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{"created":"2022-01-31T14:37:11.155346+00:00","id":"lit20700","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Hirschberg, Else","role":"author"},{"name":"Hans Winterstein","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 101: 212-222","fulltext":[{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"Ober den 8ticksto<nimatz der nerv\u00f6sen Zentralorgane.\nVon\nElse Hirschberg und Hans Winterstein.\n(Aas dem physiologischen Institut der Universit\u00e4t Rostock.)\n(Der Redaktion zagegangen am 7. Januar 1918.)\nIn einer vorangehenden Mitteilung1) haben wir das Vorhandensein eines Kohlenhydratstoffwechsels im Zentralnervensystem nachgewiesen, durch die Feststellung eines von der Lebenst\u00e4tigkeit abh\u00e4ngigen und mit deren Intensit\u00e4t ver\u00e4nderlichen Zuckerumsatzes. Im folgenden soll die Frage behandelt werden, ob auch ein Umsatz N-haltiger Substanzen in den nerv\u00f6sen Zentralorganen nachweisbar ist. Als Versuchsobjekt diente wieder das isolierte Froschr\u00fcckenmark, bez\u00fcglich dessen Pr\u00e4paration auf die in der zitierten Arbeit enthaltenen Angaben verwiesen sei.\nMethodik. Unter den zur Bestimmung des Stickstoffgehaltes in einem so kleinen Organ zur Verf\u00fcgung stehenden Mikromethoden wurde als die einfachste und handlichste die Mikro-Kjeldahl-Methode gew\u00e4hlt, die k\u00fcrzlich von Abderhalden und Fodor* *) beschrieben wurde, und die eine getreue Nachahmung des Makro-Kjeldahl in entsprechend verkleinertem Ma\u00dfstabe darstellt, bei der jedoch an Stelle des \u00dcberdestillierens des Ammoniaks eine \u00dcberf\u00fchrung desselben durch Durchsaugen von Luft durch die von der Neutralisation der Schwefels\u00e4ure erhitzte L\u00f6sung erfolgt. Die Methode hat sich, genau nach den Angaben der Autoren durchgef\u00fchrt (nur unter Verwendung von Methylorange statt von alizarinsulfosaurem\n*) E. Hirschberg und H. Winterstein, \u00dcber den Zuckerstoff-wcchsel der nerv\u00f6sen Zentralorgane. Diese Zeitschr., Bd. 100, S. 185(1917).\n*) E. Abderhalden und A. Fodor, Mikro-Kjeldahl-Methode. Ebenda Bd. 98, S. 190 (1917).","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Stickstoffumsatz der nerv\u00f6sen Zentralorgane. 213\nNatrium als Indikator bei der Titration und zur Herstellung des \u00abIndikatorwassers\u00bb), vortrefflich bew\u00e4hrt. Eine Zeitlang standen uns statt der sonst stets verwendeten 50 ccm fassenden Kjeldahl-Kolben (von Schott & Co.) nur solche mit 100 ccm Inhalt zur Verf\u00fcgung. Es zeigte sich, da\u00df hier die Gefahr einer unvollst\u00e4ndigen Austreibung des Ammoniaks sehr viel gr\u00f6\u00dfer ist, haupts\u00e4chlich infolge der zu raschen Abk\u00fchlung der geringen Fl\u00fcssigkeitsmenge in dem gro\u00dfen Kolben. Durch Eintauchen desselben (nach erfolgter Neutralisation) in ein Wasserbad von etwa 60\u201470\u00b0 konnte dieser \u00dcbelstand beseitigt und auch hier eine ausreichende Genauigkeit erzielt werden; doch sind kleine Kolben unter allen Umst\u00e4nden vorzuziehen.