Open Access
{"created":"2022-01-31T15:09:21.510504+00:00","id":"lit20753","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Feulgen, R.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 104: 189-210","fulltext":[{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Ein optisch-inaktives Natriumsalz der Nncleins\u00e4ure.\nVon\nR. Feulgen.\n(Aus dem physiologischen Institut der Universit\u00e4t Berlin.) (Ler Redaktion zngegangen am 22. September 1P18.)\nMit zwei Kurvenzeichnungen im Text.\nBeim Ausf\u00e4llen von thymonucleinsaurem Natrium mit Alkohol aus w\u00e4sseriger, mit Natronlauge alkalisch gemachter L\u00f6sung fiel mir auf, da\u00df der abgeschiedene K\u00f6rper gegen Lackmus und Phenolphthalein stark alkalisch reagierte und einen erheblich erh\u00f6hten Aschengehalt aufwies auch dann, wenn er darauf zu wiederholten Malen aus reinem Wasser umgef\u00e4llt wurde. Da Natriumhydroxyd in der aus verd\u00fcnntem Alkohol bestehenden Mutterlauge leicht l\u00f6slich ist, und das bisher bekannte 4 basische nucleinsaure Natrium ein gegen Indikatoren neutral reagierender Stoff ist, so wurde diese Eigent\u00fcmlichkeit weiter untersucht. Es stellte sich die auff\u00e4llige Tatsache heraus, da\u00df die alkalisch reagierende Substanz nunmehr v\u00f6llig inaktiv war, w\u00e4hrend das nucleinsaure Natrium vordem (in neutraler L\u00f6sung) die ansehnliche spezifische Drehung von 80\u00b0 aufwies. Ich stelle hier gleich ausdr\u00fccklich fest, da\u00df nach weiterem Zusatz von Natronlauge sich der optisch-inaktive Zustand nicht \u00e4nderte und insbesondere keine Neigung zeigte, in eine Linksdrehung \u00fcberzugehen.\nDie weitere Untersuchung lie\u00df erkennen, da\u00df die Abnahme der Drehkraft eine gleichm\u00e4\u00dfige war, und zwar verringert sie sich proportional der Menge des zugesetzten Natriumhydroxyds bis zum Nullwerte. Eine bleibende Ver\u00e4nderung des nucleinsauren Natriums war insofern nicht eingetreten, als die\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. CIV.\tw","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nR. Feulgen,\nalte Drehung sofort wieder auftrat, wenn die alkalische Reaktion mit einer S\u00e4ure wieder r\u00fcckg\u00e4ngig gemacht wurde. Dieses Spiel wurde ohne Zersetzung der Nucleins\u00e4ure beliebig oft wiederholt.\nEine merkliche Dauer des Verlaufs dieses Vorganges konnte nicht ermittelt werden, vielmehr war der Proze\u00df bereits vollzogen, wenn das Beobachtungsrohr beschickt und in den Polarisationsapparat eingelegt worden war. Erscheinungen vom Charakter der Multirotation wurden niemals beobachtet.\na- und b-nucleinsaures Natrium verhielten sich bei diesen Versuchen vollkommen gleich. Bei a-nucleinsaurem Natrium ergab sich aber eine wichtige Besonderheit. Mit dem Verschwinden der optischen Aktivit\u00e4t war n\u00e4mlich hierbei auch ein Verschwinden der Gelatinierf\u00e4higkeit verbunden. Diese trat aber ebenfalls wieder auf, wenn nach Neutralisation der alkalischen Reaktion die optische Aktivit\u00e4t wiederhergestellt wurde.\nDa\u00df Natronlauge imstande ist, die Gelatinierf\u00e4higkeit des a-nucleinsauren Natriums aufzuheben, ist eine seit langem bekannte Tatsache. Eine Erkl\u00e4rung war aber bis jetzt nicht m\u00f6glich. Worauf es hier ankommt, ist die enge Beziehung zwischen Gelatinierf\u00e4higkeit und optischer Drehung, eine Abh\u00e4ngigkeit, f\u00fcr die im Laufe dieser Arbeit noch weitere Beispiele mit anderen Eingriffen angef\u00fchrt werden sollen. Bei b-nucleinsaurem Natrium kann eine solche Abh\u00e4ngigkeit deswegen nicht bestehen, weil b-nucleinsaures Natrium \u00fcberhaupt nicht gelatiniert.\nEine gewisse Abh\u00e4ngigkeit der Gr\u00f6\u00dfe der optischen Drehung von der Reaktion ist schon von Walter Jones1) beobachtet worden. Dieser Autor wandte zur Hervorrufung der alkalischen Reaktion Ammoniak an. Eine v\u00f6llige Inaktivierung konnte er aber \u2014 aus sp\u00e4ter zu erkennenden Gr\u00fcnden nicht beobachten. Es kam ihm auch weniger darauf au, eine Verringerung der Drehkraft nachzuweisen, als vielmehr zu zeigen, da\u00df auch Nucleins\u00e4uren anderer Herkunft sich gleich verhielten, woraus er auf eine Identit\u00e4t der Nucleins\u00e4uren\n*) W- Jones, Journ. of Biol. Chem., Bd. 5, S. 11 (1908).","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"I\nEin optisch-inaktives Natrinmsalz der Nucleins\u00e4ure. 191\nschlo\u00df, eine Folgerung, die in diesem, Ausma\u00dfe schon aus dem Grunde unberechtigt ist, weil z. B. Thymins\u00e4ure sich ebenso verh\u00e4lt. Jones hat jedoch nicht die Abh\u00e4ngigkeit der Drehung von der Reaktion auf eine einfache Beziehung zur\u00fcckgef\u00fchrt, was auch, wie weiter unten auseinandergesetzt werd\u00e7n wird, unm\u00f6glich ist, wenn man zur Herbeif\u00fchrung der alkalischen Reaktion Ammoniak verwendet.\nEine nur quantitative \u00c4nderung des optischen Drehver-m\u00f6gens w\u00fcrde keine auff\u00e4llige Erscheinung sein, sind doch optisch aktive S\u00e4uren bekannt, die als Alkalisalze sogar eine entgegengesetzte Drehrichtung zeigen. In diesen F\u00e4llen bleibt der K\u00f6rper optisch aktiv. Hier handelt es sich aber, und das mu\u00df mit Nachdruck betont werden, um ein vollkommenes Verschwinden jeglicher optischen Aktivit\u00e4t, und der Nullwert der Drehung ist nicht etwa ein \u00dcbergangsstadium in die entgegengesetzte Drehrichtung oder eine Zufallserscheinung; denn es konnte auch mit einem vollkommenen Lippichschen Halbschattenapparate keine Spur von Drehung mehr beobachtet werden, und w\u00e4hrend gew\u00f6hnliches, aktives, nucleinsaures Natrium hinsichtlich seiner Drehkraft eine gro\u00dfe Abh\u00e4ngigkeit von der Konzentration und eine sehr erhebliche Abh\u00e4ngigkeit von der Temperatur aufweist, blieb einmal inaktiviertes nucl\u00e8in-saures Natrium auch bei verschiedenen Temperaturen und verschiedenen Konzentrationen v\u00f6llig inaktiv.