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{"created":"2022-01-31T14:48:39.189987+00:00","id":"lit20661","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Pauly, Herm.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 99: 161-165","fulltext":[{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"Zum Problem der nat\u00fcrlichen Peptideyntheee.\nVon\nHerrn. P&nly.\n(Der Redaktion zugegangen am 14. Februar 1917.)\nDie Tatsache, da\u00df die Eiwei\u00dfassimilation im tierischen Organismus in einem bis zu den Einzelbausteinen gehenden Abbau und einem sich anschlie\u00dfenden Aufbau aus diesen besteht, darf nach den eingehenden Untersuchungen auf diesem Gebiete heute wohl als feststehend betrachtet werden. Dem Chemiker erscheint nun zwar der Abbau als ein leicht verst\u00e4ndlicher Vorgang der Hydrolyse, um so schwieriger indessen ist es f\u00fcr ihn, die Synthese angesichts der im Organismus gegebenen Bedingungen zu erfassen, da diese nat\u00fcrlich irfse\u00eeh; verd\u00fcnnt-w\u00e4sseriger L\u00f6sung und bei verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig niederer Temperatur sich vollzieht.\nEs liegt ja zun\u00e4chst nahe, an einen der Esterbildung analogen, unter katalytischer Beschleunigung fortschreitenden Proze\u00df zu denken. Allein der Vergleich versagt bei n\u00e4herem Zusehen in wesentlichen Punkten. Zun\u00e4chst hinsichtlich der Temperatur. Eine Esterbildung findet, wenn auch verlangsamt, schon bei niederer Temperatur statt; nach den bisherigen Erfahrungen scheint aber eine Amidbildung aus dem Ammoniaksalz, denn um eine solche w\u00fcrde es sich handeln, wenn die Peptidbildung nach dem Schema\nNH, \u2022 CR, - COOHNH, \u2022 CR, \u2022 COOH * NH, \u2022 CR, \u2022 CO \u2022 NH. CR, \u2022 COOH 4* H\u00ab0 (R = H, CH\u201e usw.)\nverliefe, an Erreichung einer gewissen Mindesttemperatur gekn\u00fcpft zu sein. Meines Wissens hat man aber bisher eine Peptid-","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"1\u00d62\nHerrn. Pauly,\nbildung bei 37\u00b0 und darunter beim Stehenlassen von Aminos\u00e4uren in verd\u00fcnnt-w\u00e4sseriger L\u00f6sung nicht beobachtet, und wenn sie bei h\u00f6herer Temperatur nachgewiesen wurde, so war wohl stets eine gewisse Wasserfreiheit Vorbedingung f\u00fcr das Zustandekommen der Kondensation.\ni\nWeiter versagt die Parallele mit der Esterbildung hinsichtlich der katalytischen Beschleunigung. Bei der Esterbildung bewirkt n\u00e4mlich der Zusatz von geringer Menge z. B. einer Minerals\u00e4ure, wie bei dem bekannten Verfahren von E. Fischer und Speyer, eine Erh\u00f6hung der Wasserstoff-Ionisation und dadurch eine Beschleunigung der Wasserabspaltung. Wird aber aus einem Ammoniumsalz einer Carbons\u00e4u're Wasser abgespalten, so handelt es sich \u00fcberhaupt nicht darum, da\u00df die S\u00e4ure Wasserstoff hergibt zur Wasserbildung, denn sie gibt ja doch OH ab. Auf der andern Seite ist das den Wasserstoff liefernde NHS, und zweifellos auch ein Rest desselben (NH2 \u2014), nachweislich so gut wie nicht dissoziiert. Eine katalytische, die Wasserstoffionisation f\u00f6rdernde Wirkung kann also den Proze\u00df der Amid- und somit den der Peptidbildung bei den Aminos\u00e4uren \u00fcberhaupt nicht beeinflussen.1) Anderseits f\u00fchrt bekanntlich eine Vermehrung der Hydroxylionen (durch Alkali z. B.) genau so zur hydrolytischen Spaltung eines Amids, wie die der Wasserstoffionen, sie k\u00f6nnte also nur schaden, wenn man etwa daran d\u00e4chte, die Abspaltung von OH aus der Garboxylgruppe auf diese Weise zu beschleunigen. Endlich wird der Vergleich der Peptidbildung mit der Esterbildung dadurch hinf\u00e4llig, da\u00df das Endprodukt im letzteren Falle meist wasserunl\u00f6slich ist und so der r\u00fcckl\u00e4ufig wirkenden Hydrolyse sich entzieht, wodurch insbesondere der mechanisch wirkende Schutz \u2014 von Reservestoffbeh\u00e4ltern in der Pflanze beispielsweise \u2014 vortrefflich zur Geltung kommt. Die Peptide sind dagegen eher noch wasser-\n*) Eine solche ist deswegen auch bei der sogenannten Plasteinbildung nicht wahrscheinlich. Die diesbez\u00fcglichen entgegengesetzten, aus Formoltitrationen gezogenen Schl\u00fcsse von Henriques und Gjaldb\u00e4k (diese Zeitschr. 