\nN-Gehalt des R\u00fcckenmarks. Der Gesamtstickstoffgehalt des gleich nach der Pr\u00e4paration oder nach kurzer Aufbewahrung in einer feuchten Kammer gewogenen, von der Pia umh\u00fcllten R\u00fcckenmarks schwankte zwischen 1,28 (einmal 1,27) als unterer und 1,34 (je einmal 1,35 und 1,36) Prozent der frischen Substanz als oberer Grenze und betrug im Mittel von 31 Bestimmungen genau 1,30 \u00b0/o. (In 5 Versuchen ausgef\u00fchrte Doppelanalysen desselben R\u00fcckenmarks zeigten als gr\u00f6\u00dfte Differenz 0,05 \u00b0/o).l) Der in 8 Versuchen bestimmte N-Gehalt des von seiner Gef\u00e4\u00dfhaut befreiten R\u00fcckenmarks .schwankte zwischen 1,24 und 1,27 \u00b0/o und betrug im Mittel 1,25 \u00b0/\u00ab der frischen Substanz, mithin etwas weniger, was auf einen relativ hohen N-Gehalt der Gef\u00e4\u00dfhaut hinweist.\nN-Umsatz in 24 Stunden. Die Feststellung des Stickstoffumsatzes erfolgte in der Weise, da\u00df das R\u00fcckenmark durch quere Durchschneidungin zwei, bei gr\u00f6\u00dferen Fr\u00f6schen gegebenenfalls auch in drei Teile von meist etwa 25-35 mg Gewicht geteilt wurde. Von diesen Teilen wurde der eine sofort, der\n*) W\u00e4hrend somit das frische R\u00fcckenmark in seinen verschiedenen Abschnitten keine merkliche Differenz des N-Gehaltes aufweist, ergaben, wie nebenbei erw\u00e4hnt sein m\u00f6ge, einige Bestimmungen des N-Gehaltes in Alkohol konservierter Pr\u00e4parate in der oberen R\u00fcckenmarksh\u00e4lfte einen deutlich geringeren N-Gehalt als in der unteren, was wohl durch einen ungleichen Gehalt an Wasser oder alkoholl\u00f6slichen Bestandteilen zu erkl\u00e4ren sein d\u00fcrfte.","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"*1*\tElse Hirschberg und Hans Winterstein,\n\u00e4ndere nach mehr oder minder langem \u00dcberleben unter verschiedenen Bedingungen auf seinen N-Gehalt untersucht. Die blo\u00dfe Aufbewahrung, des R\u00fcckenmarks in Luft oder in einer Sauerstoffatmosph\u00e4re ergab, wie zwei Kontrollversuche zeigten, keine \u00c4nderung des N-Gehaltes, soda\u00df ein Verlust gasf\u00f6rmiger N-haltiger Produkte nicht eintritt. Ganz anders dagegen, wenn die R\u00fcckenmarkst\u00fccke in physiologischer Kochsalzl\u00f6sung unter st\u00e4ndiger Durchleitung von Sauerstoff aufbewahrt werden. Hier zeigt sich nach l\u00e4ngerem Verweilen in der L\u00f6sung regelm\u00e4\u00dfig eine deutliche Verringerung des N-Gehaltes, die in 12 Versuchen, bei welchen die R\u00fcckenmarkst\u00fccke durch 24 Stunden bei gew\u00f6hnlicher Zimmertemperatur unter den angegebenen Bedingungen gehalten wurden, 0,21\u20140,29, im Mittel 0,25 \u00b0/o der frischen Substanz oder ca. 20\u00b0/o des Gesamtstickstoffs betrug.\nEinflu\u00df der Gef\u00e4\u00dfhaut. In den eben erw\u00e4hnten Versuchen sind drei an piafreien R\u00fcckenmarken angestellte mit inbegriffen; bei diesen bewegte sich der auf die Gewichtseinheit bezogene N-Umsatz in den gleichen Grenzen wie bei den von der Pia umh\u00fcllten Pr\u00e4paraten, machte jedoch in Anbetracht des, wie oben bemerkt, geringeren N-Gehaltes einen etwas gr\u00f6\u00dferen Prozentsatz des letzteren aus. Die Gef\u00e4\u00dfhaut nimmt also, wie zu erwarten war, an dem N-Umsatz keinen nennenswerten Anteil; sie hat ferner trotz ihrer von Unger1) erwiesenen semipermeablen Eigenschaften auch keinen merklichen Einflu\u00df auf das Herausdiffundieren der N-haltigen Stoffwechselprodukte, da sonst ihre Anwesenheit eine deutliche Wirkung auf die Gr\u00f6\u00dfe des N-Verlustes aus\u00fcben m\u00fc\u00dfte.