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{"created":"2022-01-31T16:46:37.246509+00:00","id":"lit20739","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Fritsch, R.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 104: 59-64","fulltext":[{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"Findet sich Selen im pflanzlichen und tierischen Organismus?\nVon\nR. Fritsch.\n(Aus J'*m agrikuUurchcmischen Laboratorium der Kidgon\u00f6ssischen technischen Hochschule in Z\u00fcrich.)\n(Der Redaktion zugegangen am 14. August 1918.)\nAus der in der gleichen Nummer dieser Zeitschrift von E. Winterstein publizierten Untersuchung ergibt sich, da\u00df das Jod nur selten in pflanzlichen Organen vorkommt; stets aber wurden nur minimale Mengen dieses Elementes vorgefunden, soda\u00df man wohl behaupten darf, da\u00df das Jod f\u00fcr die Pflanze entbehrlich ist.\nBei den vielen pflanzlichen Untersuchungen, die in unserem Laboratorium ausgef\u00fchrt wurden, ist man niemals auf Selen gesto\u00dfen, auch ist von anderer Seite niemals beobachtet worden, da\u00df dieses Element in Objekten tierischer oder pflanzlicher Herkunft vorkommt.\nIn dieser Zeitschrift hat Th. Ga\u00dfmann1) zwei Arbeiten \u00fcber das Vorkommen und die quantitative Bestimmung des Selens in pflanzlichen und tierischen Objekten publiziert.'\nNach seinen Untersuchungen soll es im Schrotmehl, Gem\u00fcsearten, gelben R\u00fcben, Salat, Spinat und Kartoffeln Vorkommen.2) Er sagt w\u00f6rtlich Folgendes:2) \u00abAlle aber, und das ist das wichtigste, f\u00fchren das Selen im Pflanzenk\u00f6rper mit sich.\u00bb \u00abDas Selen ist \u00fcberhaupt als sicherer Bestandteil dem Menschen-, Tier- und Pflanzenorganismus zuzuz\u00e4hlen\u00bb. Und\n') Der Nachweis des Selens im Knochen- und Zahngewebe. Diese Zeitschr.. Bd. 97, S. 807 (1916).\n*) Die quantitative Bestimmung des Selens im Knochen- und Zahngewebe und im Harn. Diese Zeitschr., Bd. 98, S 182 (1917).","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\nR. Fritsch,\n\u00abDie hohe Bedeutung, die ich jetzt schon der Anwesenheit des Selens im Organismus beimesse, tritt erst dann pr\u00e4gnant zutage, wenn meine Arbeiten \u00fcber die Heraussch\u00e4lung der dem Selen zustehenden chemischen Verbindung, die im Lebensproze\u00df des Menschen, des Tieres und der Pflanze eine wichtige Rolle spielt, abgeschlossen sind.\u00bb\nDie von Ga\u00df mann angegebene Methode zur quantitativen Bestimmung des Selens mu\u00dfte von vornherein als g\u00e4nzlich unbrauchbar bezeichnet werden.1)\nBehufs quantitativer Bestimmung des Selens soll durch Behandeln der zu untersuchenden Objekte mit Salzs\u00e4ure, darauffolgender Oxydation mit K\u00f6nigswasser, Selens\u00e4ure entstehen;2) diese wird mit Silbernitrat gef\u00e4llt, das Silberselenat auf dem Gebl\u00e4se gegl\u00fcht, der R\u00fcckstand mit Salpeters\u00e4ure oxydiert und nach dem Erw\u00e4rmen das Selen zur Abscheidung gebracht und auf einem Filter gesammelt.3)\nWir haben diese Angaben nachgepr\u00fcft und fanden folgendes :\n1.\tSelens\u00e4ure wird durch Silbernitrat nur unvollst\u00e4ndig gef\u00e4llt.\n2.