71, 485 (1911) lassen au\u00dfer acht, da\u00df die Ver\u00e4nderung der Acidit\u00e4t und der F\u00e4llbarkeit doch auch z. B. durch Tautom\u00e9risation, etwa von (.(\u00dcH):N* zu \u2022CO-NH- (s. u.) in der Peptidkette veranla\u00dft sein k\u00f6nnte.","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Zum Problem der nat\u00fcrlichen Peptidsynthese.\t163\nl\u00f6slicher, als die Aminos\u00e4uren, sie m\u00fc\u00dften also, selbst wenn sie spurenweise in Gegenwart von viel Wasser entstehen k\u00f6nnten, wieder hydrolytisch zerlegt werden. Tats\u00e4chlich wird eben unter den gegebenen Verh\u00e4ltnissen \u00fcberhaupt keine Peptidbildung aus Aminos\u00e4uren m\u00f6glich sein.\nWenn man sich nach dem Dargelegten nun auf den Standpunkt stellen mu\u00df, da\u00df chemisch eine Peptidsynthese aus den Aminos\u00e4uren unter den im Tierk\u00f6rper gegebenen Bedingungen kaum wahrscheinlich ist, wie soll sich dann eine solche vollziehen k\u00f6nnen? Es ist sicher auch f\u00fcr den Physiologen nicht ohne Interesse, da\u00df es tats\u00e4chlich m\u00f6glich erscheint, auf einem Umwege Aminos\u00e4uren peptidartig zu verketten, auch wenn dieser Weg durch den Tierversuch noch nicht nachgewiesen ist. Denn es darf doch nicht \u00fcbersehen werden, da\u00df eine chemisch vollkommen unm\u00f6gliche Reaktion sich auch im Organismus nicht vollziehen kann. Die besonderen Hilfsmittel des Organismus k\u00f6nnen nur dann zur Geltung kommen, wenn eine Reaktion sich wenigstens spurenweise \u00fcberhaupt vollzieht unter den gegebenen \u00e4u\u00dferen Bedingungen, wie sie hier durch das L\u00f6sungsmittel, den Verd\u00fcnnungsgrad und die Temperatur vorgeschrieben sind.\nDer Reaktionsmechanismus der Synthese, auf den in dieser \\ orl\u00e4ufigen Mitteilung hingewiesen werden soll, besteht nun in einer Reduktion mit nachfolgender Oxydation.\nBekanntlich haben C. Neuberg und E. Fischer den Nachweis erbracht, da\u00df Aminos\u00e4uren verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig leicht zu Aminoaldehyden reduziert werden k\u00f6nnen. W\u00fcrde ein Rest eines solchen Aminoaldehyds mit einer freien Aminogruppe in F\u00fchlung kommen, so w\u00fcrde er sich nach allen chemischen Erfahrungen, auch in gro\u00dfer Verd\u00fcnnung und bei niederer Temperatur, mit dieser sofort zu einer sogenannten Schiff-schen Base vereinigen.1) So w\u00fcrde die Verbindung des Glykokoll-aldehydrestes mit Glykokoll, wie folgt, verlaufen:\n-NH \u2022 CH, \u2022 CH ; 0 + NH,. CH, COOH\n-----------= -NH. CH, \u2022 CH : N. CH, \u2022 COOH + H,0.\n*) Oder vielleicht auch zu einem prim\u00e4ren Aldehydammoniaktypus \u2014NH \u2022 CR,CH(OH)NH \u2022 CR, \u2022 COOH, was den gleichen gedachten Effekt g\u00e4be.\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. IC.\n12","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nHerrn. Pauly,\nOxydierte sich nun die so erhaltene Verbindung derart, da\u00df die Gruppe \u2022 CH : N \u2022 zu \u2022 C(OH) : N \u2022, die tautomer \u2022 C : 0 \u2022 NH \u2022 ist, wird, so erhielten wir den Rest des Glycyl-glycins:\n-NH \u2022 CH, CH : N \u2022 CH, \u2022 COOH -f 0\n= -NH \u2022 CH, \u2022 CO \u2022 NH \u2022 CH,. COOH. \u2018)\nDa\u00df dieses Prinzip nat\u00fcrlich auf jede andre Kombination anwendbar w\u00e4re, liegt auf der Hand. Es fragt sich jetzt nur, l\u00e4\u00dft sich tats\u00e4chlich eine derartige Sch iff sehe Base zu einer AcylVerbindung oxydieren?