n(Der Redaktion zugegangen am 29. Dezember 1916.\n1 \u00bb\t\" \u2022 \" ~\nDie Methoden der Polypeptidsynthese sind so mannigfaltig, da\u00df sie f\u00fcr alle Aminos\u00e4uren, die bisher aus Proteinen erhalten wurden, benutzt werden k\u00f6nnen, und f\u00fcr die einfachen Monoaminomonocarbons\u00e4uren gestatten sie den Aufbau langer Ketten mit vielfachen Variationen in der Reihenfolge. Es ist drum kein blo\u00dfes Spiel mit Zahlen, wenn man die gegebenen M\u00f6glichkeiten berechnet,2) und ich habe mich der kleinen M\u00fche unterzogen, weil die Resultate ein gewisses Interesse f\u00fcr biologische Betrachtungen, z. B. \u00fcber Verschiedenheit der Rassen und Individuen, \u00fcber Vererbung u. dgl. bieten.\nIch beschr\u00e4nke mich auf die 19 Aminos\u00e4uren, die bisher als Spaltprodukte der Proteine mit Sicherheit beobachtet \u2019 worden sind.3)\n*) Auszug aus der Abhandlung, die der Akademie der Wissenschaften zu Berlin am 27. Juli 1916 vorgelegt wurde. Vgl. Sitzungsberichte 1916, S. 990\u20141008.\n*) F\u00fcr andere Gruppen organischer Verbindungen sind solche Rechnungen hingst ausgef\u00fchrt. Z. B. hat E. Cayley die Isomerie der Paraffine behandelt in der Abhandlung \u00ab\u00dcber die analytischen Figuren, die in der Mathematik B\u00e4ume genannt werden, und ihre Anwendung auf die Theorie chemischer Verbindungen* (Ber. d. D. Chem. Ges., Bd. 8, S. 1056 [18751. Ferner hat H. Kaufmann unter dem Titel \u00abIsomerie-zahlen beim Naphthalin\u00bb eine allgemeine mathematische Formel f\u00fcr deren Berechnung gegeben. (Ber. d. D. Chem. Ges., Bd. 33, S. 2131 [1900].)\n*) Das Ornithin ist in der Tabelle mit einem * bezeichnet, weil es zweifelhaft erscheint, da\u00df es einen selbst\u00e4ndigen Bestandteil der Proteine bildet ; denn es kann bei der Hydrolyse sekund\u00e4r aus Arginin entstehen. Aber f\u00fcr die Synthese der Polypeptide ist es sicherlich ein wertvolles Material. Die a-Aminobutters\u00e4ure habe ich nicht aufgenommen, vreil alle \u00e4lteren Angaben \u00fcber ihre Bildung bei der Hydrolyse der Proteine bei der Nachpr\u00fcfung mit den heutigen Methoden sich als unzureichend erwiesen haben. Ich mu\u00df aber zuf\u00fcgen, da\u00df sie neuerdings von E. Abderhalden bei der enzymatischen Spaltung des Lupinensamen-","page":54},{"file":"p0055.txt","language":"de","ocr_de":"Isomerie der Polypeptide.\n55\nGew\u00f6hnliche Aminos\u00e4uren oder Monoaminomono-\ncarbons\u00e4uren.\nGlykokoll\t(M.-G.\t75)\nAlanin\t( \u00bb\t89)\nValin\t(\t117)\nLeucin\t( *\t131)\nIsoleucin\t(\t131)\nNorleucin\t( >\t131)\nSerin\tl v\t105)\nPhenylalanin\t( \u00bb\t165)\nTyrosin\t( -\t181)\nCystin\t( \u00bb\t240)\nAminodicarbons\u00e4uren.\nAsparagins\u00e4ure (M.-G. 133) Glutamins\u00e4ure ( \u00bb\t147)\nDiaminosauren.\n*Ornithin\t(M.-G. 132)\nLysin\t(\t>\t146)\nArginin\t(\t\u00bb\t174)\n\u00bb\nHeterocyklische Aminos\u00e4uren.\nProlin\t(M.