\tBeim Gl\u00fchen von Silberselenat auch nur \u00fcber einem gew\u00f6hnlichen Bunsenbrenner entweicht Selen, wovon man sich \u00fcberzeugen kann, wenn man in der N\u00e4he des Deckels ein kleines Fl\u00e4mmchen h\u00e4lt, wobei sofort die charakteristische Kornblumenf\u00e4rbung auftritt.\nBei einem Versuche wurden nach Gl\u00fchen von 0,22 g reinem, vollst\u00e4ndig trockenem Silberselenat \u00fcber dem Bunsenbrenner nur 0,1176 g wiedergefunden. Der R\u00fcckstand besteht zum gr\u00f6\u00dften Teil aus Silber. Als derselbe in konzentrierter Salpeters\u00e4ure gel\u00f6st wurde, fand man nach Entfernen des Silbers mit Salzs\u00e4ure und Behandeln mit schwefeliger S\u00e4ure nur noch ganz geringe Mengen von Selen vor.\n3.\tBeim Behandeln des Gl\u00fchr\u00fcckstandes mit Salpeters\u00e4ure l\u00f6st sich nicht nur das Silber auf, sondern auch ein Teil des darin eventuell noch enthaltenen Selens.\n*) Diese Zeitschr., Bd. 98, S. 182.\n*) Diese Zeitschr., Bd. 98, S. 183, 184.\n8) Diese Zeitschr., Bd. 98, S. 185.","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Findet sich Selen im pflanzlichen und tierischen Organismus? 61\n4. Die Angabe, da\u00df Selens\u00e4ure durch Behandeln mit Salzs\u00e4ure und Reduktion mit schwefeliger S\u00e4ure nicht vollst\u00e4ndig reduziert wird, ist unzutreffend.1)\nWie Ga\u00df mann daher bei den von ihm ausgef\u00fchrten quantitativen Bestimmungen so gut \u00fcbereinstimmende Zahlen finden konnte, ist unerkl\u00e4rlich.\nIn der Arbeit vermi\u00dft man aber auch den sicheren qualitativen Nachweis des Selens.\nImmerhin aber w\u00e4re es denkbar, da\u00df das Selen sich, wie das Jod, zuweilen in Pflanzen vorfindet. Es wurden daher eine gro\u00dfe Anzahl Versuche angestellt, um diese Frage zu pr\u00fcfen.\nUm allen Einw\u00e4nden zu begegnen, wurde genau nach den Angaben Ga\u00dfmanns verfahren, obgleich man sich sagen mu\u00dfte, da\u00df das Verfahren h\u00f6chst unzul\u00e4nglich war. Beim Behandeln von pflanzlichen Objekten mit Salzs\u00e4ure entstehen so viel Huminsubstanzen, da\u00df das Selen wohl von diesen zur\u00fcckgehalten werden k\u00f6nnte.\nRichtiger ist es entschieden, wenn man das Untersuchungsmaterial sorgf\u00e4ltig verbrennt und, durch geeignete Behandlung der Asche, das Selen in Selenige- bezw. in Selens\u00e4ure \u00fcberf\u00fchrt.\nSelenigeschwefels\u00e4urel\u00f6sung gibt mit einigen Alkaloiden intensive Farbenreaktionen, n\u00e4mlich mit:\nCodein: gr\u00fcn bis blaugr\u00fcne F\u00e4rbung:\nColchicin: intensive Gelbf\u00e4rbung;\nVeratrin: je nach Versuchsbedingungen rote, kirschrote bis blau-rote F\u00e4rbung.\nAu\u00dferdem fanden wir, da\u00df Selens\u00e4ure durch Kochen mit Hydrazinsulfat langsam zu Selen reduziert wird.\nWir ben\u00fctzten diese Erscheinungen z\u00fcrn Nachweis von\nSelen.\nMit Hilfe der Godeinreaktion lassen sich mit absoluter Sicherheit noch 0,02 mg Selen nachweisen, wenn man diese kleine Menge zu einer gr\u00f6\u00dferen Masse von Salzen hinzuf\u00fcgt.\nZu Beginn unserer Untersuchungen \u00fcberzeugten wir uns durch blinde Versuche, da\u00df die angewandten Reagentien v\u00f6llig selenfrei waren.