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{"created":"2022-01-31T16:39:14.635093+00:00","id":"lit20862","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Riesser, Otto","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 96: 355-366","fulltext":[{"file":"p0355.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Frage der Ameieene\u00e4urebildung und-Ausscheidung.\nI. Die Bestimmung der Ameisens\u00e4ure in reinen L\u00f6sungen sowie im Harn, nebst einem neuen Verfahren zur Titration\ndes Kalomels.\nVon\nOtto Riesser.\n\u2022 Aus den pharmakologischen Instituten zu K\u00f6nigsberg und Frankfurt a M.\u00bb\n(Der Redaktion /\u00bbgegangen am l.j. Februar ist\u00ab.)\nI. Die Bestimmung der Ameisens\u00e4ure in reinen L\u00f6sungen mit Hilfe eines neuen Kalomel-Titrationsverfahrens. \u2022\nDie zuerst von Porter und Ruyssen,1) dann insbesondere \\on Scala-) beschriebene, heute allgemein \u00fcbliche quantitative Bestimmung der Ameisens\u00e4ure beruht bekanntlich auf der Reduktion von HgGl2, das in w\u00e4sseriger, neutraler oder schwach saurer L\u00f6sung beim Erhitzen auf dem Wasserbade durch Ameisens\u00e4ure in unl\u00f6sliches HgCl \u00fcbergef\u00fchrt wird, nach der Gleichung:\n(!) 2 HgCL + HCOOH = 2 HgCl. -f 2 HCl + CO*.\nDurch Zusatz von Natriumacetat wird die den Reaktions-verlauf st\u00f6rende Wirkung der freien Salzs\u00e4ure ausgeschaltet.* Uber die sonstigen optimalen Bedingungen der Reaktion haben zahlreiche Arbeiten, insbesondere die von Fincke,3) sowie von Franzen und seinen Mitarbeitern4) ausreichende Klarheit geschaffen. Auf diese Arbeiten sei, auch bez\u00fcglich der \u00e4lteren Literatur, verwiesen\t\"\n*) Compt. rend., Bd. 82, S. 1504 (1876). . a) Gazz. chim. italiana. Bd. 20, S. 393 (1890).\n, s) Zusammenfassende Arbeit. Bioch. Zeitschr., Bd. 51, S. 253 (1913).\niQAo ^/ranzen und Greve> Journ. f. prakt. Chemie* Bd. 80, S. 368 1909). Franzen und Egger, Ebenda. Bd. 83. S. 313 (1911).\nHoppe-Seyler\u20188 Zeitschrift f. physiol. Chemie. XCVI.\t25\n","page":355},{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"Otto Riesser,\n^ Im allgemeinen wird durch W\u00e4gung des filtrierten und getrockneten Kaiomels auf Grund einfacher Berechnung die Menge der Ameisens\u00e4ure bestimmt. Dieses Verfahren, das sehr genaue Resultate ergibt, bedingt indessen bei Serienbestimmungen, insbesondere im StofTweehselversuch, durch die gro\u00dfe Zahl der erforderlichen W\u00e4gungen und das Trocknen zur Gewichtskonstanz einen recht erheblichen Zeitaufwand, der besonders da erschwerend ins Gewicht f\u00e4llt, wo (z. B. bei Bestimmungen im Harn) eine vorherige zeitraubende Isolierung der Ameisens\u00e4ure aus Gemengen mit anderen Substanzen durch \u00c4therextraktion und Destillation voraufgehen mu\u00df. Es haben daher schon Auerbach und Pl\u00fcddemann,1) in Ausgestaltung des von Porter und Ruvssen angegebenen Verfahrens, eine Methode