-G. 115)\nOxyprolin\t(\t\u00bb\t131)\nHistidin\t(\t\u00bb\t155)\nTryptophan\t(\t\u00bb\t204)\nW\u00fcrde es sich nur um Monoaminomonocarbons\u00e4uren handeln und alle Verbindungen nach dem Schema \u2014 \u00c7O\u2014NH\u2014\nEiwei\u00dfes wieder isoliert und sicher identifiziert wurde (Abderhalden, Lehrbuch d. physiol. Chem., 3. Auflage, S. 316).\nAuch die von Abderhalden und mir beschriebene sogenannte Diamino-Trioxydodecans\u00e4ure ist weggelassen, weil nicht allein ihre Struktur, sondern auch ihre Individualit\u00e4t als selbst\u00e4ndige Aminos\u00e4ure zweifelhaft geworden ist. Dasselbe gilt f\u00fcr die komplizierten S\u00e4uren, die Skraup und andere bei der Hydrolyse des Caseins und sonstiger Proteine erhalten haben wollen.\n","page":55},{"file":"p0056.txt","language":"de","ocr_de":"56\nEmil Fischer,\nkonstruiert sein, so w\u00e4re die Zahl der Formen wiedergegeben durch den Ausdruck 1.2.3.4.............n oder\n|1| *!,\nwenn n die Anzahl der im Molek\u00fcl enthaltenen Aminos\u00e4uren ist und diese alle untereinander verschieden sind.\nDie Werte f\u00fcr \u00bb! sind leicht zu berechnen, solange n nicht zu gro\u00df ist. Man findet sie in den Lehrb\u00fcchern der Kombinatorik. Zudem hat E. Abderhalden sie mit R\u00fccksicht auf die Polypeptide in seinem Lehrbuch der physiologischen Chemie bis \u00bb = 20 angef\u00fchrt.\nz. B. 19 ! ist 1,216 \u2022 1017 (abgerundet).\nBei h\u00f6heren Werten wird die Rechnung durch einfache Multiplikation immer m\u00fchsamer. Da man aber auch mit solchen Zahlen sp\u00e4ter bei den Polypeptiden und Proteinen zu tun haben wird, so mag eine andere f\u00fcr die Rechnung bequemere kormel, die ich der G\u00fcte meines Kollegen Herrn Max Planck verdanke, hier Platz finden:\nF\u00fcr 30! ergibt sie 2,653 \u2022 1032 (mit einer Genauigkeit von etwa lU Prozent).\nWenn das Molek\u00fcl des Polypeptids n Aminos\u00e4uren enth\u00e4lt, die nicht alle verschieden sind, so wird die Zahl der Isomeren kleiner.\nAngenommen, es seien a von gleicher Art und b ebenfalls \\on gleicher Art, so ergibt sich als Zahl der Isomeren\nAls praktisches Beispiel f\u00fchre ich an das Octadecapeptid (18-Peptid), das ich vor 9 Jahren synthetisch darstellte.1) Es enth\u00e4lt 15 Mol. Glykokoll und 3 Mol. Leucin. Nach der Synthese ist die Reihenfolge der Aminos\u00e4uren eindeutig bestimmt. Aber es gibt isomere 18-Peptide der gleichen Zusammensetzung.\n18!\t_ 16 - 17 \u2022 18\n15! - 3! \u201c \u201c1.2-3\n816.\n*) Berichte d. D. Chem. Ges., Bd. 40, S. 1754 (1907).","page":56},{"file":"p0057.txt","language":"de","ocr_de":"Isomerie der Polypeptide.\n57\nK\u00fcrzlich haben E. Abderhalden und A. Fodor1) nach denselben Methoden ein 19-Peptid bereitet, das noch ein Leucin mehr als das vorstehende enth\u00e4lt.\nHier wird die Zahl der Isomeren 19!