\nZeitlicher Verlauf des N-Umsatzes. Innerhalb der ersten 24 Stunden verl\u00e4uft der Umsatz der N-haltigen Substanzen anscheinend ziemlich gleichm\u00e4\u00dfig, wie die beiden folgenden Versuche zeigen: In dem einen wurde von dem in drei Teile zerlegten R\u00fcckenmark Vs sofort, Vs nach 8, und das letzte\n*) R* Unger, Untersuchungen \u00fcber den Einflu\u00df von anorganischen L\u00f6sungen etc. Biochem. Zeitschr., Bd.61, S. 103 (1914), \u2014 \u00dcber physikalisch-chemische Eigenschaften des Froschr\u00fcckenmarks etc. Ebenda, Bd. 80 S. 364 (1917).","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Stickstoffumsatz der nerv\u00f6sen Zentralorgane. 215\nnach weiteren 16 Stunden untersucht; der N-Verlust betrug in den ersten 8 Stunden 0,10, in den folgenden 16 Stunden 0,19 \u00b0/o der frischen Substanz, ln analoger Weise betrug in einem zweiten Versuche die DifTerenz zwischen dem N-Gehalt einer nach 16 Stunden und einer nach weiteren 8 Stunden untersuchten R\u00fcckenmarksh\u00e4lfte 0,08 \u00b0/o, mithin wieder etwa lh des sonst innerhalb 24 Stunden zu beobachtenden N-Verlustes. Dagegen ist bei gew\u00f6hnlicher Temperatur am zweiten Tage der N-\u00dcmsatz nurmehr ganz minimal, soda\u00df die nach 48 Stunden gewonnenen Werte durchaus in die Grenzen der nach 24 Stunden beobachteten hineinfallen. So. betrug der N-Verlust nach 48 Stunden in einem Versuche 0,28, in einem zweiten 0,24, in einem dritten 0,27 \u2022/\u2022 der frischen Substanz. In einem vierten Versuche betrug der an dem gleichen in drei Teile zerlegten R\u00fcckenmark untersuchte N-\u00dcmsatz nach den ersten 24 Stunden 0,21 \u00b0/o, und nach weiteren 24 Stunden 0,04 o/o, fiel somit auch hier bereits in die Fehlergrenzen der Methodik.\nEinflu\u00df der Temperatur. Anders verh\u00e4lt es sich, wenn die Geschwindigkeit des Umsatzes durch Abk\u00fchlung eine Verminderung erf\u00e4hrt. Dann sinkt der N-\u00dcmsatz des ersten und steigt derjenige des zweiten Versuchstages, wie der folgende Versuch zeigt, bei welchem das bei 10\u2014120 gehaltene R\u00fcckenmark nach den ersten 24 Stunden einen N-Verlust von 0,17 \u00b0/o und nach weiteren 24 Stunden einen solchen von 0,11 \u00b0/o aufwies. W\u00e4hrend so die relativ geringf\u00fcgige Herabsetzung der Au\u00dfentemperatur von meist 15\u201418\u00b0 auf 10\u201412\u00b0 eine sehr deutliche Verlangsamung des N-\u00dcmsatzes herbeif\u00fchrte, hatte die in einem Versuche vorgenommene Erh\u00f6hung der Temperatur auf 21\u00b0 keine deutliche \u00c4nderung zur Folge, da der N-Verlust innerhalb 24 Stunden nur den normalen Wert von 0,26 \u00b0/o der frischen Substanz zeigte. Der Einflu\u00df der Temperatur auf den Reizstoffwechsel soll sp\u00e4ter noch Erw\u00e4hnung finden.