\n*) Diese Zeilschr., Bd. 98, S. 184.","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nR. Fritsch,\n\u00dcber den von uns eingeschlagenen Weg ist folgendes anzuf\u00fchren.\nFein gemahlenes, bei 50\u00b0 getrocknetes Pflanzenmaterial, welches noch einen zwischen 6\u20149\u00b0/o schwankenden Wasser-gehalt hatte, wurde mit einer L\u00f6sung von 10 g Natriumnitrat und 20 g Natriumcarbonat in 100 ccm Wasser gut durchgemischt und in einem Platintiegel oder, bei gr\u00f6\u00dferen Mengen, in einer Nickelschale bezw. in einer Silberschale vorsichtig einge\u00e4schert, ohne stark zu gl\u00fchen. Nach dem Erkalten wurde wiederholt mit hei\u00dfem Wasser ausgezogen, der kohlige R\u00fcckstand getrocknet und unter Zusatz von etwas fester Soda und Kaliumnitrat vollst\u00e4ndig verascht, der R\u00fcckstand in Wasser gel\u00f6st, beide L\u00f6sungen vereinigt und unter Zusatz von etwas konzentrierter Salzs\u00e4ure mehrmals zur Trockene eingedampft, um die Salpeters\u00e4ure vollst\u00e4ndig zu entfernen und die vorhandene Selens\u00e4ure in Selenige-S\u00e4ure \u00fcberzuf\u00fchren. Die Salze wurden in 300\u2014400 ccm Wasser gel\u00f6st und unter Erw\u00e4rmen Schwefelwasserstoff eingeleitet, wobei in allen F\u00e4llen ein Niederschlag auftrat, der bei Anwendung eines Platintiegels zum Ein\u00e4schern zum Teil Platinsulfid, beim Gebrauch eines Silbertiegels Silbersulfid enthielt. (Da das gebildete Silberchlorid sich in der gro\u00dfen Menge des entstandenen Natriumchlorids aufl\u00f6ste.)\nDie entstandene braune F\u00e4llung wurde auf einem kleinen Filter gesammelt, mit Wasser ausgewaschen, getrocknet und das Filter unter Zusatz von Salpeter-Soda sorgf\u00e4ltig verbrannt, die Asche in Wasser gel\u00f6st und mit konzentrierter Salzs\u00e4ure wiederholt eingedunstet, sodann mit konzentrierter H2S04 erw\u00e4rmt, bis alle Salzs\u00e4ure wieder entfernt war.\nCa.213 der Masse pr\u00fcften wir direkt mit Codein, bezw. Colchicin; den Rest nach Zusatz von 0,01\u20140,02 mg Selen in Form von Seleniger-S\u00e4ure. In letzteren F\u00e4llen, niemals aber ohne Zusatz von Seleniger-S\u00e4ure, trat mit Codein eine tief-gr\u00fcne bis blau-gr\u00fcne, mit Colchicin eine intensive Gelbf\u00e4rbung auf.\nWir haben uns aber auch \u00fcberzeugt, da\u00df man ganz kleine Mengen von Selen, die man pflanzlichen Objekten hinzuf\u00fcgt, nach dem angegebenen Verfahren wiederfindet. Bei einer Reihe","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"findet sich Selen im pflanzlichen und tierischen Organismus? 63\nvon Versuchen veraschten wir 30\u201450 g Pflanzenmaterial unter Zusatz von 2\u20140,5 mg Seleniger-S\u00e4ure und verfuhren wie angegeben; wir konnten dann mit Hilfe der angegebenen Alkaloide das Selen wieder auffinden, in manchen F\u00e4llen auch mit Hilfe von schwefeliger S\u00e4ure als Selen abscheiden, wobei sch\u00e4tzungsweise die angewandte Menge des zugesetzten Selens wiedergefunden wurde.\nAuf diese Weise wurden mit ganz geringen Ab\u00e4nderungen 35 Versuche mit Spinat, Getreide, Klee, Kartoffeln, Knochen ausgef\u00fchrt.