\t16 * 17 * 18 19\n15! - 4! \u201c\t1 2-3*4\t= 3876-\nObige tormein l\u00fcr die Zahl der Isomeren gelten nur unter der Voraussetzung, da\u00df die Peptidbindung stets dem Schema \u2014CO\u2014NH\u2014 entspricht. Ich habe aber fr\u00fcher2) schon betont, da\u00df man auch mit der tautomeren Form \u2014C(OH)=N\u2014 rechnen mu\u00df. Einige Beobachtungen deuten darauf hin, da\u00df beide Formen bei den einlachen Polypeptiden Vorkommen. Insbesondere hat auch das genauere Studium der Isomerie, die ich bei den Carb\u00e4thoxvlderivaten der Glycylglycinester oder den entsprechenden Doppelamiden beobachtete, durch Hm Leuchs zum gleichen Schlu\u00df gef\u00fchrt.3)\nDas w\u00fcrde f\u00fcr jede Peptidbindung 2 Formen geben. Da bei n Aminos\u00e4uren die Zahl der Peptidbindungen n\u20141 ist, so w\u00e4chst die Zahl der Formen um\nAus Formel 11 ] wird also\n[11\tn\\ \u2022 2(*~I)\nBer\u00fccksichtigt man ferner noch die optische Isomerie, so ergibt sich, wenn die Zahl der asymmetrischen Kohlenstoffatome gleich k gesetzt wird\n\u00df]\tn! \u2022 2{M !) . 2*\nDa das praktische Interesse sich aber auf die in der Natur vorkommenden Aminos\u00e4uren beschr\u00e4nkt und diese bisher immer nur in einer optischen Form gefunden wurden, so wird der Ausdruck [5] selten in Betracht kommen.\nKombiniert man [4] mit [3], so ergibt sich\n[6]\tw!-_2:,:,>\n___________ (t\\ \u2022 b\\\n') Berichte d. D. Chem. Ges., Bd. 49, S. 561 (1916).\n*) Ebenda, Bd. 39, S. 568 (1906).\n#) II. Leuchs und W. Manasse, Berichte d. D. Chem. Ges., Bd. 40, S. 3235 (1907); ferner Leuchs und F. B. La Forge, Berichte d. D. Chen/ Ges., Bd. 41, S. 2586 (1908).","page":57},{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"58\nEmil Fischer,\nHandelt es sich nur um die einfachen nat\u00fcrlichen Aminos\u00e4uren, so gestattet dieser Ausdruck die Zahl der isomeren Polypeptide zu berechnen, sobald die Anzahl und die Art der Aminos\u00e4uren, die das Molek\u00fcl des Polypeptids enth\u00e4lt, bekannt sind.\nWill man auch von der T\u00e4utomerie der Amidgruppen absehen, so gen\u00fcgt f\u00fcr den gleichen Zweck Formel [3].\nKomplizierter werden die Verh\u00e4ltnisse bei den Amino-dicarbons\u00e4uren und den Diaminos\u00e4uren, weil die Peptidbindung an drei Stellen eintreten kann. Hier sind verschiedene F\u00e4lle zu unterscheiden, bei deren Betrachtung ich optische Isomerie und T\u00e4utomerie nicht mehr ber\u00fccksichtigen werde.\nObschon bisher nur 2 Aminodicarbons\u00e4uren (Asparagin-und Glutamins\u00e4ure) in den nat\u00fcrlichen Proteinen gefunden wurden, so scheint es mir doch zweckm\u00e4\u00dfig, die Zahl der Isomeren f\u00fcr eine unbegrenzte Anzahl der Dicarbons\u00e4uren zu entwickeln.\nPolypeptide, die Aminodicarbons\u00e4uren enthalten.\nWenn nur Aminodicarbons\u00e4uren vorhanden und diese alle untereinander verschieden sind, so gilt f\u00fcr n-Peptid die Formel:\nm\n.(2*)!\n(n + iy\nWerden einige (a) darunter gleich, so wird aus der vorigen\nFormel der Ausdruck [8]\na!\n(2 w) !___\n* (\u00bb + 1 )!\nTreten noch gew\u00f6hnliche Aminos\u00e4uren hinzu und betr\u00e4gt die Zahl der Aminodicarbons\u00e4uren A, so ist Formel [7] zu \u00e4ndern in\n[9]\tin-\u00b1A':\n(^ + 1)!\ndaraus folgt dann ferner f\u00fcr","page":58},{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"Isomerie der Polypeptide.