\nUm ein einfacheres Beispiel zu w\u00e4hlen, habe ich zun\u00e4chst nicht Glykokollaldehyd, sondern Benzaldehyd hinsichtlich des Reaktionsverlaufes gepr\u00fcft, denn die Aminogruppe des Aminoaldehyds nimmt ja, wenn man sie sich als schon verkettet denkt, an der Reaktion nicht teil. Ich habe in w\u00e4sseriger Verd\u00fcnnung \u00e4quimolare Mengen Benzaldehyd und Gl y kok oll, neutralisiert mit einem \u00c4quivalent Alkali, miteinander bei gew\u00f6hnlicher Temperatur gesch\u00fcttelt. Hi\u00e8rbei ging deutlich nach Verlauf einer Viertelstunde der gr\u00f6\u00dfte Teil des Benzaldehyds in L\u00f6sung (durch Ans\u00e4uern tr\u00fcbt sich dieselbe sofort wieder). Oxydiert man nun vorsichtig mit \u00fcbermangansaurem Kali, versetzt mit etwas Bisulfit und s\u00e4uert an, so erh\u00e4lt men einen krystallinischen Niederschlag, der neben viel Benzoes\u00e4ure immer eine gewisse Menge Hippurs\u00e4ure enth\u00e4lt. Daraus kann man schlie\u00dfen, da\u00df in der Tat die Reaktion analog den obigen beiden Gleichungen, n\u00e4mlich so:\nI.\tC6H6 \u2022 CH : 0 + NH, \u2022 CH, \u2022 COOH = C6H6 \u2022 CH : N \u2022 CH, \u2022 COOH\nII.\tC6H6 \u2022 CH : N \u2022 CH,. COOH + 0 = C6H6 \u2022 CO \u2022 NH \u2022 CH,. COOH\nverlaufen ist.\nEs liegt nahe, anzunehmen, da\u00df auch die Hippurs\u00e4urebildung im Organismus im Sinne dieser Gleichungen verl\u00e4uft. Die erforderliche Voraussetzung einer Reduktion der Benzoe-\n4) Interessant ist, da\u00df schon J. Loeb (The energie of living protoplasm, London 1896) das Vorhandensein von freien NHt- und CHO-Gruppcn als das Wesen des lebenden Eiwei\u00dfes bedingend auf Grund gewisser physiologischer Reaktionen annimmt; im toten dagegen sollen beide miteinander verbunden sein.","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Zum Problem der nat\u00fcrlichen Peptidsynthese.\n165\ns\u00e4ure zu Benzaldehyd h\u00e4tte nichts Befremdliches, zumal Benzoes\u00e4ure \u00fcberhaupt ziemlich leicht reduzierbar ist. Man sollte daraus allerdings folgern, da\u00df bei Darreichung von Benzaldehyd anstelle von Benzoes\u00e4ure eine vermehrte Hippurs\u00e4urebildung denkbar w\u00e4re. Bei \u00dcbersicht der einschl\u00e4gigen Versuchsresultate von andrer Seite konnte ich indessen keinen deutlichen Unterschied in den Ausbeuten feststellen; sie waren in beiden F\u00e4llen verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig gro\u00df. (\u00dcbrigens h\u00e4ngen diese doch auch von der gerade dem Organismus zur Verf\u00fcgung stehenden Menge Glykokoll ab.)\nJedenfalls ist durch den Nachweis, da\u00df aus Benzaldehyd und Glykokoll in vitro Hippurs\u00e4ure erhalten werden kann, der Beweis erbracht, da\u00df eine S\u00e4ureamid- und somit auch Peptidbildung aus Aminos\u00e4uren auf dem gedachten Wege auch bei gew\u00f6hnlicher Temperatur und in beliebiger w\u00e4sseriger Verd\u00fcnnung theoretisch m\u00f6glich ist. Damit w\u00fcrde zweifellos die nat\u00fcrliche Peptidsynthese in einem wesentlichen Punkte, n\u00e4mlich dem rein chemischen, bis zu einem gewissen Grade ihres r\u00e4tselhaften Charakters entkleidet.\nW\u00fcrzburg, im Februar 1917.\n12*","page":165}],"identifier":"lit20661","issued":"1917","language":"de","pages":"161-165","startpages":"161","title":"Zum Problem der nat\u00fcrlichen Peptidsynthese","type":"Journal Article","volume":"99"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:48:39.189993+00:00"}