\nEinflu\u00df der Zusammensetzung der L\u00f6sung. Aas den Versuchen \u00fcber den Zuckerstoffwechsel des Froschr\u00fcckenmarks hatte sich ergeben (a. a. 0. S. 194), da\u00df Calcium schon in geringer Menge (0,1 \u00b0/0 CaCl.) eine sehr starke Verminde-","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\nElse Hirschberg und Hans Winterstein,\nrung des Zuckerverbrauches herbeif\u00fchrt. Um so \u00fcberraschender war das Ergebnis, da\u00df der gleiche Calciumzusatz eine bedeutende Steigerung des N-\u00dcmsatzes veranla\u00dft, wie die beiden folgenden Versuche zeigen; in dem einen betrug der N-Verlust innerhalb 24 Stunden 0,37 \u00b0/o der frischen Substanz oder 29\u00b0/o des N-Gehaltes, also um etwa 50\u00b0/o mehr als unter gew\u00f6hnlichen Bedingungen; in dem zweiten Versuche wurde an demselben in drei Teile geteilten R\u00fcckenmark der N-Umsatz in gew\u00f6hnlicher 0,7\u00b0/oiger NaCI-L\u00f6suug mit demjenigen bei Zusatz von 0,1 \u00b0/o CaCl, verglichen; es ergab sich (innerhalb 24 Stunden) f\u00fcr das in der ersteren liegende St\u00fcck ein N-Verlust von 0,22, in der zweiten L\u00f6sung ein solcher von 0,34 \u00b0/o der frischen Substanz oder ein Mehrumsatz von 55\u00b0/o. Eine Erkl\u00e4rung dieser eigenartigen Calciumwirkung konnte um so weniger gegeben werden, als, wie wir noch sehen werden, der N-Umsatz in engster Abh\u00e4ngigkeit von der SauerstofTzufuhr steht, der Sauerstoffverbrauch aber nach den Untersuchungen Ungers (a. a. 0.) bei der verwendeten Calciumkonzentration eine ansehnliche Verminderung aufweist.\nIm Gegensatz zum Calcium bewirkt Kalium eine betr\u00e4chtliche Herabsetzung des N-Umsatzes, wie ein Versuch zeigt, in welchem der an Teilen des gleichen R\u00fcckenmarks untersuchte N-Verlust innerhalb 24 Stunden in der gew\u00f6hnlichen NaCl-L\u00f6sung 0,25 \u00b0/o, bei Zusatz von 0,1 \u00b0/o KCl dagegen blo\u00df 0,17 \u00b0/o der frischen Substanz betrug, was einer Verminderung des N-Umsatzes um 47\u00b0/o entspricht.\nZusatz von Traubenzucker oder Milchzucker in einer Konzentration von 0,5 \u00b0/o lie\u00df weder an dem von der Pia umh\u00fcllten R\u00fcckenmark, noch nach Entfernung der Pia einen Einflu\u00df auf den N-Umsatz erkennen.\nEinflu\u00df der Narkose. Zur Feststellung der Beziehungen zwischen N-Umsatz und Lebenst\u00e4tigkeit wurde ebenso wie beim Zuckerstoflwechsel der Einflu\u00df l\u00e4hmender und erregender Faktoren untersucht, n\u00e4mlich die Wirkung der Narkose und jene der elektrischen Reizung. Der Zusatz von 4 vol.-\u00b0/oigem \u00c4thylalkohol zur physiologischen NaCl-L\u00f6sung dr\u00fcckte den N-Verlust bis hart an die Fehlergrenze herunter,","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Stickstoffumsatz der nerv\u00f6sen Zentralorgane. 217\nin einem Versuch (R\u00fcckenmark mit Pia) auf 0,08 o/o, in einem zweiten und dritten (ohne Pia) auf 0,04 bezw. 0,06 \u2022/\u2022 der frischen Substanz in 24 Stunden. In diesem letzten Versuch wurde der N-Umsatz auch noch am zweiten Tage untersucht, nachdem das R\u00fcckenmark in alkoholfreie L\u00f6sung zur\u00fcckgebracht worden war, doch trat keine Erholung mehr ein und der N-Verlust blieb an der Fehlergrenze (0,05\u00ae/o).\nEinflu\u00df elektrischer Reizung. \u00dcberzeugender noch als die auch auf leblose Substrate sich erstreckende Wirkung der Narkotica lehrt ebenso wie beim Zuckerst offwechsel die AVirkung der elektrischen Reizung den engen Zusammenhang zwischen N-Umsatz und Lebensvorg\u00e4ngen.