\n59\nn-Peptide aus A Aminodicarbons\u00e4uren, von denen b und c untereinander gleich sind, und (n-~4) gew\u00f6hnlichen Aminos\u00e4uren, von denen d und e untereinander\ngleich sind, der allgemeine Ausdruck\n[10]\n{n + A)\u00b1\ne\\\nb\\ \u2022 r! \u2022 d\\ \u2022 e \\ \u2022 (A -f- 1) !\nDie ausf\u00fchrliche Ableitung der Formeln 7\u201410 findet sich in der erw\u00e4hnten Abhandlung in den Sitzungsberichten der Berliner Akademie.\nPeptide der Diaminos\u00e4uren.\nEbenso wie bei den Aminodicarbons\u00e4uren liegen die Verh\u00e4ltnisse bei den Diaminomonocarbons\u00e4uren, \u2018dem Ornithin, Lysin und auch bei dem Arginin, wenn man bei letzterem die einschr\u00e4nkende Annahme macht, da\u00df die Guanidogruppe in bezug auf Peptidbildung sich genau so verh\u00e4lt, wie die Aminogruppe.\nInfolgedessen gelten f\u00fcr die Isomerie der Peptide, welche diese Diaminos\u00e4uren f\u00fcr sich allein oder in Kombination mit den gew\u00f6hnlichen Aminos\u00e4uren enthalten, alle die Ausdr\u00fccke, die zuvor bei der Asparagins\u00e4ure und Glutamins\u00e4ure entwickelt wurden.\nEinen besonderen Fall aber bieten die\n*9\nPeptide von Diaminos\u00e4uren und Aminodicarbons\u00e4uren.\nSchon bei den Dipeptiden ist die Zahl der Isomeren 5, w\u00e4hrend sie bei der Kombination von 2 verschiedenen Diaminos\u00e4uren oder 2 Aminodicarbons\u00e4uren nur 4 betr\u00e4gt.\nF\u00fcr ein n-Pept.id aus 1 Diaminos\u00e4ure, 1 Aminodicar-bons\u00e4ure und (w\u20142) gew\u00f6hnlichen, untereinander verschiedenen Aminos\u00e4uren\ngilt die Formel\n[11] ^ _(? +.?)\u2022\n4!","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\nEmil Fischer,\nBei Tripeptiden aus 1 Diaminos\u00e4ure und 2 verschiedenen Aminodicarbons\u00e4uren oder umgekehrt aus 2 Di-aminos\u00e4uren und 1 Aminodicarbons\u00e4ure\nbetr\u00e4gt die Zahl der Isomeren 44.\nTreten dazu noch gew\u00f6hnliche Aminos\u00e4uren, so ergibt sich f\u00fcr\nn-Peptide aus 2 verschiedenen Aminodicarbons\u00e4uren, 1 Diaminos\u00e4ure (oder umgekehrt) und (w\u20143) gew\u00f6hnlichen Aminos\u00e4uren\nder Ausdruck\n[12]\tU-(n + 3y:\nTetrapeptide aus Aminodicarbons\u00e4uren und Diaminos\u00e4uren.\nHier sind zwei F\u00e4lle zu unterscheiden.\nb \u00fcr die Kombination von 3 verschiedenen Aminodicarbons\u00e4uren und 1 Diaminos\u00e4ure (oder umgekehrt) ist die Zahl der Isomeren 558. Treten noch gew\u00f6hnliche Aminos\u00e4uren zu, so gilt die Formel\nF\u00fcr das Tetrapeptid aus 2 verschiedenen Aminodicarbons\u00e4uren und 2 verschiedenen Diaminos\u00e4uren ist die Zahl der Isomeren 656 und f\u00fcr ein n-Peptid, das durch weiteren Zutritt von (n-4) gew\u00f6hnlichen Aminos\u00e4uren entsteht, gilt\n[14]\t656-(w +4)!\n8!\nPentapeptide aus Aminodicarbons\u00e4uren und Diaminos\u00e4uren.\nAuch hier gibt es 2 verschiedene F\u00e4lle, je nachdem die Dicarbons\u00e4uren zu den Diaminos\u00e4uren im Verh\u00e4ltnis 1: 4 oder 2:3 stehen.","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Isomerie der Polypeptide.