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{"created":"2022-01-31T14:51:32.602378+00:00","id":"lit20840","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Stepp, Wilhelm","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 109: 99-107","fulltext":[{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Befand von Ameisens\u00e4ure im menschlichen Blute.\nVon\nWilhelm Stepp.\n(Ans der Medizinischen Klinik zn Gie\u00dfen [Prof. Voit].)\n(Der Redaktion zugegangen am 21. Januar 1020.)\nVor kurzem habe ich in dieser Zeitschrift \u00fcber Untersuchungen berichtet, die sich mit den reduzierenden Substanzen des menschlichen Blutes besch\u00e4ftigten*). Es galt festzustellen, ob die durch Reduktionsmethoden (Bertrand und Lehmann-Maquenne) ermittelten \u201eBlutzuckerwerte\u201c auch wirklich nur Glukose anzeigten oder ob neben Traubenzucker noch andere reduzierende Substanzen in gr\u00f6\u00dferer Menge im Blute sich f\u00e4nden. Zu diesem Zwecke wurden neben der Reduktion auch die Polarisation und die G\u00e4rung2) gepr\u00fcft. F\u00fcr die beiden letzteren Methoden waren die mit Phosphorwolframs\u00e4ure enteiwei\u00dften Blutproben vorher noch von der Phosphorwolframs\u00e4ure zu befreien (was durch neutrales Bleiacetat leicht zu bewerkstelligen war); nach Entfernung des Bleis mit Schwefelwasserstoff konnten sie dann leicht im Vakuum bei 38 \u00b0C. auf ein kleines Volumen eingeengt werden.\nDie bei diesen Untersuchungen gewisserma\u00dfen als Nebenprodukt gewonnenen Destillate enthielten nun neben der dem Bleiacetat entstammenden Essigs\u00e4ure noch eine andere saure Substanz. Davon konnte man sich sehr leicht \u00fcberzeugen durch einfache Destillation der bei der Phosphorwolframs\u00e4uref\u00e4llung3) erhaltenen Blut filtrate. Und das gleiche Ergebnis hatten Versuche, in denen Serum mit kolloidalem Eisen-\n*) Diese Zeitsehr. Bd 107, S 20 (1910).\na) Mittels des Lohnsteinsehen Pr\u00e4zisionsg;iiungssaccl)arinieters.\n*) Ohne Zusatz von Schwefels\u00e4ure.\t: \u2022 ,","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"Wilhelm Stepp,\n100\nhydioxyd (unter alleinigem Zusatz von prim\u00e4rem Kaliumphosphat als Elektrolyt) enteiwei\u00dft und dann der Destillation unterworfen war. Bei diesen letzteren Versuchen war die saure Reaktion bei der Destillation nur durch das saure Phosphat hergestellt und jeder Zusatz anderer Substanzen vermieden worden; daher waren die dabei erhaltenen Befunde von besonderer Bedeutung.\nDa\u00df die saure Reaktion der Destillate nicht etwa in der Anwesenheit kleiner Mengen von Salzs\u00e4ure ihre Ursache hatte, lie\u00df sich leicht zeigen durch Pr\u00fcfung mit Silbernitrat, deren Ergebnis stets negativ war.\nIn erster Linie mu\u00dfte an eine fl\u00fcchtige niedere Fetts\u00e4ure gedacht werden. Um die fragliche S\u00e4ure in st\u00e4rkerer Konzentration zu erhalten, wurden die gesammelten Destillate mit Soda bis zur neutralen bzw. schwach alkalischen Reaktion versetzt und auf dem Wasserbad bis zur Trockne eingedampft. Der R\u00fcckstand, der bei den mit Phosphorwolframs\u00e4ure verarbeiteten Blutproben (infolge der reichlichen aus dem Bleiacetat stammenden Essigs\u00e4uremengen) vorwiegend aus Natrium-acetiit bestand, wurde alsdann nach den bekannten Vorschriften mit Quecksilberchlorid auf Ameisens\u00e4ure gepr\u00fcft1). Ich ging dabei in der Regel folgenderma\u00dfen vor: 0,2 g des Trocken* i\u00fcckstands