\nAus den wenigen bisher angef\u00fchrten Tatsachen geht wohl schon hervor, da\u00df das Natriumhydroxyd mit dem nuclein-sauren Natrium eine Salzbindung eingegangen ist, da\u00df dieses Salz optisch inaktiv ist, und da\u00df damit weitere S\u00e4uregruppen oder als S\u00e4ure wirkende Gruppen aufgefunden worden sind, die von ganz besonderer Art sein m\u00fcssen. Diese S\u00e4uregruppen sind sehr schwach; denn die Natriumsalze derselben zeigen weitgehende hydrolytische Dissoziation, und das inaktive nuclein-saure Natrium reagiert deswegen stark alkalisch. In der Tat konnten diese schwachen S\u00e4uregruppen mit Indikatoren nicht nachgewiesen werden.\nEs gibt nun eine \u00fcberraschend einfache Methode, die \u201eSt\u00e4rke\u201c dieser S\u00e4uregruppen abzusch\u00e4tzen: Eine beliebige","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\nR. Fe ul gen,\n(inaktive) S\u00e4ure, die pian zu inaktiviertem nucleinsauren Natrium hinzusetzt, hebt dann den Salzzustand dieser schwachen S\u00e4uregruppe auf, wenn sie \u201est\u00e4rker\u201c ist als diese. Die Aufhebung des Salzzustandes erkennt man aber bequem an dem Wiederauftreten der Drehung. Man hat also nur n\u00f6tig, das nucleinsaure Natrium mit Natronlauge eben zu inaktivieren und eine \u00e4quivalente Menge der zu vergleichenden S\u00e4ure zuzusetzen. Tritt Drehung auf, so mu\u00df die vergleichende S\u00e4ure \u201est\u00e4rker\u201c sein als die S\u00e4uregruppen indem nucleinsauren Natrium.\nDerartige Versuche haben nun ergeben, da\u00df die neuen S\u00e4uregruppen nicht nur schw\u00e4cher als die Essigs\u00e4ure (die von der Phosphors\u00e4ure herr\u00fchrenden S\u00e4uregruppen sind st\u00e4rker als Essigs\u00e4ure), sondern auch schw\u00e4cher als die Kohlens\u00e4ure sind, ja sogar schw\u00e4cher als der II. Dissoziationsgrad in derselben; denn Einleiten von Kohlendioxyd oder Zusatz von Natriumbicarbonat stellen die Drehung wieder her, w\u00e4hrend chemisch neutral gebaute Salze, z. B. Natriumchlorid, nat\u00fcrlich keinerlei Einflu\u00df auf den inaktiven Zustand des inaktivierten nucleinsauren Natriums aus\u00fcben. Da auch das Phenol imstande ist, den Salzzustand aufzulieben, so ist die St\u00e4rke der neuen S\u00e4uregruppen in dem nucleinsauren Natrium schw\u00e4cher als der S\u00e4urecharakter des Phenols. Der Wert der Dissoziationskonstante wird demnach unter 5,8*10\u201411 liegen.\nIn Anbetracht des geringen Dissoziationsgrades der S\u00e4uregruppen ist es nicht verwunderlich, da\u00df schw\u00e4chere Basen keine best\u00e4ndigen Salze mehr bilden k\u00f6nnen. Gibt man zu inaktiviertem nucleinsauren Natrium die \u00e4quivalente Menge Ammoniumchlorid, so tritt Drehung wieder fast im alten Betrage auf, weil die S\u00e4uregruppen unter Bildung von Ammoniak und Natriumchlorid frei werden. Erst ein gro\u00dfer \u00dcberschu\u00df von Ammoniak l\u00e4\u00dft die spezifische Drehung sinken (vgl. Jones). Die Ammoniumsalze der S\u00e4uregruppen neigen also zum hydrolytischen Zerfall.\nVon Wichtigkeit ist nun die Frage nach dem Orte dieser S\u00e4uregruppen, besonders wenn man ber\u00fccksichtigt, da\u00df Levene i^s^ner Nucleins\u00e4ureformeleine durch die Phosphors\u00e4ure\n*) Journ., of Biol. Chem., Bd. 12, S. 417.","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Ein optisch-inaktives Natriumsalz der Nucleins\u00e4ure.\n193\nhervorgerufene sechsbasische Natur der Nucleins\u00e4ure voraussetzt, w\u00e4hrend bis jetzt nur ein vierbasischer Charakter bewiesen ist. Sollten die neu aufgefundenen S\u00e4uregruppen mit den von Levene geforderten, aber noch nicht nachgewiesenen \u00fcberz\u00e4hligen Phosphors\u00e4urevalenzen identisch sein? Ich halte dies f\u00fcr sehr unwahrscheinlich.\nZun\u00e4chst ist die gro\u00dfe Schw\u00e4che der neuen S\u00e4uregruppen etwas, was gegen die Wahrscheinlichkeit spricht, da\u00df die S\u00e4uregruppen durch Phosphors\u00e4ure hervorgerufen werden; denn \u00fcberall da, wo uns im Bereiche der Nucleins\u00e4ure und ihrer Derivate Phosphors\u00e4uregruppen entgegentreten, sind sie von so gro\u00dfer St\u00e4rke, da\u00df sie best\u00e4ndige Baryum-und sogar best\u00e4ndige Brucinsalze bilden k\u00f6nnen. So stellte Levene ein vierbasisches Brucinsalz seiner \u201eCytosin-Hexose-Diphosphors\u00e4ure\u201c dar, die man schematisch in folgender Weise zum Ausdruck bringen kann:\nPhosphors\u00e4urev\n^Kohlenhydrat \u2014 Cytosin.\n\u2014 Phosphors\u00e4ure/\nFerner spricht gegen die Annahme von Phosphors\u00e4uregruppen die so leicht reversible innere Umlagerung, die sich bei der Salzbildung im Molek\u00fcl desjenigen Komplexes vollzieht, der allein f\u00fcr die optische Aktivit\u00e4t verantwortlich zu machen ist: n\u00e4mlich im kohlenhydrat\u00e4hnlichen K\u00f6rper. Dieser \\ organg spricht eher f\u00fcr die Beteiligung einer organischen als einer Phosphors\u00e4uregruppe.\nEs mu\u00dfte nun weiter die Frage beantwortet werden, ob etwa die in der Nucleins\u00e4ure vorhandenen Basen an dem Vorg\u00e4nge der Inaktivierung beteiligt sind. Dies konnte, soweit die Pu-i inbasen in Betracht kommen, experimentell in verneinendem Sinne entschieden werden; denn die Thymins\u00e4ure wurde ebenso in alkalischer L\u00f6sung inaktiv.\nPr\u00e4parative Darstellung des inaktiven nucleinsauren\nNatriums.\nMan l\u00f6st nucleinsaures Natrium zu etwa 5\u201410 \u00b0/0 in W asser, gibt etwa vier Molek\u00fcle Natronlauge hinzu und ver-","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\nR. Foulgen,\nmischt mit o Volumina Alkohol. Es entsteht eine milchige Tr\u00fcbung, die nach Zusatz von etwas konzentrierter Natrium-acetatl\u00f6sung als inaktives Natriumsalz der Nucleins\u00e4ure ausgeflockt wird. Das inaktive a-nucleinsaure Natrium f\u00e4llt bei gen\u00fcgendem Alkoholzusatz flockig, das inaktive b-nucleinsaure Natrium aber stets sirupartig aus. Nach dem Absitzen entw\u00e4ssert man die Niederschl\u00e4ge mit Alkohol und trocknet im Exsikkator.