vorgeschlagen, die in der Titration des \u00fcbersch\u00fcssig angewandten HgCL, nach der Reduktion besteht. Aus dem Verlust an llgCl2 berechnet sich dann leicht die Menge des gebildeten HgCl bezw. der Ameisens\u00e4ure. Bei diesem Verfahren wird die in bestimmter Menge angewandte HgCl2-L\u00f6sung von bekanntem Gehalt, nach Abfiltrieren vom Kalomel, solange zu 2 ccm einer JK-L\u00f6sung bekannter Konzentration zugetropft, bis gerade ein bleibender Niederschlag von rotem HgJ2 entsteht. Die so gefundenen Zahlen bed\u00fcrfen allerdings wegen gewisser Komplikationen der Doppelsalzbildung einer empirisch festgestellten und auch theoretisch begr\u00fcndeten Korrektur, die zu genauen Resultaten f\u00fchrt. Obwohl dieses Verfahren zweifellos eine Zeitersparnis bedeutet und auch in der Nachpr\u00fcfung durch Fincke sich als zuverl\u00e4ssig erw\u2019ies, hat es sich gegen\u00fcber der einfacheren gravimetrischen Methode nicht einb\u00fcrgern k\u00f6nnen, die auch heute noch in den Lehrb\u00fcchern'als einzige Methode angef\u00fchrt zu werden pflegt.\nIch habe nun neuerdings, in der Absicht, die Bestimmung f\u00fcr Stoffwechselversuche abzuk\u00fcrzen, ein einfaches titrimetrisches Verfahren ausgearbeitet, das eine direkte Titration des gebildeten Kalomeis selbst gestattet. Es beruht auf den Angaben der unter Rupps Leitung ausgef\u00fchrten Dissertation von H. M\u00e4der (K\u00f6nigsberg i. Pr. 1913), der die Bedingungen einer\n') Arb. aus d. kais. Gesundheitsamt, Bd. 30. S. 178 (1909).","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Frage der Ameisens\u00e4urebildung und -Ausscheidung. 357\nschnellen Oxydation und L\u00f6sung von Kalomel durch Br, in saurer L\u00f6sung studiert hat. Genau wie Br2 vermag aber auch Jod bei Gegenwart von \u00fcbersch\u00fcssigem JK in salzsabrer L\u00f6sung Kalomel glatt zu HgCl2 zu oxydieren, nach der Gleichung: ^ (II) 2 HgCl -(- J* -f- 2 HCl = 2 HgCl, -(- 2 H.I.\nDie Reaktion verl\u00e4uft bei gew\u00f6hnlicher Temperatur.\nDa die Gegenwart von \u00fcbersch\u00fcssigem HgCl,, sowie von Na-Acetat und NaCl, wie sie zur Bereitung der HgCl2-Mischung ben\u00f6tigt wird, die Reaktion in keiner Weise beeinflu\u00dft (vorausgesetzt, da\u00df ein \u00dcberschu\u00df von JK zugesetzt wird), so braucht man das Kalomel nicht einmal zu filtrieren, sondern kann die Oxydation des HgCl direkt in der Reaktionsfl\u00fcssigkeit vornehmen. Durch Verwendung einer Vio-n-Jodl\u00f6sung und R\u00fccktitration mittels Vio-n-Natriumthiosulfat in der \u00fcblichen Weise l\u00e4\u00dft sich die Menge des verbrauchten Jods' und damit, nach Gleichung I und II, die Menge des HgCl bezw. der Ameisens\u00e4ure schnell und bequem feststellen.\nDas Verfahren, zun\u00e4chst an L\u00f6sungen reinen Natrium-formiats gepr\u00fcft, gestaltet sich folgenderma\u00dfen.\nVersuch I. Angewandt eine L\u00f6sung von 0,4002 g reinen, im Vakuum \u00fcber H2S04 getrockneten ameisensauren Natriums1) in 200 ccm Wasser.