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{"created":"2022-01-31T14:40:11.252958+00:00","id":"lit20717","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Eigenberger, Fritz","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 102: 166-175","fulltext":[{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kritik der klinischen Verwertbarkeit von Gefrierpunkts-\nuntereucbungen.\nVon\nFrits Eigenberger.\n(Aus der medizinischen Universit\u00e4tsklinik R. v. Jaksch in Prag.)\n(Der Redaktion zugegangen am 25. April 1918.)\nAls relativ einfache Methode zur Ermittelung der osmotischen Konzentration ist die Gefrierpunktsbestimmung fr\u00fchzeitig in der Medizin verwendet worden. Es zeigte sich in \u00dcbereinstimmung mit anderen Me\u00dfmethoden, da\u00df Schwankungen \u2022 im osmotischen Druck im lebenden Organismus bei physiologischen und auch pathologischen Zust\u00e4nden nur innerhalb ziemlich enger Grenzen stattfinden.\nWohl gelingt es im Tierversuch (*) durch entsprechende Kochsalzzufuhr recht betr\u00e4chtliche Erniedrigungen des Gefrierpunktes im Blute zu erzeugen, aber derartige Ausschl\u00e4ge kommen bei pathologischen Zust\u00e4nden nie in Betracht und sind nur durch sehr stark eingreifende Experimente zu erzielen.\nDie gro\u00dfe F\u00e4higkeit des Organismus, die osmotische Konzentration des Blutes und der Gewebe konstant zu erhalten, mu\u00df wohl in erster Linie durch die M\u00f6glichkeit, reversible Kolloid-Ionen eventuell auch Kolloid-Molekularbindungen zu bilden, erkl\u00e4rt werden. Ob diese Bindungen als rein chemische oder physikalisch-chemische anzusehen sind, m\u00fc\u00dfte in jedem einzelnen Falle festgestellt werden. W\u00e4hrend bei gewissen Ionen, insbesondere bei -f-H und \u2014 OH, chemische Bindungen mit dem Eiwei\u00dfmolek\u00fcl angenommen werden, spielen sicher au\u00dfer diesen physikalische adsorptive Bindungsvorg\u00e4nge, die mit dem Dispersit\u00e4tsgrade der Kolloide variieren, eine gro\u00dfe Rolle. Diese Regulationen der osmotischen Konzentration finden naturgem\u00e4\u00df in erster Linie in der Zelle, im lebenden Protoplasma","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kritik d. klin. Verwertbarkeit von Gefrierpnnktsuntersuchungen. 167\nstatt. Inwieweit die Kolloide des Blutplasmas daran beteiligt sind, ist derzeit schwer zu entscheiden.\nDie Verh\u00e4ltnisse liegen jedenfalls sehr kompliziert. Es handelt sich durchwegs um h\u00f6chst heterogene Systeme, in denen kolloidale, ionisierte und molekulardisperse Phasen den osmotischen Druck in der mannigfachsten Weise beeinflussen, wobei entsprechend den steten Lebensprozessen nie ein Gleichgewichtszustand -zwischen den verschiedenen Phasen bestehen bleibt. Der gemessene osmotische Druck erlaubt nat\u00fcrlich * gar keinen Schlu\u00df auf den Zustand und die Verteilung der einzelnen Phasen. Es scheint daher etwas zu verallgemeinernd, wenn man z. B. gewisse pharmakologische Wirkungen, die mit \u00c4nderung des osmotischen Druckes einhergehen, nur durch diese \u00c4nderungen erkl\u00e4ren will. Zustands\u00e4nderungen chemischer oder physikalisch-chemischer Natur bei den einzelnen Phasen spielen sicher die wichtigste Rolle. Und diese Zustarids-\u00e4nderungen k\u00f6nnen in verschiedenster Kombination gleiche osmotische Effekte herbeif\u00fchren.