\nEs konnte mit bestem Willen in keinem der vielfach unter-? suchten Materialien Selen aufgefunden werden; selbst bei Anwendung von gro\u00dfen Mengen Untersuchungsmaterial.\nDas gleiche Resultat wurde erzielt, als wir ganz genau nach den Angaben von G a\u00df mann verfuhren.\nEs w\u00e4re immerhin denkbar, da\u00df das Selen in so minimalen Mengen in der Pflanze vorkommt, da\u00df es sich des Nachweises entzieht.\nUm zu pr\u00fcfen, ob das Selen im Stoffwechsel des tierischen Organismus eine Rolle spielt, wurden 10 verschiedene Harnproben, herr\u00fchrend von 3 verschiedenen Versuchspersonen, unter Zusatz von Soda eingedunstet, dann mit Salpeter und Soda verbrannt und die Asche genau wie angegeben auf Selen untersucht.\nGa\u00dfmann findet in 200ccmHarn 0,0016\u20140,0024g Selen.\nWir verwendeten f\u00fcr unsere Versuche mindestens 1 Liter; jeder Versuch wurde 2\u20143 mal wiederholt; es wurde in keinem Falle mit Hilfe der Godeinprobe (etc.) Selen aufgefunden. Wohl aber fanden wir das Selen wieder, als wir zu einem Liter 2\u20143 mg Selenigs\u00e4ure-Anhydrid hinzuf\u00fcgten.\nBei einer anderen Versuchsprobe wurde der Harn buchst\u00e4blich nach Ga\u00dfmanns1) Angaben untersucht; Selen wurde nicht aufgefunden.\nAuch in Knochen konnten wir kein Selen auffinden; f\u00fcgte man den Knochen aber kleine Mengen Selen zu, so wurde es nach unserem Verfahren wieder gefunden.\n\u2018) Diese Zeitschr., Bd. 98, S. 185.","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64 R. Fritsch, Findet sich Selen im pflanzl. und tier. Organismus?\nZuletzt wurde noch 1 Liter Harn nach Ga\u00dfmann mit und ohne Zusatz von 3 mg Se behandelt; da wo wir es hinzugef\u00fcgt hatten, wurde es wieder gefunden.\nEs erledigt sich somit auch die Angabe \u00fcber das Vorkommen von Selen im Regenwasser und Eis.1)\nDie Angaben \u00fcber Selendioxals\u00e4ure k\u00f6nnen hier f\u00fcglich \u00fcbergangen werden. In dieser Arbeit wird z. B. behauptet, da\u00df man die Selenige-S\u00e4ure von der Oxals\u00e4ure mit Hilfe von Alkohol trennt, wobei letztere eine unl\u00f6sliche Oxoniumverbindung bilden soll. Seite 212 Zeile 6 von oben enth\u00e4lt einen auffallenden Widerspruch. Es ist daher unerkl\u00e4rlich, auf welche Weise die genauen Analysenzahlen erhalten wurden. Auf Grund der zahlreichen Versuche an verschiedenen pflanzlichen Objekten mu\u00df die in der \u00dcberschrift gestellte Frage folgenderma\u00dfen beantwortet werden: Selen findet sich im pflanzlichen Organismus entweder gar nicht oder nur zuweilen in so geringen Mengen, da\u00df der Nachweis nicht gelingt. Jedenfalls aber darf behauptet werden, da\u00df das Selen f\u00fcr die Pflanze ebenso entbehrlich ist wie das Jod.\nDa das Selen auch von uns niemals im Harn aufgefunden werden konnte, so spielt es auch im normalen Stoffwechsel des tierischen Organismus keine Rolle.\n*) Helvetica Chimica Acta Volumen I. Fasciculus Primus.","page":64}],"identifier":"lit20739","issued":"1919","language":"de","pages":"59-64","startpages":"59","title":"Findet sich Selen im pflanzlichen und tierischen Organismus?","type":"Journal Article","volume":"104"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:46:37.246514+00:00"}