\n10 ccm dieser L\u00f6sung, mit einem Gehalt von. 0,0135 g Ameisens\u00e4ure, werden in einem Erlenmeyer-K\u00f6lben von 200 ccm Inhalt mit ca. 20 ccm Wasser verd\u00fcnnt und mit 10 ccm einer HgCl2-Mischung versetzt, die, den Angaben von Franzen und G reve (1. c.) folgend, 200 g HgCl,, 300 g Na-Acetat und 80 g NaCl im Liter enth\u00e4lt. Ein erheblicher HgCI2-\u00dcberschu\u00df (mindestens das 10\u2014l\u00f6fache der angewandten Ameisens\u00e4ure) ist erforderlich. Es ist wesentlich, die genannte konzentrierte und NaCl-haltige L\u00f6sung zu benutzen, worauf unten noch zur\u00fcckgekomraen wird. Das Erlenmeyer-K\u00f6lbchen\n*) Die Reinheit des Pr\u00e4parats geht aus folgender gravimetrischer Bestimmung hervor. Angewandt eine L\u00f6sung von 0,4007 g Formiat in 200 ccm Wasser. Davon je 10 ccm enthaltend 0,0137 g Ameisens\u00e4ure zur Bestimmung. Gefunden 0,1420 und 0,1410 g HgCl entsprechend 0,0138 bezw. 0,0137 g Ameisens\u00e4ure.\n25* \u2018","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358\nOtt\u00ab Riesser,\nwird bei aufgesetztem Trichter (oder Steigrohr) 6 Stunden auf dem l\u00e8bhaft siedenden Wasserbade erhitzt. Beim Eintauchen in das Wasserbad kann die Dauer des Erhitzens auf 2 bis 3 Stunden abgek\u00fcrzt werden (Fincke). Die Abscheidung des Kalomels in sch\u00f6n krystallinischer Form beginnt nach wenigen Minuten.\nNach beendeter Reaktion und Abk\u00fchlen des K\u00f6lbchens setzt man, ohne zu filtrieren, zun\u00e4chst lO\u00e7cm 25\u00b0/oiger Salzs\u00e4ure, sodann einen reichlichen \u00dcberschu\u00df von reinem JK in konzentrierter w\u00e4sseriger L\u00f6sung hinzu (auf je 10 ccm der obigen HgCl2-Mischung 4 g JK), wobei der im ersten Moment auftretende rote HgJ2-Niederschlag sich sofort wieder l\u00f6st, aber auch das Kalomel teilweise in L\u00f6sung geht ; ein Rest schwimmt ungel\u00f6st in und auf der L\u00f6sung. Ohne dies weiter zu beachten, gibt man nun einen \u00dcberschu\u00df von 1ho n-Jodl\u00f6sung hinzu, in unserem Versuch 15,0 ccm, verschlie\u00dft den Kolben mit gut sitzendem Stopfen und schwenkt einige Male leicht um. Das vorher noch ungel\u00f6st gebliebene Kalomel l\u00f6st sich nunmehr sofort auf, die L\u00f6sung wird v\u00f6llig klar.\nSchlie\u00dflich titriert man mittels Vio-n-Natriumthiosulfat-l\u00f6sung und Jodkaliumst\u00e4rkel\u00f6sung als Indikator zur\u00fcck. Im vorliegenden Versuch ergab sich so ein Verbrauch von 5,8 ccm Vio-n- Jodl\u00f6sung.\nNach Gleichungen I und II kommen auf 1 Mol. J2 2 Mol. HgCl bezw. 1 Mol. Ameisens\u00e4ure (Mol.-Gew. 46). Somit ergibt die Zahl der verbrauchten Kubikzentimeter Vio4-Jodl\u00f6sung mit 0,0023 multipliziert die Menge der angewandten Ameisens\u00e4ure in Gramm.\nEs sihd also gefunden 5,8 X 0,0023 = 0,0133 g Ameisens\u00e4ure statt der angewandten 0,0135 g.\nZwei gleichzeitig angesetzte Versuche mit derselben L\u00f6sung ergaben dieselbe Zahl.