\n01\nMein Assistent, Herr Dr. Max Bergmann, der sich an diesen Betrachtungen mit gro\u00dfem Eifer und Geschick beteiligte, hat die Rechnung auch hier ausgef\u00fchrt und gefunden\nf\u00fcr das Verh\u00e4ltnis 1 4 . . .\t9264 Formen,\n\u00bb \u00bb\t>\t2:3... 12360\nTreten zu obigen beiden Pentapeptiden noch (n\u20145) gew\u00f6hnliche Aminos\u00e4uren, so gelten die Formeln\n9264 \u2022 (m 5)!\n10! und\n12360 \u2022 (n + 5)!\n[15]\n[16]\n10!\nAlle oben angef\u00fchrten Isomeriezahlen f\u00fcr die gemischten Formen aus Aminodicarbons\u00e4uren und Diaminos\u00e4uren (also die Verte 5, 44, 558, 656, 9264, 123(50) sind empirisch ermittelt worden, und es hat sich bisher kein einfacher allgemeiner Ausdruck daraus ableiten lassen.\nVon den Aminos\u00e4uren mit stickstoffhaltigem Ring ist das Prolin sowohl am Carboxyl wie* an der Iminogruppe zur Peptidbildung bef\u00e4higt, und dasselbe darf man deshalb auch f\u00fcr das Oxyprolin annehmen. Beide sind also in bezug auf die Zahl\nder isomeren Peptide den gew\u00f6hnlichen Aminos\u00e4uren gleich \u2022 zu setzen.\nBei dem Tryptophan und Histidin sind nur Peptide bekannt, die durch Verkettung des Carboxyls oder der Aminogruppe zustande kommen. Ob auch die im Ring befindlichen NH-Gruppen dazu bef\u00e4higt sind, ist bisher nicht gepr\u00fcft worden. Bei der geringen Basizit\u00e4t dieser Gruppen wird man wohl neue Methoden f\u00fcr den Aufbau derartiger Peptide suchen m\u00fcssen. Aus demselben Grunde ist es mir recht zweifelhaft, da\u00df in den Proteinen solche Bindungen vorhanden sein k\u00f6nnten.\nEinen besonderen Fall bietet endlich das Cystin\nCOOH \u2022 CH \u2022 CH, \u2022 S-S CH,. CH \u2022 COOH\nI\tI\nNH,\tNH,","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nEmil Fischer,\nOb es selbst oder sein Hydroderivat, das Cystein\nHS CH, \u2022 CH \u2022 COOH\nI\nNH,\nin den Proteinen enthalten ist, konnte bisher nicht sicher entschieden werden. Ich halte beides f\u00fcr wahrscheinlich. Cystein ist in bezug auf Peptidbildung den gew\u00f6hnlichen Aminos\u00e4uren gleich. Beim Cystin gestalten sich die Verh\u00e4ltnisse etwas anders.\nInfolge des symmetrischen Baues sind die beiden Car-boxyle und die beiden Aminogruppen gleichwertig., Also kann die Anf\u00fcgung einer gew\u00f6hnlichen Aminos\u00e4ure, z. B. Glykokoll, nur an 2 Stellen erfolgen, und das Peptid bildet nur die beiden Formen\nCOOH CH \u2022 CH, \u2022 S \u2022 S \u2022 < \u2019.H, CH 0.0 NH CH, \u2022 COOH\nI\tI \u2022\nNH,\tNH,\nCOOH CH \u2022 CH, SS- CH,. CH COOH\nI\tI\nNH,\tNH \u2022 CO \u2022 CH, \u2022 NH,\nAber durch den Zutritt des Glykokolls ist das Molek\u00fcl unsymmetrisch geworden, und eine dritte gew\u00f6hnliche Aminos\u00e4ure w\u00fcrde nun an 5 verschiedenen Stellen eingef\u00fchrt werden k\u00f6nnen.\nDie Zahl der Isomeren f\u00fcr ein Tripeptid aus 1 Cystin und 2 gew\u00f6hnlichen Aminos\u00e4uren steigt also auf 2 \u2022 5 = 10.