\nEigenschaften.\nDas inaktive nucleins\u00e4ure Natrium stellt ein wei\u00dfes, alkalisch reagierendes, bei feuchter Luft sehr hygroskopisches Pulver dar, das in Wasser viel leichter l\u00f6slich ist als die aktiven Formen. In allen anderen L\u00f6sungsmitteln hingegen ist es unl\u00f6slich. Frisch bereitet gelatiniert eine w\u00e4sserige L\u00f6sung von inaktivem a-nucleinsauren Natrium nicht, auch nicht in hoher Konzentration oder in Gegenwart von Salzen (Natriumacetat). Beim l\u00e4ngeren Stehen an der Luft (\u00fcber Nacht) wird jedoch Kohlens\u00e4ure angezogen, wodurch die schwachen S\u00e4uregruppen frei wrerden, und sowohl Gelatinierung als auch optische Drehung allm\u00e4hlich wieder auftreten. Die inaktiven Salze der Nucleins\u00e4uren sind mit Alkohol viel schwieriger zu f\u00e4llen als die gew\u00f6hnlichen aktiven Formen. Der Geschmack ist ziemlich stark, aber rein alkalisch, etwa wie Soda (gew\u00f6hnliches nucleinsaures Natrium ist geschmacklos).\nI ber die Anzahl der vorhandenen S\u00e4uregruppen.\nWeiter mu\u00dfte die Frage nach der Anzahl der neuen S\u00e4uregruppen untersucht werden. Hier ergab sich zun\u00e4chst, da\u00df etwTa Natriumbestimmungen in dem inaktiven nuclein-sauren Natrium keinen befriedigenden Aufschlu\u00df geben k\u00f6nnen. Denn einerseits hat das nucleins\u00e4ure Natrium ein hohes Molekulargewicht (ca, 1400), und es sind bereits im vierbasischen Salze 4 Atome Natrium vorhanden. Dann aber ist das nuclein-saure Natrium amorph, die Analysenzahlen sind deswegen nicht in dem Ma\u00dfe auszunutzen wie bei kristallisierten K\u00f6rpern, nnd endlich enthalten die Pr\u00e4parate stets unkontrollierbare Mengen fremder Aschenbestandteile, die die Natriumbestim-","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"Ein optisch inaktives Natriumsalz der Nucleins\u00e4ure.\n195\nmungen in hohem Grade f\u00e4lschen k\u00f6nnen, besonders wenn man ber\u00fccksichtigt, da\u00df nucleinsaures Natrium zum Ausflocken mit Alkohol immer der Gegenwart von Salzen (Natriumacetat) bedarf.\nAus diesen Gr\u00fcnden wurden andere Methoden angewandt. Es wurde zun\u00e4chst versucht, Klarheit \u00fcber den Verlauf der Inaktivierung zu verschaffen. In einer Reihe von Versuchen wurden die spezifischen Drehungen des nucleinsauren Natriums bei konstanter Temperatur und in konstanter Konzentration, aber mit wechselndem Alkaligehalte beobachtet, und zwar wurden die zugesetzten Alkalimengen von lj% zu l/2 Molek\u00fcl NaOH (auf ein Molek\u00fcl nucleinsaures Natrium gerechnet) abgestuft. In den Versuchen wurden je 1 g nucleinsaures Natrium (von lufttrockenem entsprechend mehr) in einem 10 ccm fassenden Me\u00dfk\u00f6lbchen in etwas Wasser gel\u00f6st, die berechnete Menge Natriumhydroxyd in Form von n/10- oder n/2-Natron-lauge zugef\u00fcgt, bis zur Marke aufgef\u00fcllt, und im Polarisationsapparate beobachtet. Es wurde mithin eine .\u201eTitration\u201c ausgef\u00fchrt mit der optischen Drehung als \u201eIndikator\u201c.\nDas benutzte nucleins\u00e4ure Natrium war nicht v\u00f6llig neutral, weder gegen Indikatoren, noch hinsichtlich des Verhaltens der spezifischen Drehung; denn es konnte etwa V4 Molek\u00fcl NaOH zugesetzt werden, ohne da\u00df die spezifische Drehung abnahm. Die beobachteten Werte waren folgende (c = 10; 1 = 1; t = 21\u00b0):\nAnzahl der NaOH-Mol.\tOL\t\u00b01 Mi-\n0\t\t8,03\u00b0\t80,3\u00b0\nV4 (zur Neutralisation) .\to O O oc\t\u00a9 o o' oo\nvon da ab: Vs \t\t6,01\u00b0\t60,1\u00b0\n1 \t\t3,85\u00b0\t38,5\u00b0 .\nl\u2018/s\t\t1,39\u00b0\t13,9\u00b0\n2 \t\t0\u00b0\t0\u00b0\n27.\t\t0\u00b0\t0\u00b0 .\nBringt man diese Werte in einer Kurve zum Ausdruck, deren Abszissen die Anzahl der Molek\u00fcle NaOH (auf ein Molek\u00fcl nucl. Natr. gerechnet), deren Ordinaten die spezifischen","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nR. Feulgen,\nDrehungen bei den entsprechenden Alkalimengen darstellen, so erh\u00e4lt man das Bild der Figur 1.\nDas erste wichtige Ergebnis der Kurve ist der geradlinige \\ erlauf derselben, der anzeigt, da\u00df der Proze\u00df ein proportionaler ist und mithin den Charakter einer Salzbildung tr\u00e4gt. Im hohen Grade auff\u00e4llig aber mu\u00df die Tatsache sein, da\u00df 2 Molek\u00fcle NaOH zur optischen Inaktivierung unter Salzbildung ausreichen, w\u00e4hrend doch im ganzen vier kohlenhydrat\u00e4hnliche Komplexe in der Nucleins\u00e4ure vorhanden sind. Bevor man aber aus dieser Erscheinung die Konsequenzen zieht, mu\u00dfte man auf andere Weise den Gehalt an eingetretenen Na-Atomen ermitteln.\nIch stellte mir inaktives nucleinsaures Natrium dar, und zwar wurde diesmal zur L\u00f6sung des nucleinsauren Natriums ein erheblicher \u00dcberschu\u00df von NaOH zugesetzt (6\u20148 Molek\u00fcle).","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"Ein optisch-inaktives Natriumsalz der Nucleins\u00e4ure.\n197\nNach der F\u00e4llung mit Alkohol \u00fcberzeugte ich mich davon, ob auch nicht etwa ein hydrolytischer Zerfall der Salze, der einen zu geringen Na-Gehalt Vort\u00e4uschen k\u00f6nnte, eingetreten war. Da der K\u00f6rper noch optisch inaktiv war, so entfiel dieser Verdacht. Nun wurde der alkalisch reagierende K\u00f6rper' mit n/10-S\u00e4ure zur\u00fccktitriert unter Verwendung der verschiedensten Indikatoren. Die erzielten Resultate waren nicht scharf, weil nach der Neutralisation des alkalisch reagierenden Salzes nicht etwa freie Titriers\u00e4ure auftritt, die einen scharfen Indikator-umschlag bewirken k\u00f6nnte, sondern die viel schw\u00e4chere freie Nucleins\u00e4ure. Versuche an gew\u00f6hnlichem nucleinsauren Natrium unter Hin- und Hertitrieren ergaben, da\u00df man bei derartigen Titrationen mit einer Fehlerquelle von \u00b1 0,4 Molek\u00fcle NaOH rechnen mu\u00df. In dieser Weise wurden nun etwa ein Dutzend Titrationen von inaktivem nucleinsauren Natrium ausgef\u00fchrt, aber niemals wurde das Vorhandensein von weiteren 4 Natriumatomen festgestellt, vielmehr deuteten alle Versuche auch hier darauf hin, da\u00df nur 2 von den schwachen S\u00e4uregruppen vorhanden sind. Ich lasse hier einige dieser Versuche folgen:\n0,4950 g entsprachen 7,6 ccm n/10-S\u00e4ure (Indikator Phenolphthalein)\n0,6622 \u201e\t\u201e\t9,6\t\u201e\tn/10\t*\t(\t\u201e\tLackmus)\n0,1988 \u201e\t\u201e\t3,2\t\u201e\tn/10\t\u201e\t(\t\u201e\tMethylorange)*\nGefunden: 2,2; 2,08; 2,3 Atome Na.