wurden in \u00bb> ccm destillierten Wassers gel\u00f6st, dann eine kleine Messerspitze reinsten Natriumacetats, das als frei von l ormiat befunden war, zugegeben und nun vorsichtig tropfenweise mit 25\u00b0/0iger Salzs\u00e4ure anges\u00e4uert, bis blaues Lackmuspapier schwache Rotf\u00e4rbung zeigte. Da die Reaktion nui dann vollst\u00e4ndig verl\u00e4uft, wrenn die L\u00f6sung nur wenig W asserstoffionen enth\u00e4lt, wurde das Auftreten freier Mineral--\u00e4ure peinlich vermieden, was sich durch die dauernd negative Kongoreaktion kontrollieren lie\u00df. In unseren F\u00e4llen machte dieser Punkt nie Schwierigkeiten, da durch die Anwesenheit reichlicher Mengen von Natriumacetat (aus der Umsetzung des Bleiacetats) die Dissoziation der durch die Salzs\u00e4ure frei\n\u2019) Fincke, Nachweis und Bestimmung der Ameisens\u00e4ure. Biochem.\n/.\u00abMtschr. Bd. M, S. 2.%3 (1913). Hier linden sich zahlreiche Literatur-liinweise.","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dbior (kn Befund von Ameisens\u00e4ure im menschlichen Blute. Jul\ngemachten Essigs\u00e4ure zur\u00fcckgedr\u00e4ngt wurde. Zu der L\u00f6sung wurde dann schlie\u00dflich 1 Tropfen einer natriumacetathaltigen Quecksilberchloridl\u00f6sung (50 g HgCl2, 27,5 g Natriumacetat im Liter)1) gegeben und das Reagenzrohr f\u00fcr mehrere Stunden in ein hei\u00dfes Wasserbad von ca. 70 \u00b0C. Temperatur gebracht. Sp\u00e4terhin wurde nach dem Vorschl\u00e4ge von Fincke2) die Xatriuroacetat enthaltende Quecksilberchloridl\u00f6sung auch noch mit einem Zusatze von Kochsalz versehen. Die L\u00f6sung hatte dann die folgende Zusammensetzung: 200 g Sublimat, 300 g Xatriumacetat, 80 g Kochsalz, Wasser ad 1000 ccm. Der Zusatz von Natriumchlorid hat die Aufgabe, gewisse Verunreinigungen des Quecksilberchlor\u00fcrniederschlags zu vermeiden.\nFast in allen in dieser Weise untersuchten F\u00e4llen trat schon kurz nach dem Einsetzen ins Wasserbad eine wei\u00dfliche Tr\u00fcbung des Reaktionsgemisches ein. Die Tr\u00fcbung nahm dann je nach den F\u00e4llen in mehr oder minder starkem Ma\u00dfe zu und h\u00e4ufig setzte sich ein deutlicher Niederschlag zu Boden. Es war kein Zweifel, es hatte eine betr\u00e4chtliche Kalomel-hildung stattgefunden.\nDie Frage war nun die, ob es erlaubt w\u00e4re, diese Reduktionswirkung auf Ameisens\u00e4ure zu beziehen, oder ob vielleicht andere reduzierende Stoffe zu ber\u00fccksichtigen w\u00e4ren. Seitdem man die Reduktion von Quecksilberchlorid zu Quecksilber-chlor\u00fcr zur Erkennung der Ameisens\u00e4ure ben\u00fctzt, hat man \"tets auch an die M\u00f6glichkeit von T\u00e4uschungen durch die Anwesenheit anderer reduzierender Substanzen gedacht. Sehr eingehend besch\u00e4ftigt sich Fincke mit dieser Fehlerquelle in seiner eingehenden Arbeit3). Von anorganischen S\u00e4uren sind nach ihm die schweflige S\u00e4ure zu ber\u00fccksichtigen, von organischen die Sorbins\u00e4ure, die Glyoxyls\u00e4ure, \"io L\u00e4vulins\u00e4ure, die Zimts\u00e4ure, die Salicyls\u00e4ure und die Fumars\u00e4ure. Mit der Mehrzahl dieser S\u00e4uren braucht man bei der Verarbeitung menschlichen Blutes wohl nicht zu lechnen, \u00fcberdies erkennt man solche S\u00e4uren, wie Fincke\n) I ringsheim in Abderhaldens Handbuch der biochem. Arbeitsmethoden Bd. II, S. 22 (1910).\n9) !\u2022 v.