\nW\u00e4hrend unterhalb gewisser Konzentrationen f\u00fcr Molekularl\u00f6sungen und, wenn man den Dissoziationsgrad in Betracht zieht, mit gro\u00dfer Ann\u00e4herung auch f\u00fcr ionisierte L\u00f6sungen die Gasgesetze gelten, zeigen kolloidale L\u00f6sungen ein durchaus anderes Verhalten. Gefrierpunktsdepressionen werden bei reinen, salzfreien Kolloiden nicht beobachtet, wohl aber haben sie einen direkt me\u00dfbaren osmotischen Druck. Wie sehr dieser unter den verschiedensten Bedingungen variiert, zeigen besonders <}ie Untersuchungen von R. S. Lillie(2), Reid(3), Biltz\" und v. Vegesack(4) und Ducleaux(5).\nIch habe nun versucht, mit der Gefrierpunktsmethode das osmotische Verhalten von Kolloiden + verschiedenen molekularen und ionisierten L\u00f6sungen festzustellen, mit besonderer Ber\u00fccksichtigung von normalen und pathologischen Blutseren. Zun\u00e4chst mu\u00df bemerkt werden, da\u00df Messungen der osmotischen Konzentration aus der Gefrierpunktsdepression keineswegs auch bei exaktester Methodik die direkten Messungen des osmotischen Druckes ersetzen k\u00f6nnen. Entspricht doch einer Gefrierpunkts\u00e4nderung um 0,0010 C. eine osmotische","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\nFritz Eigenberger,\nDruckdifferenz von 9,2 mm Quecksilber; und die Fehlerdifferenzen bei der Gefrierpunktsmethode sind bei exakter Arbeit schwer unter 0,005\u00b0 C. zu erhalten. Gewi\u00df k\u00f6nnen Schwankungen im osmotischen Druck um einige Millimeter Quecksilber bei der gro\u00dfen Zustandslabilit\u00e4t der Kolloide auf die allerverschiedensten Bedingungen zur\u00fcckzuf\u00fchren sein; aber anderseits m\u00fcssen schon geringe Schwankungen des osmotischen Druckes, haupts\u00e4chlich wegen der ihnen zugrunde liegenden Zustands\u00e4nderungen der Kolloide eine gro\u00dfe Bedeutung f\u00fcr den Zellstoffwechsel haben.\nBei den Bestimmungen verwendete ich den gebr\u00e4uchlichen Beckmannschen Gefrierpunktsapparat mit elektromagnetisch betriebenem Ft\u00fchrer, um stets unter m\u00f6glichst gleichen Bedingungen zu arbeiten. Es wurden immer zun\u00e4chst einige Vorbestimmungen gemacht, dann die \u00e4u\u00dfere K\u00e4ltemischung um nur 10 C. tiefer gehalten als der zu erwartende Gefrierpunkt und wenn der Quecksilberfaden des Beckmannschen Thermometers den durch Versuche mit m\u00f6glichster Ann\u00e4herung ermittelten Gefrierpunkt passierte, sofort die Impfung mit der festen Phase vorgenommen. So konnten sehr geringf\u00fcgige und immer gleiche Unterk\u00fchlungen von 0,1\u00b0 C. erzeugt und durch die langsame Abk\u00fchlung gleichzeitig der Fehler der Nachwirkung am Thermometer vermieden werden. Dem durch die Tr\u00e4gheit des Quecksilberfadens m\u00f6glichen Fehler wurde durch h\u00e4ufiges seitliches Beklopfen des Thermometers entgegengearbeitet. Die auf diesem Wege gefundenen Werte differierten um h\u00f6chstens 0,005\u00b0 C. und es wurde immer das arithmetische Mittel aus 4 Hauptbestimmungen genommen (der wahrscheinliche Fehler des Resultates berechnete sich f\u00fcr 3\u00ae/o Harnstoffl\u00f6sungen bei 10 Bestimmungen auf + 0,0014).