\nMan mu\u00df also mit der Tatsache rechnen, da\u00df in der Tat zwei Molek\u00fcle Natriumhydroxyd imstande sind, das ganze Molek\u00fcl der Nucleins\u00e4ure zu inaktivieren, obgleich von den Komplexen, die allein die optische Aktivit\u00e4t bedingen k\u00f6nnen, im ganzen vier vorhanden sind. Ich kann nicht umhin zu betonen, da\u00df dieses Ergebnis* eine schwerwiegende Komplikation in sich schlie\u00dft, welche die Aufkl\u00e4rung des kohlenhydrat\u00e4hnlichen K\u00f6rpers in der Nucleins\u00e4ure sehr behindert; denn man mu\u00df mit der M\u00f6glichkeit rechnen, da\u00df in der Nucleins\u00e4ure zwei verschiedene kohlenhydrat\u00e4hnliche Komplexe vorhanden sind, von denen die einen beiden die beschriebene Eigent\u00fcmlichkeit zeigen, unter Salzbildung inaktiv zu werden, w\u00e4hrend die anderen beiden \u00fcberhaupt optisch inaktiv sind, oder doch inaktiv erscheinen. Diese Vorstellung findet eine","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\nR. Feulgen,\nSt\u00fctze in der Tatsache, da\u00df die Purinnucleotide sich in Wirklichkeit ganz anders verhalten als die Pyrimidinnucleotide; wird z. B. Nucleins\u00e4ure mit 2\u00b0/0iger Schwefels\u00e4ure gekocht, so sind die Pyrimidinnucleotide noch nach zweist\u00fcndiger Kochdauer unversehrt (Levene), w\u00e4hrend die Purinnucleotide bereits in ebensoviel Minuten ihre Purinbasen verlieren und weiterhin zerst\u00f6rt werden. Eine weitere wesentliche Kl\u00e4rung dieser Frage wird man von dem Verhalten der von Levene isolierten Cytosin-Hexose-Diphosphors\u00e4ure und ihrer Verwandten, der Thymin-Hexose-Diphosphors\u00e4ure, erwarten. Levene gibt f\u00fcr diese nucleotid\u00e4hnlichen K\u00f6rper Rechtsdrehung an. \u00dcber ihr optisches Verhalten zu Alkalien werde ich Versuche anstellen.\nWie soll man sich den Vorgang der Inaktivierung erkl\u00e4ren? Unter der Voraussetzung, da\u00df sich diese Erscheinung nur an zwei kohlenhydrat\u00e4hnlichen Komplexen abspielt, k\u00f6nnte man geneigt sein, den Vorgang etwa folgenderma\u00dfen darzustellen:\nIn dem gew\u00f6hnlichen vierbasischen nucleinsauren Natrium sind an zwei von den kohlenhydrat\u00e4hnlichen Komplexen je eine S\u00e4uregruppe oder als S\u00e4ure wirkende Gruppe vorhanden. Sind diese im S\u00e4urezustande, also wegen ihrer gro\u00dfen Schw\u00e4che nicht elektrolytisch dissoziiert, so ist das nucleins\u00e4ure Natrium aktiv und gelatiniert in seiner a-Form. Sind sie aber als Alkalisalze vollkommen dissoziiert, so tritt zugleich eine Umlagerung in den kohlenhydrat\u00e4hnlichen Komplexen ein, mithin ist das elektrolytisch vollst\u00e4ndig dissoziierte Salz, d. h. das Ion, optisch inaktiv, und die innere Umlagerung kennzeichnet sich in einer \u00c4nderung einer weiteren physikalischen Eigenschaft: Das inaktive a-nucleinsaure Natrium gelatiniert nicht mehr. Ein wesentlicher Unterschied der beiden Modifikationen best\u00fcnde dann darin, da\u00df die S\u00e4uregruppen in der aktiven Form nicht elektrolytisch dissoziiert, in der inaktiven Modifikation abeh vollkommen dissoziiert Vorkommen.\nIch habe nun aber eine Reihe von Erscheinungen beobachtet, die darauf hindeuten, da\u00df der Dissoziationsgrad der","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"Ein optisch-inaktives Natriumsalz der Nucleins\u00e4uro.\n199\nS\u00e4uregruppen garnicht das Wesentliche ist, da\u00df vielmehr jene Umwandlung, die sich in der Ver\u00e4nderung der optischen Drehkraft und der Gelatinierf\u00e4higkeit kundtut, auch eintreten kann, wenn die S\u00e4uregruppen sich in nicht dissoziiertem Zustande befinden. Da dieser Umstand f\u00fcr die Auffassung des ganzen Vorganges von grundlegender Bedeutung ist, so sollen im folgenden diese Erscheinungen besprochen werden.\nI. Die Herabsetzung der Gelatinierf\u00e4higkeit und der optischen Drehkraft auch durch S\u00e4uren.\nEs ist eine seit langem bekannte Tatsache, da\u00df auch Essigs\u00e4ure die Gelatinierf\u00e4higkeit des a-nucleinsauren Natriums herabsetzen kann. Da ich nun eine enge Beziehung zwischen Gelatinierf\u00e4higkeit und optischer Drehung nachgewiesen habe, so lag die A ermutung nahe, da\u00df durch Essigs\u00e4ure auch die spezifische Drehung des nucleinsauren Natriums herabgesetzt werden k\u00f6nne. Dies ist in der Tat der Fall, wie folgender Versuch lehrt:\nNucleinsaures Natrium wurde zu gleichen Konzentrationen einmal in Wasser, das andere Mal in 10\u00b0/0iger Essigs\u00e4ure gel\u00f6st, die optischen Werte waren folgende: c = 8; 1=1; t = 22\u00b0.\n0,800g in Wasser zu 10 ccm gel\u00f6st: a =4,39\u00b0\n0,800, \u201e 10 \u00b0/oiger Essigs\u00e4ure zu 10 ccm gel\u00f6st a = 2.39\u00b0\nMp in Wasser \u2014 58,0\u00b0; in Essigs\u00e4ure \u2014 30,0\u00b0.\nDurch Essigs\u00e4ure wird also die spezifische Drehung auf die H\u00e4lfte reduziert. Dementsprechend wurde auch eine vollkommene Aufhebung der Gelatinierf\u00e4higkeit nicht beobachtet, sondern nur eine Herabsetzung. Hat das verwendete a-nuclein-saure Natrium wegen gr\u00f6\u00dftenteils erfolgten Abbaus in die b-Modifikation einen Gallertschmelzpunkt, der nicht sehr wesentlich \u00fcber Zimmertemperatur liegt, so kann durch Zusatz von Essigs\u00e4ure eine vollkommene Aufhebung der Gelatinierf\u00e4higkeit vorget\u00e4uscht werden.