\nAlle \u00fcbrigen Versuche, von denen hier nur einige angef\u00fchrt seien, wurden nach der gleichen Vorschrift ausgef\u00fchrt und gaben ausnahmslos exakte Resultate.\nVersuch 2. Angewandt eine L\u00f6sung von 0,4998 g Na-Formiat in 200 ccm Wasser.","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Frage der Ameisens\u00e4urebildung und -Ausscheidung. 359\nHiervon 10 ccm, enthaltend 0,0169 g Ameisens\u00e4ure zur Bestimmung.\nVerbraucht : 7,2 ccm1 /io-n-Jodl\u00f6sung, entsprechend 0,0166 g Ameisens\u00e4ure.\t(\nVersuch 3. Angewandt eine L\u00f6sung von 0,5004 g Na-Formiat in 250 ccm Wasser.\n10 ccm davon, enthaltend 0,0135 g Ameisens\u00e4ure, zur Bestimmung.\nVerbraucht: 5,97 ccm Vio-n-Jodl\u00f6sung, entsprechend 0,0137 g Ameisens\u00e4ure.\nVersuch 4. Angewandt eine L\u00f6sung von 1,0000 g Na-Formiat in 500 g Wasse\u00ef.\n10 ccm hiervon, enthaltend 0,0137 g Ameisens\u00e4ure zur Bestimmung.\nVerbraucht:\t5,95\tccm\tVio-n-Jodl\u00f6sung\tentsprechend\n0,0137 g Ameisens\u00e4ure.\nVersuch 5. 5 ccm derselben Formiatl\u00f6sung enthaltend 0,0068 g Ameisens\u00e4ure.\nVerbraucht:\t3,0\tccm\tVio-n-Jodl\u00f6sung\tentsprechend\n0,0069 g Ameisens\u00e4ure.\nVersuch 6. 3,7 ccm der L\u00f6sung von Versuch 3, enthaltend 0,0050 g Ameisens\u00e4ure.\nVerbraucht:\t2,27\tccm\tVio-n-Jodl\u00f6sung\tentsprechend\n0,0052 g.\nVersuch 7. 1 ccm derselben L\u00f6sung, enthaltend 0,0014 g Ameisens\u00e4ure (5 ccm HgCl2-Mischung).\nVerbraucht:\t0,70\tccm\tVio-n-Jodl\u00f6sung\tentsprechend\n0,0016 g Ameisens\u00e4ure.\nDa\u00df auch gr\u00f6\u00dfere Verd\u00fcnnung keinen Fehler bedingt, zeigt folgender Versuch.\nV ersuch 8. 10 ccm derselben L\u00f6sung, enthaltend 0,0135 g Ameisens\u00e4ure +\t100\tccm\tWasser und 10\tccm HgCl2-\nMischung.\nVerbraucht: 5,85 ccm , Vio-n-Jodl\u00f6sung entsprechend 0,0135 g Ameisens\u00e4ure.\t.\nEs wurde oben schon erw\u00e4hnt, da\u00df die Zusammensetzung der zur Bestimmung benutzten HgCl2-Mischung nicht gleich-","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"mo\nOtto Riesser,\ng\u00fcltig ist. Nicht nur Na-Acetat, auch NaCl mu\u00df in erforderlicher Menge vorhanden sein.1) Zahlreiche Versuche mit der \u00e4lteren, auch heute noch in den Lehrb\u00fcchern angegebenen L\u00f6sung, die neben 50 g HgCl2 27,5 g Na-Acetat enth\u00e4lt, haben erwiesen, da\u00df in diesem Fall, auch bei Anwendung eines erheblichen \u00dcberschusses an HgCl,, stets ein Teil des HgCl weiter zu metallischem Hg reduziert wird. Behandelt man n\u00e4mlich diese Niederschl\u00e4ge, denen \u00e4u\u00dferlich die Hg-Beimengung nicht ohne weiteres anzusehen ist, nach Zusatz von HCl und .1K mit Jod, so l\u00f6st sich nur das HgCl, w\u00e4hrend sich ein H\u00e4ufchen grauen, metallischen Quecksilbers am Boden des Gef\u00e4\u00dfes ansammelt. Dadurch entstehen bei der Titration naturgem\u00e4\u00df grobe Fehler.