\nDie ersten Versuche wurden in der Weise angestellt, da\u00df zu Beginn der 24st\u00fcndigen Versuchszeit eine lOst\u00fcndige Reizperiode eingeschaltet wurde, in welcher ein R\u00fcckenmarkst\u00fcck in seiner L\u00f6sung durch rhythmische tetanisierende Folgen von Induktionsschl\u00e4gen gereizt wurde, w\u00e4hrend ein Kontrollst\u00fcck desselben Pr\u00e4parats unter den gleichen Bedingungen ohne Reizung verblieb. Der N-Verlust des gereizten St\u00fcckes betrug in einem Versuch 0,43 \u00b0/o der frischen Substanz gegen\u00fcber 0,24 \u00b0/o beim ungereizten, in einem zweiten 0,41 \u00b0/o gegen\u00fcber 0,25 \u00b0/o, d. i. eine Steigerung des N-Umsatzes um 79\u00b0/o im ersten, um 64\u00b0/o im zweiten Falle. Die Einschaltung einer 8 st\u00e4ndigen Reizperiode erh\u00f6hte in einem dritten Versuch (bei welchem die Reizung zum Schlu\u00df nicht ganz zuverl\u00e4ssig war) den N-Umsatz auf 0,37 \u00ae/o, was unter Zugrundelegung des normalen Wertes eine Steigerung um etwa 50\u00b0/o bedeutet. Um festzustellen, ob die Reizung auch noch am zweiten Tage, an welchem, wie oben erw\u00e4hnt, ein N-Verlust unter gew\u00f6hnlichen Bedingungen nicht mehr sicher nachweisbar ist, eine Steigerung des N-Umsatzes herbeizuf\u00fchren vermag, wurde in einem Versuch eine R\u00fcckenmarksh\u00e4lfte nach 48st\u00fcndigem Aufenthalt in O-haltiger NaCl-L\u00f6sung ungereizt untersucht, w\u00e4hrend die andere H\u00e4lfte unter sonst gleichen Bedingungen am zweiten Tage durch 8V* Stunden gereizt wurde; es ergab sich ein um 0,09\u00b0/o (der frischen Substanz) h\u00f6herer N-Umsatz im letzteren Falle, was in Anbetracht des Umstandes, da\u00df der normale N-Verlust","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218\nElse Hirschberg und Hans Winterstein,\nam zweiten Tage unter 0,05 \u00b0/o liegt, einer Steigerung um mindestens 100 \u00b0/o entspricht.\nUm nun zu einer direkten Vergleichung der Gr\u00f6\u00dfe des Reizumsatzes mit jener des Ruheumsatzes zu gelangen, wurden vier weitere Versuche in der Weise angestellt, da\u00df von dem in drei Teile zerlegten R\u00fcckenmark ein Drittel sofort, ein Drittel nach 14\u2014l\u00f6st\u00fcndigem Ruhestoffwechsel und das letzte Drittel nach weiterer 8\u20149st\u00fcndiger Reizung untersucht wurde. Da, wie oben ausgef\u00fchrt, der N-Umsatz sich innerhalb der ersten 24 Stunden ann\u00e4hernd konstant verh\u00e4lt, jedenfalls durch die Versuchsdauer an sich nur eine Verminderung erfahren kann, so mu\u00dfte die Steigerung, die w\u00e4hrend der an den Ruheversuch sich anschlie\u00dfenden Reizperiode zu beobachten war, mit Sicherheit auf den Erregungsvorgang zu beziehen sein. Das Ergebnis dieser Versuche ist in der folgenden Tabelle zusammengestellt:\nVersuchs-temp. *C.\tN-Gchalt in \u00b0/o der frischen Substanz zu Beginn des Versuchs\tDauer der Ruhe- periode\tN-Gehalt in % des Anfangsgewichts \u00e0m Ende d. Ruheperiode\tN- Umsatz in der Ruhe pro 1 g u. 24 Std. in mg\tDauer der Reiz- periode\tN-Gehalt in \u00b0/o des Anfangsgewichts am Ende der Reizperiode\tN-Umsatz w\u00e4hrend der Reizung pro 1 g u. 24 Std. in mg\tGr\u00f6\u00dfe d ReizstoiT-wechsels in \u00b0/o des Ruhe-stoff-wechsels\n13\t1.29\t14\t1,14\t2,6\t8\t0,92\t6,6\t254\n13-14\t1,29\t141/,\t1,13\t2,7\t8\t0,90\t6,9\t256\n16\u00bb/\u00bb\u201418\t1,30\t14 \u00ab/t\t1,15\t2,5\t8\t0,86\t8,7\t348\n16-17\t1,30\t15'/,\t1,16\t2,2\t9\t0,85\t8,3\t377\nDiese Zusammenstellung zeigt, da\u00df die elektrische Reizung eine (anscheinend hochgradig von der Temperatur abh\u00e4ngige) au\u00dferordentliche Steigerung des N-Umsatzes herbeif\u00fchrt, der bei 13\u201414\u00ae das 2*/2fache, bei 16\u201418\u00b0 sogar das SVtfache des Ruhewertes zu erreichen vermag, eine Steigerung, die noch weit \u00fcber jene hinausgeht, die Sauerstoffverbrauch und Zuckerverbrauch unter dem Einflu\u00df der Erregung aufweisen.