\nDaraus folgt f\u00fcr ein\n/4-Peptid aus 1 Cystin und (w\u2014 1) gew\u00f6hnlichen, untereinander verschiedenen Aminos\u00e4uren:\nZahl der Isomeren\n(n + 2)\\ 12\nDa bei unvollkommener hydrolytischer Spaltung der Proteine bekanntlich Di- und Tripeptide entstehen und es deshalb w\u00fcnschenswert ist, die m\u00f6gliche Anzahl der Isomeren zu kennen, so f\u00fcge ich noch einige Ausdr\u00fccke zu, welche die Berechnung allgemein gestatten. Sie gelten nur f\u00fcr die","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"Isomerie der Polypeptide.\n63\ngew\u00f6hnlichen Aminos\u00e4uren (Monoaminomonocarbons\u00e4uren) und ohne Ber\u00fccksichtigung von Tautomerie oder optischer Isomerie.\nAnzahl der Dipeptide, die aus n gew\u00f6hnlichen untereinander verschiedenen Aminos\u00e4uren entstehen k\u00f6nnen,\n|18] ;/(\u00ab\u20141)\nAnzahl der Tripeptide |19|\tn(n\u20141) (n\u20142)\nDie allgemeine Formel f\u00fcr die Anzahl der a-Peptide, die aus n gew\u00f6hnlichen, untereinander verschiedenen Aminos\u00e4uren entstehen k\u00f6nnen, ist\nz. B. die Zahl der Tetrapeptide, die aus 8 gew\u00f6hnlichen Amino-\n8 \u2019\ns\u00e4uren entstehen k\u00f6nnen, betr\u00e4gt /rt = 1680\n(8 \u2014 4) !\nProteine.\nDa\u00df in den Proteinen Amidbindungen Vorkommen, ist durch die Entstehung von Di- und Tripeptiden bei der partiellen Hydrolyse erwiesen, und manche Beobachtungen, wie die Biuretreaktion, das Verhalten gegen Fermente, die relative Best\u00e4ndigkeit gegen S\u00e4uren und Alkalien deuten weiter darauf hin, da\u00df diese Peptidbindungen die Hauptrolle spielen.\nAllerdings sind auch noch andere M\u00f6glichkeiten vorhanden, und ich habe schon vor 10 Jahren darauf hingewiesen,1) da\u00df die Anwesenheit von Piperazinringen oder von \u00c4ther- bezw. Estergruppen, bedingt durch die Hydroxyle der Oxyaminos\u00e4uren, in manchen Proteinen nicht unwahrscheinlich sei. Dagegen halte ich Kohlenstoffbindung zwischen den verschiedenen Aminos\u00e4uren f\u00fcr h\u00f6chst unwahrscheinlich; denn auch die Form der a-Ketos\u00e4uren :\n^COOH CO------C \u2022 NH.\nI\t1\nCH \u2022 NH, C\n*) Ber. d. D. Chem. Ges., Bd. 3t), S. 607 (1906).","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64\nEmil Fischer,\ndie H. Schiff1) f\u00fcr die Polyasparts\u00e4uren annahm und die t. Hofmeister* *) 1902 bei den Proteinen noch f\u00fcr m\u00f6glich hielt, steht im Widerspruch mit ihren Eigenschaften. Sie w\u00fcrden dann ja eine a-Aminoketogruppe enthalten, die sich durch gro\u00dfe Empfindlichkeit gegen alkalische Oxydationsmittel, z. B. Fehlingsche L\u00f6sung, auszeichnet und w\u00fcrden au\u00dferdem noch in naher Beziehung zu dem a-Aminoacetessigester stehen, dessen gro\u00dfe Unbest\u00e4ndigkeit bekannt ist.3)\nWenn man aber auch von allen Komplikationen der Verkettung absehen will, so bleibt mit den Peptidbindungen allein die Isom\u00e8rie der Proteine noch mannigfaltig genug. Darauf hat ber\u00e9its F. Hofmeister hingewiesen in dem eben erw\u00e4hnten Vortrag, wo er das Proteinmolek\u00fcl mit einem Mosaikbild von verschiedenfarbigen und verschiedengestalteten Steinen vergleicht und die \u00abschier unersch\u00f6pfliche Zahl der Kombinationen* hervorhebt. Der schon vorher ausgesprochenen Vermutung, da\u00df in dem Eiprotoplasma jeder Pflanzen- und Tierspezies eine besondere Art von Eiwei\u00dfk\u00f6rpern vorkomme, stehe deshalb vom chemischen Standpunkt aus keine Schwierigkeit im Wege. Allerdings legte Hofmeister seinen Betrachtungen ein Eiwei\u00dfmolek\u00fcl von etwa 125 Kernen (Aminos\u00e4uren) zugrunde, wie es in dem H\u00e4moglobin gegeben sei.\nNach meiner Ansicht sind aber die Methoden, die man zur Bestimmung der Molekulargr\u00f6\u00dfe der H\u00e4moglobine angewandt hat, weniger sicher, als man fr\u00fcher annahm. Obschon sie h\u00fcbsch krystallisieren, ist die Garantie der Einheitlichkeit doch nicht gegeben, und selbst wenn man diese zugeben und damit die Richtigkeit eines Molekulargewichts von 15000 bis 17000 f\u00fcr manche H\u00e4moglobine anerkennen will, so ist doch noch immer zu beachten, da\u00df das H\u00e4matin nach allem, was wir von seiner Struktur wissen, mehrere Globinreste fixieren kann. \\\\ enn diese nun untereinander gleich sind, so w\u00fcrde\n') Ber. d. D. Chem. Ges., Bd. 30, S. 2449 (1897). Ann. Chem., Bd. 303, S. 183 (1898).\n*) Vortrag auf der Naturforschervcrsammlung zu Karlsbad 1902.\n\u2019) S. Gabriel und Th. Posner, Ber. d. D. Chem. Ges., Bd. 27 S. 1141 (1894).","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"Isomerie der Polypeptide.\n05\ndas lsoraerieproblem des H\u00e4moglobins auf die lsomerie des viel kleineren Globinmolek\u00fcls reduziert sein.\nDagegen stimme ich der Meinung von Hofmeister und vielen anderen Physiologen gerne bei, da\u00df Proteine von 4000\u20145000 Molekulargewicht keine Seltenheit sind. Wenn man als mittleres Molekulargewicht der Aminos\u00e4uren die Zahl 142 annimmt, so w\u00fcrde das einem Gehalte von etwa 30 40 Aminos\u00e4uren entsprechen.\nFerner enthalten die biologisch wichtigsten Proteine, auch die krystallisierten, fast alle fr\u00fcher angef\u00fchrten Aminos\u00e4uren und selbst die Protamine, die urspr\u00fcnglich eine sehr einfache Zusammensetzung zu haben schienen, sind doch durch die Entdeckung ihres Gehaltes an Monoaminos\u00e4uren mehr und mehr in die Klasse der komplizierten Gebilde hinaufger\u00fcckt.\nMan darf allerdings nicht vergessen, da\u00df die Unsicherheit \u00fcber die Einheitlichkeit der Stoffe auch alle Schl\u00fcsse \u00fcber die Zusammensetzung des Molek\u00fcls gef\u00e4hrdet. Immerhin halte ich es f\u00fcr wohl m\u00f6glich, da\u00df in den typischen Proteinen die Mehrzahl der obigen Aminos\u00e4uren vorhanden sind. Um eine Berechnung der Isomerief\u00e4lle vornehmen zu k\u00f6nnen, will ich deshalb als recht wahrscheinlichen Fall ein Proteinmolek\u00fcl w\u00e4hlen, das aus 30 Mol. Aminos\u00e4uren besteht, von denen 18 untereinander verschieden sind; dann w\u00fcrden 12 Aminos\u00e4uren mehrfach vorhanden sein. Angenommen; es seien 2, ferner 3 und 3, dann 4 und endlich 5 Aminos\u00e4uren untereinander gleich, so w\u00fcrde die Zahl der Isomeren nach der\n\u2022 i , 1Q1 . t\t30\u2019\t2,653- 10\u201c\nformel |3] betragen: 2!. 