\nDer Versuch mit Essigs\u00e4ure steht aber mit der oben","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nR. Feulgen,\nentwickelten Theorie des Vorganges in Widerspruch. Essigs\u00e4ure ist ein Elektrolyt mit gleichem Ion (H-Ion) wie die S\u00e4uregruppen. Mithin mu\u00df Essigs\u00e4ure den Dissoziationsgrad der S\u00e4uregruppen verringern, und die spezifische Drehung sowie die Gelatinierf\u00e4higkeit m\u00fc\u00dften zunehmen. Wenn nun auch wegen des ohnehin sehr geringen Dissoziationsgrades der schwachen S\u00e4uregruppen dies am optischen Verhalten kaum festzustellen w\u00e4re, so d\u00fcrfte doch auf keinen Fall eine starke Herabsetzung der Rotation und Gelatinierf\u00e4higkeit platzgreifen. Da diese aber doch beobachtet worden sind, so beweist der Versuch, da\u00df eine Herabsetzung der Aktivit\u00e4t und der Gelatinierf\u00e4higkeit auch bei freien, nicht dissoziierten S\u00e4uregruppen m\u00f6glich ist.\nII. Die Erh\u00f6hung der Gelatinierf\u00e4higkeit und spezifischen Drehung durch Salze (Natriumacetat).\nEs ist ferner eine seit langem bekannte Erscheinung, da\u00df Salze (Natriumacetat) imstande sind, die Gelatinierf\u00e4higkeit des a-nucleinsauren Natriums zu erh\u00f6hen. Versuche, die ich in dieser Richtung angestellt habe, zeigten, da\u00df solche Salze, die wegen weitgehender hydrolytischer Dissoziation OH-Ionon abspalten, die Gelatinierf\u00e4higkeit herabsetzen k\u00f6nnen, z. B. Natriumcarbonat. Fr\u00fchere Versuche1) ergaben z. B. den Gallertschmelzpunkt einer 5%igen Gallerte in Wasser zu 60\u00b0, in n-E atriumcarbonatl\u00f6sung zu 56\u00b0. Eine Erkl\u00e4rung ergibt sich sofort aus der M\u00f6glichkeit einer, wenn auch nur geringen Salzbildung infolge Vorhandenseins der OH-Ionen. Neutral sich verhaltende Salze, oder solche Salze, die nur verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig sehr wenig hydrolytisch dissoziiert sind, wie z. B. Natriumacetat, setzen den Gallertschmelzpunkt sehr erheblich herauf. Durch die Gegenwart von 20% Natriumacetat wurde z. B. der Gallertschmelzpunkt einer 5%igen Gallerte um 17\u00b0 erh\u00f6ht. Entsprechend der Abh\u00e4ngigkeit der Gelatinierf\u00e4higkeit von der optischen Drehung war hier zu erwarten, da\u00df auch die optische Drehung durch Natriumacetat heraufgesetzt werden\n') R. Feulgen, Diese Zeitschr., Bd. 91, S. 169.","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Ein optisch-inaktives Natriumsalz der Nucleins\u00e4ure.\n201\n<\nkann. Dies ist in der Tat der Fall, wie nachstehender Versuch zeigt.\n0,4087 g nucl. Natr. in Wasser zu 10 ccm gel\u00f6st. 1 = 1, t = 23\u00b0, c ~ 4,09; a = 2,68\u00b0.\n0,4070 g nucl. Natr. in 10%iger Natriumacetatl\u00f6sung zu 10 ccm gel\u00f6st. 1 = 1, t = 23\u00b0, c = 4,07, a = 3,09\u00b0.\nDie spezifischen Drehungen betragen mithin:\n9Q0\na)\tin Wasser [a]D \u2014 65,6\u00b0\nb)\tin Natriumafcetatl\u00f6sung f\u00ab]^- 76,0\u00b0.\nAuch diese Erscheinung widerspricht der entwickelten Theorie, wonach mit der Umlagerung auch eine \u00c4nderung des Dissoziationszustandes einhergehen m\u00fcsse. Natriumacetat ist in bezug auf die schwachen S\u00e4uregruppen kein Elektrolyt mit gleichem Ion, ein erhebliches R\u00fcckg\u00e4ngigwerden des Dissoziationsgrades der S\u00e4uregruppen ist also durch Natriumacetat nicht zu erwarten. Au\u00dferdem sind die freien S\u00e4uregruppen wegen ihrer Schw\u00e4che in einem derartig geringen Dissoziati\u00f6ns-zustande, da\u00df ein weiteres Verringern dieses Zustandes optisch nicht zu bemerken w\u00e4re. Dennoch ist eine erhebliche Heraufsetzung der spezifischen Drehung und der Gelatinierf\u00e4higkeit durch Natriumacetat zu beobachten.\nIII. Die au\u00dfergew\u00f6hnlich gro\u00dfe Abh\u00e4ngigkeit der spezifischen Drehung von der Temperatur.\nEs zeigte sich, da\u00df die spezifische Drehung und damit auch der Gallertzustand in au\u00dferordentlichem Ma\u00dfe beeinflu\u00dfbar ist durch die Temperatur, und zwar bewirkt Temperaturerh\u00f6hung einen Abfall der spezifischen Drehung und eine Verminderung der Gelatinierf\u00e4higkeit bis zu fast v\u00f6lligem Verschwinden der spezifischen Drehung, die bei 100\u00b0 nur noch wenige Grade betr\u00e4gt. Auch diese Erscheinung kann nicht aus dem Dissoziationszustande der S\u00e4uregruppen erkl\u00e4rt werden. Zwar wird durch Temperatursteigerungen der Dissoziationszustand von S\u00e4uren erh\u00f6ht, aber nur in geringen Grenzen. Wenn aber hier die Abnahme der optischen Drehung Hand in Hand gehen w\u00fcrde mit der Zunahme der elektrolytischen Dissoziation, so m\u00fc\u00dften bei 100\u00b0, bei welcher Temperatur die","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"R. Feulgen,\n202\nspezifische Drehung nur wenige Grade betr\u00e4gt, die S\u00e4uregruppen sich in fast v\u00f6llig dissoziiertem Zustande befinden, die S\u00e4uregruppen m\u00fc\u00dften dann bei hoher Temperatur hinsichtlich ihrer St\u00e4rke den Charakter von starken Minerals\u00e4uren haben, was nat\u00fcrlich ausgeschlossen ist.\nMan k\u00f6nnte hier einwenden, die Abnahme der spezifischen Drehung bei steigender Temperatur sei eine bei vielen Substanzen beobachtete Erscheinung und brauche garnichts Spezifisches zu sein, ganz besonders brauche sie nicht der Ausdruck f\u00fcr die oft besprochene innere Umlagerung zu sein.\nDa dieser Einwand berechtigt ist, so mu\u00dfte erst untersucht werden, ob der beim Erhitzen beobachtete Absturz der Rotation \u00fcberhaupt der Ausdruck f\u00fcr die Umlagerung innerhalb der kohlenhydrat\u00e4hnlichen Komplexe ist oder eine Zufallserscheinung. In der Gelatinierf\u00e4higkeit haben wir nun aber ein zuverl\u00e4ssiges Mittel kennen gelernt, die innere Umlagerung \u00e4u\u00dferlich zu erkennen; wenn sich also auch bei den Erscheinungen, wie sie beim Erhitzen auftreten, eine enge Beziehung zwischen optischer Drehung und Gallertzustand ergeben sollte, so w\u00e4re es sehr wahrscheinlich, da\u00df auch hier die drei Dinge: Innere Umlagerung, optische Drehung und Gelatinierfahigkeit, voneinander abh\u00e4ngig sind. Die Beziehungen zwischen optischer Drehkraft und Gallertzustand sind, wie gezeigt werden wird, gerade beim Erhitzen so \u00fcberraschend, da\u00df an einer engen Abh\u00e4ngigkeit dieser beiden physikalischen Erscheinungen nicht gezweifelt werden kann.