\nEinflu\u00df der Sauerstoffzufuhr. Eine letzte Versuchsreihe schlie\u00dflich hatte die Abh\u00e4ngigkeit des N-Umsatzes von","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Stickstoffumsatz der nerv\u00f6sen Zentralorgane. 219\nder O-Zufuhr zum Gegenstand. Es zeigte sich, da\u00df auch diese Abh\u00e4ngigkeit eine viel weitergehende war als beim Zuckerverbrauch: Ein R\u00fcckenmarkst\u00fcck, das 24 Stunden in einer mit Sauerstoff gesch\u00fcttelten NaCl-L\u00f6sung, aber ohne die sonst stets dauernd vorgenommene O-Durchleitung verweilt hatte, zeigte einen N-Verlust von nur 0,18 \u00b0/o, also betr\u00e4chtlich weniger als in der Norm, und in einem zweiten gleichartigen, aber mit starker Temperaturherabsetzung verbundenen Versuche erfuhr das durch fast 52 Stunden bei 6\u00b0 gehaltene R\u00fcckenmark einen N-Verlust von nur 0,08 o/0. Noch niedriger war der N-Umsatz, wenn die NaCl-L\u00f6sung vorher ausgekocht worden war; hier betrug er in einem Versuche bei gew\u00f6hnlicher Temperatur nur 0,06 \u00b0/o, und in einem zweiten Versuche zeigte das R\u00fcckenmarkst\u00fcck nach 24 st\u00e4ndigem Aufenthalt in ausgekochter L\u00f6sung noch einen N-Gehalt von 1,26 \u00b0'o, der also nur wenig geringer sein konnte, als der hier nicht untersuchte N-Gehalt des frischen Pr\u00e4parates. In diesem Versuche wurde die in der gleichen L\u00f6sung belassene H\u00e4lfte des gleichen R\u00fcckenmarks durch weitere 24 Stunden, aber bei st\u00e4ndiger Durchleitung von Sauerstoff gehalten und jetzt noch nachtr\u00e4glich ein N-Verlust von 0,11 \u00b0/o erzielt. Um den Einflu\u00df' des (bei Fehlen der O-Durch-leitung) in der L\u00f6sung enthaltenen Sauerstoffs deutlicher hervortreten zu lassen, wurde in einem Versuch der N-Umsatz an zwei H\u00e4lften desselben R\u00fcckenmarks in NaCl-L\u00f6sung untersucht, die ausgekocht, f\u00fcr die eine H\u00e4lfte aber nachtr\u00e4glich wieder mit Sauerstoff durchgesch\u00fcttelt worden war. Der N-Gehalt nach 24 Stunden betrug bei der in O-armer L\u00f6sung gehaltenen H\u00e4lfte 1,24 \u00b0/o (war also wieder nur wenig geringer als der normale Gehalt des frischen Pr\u00e4parates), bei der zweiten H\u00e4lfte 1,11 \u2022/\u2022, so da\u00df der hier beobachtete Mehrverlust an Stickstoff von 0,13 \u00b0/o nur auf Kosten des durch das Sch\u00fctteln in die L\u00f6sung gebrachten O-Vorrats eingetreten sein konnte.