\nBei der gravimetrischen Methode tritt diese Beimengung nicht so leicht zutage, wie eine einfache \u00dcberlegung ergibt. Selbst bei'einer recht erheblichen Beimengung von Hg zum HgCl ist die W\u00e4gungsdifferenz angesichts des hohen Verh\u00e4ltnisses von Hg = 198,5 zu CI 35,5 eine relativ geringe und der Fehler vermindert sich noch mehr bei der Endberechnung, bei der auf 2 HgCl = 468 1 Ameisens\u00e4ure = 46 kommt. Dennoch wird man k\u00fcnftig auch bei der gravimetrischen Methode die NaCl-haltige Mischung nach Franzen und Greve anwenden m\u00fcssen, mit der stets nur reines HgCl gebildet wird.\nII. Die Bestimmung der Ameisens\u00e4ure im Harn.\nBei allen \u00e4lteren Versuchen, die Ameisens\u00e4ure, sei es im Harn, sei es in Lebensmitteln zu bestimmen, hat man sich bis in die j\u00fcngste Zeit damit begn\u00fcgt, die Isolierung der Ameisens\u00e4ure und ihre Trennung von sonstigen nicht fl\u00fcchtigen Bestandteilen durch Wasserdampfdestillation der mit Phosphors\u00e4ure oder Weins\u00e4ure versetzten Gemenge zu erzielen. Das neutralisierte und eingeengte Destillat wurde dann weiterhin in der \u00fcblichen Weise zur Bestimmung mittels der HgCl,-Reduktionsmethode von Scala verwandt.\n*) Schon Fincke empfiehlt den NaCl-Zusatz \u00abum gewisse Verunreinigungen des HgCl zu vermeiden\u00bb.","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Frage der Ameisens\u00e4urebildung und -Ausscheidung. 361\nEs kann nun aber kein Zweifel dar\u00fcber bestehen, da\u00df dieses Verfahren der direkten Destillation des Harns aus dem Grunde keine einwandfreien Ergebnisse liefern kann, weil fast stets mit einer sekund\u00e4ren Bildung von Ameisens\u00e4ure beim Erhitzen des Harnes mit S\u00e4ure gerechnet werden mu\u00df, insbesondere aus Kohlenhydraten. Dakin, JanneyundWake-man,1) die gerade im Hinblick hierauf ein Verfahren zur Isolierung der Ameisens\u00e4ure aus dem Harn ausarbeiteten, gehen nicht zu weit mit der Behauptung, da\u00df alle bisher ausgef\u00fchrten Bestimmungen der Ameisens\u00e4ure im Harn, da sie jene Fehlerquelle nicht ber\u00fccksichtigten, nicht als zuverl\u00e4ssig zu betrachten seien. Auch die Destillation des anges\u00e4uerten Harnes bei niederer Temperatur und vermindertem Druck erscheint den Verfassern in dieser Hinsicht nicht sicher. Nachdem ich selbst die Erfahrung gemacht hatte, da\u00df bei der Destillation des anges\u00e4uerten Kaninchenharnes die Abspaltung fl\u00fcchtiger S\u00e4uren scheinbar ununterbrochen weitergeht, habe ich mich weiterhin ausschlie\u00dflich des von Dakin ausgearbeiteten Verfahrens bedient, das, wenngleich es umst\u00e4ndlicher ist, den Vorzug der Zuverl\u00e4ssigkeit bietet. Nach diesem Verfahren geht der Destillation eine Extraktion des anges\u00e4uerten Harnes mit \u00c4ther voraus, wobei ins \u00c4thergef\u00e4\u00df ein \u00dcberschu\u00df von Sodal\u00f6sung gebracht wird. Dadurch wird die jeweils extrahierte S\u00e4ure als