\nDie Untersuchungen selbst wurden so ausgef\u00fchrt, da\u00df bei einer ungef\u00e4hren Konzentration von 10 g in 100 ccm die spezifischen Drehungen bei steigender Temperatur (von 5\u2014100\u00b0) beobachtet wurden. Die \u00c4nderungen, die sich hinsichtlich der Konzentration bei verschiedenen Temperaturen ergaben, wurden unber\u00fccksichtigt gelassen, weil sie in Anbetracht der gro\u00dfen Verschiebungen, die in den Werten der spezifischen Drehung auftraten, nur geringf\u00fcgig sind. Beim Abk\u00fchlen der im Beobachtungsrohr erhitzten L\u00f6sung von nucleinsaurem Natrium wurden die Werte bei den w\u00e4hrend des Anstieges gew\u00e4hlten Temperaturen kontrolliert: Es ergab sich, da\u00df die\ni","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Ein optisch-inaktives Natriumsalz der Nucleins\u00e4ure.\n203\nm der Hitze aufgetretene fast v\u00f6llige Inaktivierung reversibel war, und zwar trat die Drehkraft in genau der gleichen Weise beim Abk\u00fchlen wieder auf, wie sie beim Erw\u00e4rmen abgenommen hatte; denn bei gleichen Temperaturen wurden gleiche spezifische Drehungen ermittelt.\nDie im einzelnen beobachteten Werte waren folgende1\n1 = 1; c = 9,59.\nTemperatur\ta\t[a]\n\t\tD\n7\u00b0\t6,89\u00b0\t71,8\u00b0\n10\u00b0\t6,74\u00b0\t70,3\u00b0\n15\u00b0\t6,39\u00b0\t66,6\u00b0\n20\u00b0\t6,01\u00b0\t62,7\u00b0\n25\u00b0 \u25a0\t5,24\u00b0\t54,6\u00b0\n30\u00b0\t4,64\u00b0\t48,4\u00b0\n35\u00b0\t3,89\u00b0\t40,5\u00b0\n40\u00b0\t3,14\u00b0\t32,7\u00b0\n45\u00b0\t2,64\u00b0\t27,5\u00b0\n50\u00b0\t2,14\u00b0\t22,3\u00b0\n60\u00b0\t1,64\u00b0\t17,1\u00b0\n70*\t1,14\u00b0\t11,9\u00b0\n80\u00b0\t0,89\u00b0\t9,3\u00b0\n90\u00b0\to rf*- o\t7,7\u00b0\n100 #\t0,64\u00b0\t6,7\u00b0\nWie man sieht, \u00fcbertreffen die \u00c4nderungen, wie sie hier bei Temperaturunterschieden beobachtet wurden, bei weitem die bei aktiven Substanzen sonst \u00fcblichen Schwankungen in der spezifischen Drehung. Um die Werte besser vergleichen zu k\u00f6nnen, wurden sie in einer Kurve zum Ausdruck gebracht, deren Abszissen die Temperaturen, deren Ordinaten die bei diesen Temperaturen beobachteten spezifischen Drehungen darstellen. Man erh\u00e4lt so die Kurve der Fig. 2.\nZun\u00e4chst mu\u00df man feststellen, da\u00df die Kurve nicht, wie die der Fig. 1, eine gerade Linie darstellt, der Vorgang also kein proportionaler ist. Vielmehr tritt in der Abnahme der spezifischen Drehungen in der N\u00e4he des Siedepunktes des Wassers ein Gleichgewichtszustand ein, der auch durch weitere","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nF. F eu 1 gen,\nTemperatursteigerungen nicht mehr wesentlich beeinflu\u00dft werden kann.\nNun sollte, wie erinnerlich, der Nachweis gef\u00fchrt werden, da\u00df der Abfall der spezifischen Drehung auch wirklich der\nAusdruck f\u00fcr die besprochene innere Umlagerung in den kohlen-hydrat\u00e4hnlichen Komplexen ist. Wenn das der Fall ist, so mu\u00dfte auf Grund unserer fr\u00fcheren Erfahrungen auch eine entsprechende Abnahme d\u00e7r Gelatinierf\u00e4higkeit zu beobachten sein. Dies ist in der Tat der Fall. Die Gallerte wird bei h\u00f6herer Temperatur weicher. F\u00fchrt man die Beziehungen zwischen Umlagerung, optischer Drehung und Gelatinierf\u00e4higkeit bis zur letzten Konsequenz durch, so kommt man zu dem Schl\u00fcsse, da\u00df bei der Temperatur, bei der das Drehverm\u00f6gen gleich 0 wird, auch die Gelatinierf\u00e4higkeit gleich 0 sein mu\u00df: Mithin mu\u00df diese Temperatur der theoretische Schmelzpunkt der Gallerte von a-nucleinsaurem Natrium bei der der optischen Beobachtung zugrunde gelegten Konzentration sein. Nun wird aber die optische Drehung auch bei 100* nicht v\u00f6llig 0, sondern bleibt, wenn auch in geringem","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Ein optisch-inaktives Natriumsalz der Nucleins\u00e4ure.\n205\nBetrage (ca. 7\u00b0) bestehen, der sich bei weiterer Temperatursteigerung nur unwesentlich \u00e4ndert. Dies deutet offenbar an, da\u00df wirklich unversehrtes a-nucleinsaures Natrium in der beobachteten Konzentration c = 10 gar keinen richtigen Schmelzpunkt hat, sondern da\u00df vielmehr bei 100\u00b0 bestenfalls eine Erweichung bis vielleicht zur Dickfl\u00fcssigkeit zu beobachten ist, die sich bei Temperaturen um 100\u00b0 nicht mehr wesentlich \u00e4ndern kann.\nDie experimentelle endg\u00fcltige Kl\u00e4rung dieser Frage ist nat\u00fcrlich abh\u00e4ngig von der Darstellbarkeit eines wirklich unversehrten a-nucleinsauren Natriums von maximaler Gelatinierf\u00e4higkeit.\nDie Darstellbarkeit eines solchen Pr\u00e4parates ist nun keineswegs eine Selbstverst\u00e4ndlichkeit. Denn sowohl nach dem Neumann sehen Verfahren ') als auch nach der von mir2) modifizierten Methode wird ein halbst\u00fcndiges Kochen der Thymusdr\u00fcsenmasse mit Natronlauge gefordert. Nun besteht gar kein Zweifel, da\u00df durch dieses Erhitzen mit Natronlauge ein Teil des a-nucleinsauren Natriums in die nicht gelatinierende b-Form timgewandelt wird, wenn nichts Schlimmeres (Zersetzung der Nucleins\u00e4ure) eintritt. Infolgedessen erh\u00e4lt man mit solchen Pr\u00e4paraten nicht die theoretisch geforderten hohen Schmelzpunkte. W\u00fcrde man auf das halbst\u00fcndige Kochen mit Natronlauge verzichten, so w\u00fcrde das Eiwei\u00df nicht gen\u00fcgend denaturiert werden, und nach dem Neutralisieren mit Essigs\u00e4ure und F\u00e4llen mit Alkohol erhielte man nicht nucleinsaures Natrium, sondern unl\u00f6sliches nucleinsaures Eiwei\u00df.