\t3) 1. c.","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"Wilhelm Stepp,\n102\nbemerkt, \u201ean dem abweichenden Aussehen des Niederschlags der nicht kristallinisch und nicht wei\u00df oder gelblich ist wie Quecksilberchlor\u00fcr\u201c. Trotzdem schien es mir unbedingt w\u00fcnschenswert, den Nachweis der Ameisens\u00e4ure noch sch\u00e4rfer zu f\u00fchren. Die Identifizierung durch Darstellung eines geeigneten Salzes (am besten des Bleisalzes) war angesichts der geringen, h\u00f6chstens Milligramme betragenden Mengen von vornherein aussichtslos. Als beste und unbedingt zuverl\u00e4ssige Reaktion auf Ameisens\u00e4ure gilt die von Fenton und Sisson*1) angegebene. Hierbei wird die Ameisens\u00e4ure in saurer L\u00f6sung durch Magnesium zu Formaldehyd reduziert. Wegen seiner Zuverl\u00e4ssigkeit wurde das Formaldehydvei-fahren vom Kaiserlichen Gesundheitsamte als amtliches Verfahren vorgeschlagen.\nIch habe die Pr\u00fcfung der nach Neutralisation mit Soda zur Trockne gebrachten Destillate mit Hilfe dieser Reaktion in der folgenden Weise durchgef\u00fchrt: 1\u20142 g des Pulvers wurden in einem kleinen Erlenmeyer-k\u00f6lbchcn in 10 ccm Wasser gel\u00f6st und mit 5 ccm 25%iger Salzs\u00e4ure versetzt. In diese L\u00f6sung wurden 0,5 g metallischen Magnesiums (in Pulverform) in ganz kleinen Mengen allm\u00e4hlich im Verlaufe von etwa 2 Stunden eingetragen. Wenn man dabei ganz langsam vorgebt, indem man mit einem kleinen Spacktelcken das Pulver in ganz kleinen Mengen in die Fl\u00fcssigkeit liineingibt und f\u00fcr den Anfang das S.h\u00fcttcln vermeidet, so geht die WasserstofFentwicklung nur ganz allm\u00e4hlich vor sich, und st\u00e4rkere Erhitzung des Reaktionsgemisches wird mit Sicherheit vermieden. 1st die ganze Magnesiummenge eingetragen, so gie\u00dft man 5\u20146 ccm des Gemisches in ein weites Reagenzrohr ab, f\u00fcgt erst 2 ccm Milch (am besten rohe) und dann 6 ccm eiscnchloridlialtige 25%ige Salzs\u00e4ure hinzu (auf 100 ccm 25%ige Salzs\u00e4ure ca. 2-3 Tropfen der gew\u00f6hnlichen 10%igen Eisenchloridl\u00f6sung). Nun wird erhitzt und die Fl\u00fcssigkeit ys\u20141 Minute in lebhaftem Sieden erhalten. Nohmen die Fl\u00fcssigkeit oder die an ihrer Oberfl\u00e4che nach Beendigung des Kochens sich ahscliei-denden Eiwei\u00dfflocken eine violette F\u00e4rbung an, so ist die Anwesenheit von Ameisens\u00e4ure mit aller Sicherheit bewiesen.\nDie Probe fiel nun in der Tat, so oft sie angestellt wurde, positiv aus. Allerdings durften nicht zu kleine Mengen Substanz verwendet werden.\n\u2018) Proc. ^Cambridge Phys. Soc. 14, S. 385 (1908). Ref. Chem. Centralbl. 79, 1, 1379 (1908).\nL","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Befand you Ameisens\u00e4ure im menschlichen Blute. 103\nDamit war also der Nachweis der Ameisens\u00e4ure in den bei der Vakuumdestillation der eiwei\u00dffreien Blutausz\u00fcge erhaltenen Destillaten erbracht und dem Quecksilberchloridverfahren die n\u00f6tige Sicherheit gegeben.\nEs galt nun noch weiter die Frage zu pr\u00fcfen: Ist die als Ameisens\u00e4ure erkannte Substanz auch mit Sicherheit als ein Bestandteil des Blutes anzusehen, d. h. kommt sie wirklich als solche im Blut vor oder stellt sie ein Kunstprodukt dar, das w\u00e4hrend der langwierigen Verarbeitung des Blutes entsteht?\nDiese Frage bedurfte der eingehendsten Pr\u00fcfung. Wissen wir doch, da\u00df Ameisens\u00e4ure aus allen m\u00f6glichen organischen Stoffen, insbesondere aber aus Zuckern bei der Destillation w\u00e4\u00dfriger L\u00f6sungen sehr leicht entsteht, und zwar vor allem dann, wenn gr\u00f6\u00dfere Mengen von S\u00e4uren zugegen sind und die Destillation bei gew\u00f6hnlichem Druck, also bei einer Temperatur von 100\u00b0 C., vorgenommen wird.