\nZur Feststellung der Wirkung v\u00f6lliger O-Entziehung und Ausschaltung des Einflusses, den bei Fehlen der Gas-durchleitung der einfache Fortfall der Fl\u00fcssigkeitsbewegung etwa durch Erschwerung der Diffusion der N-haltigen End-","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\nElse Hirschberg und Hans Winterstein,\nProdukte aus\u00fcben konnte, wurden schlie\u00dflich einige Versuche mit Durchleitung von Wasserstoff angestellt (Stickstoff stand gerade nicht zur Verf\u00fcgung). Die ersten Versuche f\u00fchrten zu ganz unerwarteten Ergebnissen, indem der N-Umsatz keine Verminderung, einmal sogar aus ganz unaufgekl\u00e4rten Gr\u00fcnden eine betr\u00e4chtliche Steigerung aufwies. Es zeigte sich jedoch, da\u00df diese Resultate durch fehlerhafte Methodik, n\u00e4mlich ungen\u00fcgenden Ausschlu\u00df des Sauerstoffs bedingt waren. Nach Beseitigung der Fehlerquellen durch sorgf\u00e4ltige Reinigung des Wasserstoffs mit Sauerstoff absorbierenden L\u00f6sungen, Einbringender R\u00fcckenmarkst\u00fccke in NaCl-L\u00f6sung, die durch mehrst\u00fcndiges Durchleiten des reinen Wasserstoffs m\u00f6glichst 0-frei gemacht worden war, und dichten Luftabschlu\u00df des Versuchsgef\u00e4\u00dfes ergab sich als Differenz des N-Gehaltes vor und nach 24st\u00fcndigem Aufenthalt in einem Versuche 0,03, in einem zweiten 0,02 \u00b0/o der frischen Substanz, also ein g\u00e4nzlich in die Fehlergrenzen fallender Wert. Mithin fehlt bei v\u00f6lligem Sauerstoffausschlu\u00df jeder nachweisbare Stickstoffverlust, der hierdurch als das Resultat von Oxydationsvorg\u00e4ngen charakterisiert erscheint.\nDas Ergebnis dieser Versuche war insofern unerwartet, als der Gedanke nahe lag, da\u00df O-Mangel eine Steigerung des Eiwei\u00dfzerfalles und daher auch des N-Verlustes herbeif\u00fchren w\u00fcrde. Wenn auch nach den Untersuchungen von Mansfeld1) die am Gesamtorganismus bei O-Mangel zu beobachtende Steigerung des Eiwei\u00dfzerfalls das Resultat komplizierter, an die Anwesenheit der Schilddr\u00fcse gebundener intermedi\u00e4rer Stoffwechselvorg\u00e4nge zu sein scheint, so h\u00e4tte doch das mit der Erstickung verbundene Absterben des Gewebes an sich eine Vermehrung des Zerfalls N-haltiger Substanzen erwarten lassen. Die Versuche zeigen, da\u00df weder bei der Erstickung, noch bei dem durch l\u00e4ngere Versuchsdauer bedingten allm\u00e4hlichen Absterben ein \u00abZerfall von Gewebssubstanzen\u00bb eintritt, zum mindesten kein solcher, der zur Bildung diffusibler N-haltiger Endprodukte f\u00fchrt.\n*) G. Mansfeld, Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Schilddr\u00fcse. VIII. Mitteilung. Pfl\u00fcgers Arch., Bd. 161, S. 502 (1915).;","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Stickstoffumsatz der nerv\u00f6sen Zentralorgane. 221\nNatur der N-haltigen Endprodukte und ihrer Ursprungssubstanzen. \u00dcber die Natur der den N-Verlust bedingenden Ausscheidungsprodukte konnten bisher keine sicheren Anhaltspunkte gewonnen werden. Dies erscheint wohl nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, da\u00df die absolute Menge des in einem Versuch an die umgebende NaCl-L\u00f6sung abgegebenen Stickstoffs im allgemeinen zwischen 5 und lOHundertstel Milligramm betrug. Immerhin wurde der Versuch unternommen, die von einer gr\u00f6\u00dferen Zahl von Experimenten gesammelte Fl\u00fcssigkeit zu untersuchen; das Resultat war bisher sehr d\u00fcrftig. Der zum gr\u00f6\u00dften Teil nat\u00fcrlich aus dem Kochsalz der L\u00f6sung bestehende trockene R\u00fcckstand zeigte, in destilliertem Wasser gel\u00f6st, eine leichte Gasentwicklung, gab weder Eiwei\u00df- noch Phosphors\u00e4urereaktion, wohl aber mit BaCl, eine deutliche Tr\u00fcbung. Harnstoff oder Harns\u00e4ure konnten nicht nachgewiesen werden. Der Verdunstungsr\u00fcckstand der konzentrierten L\u00f6sung lie\u00df unter dem Mikroskop nur Kochsalzkrystalle erkennen.