\nZun\u00e4chst wurden m\u00f6glichst salzfrei dialysierte zweiprozentige Gelatine- und St\u00e4rkdosungen verwendet. Beide zeigten keine Gefrierpunktdepression. Zusatz von Molekulardispersionen (Harnstoff, Traubenzucker in 5\u00b0/oigen L\u00f6sungen zu gleichen Teilen mit den Kolloidl\u00f6sungen) ergaben eine nur um weniges die Fehlergrenze \u00fcberschreitende Abnahme der Gefrierpunktsdepression gegen\u00fcber der berechneten. Zusatz beider Mole-","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kritik d. klin. Verwertbarkeit von Gefrierpunktsuntersuchungen. 169\nkularl\u00f6sungen und zwar im Verh\u00e4ltnis 1 Kolloid + 0,5 Harnstoffl\u00f6sungen + 0,5 Glukosel\u00f6sung ergab das gleiche Resultat. Siehe Tabelle 1. Ob man diesen geringf\u00fcgigen Abweichungen Beobachtung schenken soll, ist nicht ohne weiteres zu entscheiden. Jedenfalls sind es kaum zuf\u00e4llige Schwankungen, weil sie nicht nach der anderen Seite hin auftraten; und auf den osmotischen Druck umgerechnet ergeben sie doch bemerkenswerte \u00c4nderungen. Da\u00df die Ursache nicht in der Molekularl\u00f6sung zu suchen ist, ergab die Kontrollbestimmung mit Wasser an Stelle des Kolloids. Die Erkl\u00e4rung, der leichten Abnahme des osmotischen Drucks l\u00e4\u00dft sich wohl am zwanglosesten durch Annahme einer Adsorption an die Kolloide Phase geben.\nWechselnder waren die Resultate bei Verwendung von Elektrolyten. Es wurden wieder mit den gleichen Gelatine-und St\u00e4rkel\u00f6sungen folgende Versuche ausgef\u00fchrt: Zusatz von NaCl. Es wurden steigende Konzentrationen von Kochsalz zugesetzt. Die Ergebnisse sind in der Tabelle 2 wiedergegeben. Siehe Tabelle 2.\nMan ersieht hieraus, da\u00df die Gefrierpunktsdepressionen im Vergleich zu den berechneten Werten auch nur wenig geringer sind. Die Ursache der Verringerung mu\u00df in einer Abnahme der Zahl der freien, osmotisch wirksamen Teilchen gelegen sein. Eine Abnahme des Dissoziationsgrades ist kaum anzunehmen, sondern es kommt wieder eher eine Bindung von NaCl-Ionen mit dem Kolloid in Betracht. Bemerkenswert erscheint, da\u00df bei der St\u00e4rkel\u00f6sung besonders kleine und eigentlich erst mit steigender Konzentration von Kochsalz einigerma\u00dfen sichtbare Abweichungen zu erkennen sind. .\nZusatz von Alkali. Es wurde wie fr\u00fcher vorgegangen. Wieder machte sich ein und zwar diesmal deutlicher Unterschied zwischen St\u00e4rke- und Gelatinel\u00f6sung geltend. Es gab wohl auch die St\u00e4rke-Alkalil\u00f6sung geringere Gefrierpunktsdepressionen, als nach der Berechnung zu erwarten w\u00e4re, aber die Ausschl\u00e4ge sind lange nicht so gro\u00dfe, wie bei Gela-\n*) L\u00f6sliche St\u00e4rke nicht durch Dialyse gereinigt zeigt nach Fr ie* d e n t h a 1 (6) eine nachweisbare Gefrierpunktsdepression.","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"*\tFritz Eigenberger,\n'\ntine. Bei letzterer war die Dauer der Einwirkung nicht ohne Einflu\u00df; wurde sofort nach KOH-Zusatz kryoskopiert, so fand sich im allgemeinen eine st\u00e4rkere, d. h. dem berechneten Werte gen\u00e4herte Gefrierpunktsdepression; nach einst\u00fcndiger, noch deutlicher nach sechs- und mehrst\u00fcndiger Einwirkung war die Gefrierpunktsdepression viel