\nBevor wir hierauf eingehen, m\u00f6ge noch eine beachtenswerte Fehlerquelle besprochen werden, die unter Umst\u00e4nden zu bedenklichen T\u00e4uschungen Veranlassung geben k\u00f6nnte. Es ist selbstverst\u00e4ndlich, da\u00df man sicher sein mu\u00df, da\u00df die Substanz, nach der man sucht, nicht etwa schon in den Reagenzien enthalten ist, mit denen man arbeitet. Als ich eine L\u00f6sung von neutralem Bleiacetat (reinstes Pr\u00e4parat von E. Merck), die schon l\u00e4ngere Zeit gestanden hatte, zur Anstellung eines blinden Versuchs benutzte, erhielt ich eine positive Reaktion auf Ameisens\u00e4ure. Die mehrfache Pr\u00fcfung von frisch angesetzten L\u00f6sungen mit Material aus demselben Gef\u00e4\u00df der Packung ergab dagegen einen negativen Befund; ebenso war das Ergebnis der Untersuchung weiterer von Merck gelieferten Gl\u00e4ser mit Bleiacetat. Damit war der Beweis erbracht, da\u00df bei l\u00e4ngerem Stehen von Bleiacetatl\u00f6sungen Formiat entsteht, und es ergab sich die Forderung, nur mit frisch bereiteten L\u00f6sungen zu arbeiten.\nWas nun die m\u00f6gliche Entstehung der Ameisens\u00e4ure als Kunstprodukt bei der umst\u00e4ndlichen Verarbeitung des Blutes","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104\nWilhelm Stepp,\nanlangt, so ist darauf hinzuweisen, da\u00df die Bedingungen, unter denen dies sehr leicht der Fall ist (Wasserdampfdestillation bei gew\u00f6hnlichem Druck, stark mineralsaure Reaktion, hohe Zuckerkonzentration), hier nicht gegeben waren. Die Blutausz\u00fcge wurden bei ganz schwach mineralsaurer Reaktion (1 Tropfen 25%iger HCl auf 100 ccm Fl\u00fcssigkeit) im Vakuum bei 38\u00b0 C. destilliert. Die Zuckerkonzentration war anfangs au\u00dferordentlich niedrig infolge der starken Verd\u00fcnnung des Blutes und \u00fcberstieg nur gegen Ende der Destillation selten l\u00b0/0. Immerhin Spuren von Ameisens\u00e4ure konnten m\u00f6glicherweise auch unter diesen Bedingungen gebildet werden.\nDas wurde direkt im blinden Versuch gepr\u00fcft: 30 ccm einer 0>3%*g\u00ae&L\u00f68ung.von reinstem Traubenzucker \u201eK ahlbaum\u201c wurden genau in der Weise verarbeitet, als ob es sich um Blut mit der gleichen Zucker konzentration gehandelt h\u00e4tte (zun\u00e4chst Zusatz der \u00fcblichen Menge I\u2019hos-phorwolframs\u00e4ure und Wasser bis zum Volumen von 300 ccm. dann Entfernung der Phosphorwolframs\u00e4ure mit Bleiacetat usf., wie sonst). Die Destillation im Vakuum wurde so lange durchgef\u00fchrt, bis das Volumen im Destillationskolben nurmehr 10 ccm und die Zuckerkonzentration 0,9 \u00b0/0 betrug. Das Destillat wurde dann mit Soda neutralisiert, zur Trockro gebracht und der R\u00fcckstand auf Ameisens\u00e4ure gepr\u00fcft.\nEs ergab sich bei Anstellung der Quecksilberchloridprol* in diesem Versuche eine ganz leichte hauchartige Tr\u00fcbung, die wohl nur auf ganz geringe Spuren v\u00f6n Ameisens\u00e4ure zu schlie\u00dfen erlaubte. Immerhin mu\u00dfte man bei der Ait unseres Arbeitens mit der Bildung von Ameisens\u00e4ure \u2014 in allerdings nur minimalen Spuren \u2014 rechnen. Offenbar sind alle Methoden, die sich mit dem Nachweis der Ameisens\u00e4ure in organischem (besonders zuckerhaltigem) Material besch\u00e4ftigen, mit einem kleinen Fehler behaftet. Die meisten Autoren, die sich mit Ameisens\u00e4urebestimmungen befa\u00dft haben, weisen darauf hin. Fincke1) schl\u00e4gt, um ein Urteil \u00fcber die k\u00fcnstliche Bildung der Ameisens\u00e4ure zu gewinnen, vor, in gleich gro\u00dfen Teilen des Destillats quantitative Bestimmungen auszuf\u00fchren. Handelt es sich um pr\u00e4formierte Ameisens\u00e4ure, so mu\u00df ihre Menge in den aufeinanderfolgenden Fraktionen abnehmen.