3,. 3.. 4,. 5,\t=\t2of;(60\n= 1,28 \u2022 IO27 (abgerundet), d.i. mehr als tausend Quadrillionen. Dabei ist die Tautomerie der Peptidgruppe noch nicht ber\u00fccksichtigt. Ferner ist angenommen, da\u00df die Verkettung der Aminos\u00e4uren nur in der einfachsten Weise erfolgt ist, wie es bei den Monoaminomonocarbons\u00e4uren geschieht.\nDie Zahl w\u00fcrde noch au\u00dferordentlich wachsen, wenn man die verschiedenen Bindungsformen der Aminodicarbons\u00e4uren und der Diaminos\u00e4uren mit in Betracht z\u00f6ge, wie es bei den\nIloppe-Seylcr's Zeitschrift f. physiol. Chemie, IC.\t\u2022 >","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"Emil Fischer, Isomerie der Polypeptide.\nGH\nPolypeptiden geschehen ist. Ob solche Formen tats\u00e4chlich bei den Proteinen vorhanden sind, l\u00e4\u00dft sich allerdings zurzeit schwer beurteilen. \u00dcber die Bindung der Aminodicarbons\u00e4uren ist so gut wie gar nichts bekannt. Wir wissen nur, da\u00df bei ihnen der \u00dcberschu\u00df an Carboxyl in den Proteinen durch amidartig gebundenes Ammoniak oder auch durch eine entsprechende Menge Diaminos\u00e4ure neutralisiert ist.\nEtwas besser studiert sind die Diamitios\u00e4uren. Schon vor 10 Jabren haben VA. H. Skraup und Ph. Hoernes1) gezeigt, da\u00df beim Casein und Leim durch Behandlung mit salpetriger S\u00e4ure der Lysinanteil zerst\u00f6rt wird, w\u00e4hrend die andern Aminos\u00e4uren, insbesondere auch das Arginin, erhalten bleiben.\nDie Wirkung der salpetrigen S\u00e4ure ist dann von D. D. van Slyke2) ausf\u00fchrlich untersucht und zu einem recht brauchbaren Verfahren f\u00fcr die Unterscheidung intakter Aminogruppen von andern stickstoffhaltigen Gruppen ausgebildet worden; denn unter gewissen Bedingungen wird nur die freie Aminogruppe in Stickstoff verwandelt, w\u00e4hrend der ringf\u00f6rmig gebundene (Piperidin und Piperazin, Imidazolring) oder der Stick-stofT der Guanidingruppe und der Peptidgruppe (mit Ausnahme des Glycyglycins3) unversehrt bleiben.\nEs lag also nahe, aus den Beobachtungen von Skraup zu folgern, da\u00df bei dem Lysin des Caseins und Glutins eine Aminogruppe frei sei. Ferner ist A. Kossel bei den Protaminen zu dem Schl\u00fcsse gelangt, da\u00df die Guanidogruppe des Arginins nicht amidartig verkuppelt sei.\nEs w\u00e4re aber verfr\u00fcht, diese Schl\u00fcsse zu verallgemeinern und die M\u00f6glichkeit einer andern Bindungsform f\u00fcr die Diamino-s\u00e4uren ganz zu leugnen.\n\u2018) Monatshefte der Chemie, Bd. 27, S. 631 und 653 (1906); Bd. 28, S. 447 (1907).\n*) Ber. d. D. Chem. Ges., Bd. 43, S. 3170 (1910).\nVgl. E. Fischer und K\u00f6lker. Ann. d. Chem.. Bd. 340, S. 177\n(1905).","page":66}],"identifier":"lit20656","issued":"1917","language":"de","pages":"54-66","startpages":"54","title":"Isomerie der Polypeptide","type":"Journal Article","volume":"99"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:09:58.803391+00:00"}