\nEbensowenig wie \u00fcber die Natur der Ausscheidungsstoffe l\u00e4\u00dft sich bisher \u00fcber jene der zersetzten Substanzen etwas Sicheres aussagen. Au\u00dfer an Eiwei\u00df w\u00e4re noch an die verschiedenen Lipoide zu denken, die allerdings in Anbetracht ihres geringen N-Gehaltes in betr\u00e4chtlichem Umfange umgesetzt werden m\u00fc\u00dften, wenn sie einen gr\u00f6\u00dferen Anteil an dem N-Verlust haben sollten. Vielleicht werden * neue in Aussicht genommene Versuche hier\u00fcber Aufschlu\u00df zu geben verm\u00f6gen.\nZusammenfassung.\nDas isolierte Froschr\u00fcckenmark besitzt einen innerhalb enger Grenzen schwankenden Stickstoffgehalt von im Mittel l,30\u00b0/o der frischen Substanz f\u00fcr das von der Gef\u00e4\u00dfhaut umh\u00fcllte, und 1,25 \u00b0/o f\u00fcr das piafreie Pr\u00e4parat. Dieser N-Gehalt bleibt auch bei l\u00e4ngerer Aufbewahrung in Luft oder Sauerstoff unver\u00e4ndert, soda\u00df eine Ausscheidung von Stickstoff in gasf\u00f6rmigen Produkten nicht stattfindet. Dagegen tritt bei Aufbewahrung in von Sauerstoff durchstr\u00f6mter physiologischer Kochsalzl\u00f6sung regelm\u00e4\u00dfig ein Stickstoffverlust ein, der","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222 E. Hirschberg u. H. Winterstein, \u00dcber den Stickstoffumsatz usw.\nim Mittel in den ersten 24 Stunden 2,5 mg. pro 1 g frischer Substanz oder nahezu 20\u00b0/o des GesamtstickstofTgehaltes betr\u00e4gt. Die Gefa\u00dfhaut hat auf diesen N-Verlust keinen merklichen Einflu\u00df.\nDer Stickstoffumsatz erfolgt im Verlaufe des ersten Tages ziemlich gleichm\u00e4\u00dfig, am zweiten Tage ist er unter gew\u00f6hnlichen Bedingungen nicht mehr mit Sicherheit nachweisbar. Verlangsamung des N-\u00dcmsatzes durch Temperaturerniedrigung bewirkt eine Verminderung des N-Verlustes am ersten und ein Ansteigen desselben am zweiten Tag.\nZusatz von Calcium bewirkt im Gegens\u00e4tze zu der Beeinflussung des Sauerstoff- und des Zuckerverbrauches eine bedeutende Steigerung des N-Umsatzes, Kalium eine Herabsetzung. ^\nNarkose mit 4\u00b0/oigem Alkohol dr\u00fcckt den N-Verlust bis hart an die Fehlergrenze der Methodik herunter.\nElektrische Reizung erzeugt eine gewaltige, stark von der Temperatur abh\u00e4ngige Steigerung des Stickstoffumsatzes, dessen Gr\u00f6\u00dfe w\u00e4hrend der Reizperiode mehr als das 3!/s fache des Ruhe wertes erreichen kann.\nSauerstoffmangel vermindert den N-Verlust, v\u00f6lliger O-Ausschlu\u00df hebt ihn g\u00e4nzlich auf. Der Stickstoffverlust beruht mithin auf Oxydationsvorg\u00e4ngen.\n\u00dcber die Natur der umgesetzten Substanzen und der Ausscheidungsprodukte konnten bisher keine sicheren Anhaltspunkte gewonnen werden.","page":222}],"identifier":"lit20700","issued":"1918","language":"de","pages":"212-222","startpages":"212","title":"\u00dcber den Stickstoffumsatz der nerv\u00f6sen Zentralorgane","type":"Journal Article","volume":"101"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:37:11.155351+00:00"}