\nIch habe nun eine Methode ausgearbeitet, mit der diese Schwierigkeiten \u00fcberwunden werden k\u00f6nnen. Eine genaue Beschreibung soll einer sp\u00e4teren Arbeit Vorbehalten bleiben; liier will ich nur auf das Prinzip eingehen.\nDie zerkleinerte Dr\u00fcsenmasse wurde in Wasser bei 95\u00b0 suspendiert und die Natronlauge zugegeben. Der gr\u00f6\u00dfte Teil der Masse l\u00f6ste sich momentan und das Gel\u00f6ste wurde von dem Ungel\u00f6sten in wenigen Augenblicken mittels Durchseihens\n*) Archiv f\u00fcr Physiologie 1899, Suppl., S. 553.\n*) Diese Zeitschr., Bd. 90, S. 261.\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. CIV.\n15","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nR. Fettigen,\ndurch ein Sieb getrennt. W\u00fcrde man nun nach der alten Methode mit Essigs\u00e4ure neutralisieren und mit Alkohol f\u00e4llen, so erhielte man, wie gesagt, kein nucleinsaures Natrium, sondern unl\u00f6sliches nucleinsaures Eiwei\u00df. Es zeigte sich aber, da\u00df, wenn man aus alkalischer L\u00f6sung mit Alkohol f\u00e4llte, dann das Eiwei\u00df aus der Salzbindung mit der Nuclein s\u00e4ure ferngehalten wurde. W\u00fcrde man aber die alkalische verfl\u00fcssigte Dr\u00fcsenmasse ohne weiteres mit Alkohol zu f\u00e4llen versuchen, so w\u00fcrde man gar keinen Niederschlag von nucl einsau rem Natrium erhalten; denn es w\u00fcrde ja das inaktive Salz entstehen, und dieses w\u00e4re wegen seiner schwierigen F\u00e4llbarkeit aus der alkalischen Eiwei\u00dfl\u00f6sung gar nicht als fa\u00dfbarer Niederschlag zu bekommen. Versetzt man nun aber die alkalische L\u00f6sung mit einer der Natronlauge \u00e4quivalenten Menge Ammoniumchlorid, so bildet sich, wie eingangs auseinandergesetzt, sofort die leicht f\u00e4llbare aktive Modifikation, w\u00e4hrend das an die Stelle der Natronlauge getretene Ammoniak noch eine gen\u00fcgend starke Base ist, um das Eiwei\u00df aus der Salzbindun\u00fc' mit der Nucleins\u00e4ure abzuhalten.\nVersetzt man also nach der auf Natronlaugezusatz augenblicklich eingetretenen Verfl\u00fcssigung sofort mit Alkohol und Ammoniumchlorid, so erh\u00e4lt man, wie man sieht, ein a-nuclein-saures Natrium zun\u00e4chst als Rohprodukt, das tats\u00e4chlich nur momentan der Natronlaugenwirkung ausgesetzt war.\nDerartig dargestellte Pr\u00e4parate wurden nun hinsichtlich des Verhaltens ihrer Gallerten gepr\u00fcft, und zwar wurde, entsprechend der Konzentration bei den optischen Versuchen, auch hier eine Konzentration von ann\u00e4hernd 10 g auf 100 ccm gew\u00e4hlt; doch konnte die L\u00f6sung wegen zu intensiver Gallertbildung nicht im Me\u00dfk\u00f6lbchen hergestellt werden, sondern nur gravimetrisch, unter Vernachl\u00e4ssigung des spezifischen Gewichtes. Schon beim \u00dcbergie\u00dfen des a-nucleinsauren Natriums mit Wasser zeigte sich die hohe Gelatinierkraft dieses Pr\u00e4parates. Es bildete sich eine feste Masse, die selbst in einer Menge von 5 g im Reagensglase kaum durchger\u00fchrt werden konnte. Beim Erhitzen im siedenden Wasserbade konnte die Masse erst nach 10 Minuten langem Verweilen im Wasser-","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"Ein optisch-inaktives Natiiumsalz der Nocleins\u00e4ure.\n307\nbade in Flu\u00df gebracht werden. Sie wurde im maximal erweichten Zustande durch Neigung des Rohres an der Wandung ausgebreitet und nach Art der in der bakteriologischen Praxis \u00fcblichen schr\u00e4gen Kulturr\u00f6hrchen erstarren gelassen. Die entstandene Gallerte hatte die Konsistenz von Gummi oder gutem erstarrten Tischlerleim. Das Reagensglas wurde nun in einem Bechorglaso mit Wasser steigenden Temperaturen ausgesetzt, und da zeigte sich in der Tat das aus der Kurve 2 vorher-^esagte Verhalten: Ein eigentlicher Schmelzpunkt war gamicht zu beobachten. Erst bei etwa 80 \u2022 (!) fing die inzwischen weicher gewordene Gallerte an, am Glase herunterzulaufen. Dies vollzog sich sehr langsam, und bei 90\u00b0 war das Herunterlaufen noch nicht beendet. Die Masse stellte auch bei 100\u00b0 keine eigentliche L\u00f6sung dar, sondern war vielmehr so viskos, da\u00df eine Filtration selbst im siedenden Hei\u00dfwassertrichter g\u00e4nzlich ausgeschlossen war. Das Verhalten der Gallerte steht also in vollkommener \u00dcbereinstimmung mit den aus der Kurve 2 erwarteten Eigenschaften, und man mu\u00df auch den beim Erhitzen beobachteten Absturz der spezifischen Drehung zur\u00fcckf\u00fchren auf jene innere Lmwandlung, die auch in der \u00c4nderung des Gallertzustandes zum Ausdruck kommt, und die sich also auch hier wieder vollziehen kann, ohne da\u00df der Dissoziationsgrad der schwachen S\u00e4uregruppen sich wesentlich \u00e4nderte.\nDer Vollst\u00e4ndigkeit halber sei hier auch die Abh\u00e4ngigkeit der spezifischen Drehung von der Konzentration zahlenm\u00e4\u00dfig wiedergegeben. Sie ist sehr erheblich, und die spezifischen Drehungen nehmen mit steigender Verd\u00fcnnung ab. In unserem speziellen Falle hat dieser Vorgang deswegen weniger Interesse, weil sich hier die Abh\u00e4ngigkeit der optischen Drehung von der Gelatinierf\u00e4higkeit nicht ohne weiteres nachweisen l\u00e4\u00dft, da es an einer brauchbaren Methode fehlt, die Gelatinierf\u00e4higkeit bei verschiedenen Konzentrationen (also unabh\u00e4ngig von der Konzentration) zu vergleichen.\n1,5 g zu 1,5 * ,\n1 == 1;\n23\u00b0\n10 ccm gel\u00f6st: c = 12,15 ; a ~ 9,28 \u00b0; [a]\u2122 ~ 76,3\u00ae\n23\u00ab\n: c-r- 4,86 ; a = 2,59\t[a]~ ^53,3\u00ae\n25\n","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\nR. Feulgen,\n1,5 g zu 50 ccm gel\u00f6st: c \u2014 2,43 ; a \u2014 1,09 \u00b0; [a]^\t44.8*\n1,5 ,, 100 ,\t\u201e : c \u2014 1,215; a 1,215\u00b0; [a]88\u00b0 \u2014 40,3*.