geringer. In einem Falle beobachtete ich sonderbarerweise eine st\u00e4rkere Gefrierpunktsdepression, als selbst nach der Rechnung zu erwarten stand; nach einhalbst\u00fcndigem Stehen aber verhielt sich das Gemisch genau wie die \u00fcbrigen. Ich bin mir keiner besonderen, abweichenden Versuchsbedingungen bewu\u00dft, au\u00dfer da\u00df die KOH-L\u00f6sung erst im Gefrierapparate zugesetzt und sofort die Bestimmung vorgenommen wurde, w\u00e4hrend sonst immer einige Zeit verstrich. W\u00e4hrend der zun\u00e4chst angegebene Einflu\u00df der Zeit auf die Gefrierpunktsdepression wahrscheinlich seine Ursache in einer allm\u00e4hlichen Bindung von KOH an Eiwei\u00df hat, w\u00e4re eventuell der erw\u00e4hnte tiefere Wert durch die Versuchsergebnisse von R. S. Lillie zu erkl\u00e4ren. Dieser Forscher fand bei direkter Messung eine starke Steigerung des osmotischen Druckes der Gelatinel\u00f6sung auf Zusatz von Lauge (Lauge inner- und au\u00dferhalb des Osmometers zugesetzt). Diese Steigerung w\u00fcrde in dem gefundenen tieferen Gefrierpunkt seinen Ausdruck finden zu einer Zeit, in der die KOH-Eiwei\u00dfbindung erst einsetzt und die osmotischen Druck\u00e4nderungen des Kolloids selbst noch nicht verdeckt. Doch ist diese Erkl\u00e4rung nicht sehr wahrscheinlich, da die von Lillie gemessene Steigerung des osmotischen Druckes eben in der Ioneneiwei\u00dfbindung und dadurch bedingten \u00c4nderung ihres Dispersit\u00e4tsgrades seine Ursache zu haben scheint, in den gleichen Ioneneiwei\u00dfbindungen, die die osmotische Konzentration des ganzen heterogenen Systems erniedrigen. Solange nicht eine genaue Nachpr\u00fcfung jeden Fehler ausschaltet, mu\u00df aber von einer Erkl\u00e4rung abgesehen werden. Siehe Tabelle 3.\nZusatz von S\u00e4ure. Die Ergebnisse sind in der Tabelle 4 ersichtlich. Im Prinzipe liegen die gleichen Resultate vor, wie bei Alkalizusatz. L\u00e4ngere Dauer der Einwirkung hat in diesen F\u00e4llen keinen so deutlichen Einflu\u00df ergeben. Nur bei h\u00f6heren","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kritik d. klin. Verwertbarkeit von Gefrierpunktsuntersuchungen. 171\nKonzentrationen fanden sich wie bei Lauge starke Ungleichheiten bei langer Wirkungsdauer. Dann kommt aber vielleicht schon eine hydrolytische Spaltung der gro\u00dfen Molek\u00fcle in Betracht.\nEin Minimum des osmotischen Druckes, wie es R. S. Lillie bei Gelatine- und H\u00fchnereiwei\u00dfl\u00f6sungen unter S\u00e4ureeinwirkung fand und die \u00c4hnlichkeit der diesen Wirkungen entsprechenden Kurve mit der Kurve der Quellbarkeit (Wo. Ostwald) konnte aus leicht einzusehenden Gr\u00fcnden nicht gefunden werden. Denn Lillie hat, wie oben angedeiitet, durch S\u00e4ure-, Alkali- usw. Zusatz in der Innen- und Au\u00dfenfl\u00fcssigkeit des Osmometers eben nur die hierdurch bedingten osmotischen Druck\u00e4nderungen der Kolloide bestimmt, w\u00e4hrend hier das osmotische Verhalten des ganzen Gemisches dem Gefrierpunktswerte entspricht. Abgesehen davon, da\u00df die durch Lillies Untersuchungen gewonnenen Werte am Gefrierpunkt kaum me\u00dfbare Unterschiede ergeben, wird durch .die anzunehmende Eiwei\u00dfionenbindung die osmotisch wirksame Konzentration, wie schon erw\u00e4hnt, erniedrigt und alle die geringen Schwankungen im osmotischen Druck des Kolloides selbst verdeckt. Siehe Tabelle 4.