\n\u2019) 1. c.","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Befund von Ameisens\u00e4ure im menschlichen Blute. 105\nWir glaubten \u2014 besonders im Hinblick auf die Befunde an Diabetikern, wovon im folgenden die Rede sein wird \u2014 uns mit der Feststellung eines kleinen Fehlers zufriedengeben zu d\u00fcrfen. Die m\u00f6glicherweise als Kunstprodukt anzusprechenden Spuren von Ameisens\u00e4ure sind f\u00fcr die grunds\u00e4tzliche Frage ihres Vorkommens im menschlichen Blute wohl ohne Bedeutung. Bei quantitativen Bestimmungen mu\u00df man mit etwas zu hohen Werten rechnen.\nDie auf Ameisens\u00e4ure untersuchten Blutproben stammten von einigen normalen Individuen, von Nierenkranken und von Diabetikern. Da die Pr\u00fcfung immer in der gleichen Weise mit gleichen Mengen Destillatr\u00fcckstandes ausgef\u00fchrt wurde, ist wohl bis zu einem gewissen Grade ein Vergleich der Ergebnisse gestattet. Freilich waren ja die der Destillation unterworfenen Blutmengen nicht gleich gro\u00df, was hierbei zu ber\u00fccksichtigen ist.\nBei den untersuchten 3 Normalen (darunter ein sehr kr\u00e4ftiger, bl\u00fchend aussehender Kollege) war die Reaktion sehr deutlich positiv, das Kalomel schied sich als wei\u00dfgelblicher Niederschlag aus.\nUnter den G Nierenkranken befanden sich 4 mit chronischer diffuser Glomerulonephritis im Stadium der Azot\u00e4mie und 2 Nierensklerosen ohne Retention. Auch bei ihnen war die Probe positiv, zum Teil sogar sein-stark.\nWeniger einheitlich war der Befund bei den Diabetikern (12 F\u00e4lle), die zum Teil mehrmals untersucht wurden. Zu meinem Erstaunen fiel hier die Probe ganz verschieden aus. W\u00e4hrend bei einigen die Ausscheidung des Kalomeis in \u00e4hnlicher Weise erfolgte wie bei den Normalf\u00e4llen und bei den Nierenkranken, fand sich bei den anderen nur eine Spur Tr\u00fcbung und bei einzelnen war die Reaktion \u00fcberhaupt g\u00e4nzlich negativ. Das war besonders auffallend im Hinblick auf die Tatsache, da\u00df auch im blinden Versuch eine Spur Kalomelbildung nachzuweisen war. Irgendwelche Beziehungen zwischen dem Grade der Hyperglyk\u00e4mie und der St\u00e4rke der Ameisens\u00e4urereaktion waren nicht mit Sicherheit","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"106\tWilhelm Stepp,\nfestzustellen. Ja, auffallenderweise trifft einer der negativen Befunde gerade mit dem h\u00f6chsten Blutzuckerwert unter den untersuchten F\u00e4llen zusammen. Eh handelte sich um einen Fall von Coma diabeticum mit einem Blutzucker von 0,483% nach Bertrand (0,486\u00b0 nach Maquennc). Au\u00dfer bei diesem Falle war die Ameisens\u00e4urereaktion noch bei zwei anderen v\u00f6llig negativ. Hier waren die Blutzuckerwerte zwar niedriger, aber doch gegen\u00fcber der Norm deutlich erh\u00f6ht (0,355% bei dem einen und 0,23% bei dem anderen). Von den\u2019beiden letzteren F\u00e4llen wurde der eine einige Wochen sp\u00e4ter nochmals untersucht und diesmal bei der Quecksilberchloridprobe eine hauchartige Tr\u00fcbung festgestellt. Bei dem Rest der F\u00e4lle fand sich gleichfalls nur eine haucharth'o Tr\u00fcbung.