Na-Salz abgefangen. Die sodaalkalische L\u00f6sung, die nun sicher frei von Kohlenhydraten und anderen st\u00f6renden Substanzen ist, und tats\u00e4chlich nur eine geringe Menge in \u00c4ther l\u00f6slicher S\u00e4uren enth\u00e4lt, wird nunmehr mit Phosphors\u00e4\u00fcre anges\u00e4uert und im Dampfstrom destilliert. Dieses Verfahren, an L\u00f6sungen reinen Natriumformiats gepr\u00fcft, ergab in Dakins sorgf\u00e4ltigen Versuchen die quantitative Wiedergewinnung der angewandten Ameisens\u00e4ure. Es wurde dann auf die Bestimmung im Harn angewandt, wobei allerdings von Dakin nicht besonders festgestellt wurde, ob auch in diesem Fall zugesetzte Ameisens\u00e4ure quantitativ wiedergewonnen werden kann.\nIn der Tat haben mir selbst die ersten Versuche, nach dem Dakinschen Verfahren zum Harn zugesetzte Ameisen-\n1 Journ. of biol. Chcm. Bd. 14, S. 134 (1913).","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"m\nOtto Riesser,\ns\u00e4ure wiederzugewinnen, keine voll befriedigenden Ergebnisse geliefert. Ich extrahierte vorschriftsgem\u00e4\u00df 12 Stunden mit einem schnellen \u00c4therstrom und zwar im Extraktionsapparat von Steud\u00eal und folgte im \u00fcbrigen genau den von Dakin gegebenen Anweisungen. Nur bestimmte ich die Menge des Kalomels nicht durch W\u00e4gen, sondern mittels des in der vorhergehenden Mitteilung beschriebenen Titrationsverfahrens.\nBenutzt wurde der in einigen Kubikzentimetern Toluol aufgefangene 48 st\u00fcndige Mischharn zweier Kai\u00c2nchen, der durch ein feuchtes Filter gegossen ein absolut klares Filtrat gibt.\nVersuch 1. 26. 6. 14. Harnmenge 430 ccm.\nDavon je 215 ccm, Portion A und B, zur Bestimmung. Zu B wurden 10 ccm einer Na-Formiatl\u00f6sung, mit 0,0160 g Ameisens\u00e4ure, zugesetzt. Extraktionsdauer 12 Stunden. Menge des Destillats 2000 ccm.\nA verbraucht 0,8 ccm Vio-n-Jodl\u00f6sung, entsprechend 0,0018 g Ameisens\u00e4ure.\nB verbraucht 6,9 ccm Vio-n-Jodl\u00f6sung, entsprechend 0.0159 g Ameisens\u00e4ure.\nVon der in B insgesamt vorhandenen Menge: 0,0160 -f 0,0018 g = 0,0178 g sind also 0,0159 g wiedergefunden, ^ was einem Fehler von 1,9 mg oder 10,7 \u00b0/o entspricht.\nVersuch 2. 1. 7. 14. 180 ccm Harn. In 2 Portionen zu je 90 ccm verarbeitet, A ohne Zusatz, B mit Zusatz von 0,0317 g Ameisens\u00e4ure als Formiat. Extraktionsdauer 12 Stunden, Destillat 2000 ccm.\ni\t\u2022\nA verbraucht 0,2 ccm Mio-n-Jodl\u00f6sung, entsprechend 0,00046 g Ameisens\u00e4ure.\nB verbraucht 12,8 ccm Vio-n-Jodl\u00f6sung, entsprechend 0,02944 g Ameisens\u00e4ure.\nVon den in B vorhandenen 0,03170 + 0,00046 = 0,03216 g Ameisens\u00e4ure sind also wiedergefunden 0,02944 g, was einem Fehler von 2,7 mg oder 8,4 o/o entspricht.