\nDie Resultate dieser Untersuchungen stimmen also im wesentlichen \u00fcberein mit den Beobachtungen, die schon Bu-garsky und Liebermann(7) gemacht hatten, n\u00e4mlich, da\u00df Alkali und S\u00e4urezusatz zu Eiwei\u00df geringere Gefrierpunktsdepressionen ergeben, als aus der Summe der Komponenten berechnet werden kann.\n\u2666\nAnaloge Untersuchungen habe ich weiter mit Blutserum ausgef\u00fchrt und es interessierte besonders, ob gewisse pathologische Sera ein diesbez\u00fcglich anderes Verhalten zeigen als normale. Wenigstens steht zu erwarten, da\u00df bei gewissen F\u00e4llen von Nephritis schon infolge der Salzretention das Ioneneiwei\u00dfbindungsverm\u00f6gen ge\u00e4ndert erscheinen sollte, auch wenn der gemessene Gefrierpunkt keine wesentliche Abweichung zeigt; es w\u00fcrde dadurch das osmotische Regulationsverm\u00f6gen \u00c4nderungen erfahren und es k\u00f6nnen sich Beziehungen zu dem Auftreten charakteristischer Erscheinungen bei Nephritis, wie","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"Fritz Eigenberger,\n\u2022 \u2022\nder \u00d6deme oder ur\u00e4mischer Symptome ergeben. Nichts als kausale Momente, sondern als, vielleicht sogar nur indirekt konditionale.\nWie aber aus den folgenden Resultaten ersichtlich ist (Tabelle 5 und 6), sind diese nicht ganz eindeutig. Ich zweifle nicht, da\u00df manche Ausschl\u00e4ge im Sinne einer ge\u00e4nderten Regulationsf\u00e4higkeit gedeutet werden k\u00f6nnen.\nBei den h\u00f6chst verwickelten Beziehungen, welche zwischen den einzelnen Blutbestandteilen bestehen, kann weder aus dem Gefrierpunkt, noch aus eventuellen \u00c4nderungen desselben auf verschiedene Zus\u00e4tze irgend ein bindender Schlu\u00df gezogen werden.\nH. Pribram nimmt an, da\u00df bei nephritisch-ur\u00e4mischen Zust\u00e4nden und anderen endogenen Toxikosen im Blutplasma chemisch und zwar genetisch verschiedene Kolloide auftreten, die charakteristische Vergiftungserscheinungen hervorrufen. Eventuell w\u00e4re auch an eine \u00c4nderung in den Kolloid-Ionenbindungen als urs\u00e4chliches Moment f\u00fcr gewisse pathologische Erscheinungen zu denken. Ober das alles aber k\u00f6nnen osmotische Messungen allein nichts aussagen.\nAbgesehen davon erlaubt auch, wie oft betont, die Gefrierpunktmessung erst recht betr\u00e4chtliche osmotische Druckschwankungen zu erkennen, ist also f\u00fcr hier n\u00f6tige Untersuchungen zu wenig empfindlich und anderseits mu\u00df die gro\u00dfe Beeinflu\u00dfbarkeit der Resultate bei der Gefrierpunktsbestimmung durch alle m\u00f6glichen Bedingungen in Betracht gezogen werden. Wenn man auch in homogenen Systemen genaue Werte erh\u00e4lt und f\u00fcr jede Abweichung Ursachen auffmden kann, ist das bei heterogenen Systemen, wie sie jede Kolloidl\u00f6sung, insbesondere das Blut darstellt, oft ganz unm\u00f6glich.