\nMan erkennt, da\u00df die spezifischen Drehungen mit gr\u00f6\u00dferer V erd\u00fcnnung bis auf die H\u00e4lfte abnehmen k\u00f6nnen. H\u00f6chst wahrscheinlich ist damit auch eine entsprechende Abnahme der Gelatinierf\u00e4higkeit verbunden. Da diese auch au\u00dferdem lediglich wegen der Verd\u00fcnnung unter allen Umst\u00e4nden eintritt, so haben wir in der Verd\u00fcnnung ein Mittel in der Hand, um die beim Arbeiten geradezu unertr\u00e4gliche Gelatinierf\u00e4higkeit erheblich herabzusetzen. So gelingt es denn auch, in sehr starker Verd\u00fcnnung (1%), selbst das v\u00f6llig intakte und hochgelatinierende a-nucleinsaure Natrium wenigstens in kleinen Mengen im Hei\u00dfwassertrichter zu filtrieren.\nIch habe eine Reihe von Erscheinungen besprochen, die darauf hindeuteten, da\u00df die innere Umlagerung, verbunden mit einer \u00c4nderung der optischen Eigenschaften und des Gallertzustandes, vollzogen werden kann, ohne da\u00df der Dissoziationsgrad der schwachen S\u00e4uregruppen eine \u00c4nderung erf\u00fchre, da\u00df mithin eine Herabsetzung der Aktivit\u00e4t nicht unbedingt an eine Salzbildung gebunden ist, wohl aber durch eine solche lierbeigef\u00fchrt wird.\nEine Herabsetzung bezw. Aufhebung der Aktivit\u00e4t kann erreicht werden:\n1.\tDurch Alkalien, unter Bildung der Salze. Der Proze\u00df verl\u00e4uft bei starken Alkalien quantitativ und proportional (geradliniger Verlauf der Kurve 1).\n2.\tDurch S\u00e4uren. Sie d\u00fcrfen nicht st\u00e4rker als Nuclein-s\u00e4ure sein, weil diese sonst ausgef\u00e4llt werden w\u00fcrde. Der Proze\u00df verl\u00e4uft nicht quantitativ, aber zum Teil, und es entstehen die freien S\u00e4uregruppen.\n3.\tDurch Temperatursteigerungen. Bei hoher Temperatur findet die Inaktivierung fast ganz, aber nicht restlos statt, daher auch keine vollst\u00e4ndige Verfl\u00fcssigung der Gallerte. Dieser Proze\u00df ist ein umkehrbarer und vollzieht sich beim Abk\u00fchlen in entgegengesetzter Richtung.","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"Ein optisch-inaktives Natriumsalz der Nucleins\u00e4ure. 209\nAlle diese Beobachtungen legten mir den Gedanken nahe, da\u00df die schwachen S\u00e4uregruppen in den aktiven Molek\u00fclen nicht frei, sondern in Form von Bindungen Vorkommen, die durch S\u00e4uren, ganz besonders glatt aber durch Alkalien unter Bildung der Salze gel\u00f6st werden. Im ge\u00f6ffneten Zustande der Bindungen ist das Molek\u00fcl der Nucleins\u00e4ure inaktiv. Auch Temperatursteigerungen w\u00fcrden im Sinne einer Aufspaltung und deswegen inaktivierend wirken. Es besteht gro\u00dfe Neigung zum Schl\u00fcsse der Bindungen; dieser vollzieht sich deshalb wieder, wenn die spaltende Ursache beseitigt ist.\nWenn aber eine reversible Inaktivierung durch Temperatursteigerung geschehen kann, so folgt daraus, da\u00df in einer L\u00f6sung von nucleinsaurem Natrium auch bei Zimmertemperatur keineswegs nur aktive Molek\u00fcle bestehen, da\u00df vielmehr auch inaktive Molek\u00fcle vorhanden sind. Mit anderen Worten, es besteht zwischen den inaktiven und aktiven Molek\u00fclen ein Gleichgewichtszustand, der abh\u00e4ngig ist von der Temperatur. Verschieben l\u00e4\u00dft sich dieser Gleichgewichtszustand zugunsten der aktiven Molek\u00fcle durch Zusatz von Salzen (Natriumacetat), Abk\u00fchlung oder gr\u00f6\u00dfere Konzentration, durch welche Ma\u00dfnahmen infolgedessen auch die Gelatinierf\u00e4higkeit erh\u00f6ht wird. Sind die S\u00e4uregruppen einmal mittels Alkalien in stabile, inaktive Salzform gebracht, so ist \u2022 ine Schlie\u00dfung der Bindungen, das Auftreten aktiver Molek\u00fcle im Salzzustande nat\u00fcrlich ausgeschlossen; d. h. das durch Alkali vollst\u00e4ndig inaktivierte nucleins\u00e4ure Natrium ist hinsichtlich seines inaktiven Zustandes und seiner mangelnden Gelatinierf\u00e4higkeit unabh\u00e4ngig von der Konzentration, Temperatur und Salzgehalt, was ja auch durch den Versuch best\u00e4tigt wird.\nDie Inaktivierung des nucleinsauren Natriums durch Alkalien ist etwas so Charakteristisches, da\u00df man dieses Verhalten geradezu als ein bequemes Erkennungsmittel f\u00fcr Nucleins\u00e4uren vom Bau der echten Nucleins\u00e4ure benutzen kann, und man mu\u00df die Nucleins\u00e4uren einteilen in solche, die \" mit Alkali inaktiviert werden k\u00f6nnen, und solche, bei denen","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210 R. Feulgen, Ein optisch-inaktives Natriumsalz der Nucleins\u00e4ure.\ndies nicht m\u00f6glich ist. Zur letzteren Gruppe geh\u00f6rt z. B. die Guanyls\u00e4ure, deren schwache Linksdrehung auch in Gegenwart von starken Alkalien bestehen bleibt. Von Interesse wird also sein, auch andere Nucleins\u00e4uren auf dieses Verhalten hin zu untersuchen.\nZum Schlu\u00df sei auf eine eigenartige Verwendungsm\u00f6glichkeit des inaktiven nucleins\u00e4uren Natriums aufmerksam gemacht. Man kann es als Reagens auf schwache S\u00e4uregruppeu oder auf als S\u00e4ure wirkende Gruppen verwenden. Man w\u00fcrde dabei so verfahren, da\u00df man eine L\u00f6sung von nucleins\u00e4uren) Natrium mit Natronlauge bis fast zum Verschwinden jeglichen Drehverm\u00f6gens versetzt, eine \u00e4quivalente Menge der zu untersuchenden Substanz hinzuf\u00fcgt und polarimetrisch beobachtet: Tritt Drehung auf, so sind S\u00e4uregruppen vorhanden, die st\u00e4rker als die S\u00e4uregruppen in der Nucleins\u00e4ure sind. Es lassen sich so noch S\u00e4uregruppen erkennen, die mit Indikatoren nicht mehr nachgewiesen werden k\u00f6nnen.\nDie Untersuchungen wurden mit Mitteln aus der \u201eGr\u00e4fin Bose-Stiftung\u201c ausgef\u00fchrt.","page":210}],"identifier":"lit20753","issued":"1919","language":"de","pages":"189-210","startpages":"189","title":"Ein optisch-inaktives Natriumsalz der Nucleins\u00e4ure","type":"Journal Article","volume":"104"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:09:21.510510+00:00"}