\nEinige weitere Versuche ergaben \u00e4hnliche Werte. So wurden gefunden:\nin Versuch 3 statt insgesamt 0,0154 g Ameisens\u00e4ure 0,0136 g. Fehler: 1,8 mg bezw. 11,7 \u00b0/o,","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Frage der Ameisens\u00e4urebildung und -Ausscheidung 863\nin Versuch 4 statt insgesamt 0,0166 g Ameisens\u00e4ure 0,0152 g. Fehler: 1,4 mg bezw. 8,4 \u00b0/o,\nin Versuch 5 statt insgesamt 0,0156 g Ameisens\u00e4ure 0,0131 g. Fehler 2,5 mg bezw. 16,0 #/o.\nDer Fehler betrug also im Durchschnitt von 5 Versuchen 2,06 mg, bezw. 11,04 \u00b0/0.\nAus diesen Ergebnissen mu\u00dfte der Schlu\u00df gezogen werden, da\u00df eine 12-st\u00fcndige. Extraktion zur Entfernung der gesamten Ameisens\u00e4ure aus dem Harn nicht gen\u00fcgt, was nat\u00fcrlich nicht ausschlie\u00dft, da\u00df eine verl\u00e4ngerte Extraktion schlie\u00dflich doch zum Ziele f\u00fchrt. Aus praktischen Gr\u00fcnden mu\u00df aber ein wiederholtes, tagelanges Extrahieren, insbesondere bei Serien-bezw. Stoffwechselversuchen vermieden werden, zumal ja jedes Extrakt auch nochmals zu destillieren ist. Da mir bekannt war, da\u00df \u00e4hnliche Schwierigkeiten bei der quantitativen Wiedergewinnung der Milchs\u00e4ure aus dem Harn erst durch Anwendung eines mit R\u00fchrwerk versehenen Extraktionsapparates hatten \u00fcberwunden werden k\u00f6nnen, so ging ich nun zu Versuchen \u00fcber, in denen ich die Extraktion im rotierenden Extraktionsapparat von Embden und Lind vornahm.1) Herr Prof. Embden gestattete mir g\u00fctigst die Benutzung des in seinem Institut gebr\u00e4uchlichen Apparates.\nDie Versuche f\u00fchrten sofort zu erheblich besserep Ergebnissen. Sie seien im folgenden eingehend beschrieben: Das Verfahren schlie\u00dft sich eng an die Vorschriften von Dakin an.\nVersuch 6. Kaninchen von 3 kg Gewicht. F\u00fctterung 1 kg R\u00fcben t\u00e4glich. Der Harn wurde, da er f\u00fcr die Extraktion im Lind sehen Apparat doch mit Ammonsulfat ges\u00e4ttigt werden mu\u00df, in 100 g festem Ammonsulfat aufgefangen, wodurch gleichzeitig der Eintritt der F\u00e4ulnis hintenangehalten wird.\nHarn vom 8. 12. 15, (einschlie\u00dflich 100 g Ammonsulfat) 660 ccm.\nDavon werden 2 Portionen, A und B, zu je 200 ccm in Erlenmeyer-Kolben von 500 ccm gebracht und mit je weiteren 50 g Ammonsulfat versetzt.\n.') Abderhaldens Handb. der biochemischen Arbeitsmethoden, Bd. 8, S. 339.","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364\nOtto Riesser.\nA bleU>t ohne Zusatz; zu \u00df kommen 10 ccm einer Na-Formiat-L\u00f6sung, mit 0,0135 g Ameisens\u00e4ure.\nNach \u00dcberschichten mit etwas \u00c4ther wird im Erl en -mey e r-Kolben selbst vorsichtig und portionsweise mit konzentrierter Phosphors\u00e4ure bis zur stark sauren Reaktion vers\u00e9tzt. Der \u00c4ther hemmt das im Beginn sehr starke Sch\u00e4umen und f\u00e4ngt gleichzeitig etwa mitgerissene Ameisens\u00e4ure ab. Der Inhalt des Kolbens wird nunmehr quantitativ mit Hilfe ges\u00e4ttigter Ammonsulfatl\u00f6sung in die Extraktionsgef\u00e4\u00dfe des Lind sehen Apparats gebracht. In das \u00c4ther-Siedegef\u00e4\u00df kommen 20 ccm 5 \u00b0/oiger Sodal\u00f6sung.