\nDas sind die Hauptgr\u00fcnde, weshalb die Gefrierpunktsbestimmung wie die meisten physikalischen Me\u00dfmethoden f\u00fcr den klinischen Gebrauch weniger geeignet sind. Die Verwendung der Gefrierpunktmethode f\u00fcr klinische Zwecke geht ziem-, lieh weit zur\u00fcck. So fand R. v. Jaksch(8) bei gewissen Formen von Nephritis mit ur\u00e4mischen Symptomen eine st\u00e4rkere Gefrierpunktsdepression im Blut (Werte bis 0,72) bei gleichzeitiger Ver-","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kritik d. klin. Verwertbarkeit von Gefrierpunktsuntersuchungen. 173\nmehrung des Blutharnstoffes und zwar auf Grund dieser Befunde geneigt, wenigstens gewisse Formen von Ur\u00e4mie auf molekulare Konzentrations\u00e4nderungen im Blute zur\u00fcckzuf\u00fchren. In anderen F\u00e4llen von Nephritis mit ebenfalls ur\u00e4mischen Erscheinungen, fand er hingegen weder eine besondere Harnstoffvermehrung, noch eine st\u00e4rkere Gefrierpunktsdepression im Blute.\nDem hochverehrten Chef der Klinik, Herrn Hofrat\nR.\tv. Jaksch, bin ich f\u00fcr die Anregung zu obigen Unter- ' suchungen und die auf seiner Klinik gebotene M\u00f6glichkeit zur\nDurchf\u00fchrung der Untersuchungen zu gro\u00dfem Danke verpflichtet.\n\u2022 : \u2022' ,*.*\nZusammenfassung.\n1.\tKolloidl\u00f6sungen ergeben auf Zusatz von Molekularl\u00f6sungen eine sehr geringe Verminderung der Gefrierpunktdepression gegen die berechneten Werte, ebenso auf Zusatz von Kochsalzl\u00f6sungen.\n2.\tDagegen zeigen Kolloidl\u00f6sungen auf S\u00e4ure und Alkalizusatz betr\u00e4chtliche Abnahmen der Gefrierpunktdepression gegen\u00fcber den berechneten Werten (Best\u00e4tigung der Resultate v. Bugarsky und Liebermann).\n3.\tAus den \u00c4nderungen des Gefrierpunktes von pathologischen Blutseren auf verschiedene Molekular- und Ionenzus\u00e4tze im Vergleich zu normalem Serum l\u00e4\u00dft sich kein klinisch\nverwertbarer Schlu\u00df ziehen.\n.\nLiteratur.\n1.\tNagelschmidt, Zeitschrift f\u00fcr klin. Med., Bd. 42, S. 274 (1901).\n2.\tR. S. Lillie, Amer. Joarn. Physiol., Bd. 20, S.. 127 (1907).\n3.\tE. W. Reid, Journ. of Physiol., Bd. 31, S. 439 (1904); Bd. 33,\nS.\t12 (1905).\n4.\tW. Biltz and \u00c0. V. Vegesack, Zeitschr.f. physik. Chem., Bd.68,\nS.\t357 (1909) ; Bd. 73, S. 481 (1910).\n5.\tJ. Duel eaux, Compt. rend., Bd. 110, S. 1468,1544(1905>; Journ. Chem, physik., Bd. 5, S. 40 (1907); Bd. 7, S. 407 (1909); Kolloid Zeitschr.,\nBd. 3, S. 126 (1918).\n6.\tH. Friedenthal, Physiol. Zentralblatt, Bd. 12, S. 849 (1899).\n7.\tSt. Bugarsky und Liebermann, Pfl\u00fcgers Arch. f. Physiol.,\nBd. 72, S. 51 (1898).\n8.\tR. v. Jaksch, Zeitschrift f\u00fcr Heilkunde, Int. Med., Bd. 24, S. 401\n(1903).","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\tFritz Eig\u00e8nberger,\nTabelle 1.\n2 \u00b0/o ige Gelatinel\u00f6sung\tA\t2\u00ae/\u00ab ige St\u00e4rkel\u00f6sung A\tBe- rechnete Werte A\nOhne Zusatz\t\t\t0\t0\t0\nZusatz von gleichen Teilen: 5\u00b0/\u00abige Harn* stoftfosnnp \t\t\t\u2014 0,795\t\u2014 0,792\t\u2014 0,800\n\t\t\t\nZusatz von gleichen Teilen: 5\u00b0/oige Glu* kosel\u00f6sune\t\t\u20140,260\t\u2014 0,259\t\u2014 0,268\n1 Kolloid -}- 0,5 Harnstoffl\u00f6sung 5\u00b0/o. .\t|\u20140,529\t-0,530\t- 0,535\n4\" 0,5 Glukosel\u00f6sung 5\u00ae/o. .\t\t\t\nTabelle 2.\n2\u00b0/oige Gelatinel\u00f6sung\tA\t2\u00b0/oige St\u00e4rke- l\u00f6sung A\tBe- rechnete Werte A\nZusatz von gleichen Teilen einer:\t\t\u2022\t\n0,1 \u00b0/oigen NaCl-L\u00f6sung . . .\t. .