\nDiese Befunde bei Diabetikern sind in mehrfacher Hinsicht von Wichtigkeit. Zun\u00e4chst einmal sprechen sic* geradezu dagegen, da\u00df die Ameisens\u00e4ure bei der von uns ge\u00fcbten Art des Arbeitens in nennenswerter Menge als Kunstprodukt entsteht. Sonst h\u00e4tte man wohl erwarten m\u00fcssen, da\u00df die st\u00e4rkste Ameisens\u00e4urereaktion dort gefunden worden w\u00e4re, wo der Zuckergehalt der Destillationsfl\u00fcssigkeit am h\u00f6chsten war. Das war jedoch nicht der Fall, vielmehr fiel die Reaktion gerade in dem Falle von Coma diabetic, mit dem hoben Blutzuckerwert v\u00f6llig negativ aus.\nDas Bedenken, da\u00df gr\u00f6\u00dfere Mengen von Ameisens\u00e4ure als Kunstprodukt auftreten, ist nach diesen Befunden wohl unbegr\u00fcndet, und wir d\u00fcrfen die Ergebnisse unserer Untersuchungen ohne R\u00fccksicht darauf beurteilen. Die Tatsache, da\u00df bei Diabetikern die Ameisens\u00e4ure im Blute h\u00e4ufig nur in Spuren oder gar nicht vorzukommen scheint, w\u00e4hrend sie bei den untersuchten Normalf\u00e4llen bisher stets gefunden wurde, ist wohl so zu deuten, da\u00df hier der Abbau des Zuckers, der sonst bis zur Ameisens\u00e4ure geht, gest\u00f6rt ist. Wir m\u00f6chten diese Deutung jedoch vorl\u00e4ufig nur mit aller Zur\u00fcckhaltung aussprechen. Die Ameisens\u00e4ure l\u00e4\u00dft sich, wie es scheint, ohne allzu gro\u00dfe Schwierigkeiten im","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"Cher den Befund von Ameisens\u00e4ure im menschlichen Blute. 107 *\nBlute quantitativ bestimmen1), und so wird es m\u00f6glich sein, die Frage, inwieweit der Ameisens\u00e4uregehalt des Bluts beim Diabetes von den Verh\u00e4ltnissen in der Norm abweicht, sicher zu entscheiden.\nMit der Vorstellung, da\u00df die Ameisens\u00e4ure als ein regelm\u00e4\u00dfiger Bestandteil des normalen Blutes zu betrachten ist, stimmen erst k\u00fcrzlich von W. Autenrieth gemachte Mitteilungen2) \u00fcber den regelm\u00e4\u00dfigen Befund von Ameisens\u00e4ure im Harne des gesunden Menschen aufs beste \u00fcberein. Nach Autenrieth werden im Durchschnitt in 24 Stunden etwa 0,2 g Ameisens\u00e4ure ausgeschieden. \u00dcber das Verhalten diabetischen Harns in Bezug auf Ameisens\u00e4ure liegen zuverl\u00e4ssige Angaben aus neuerer Zeit anscheinend nicht vor.\nI ber den Befund von Ameisens\u00e4ure im menschlichen Blute finden sich in der \u00e4lteren Literatur nur ganz sp\u00e4rliche Angaben: Salkowski wies schon vor 50 Jahren im Blute eines an Leuk\u00e4mie verstorbenen Mannes einen bei saurer Reaktion fl\u00fcchtigen Silbernitrat reduzierenden K\u00f6rper nach3). Sp\u00e4ter hat man, offenbar unter dem Eindruck, da\u00df bei der ilitzekoagulation sehr leicht Ameisens\u00e4ure als Kunstprodukt entstehe, nach diesem K\u00f6rper im Blute nicht mehr gesucht.\n\u2019) Untersuchungen dar\u00fcber sind zurzeit im Gange.\n*) M\u00fcnclin. Med. Wochenschrift Jahrg. 1919, Nr. 31, S. 862.\n3) Virchows Archiv Bd. 50, S. 174 (1870).","page":107}],"identifier":"lit20840","issued":"1920","language":"de","pages":"99-107","startpages":"99","title":"\u00dcber den Befund von Ameisens\u00e4ure im menschlichen Blute","type":"Journal Article","volume":"109"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:51:32.602384+00:00"}