\t-0,020\t\u2014 0,033\t\u2014 0,032\n0,25\u00b0/oigen\t*\t......\t\u2014 0,070\t- 0,078,\t-0,080\n0.5 \u00b0/oigen\t*\t\t\t\u2014 0,149\t\u2014 0,153\t\u2014 0,160\n0.1 \u00b0/rt iprfiri\t*\t\t\t\u2014 0,300 i \u25a0 \u2022\t\u2014 0.300\t- 0,310\nTabelle 3\t\t\t\n2 \u00b0/o ige Gelatinel\u00f6sung\tA\t2\u00b0/oige St\u00e4rke- l\u00f6sung A\tBe- rechnete Werte A\nZusatz von gleichen Teilen einer:\t\u2022\t\u2022\t\u2022\n1 \u00b0/o igen KOH-L\u00f6sg. n. 30 Min. kryoskop.\t-0,178\t- 0,298\t-0,336\n* 1 Std. \u00bb\t\u2014 0,155\t- 0,297\t-0,336\n> 6 . > \u00bb\t-0,140\t\u2014 0,298\t\u2014 0,336\n0,5 \u00b0/o igen KOH-L\u00f6sg. n. 1 Std. kryoskop.\t\u2014 0,11\t\u2014 0,139\t-0,169\n0,25 \u00ae/o igen KOH- \u00bb. \u00bb 1 *\t\u00bb\t\u2014 0,045\t-0,068\t-0,085\n\u00d6,1 \u00ae/o igen KOH- \u00bb\t* 1 \u00bb\t\u00bb\t\u2014 0,018\t-0,025\t\u20140,034\n0,1 \u00ae .\u00bbigenKOH-L\u00f6sg. unmittelb. \u00bb\t- 0,035\t\t-0,034","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kritik d. klin. Verwertbarkeit von Gefrierpunktsuntersuchungen. 175\nTabelle 4.\n2\u00b0/oige Gelatinel\u00f6sung\tA\t2\u00ae/oige St\u00e4rke- l\u00f6sung\t* Berechnete Werte A rl\t*\t'\nZusatz von gleichen Teilen einer: 1\t\u00b0/o igen HCl-L\u00f6sung\t\t\u2014\t0,385 -\t0,199\t\u00bb \u2014 0,490 -0,225\tt \u2014\t0,514 \u2014\t0,256\n0,5 \u00b0/oigen HCl- *\t\t\t\t\t\t\n0,25\u00b0/oigen HCl- *\t\t\t\u20140,070\t\u2014 0,099\t\u2014 0,128\n0,1 \u00b0/oigen HCl- \u00bb\t\t\t-0,030\t-0,045\t-0,052\nTabelle \u00f6. Kryoskopisch normale Sera.\n\u2022 \u2022\u2022 . . ;\tKlinische Diagnose der F\u00e4lle, von denen das Serum stammt\t\t\n\tAtherosklerose\tCO-Vergiftung\tMalaria\n* * . \u2022 * ' A des Serums\t\t\u2014 0,570\t\u2014 0,562\t- 0,560\nA nach Zusatz gleicher Teile von:\t\u2666\t\t\u2022\nH*0\t\t-\t0,290 -\t1,390\t- 0,280 - 1,385\t\u2014\t0,285 \u2014\t1,380\n5\u00b0/oige Harnstoffl\u00f6sung\t\t\t\n5 \u00b0/o ige Glukosel\u00f6sung .\t\u2014 0,844\t- 0,835\t\u2014 0,830\n0.5 \u00b0/o ige NaCl-L\u00f6sung .\t\u2014 0,733\t- 0,729\t\u2014: 0,705\n0,5\u00b0/oige KOH-L\u00f6sung .\t\u2014 0,655\t\u2014 0,660\tlO 'vH t- i\n0,5\u00b0/oige HCl-L\u00f6sung .\t- 0,710\t\u2014 0,745\t\u2014 0,695\nTabelle 6. Nephritische Blutsera.\nKlinische Diagnose der F\u00e4lle, von welchen das Serum stammt\nAkute Nephritis\tAkute Nephritis\tChronische %\nOligurie\tAnurie, Ur\u00e4mie\tNephritis\nA des Serums\t \u00c0 nach Zusatz gleicher Teile von :\t\u2014 0,645\t- 0,620\t\u2014 0,575\nHjO \u2022\u2022\u00bb.\u2022\u25a0\u00ab\u00bb\u2022\u00ab\t\u2014 0,335\t\u2014 0,330\t\u2014, 0,285\n5\u00b0/oige Harnstoffl\u00f6sung\t- 1,465\t- 1,450\t\u2014 1,375\n5\u00b0/oige Glukosel\u00f6sung .\t- 0,920\t- 0,895\t\u2014 0,850 .\n0,5 \u00b0/o ige NaCl-L\u00f6sung .\t- 0,800\t- 0,745\t- 0,738\n0,5 \u00b0/o ige KOH-L\u00f6sung .\t\u2014 0,725\t\u2014 0,703\t- 0,660\n0,5\u00b0/oige HCl-L\u00f6sung .\t- 0,805\t- 0,799\t- 0,780","page":175}],"identifier":"lit20717","issued":"1918","language":"de","pages":"166-175","startpages":"166","title":"Zur Kritik der klinischen Verwertbarkeit von Gefrierpunktsuntersuchungen","type":"Journal Article","volume":"102"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:40:11.252963+00:00"}