\nNach 10 st\u00e4ndigem Extrahieren bei lebhafter Drehung des R\u00fchrers und kr\u00e4ftigem \u00c4therstrom wird der Inhalt des \u00c4ther -Siedegef\u00e4\u00dfes mitsamt der Sodal\u00f6sung, die sich br\u00e4unlich gef\u00e4rbt hat und die gesamten in \u00c4ther l\u00f6slichen S\u00e4uren enth\u00e4lt, in einen Scheidetrichter gebracht. Die Sodaf\u00f6sung wird abgelassen, der \u00c4ther noch einige Male mit wenig Sodal\u00f6sung, schlie\u00dflich mit Wasser gewaschen.\nDie vereinigten w\u00e4sserigen L\u00f6sungen (tunlichst nicht mehr als 50\u201470 ccm) bringt man in den zur Destillation benutzten lang-halsigen Kjeldahl-Kolben von lh Liter Inhalt. Als Anordnung des Destillationsapparats habe ich mit Vorteil die von Franzen und Greve empfohlene und durch eine Abbildung in ihrer Arbeit (1. c.) erl\u00e4uterte verwendet: Dampfentwickler, Kjeldahl-Kolben mit Destillationsaufsatz, gerader Schlangenk\u00fchler.\nNach Ans\u00e4uern mit konzentrierter Phosphors\u00e4ure wird nunmehr mit kr\u00e4ftigem Dampfstrom destilliert, wobei man, durch geeignetes Einstellen der unter dem Kjeldahl-Kolben befindlichen Flamme, ein Einengen der zu destillierenden Fl\u00fcssigkeit bis auf ca. 30 ccm herbeif\u00fchren soll.\nDie Destillate, stets 1500 ccm, werden in einigen Kubikzentimetern Sodal\u00f6sung aufgefangen. Die deutlich alkalisch reagierende L\u00f6sung wird, zuerst auf dem Asbestnetz \u00fcber freier Flamme, sodann auf dem Wasserbade, bis auf ca. 30 ccm eingedampft, in einen Erlenmeyer-Kolben von 200 ccm filtriert und das Filter sorgf\u00e4ltigst ausgewaschen. Man neutralisiert nun im Kolben durch tropfenweisen Zusatz von konzentrierter","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Frage der Ameisens\u00e4urebildung und -Ausscheidung. 365\nSalzs\u00e4ure, wobei man sich vor Verlusten beim Aufsch\u00e4umen noch durch Aufsetzen eines Trichters sch\u00fctzen kann. Schlie\u00dflich wird die L\u00f6sung gerade schwach sauer gemacht, mit der gen\u00fcgenden Menge HgC^-Mischung versetzt (vgl. S. 357) und in der \u00fcblichen Weise auf dem Wasserbade erhitzt. Endlich wird, nach Abk\u00fchlen, im gleichen Kolben titriert.\nPortion A. verbraucht 5,03 ccm Wio-n-Jodl\u00fcsung, entsprechend 0,0116 g Ameisens\u00e4ure. Dies ergibt, auf die Gesamtharnmenge von 660 ccm umgerechnet, eine Tagesausscheidung von 0,0382 g.\nB verbraucht 10,60 ccm V/io-n-Jodl\u00f6sung, entsprechend 0,0244 g Ameisens\u00e4ure. Von der Gesamt-Ameisens\u00e4ure in B, die 0,0116 -(- 0,0135 = 0,0251 g betrug, sind also 0,0244 g wiedergefunden worden, was einem Fehler von \u2014 0,7 mg oder 2,8 \u00b0/o entspricht.\nVersuch 7. Harn vom 15. 12. 15. 545 ccm. Verarbeitet je 200 ccm wie oben.\nA ohne Zusatz ; B mit Zusatz von 5 ccm einer Natrium-formiatl\u00f6sung mit 0,00675 g Ameisens\u00e4ure.\nA verbraucht 1,88 ccm Vio-n-Jodl\u00f6sung, entsprechend 0,00432 g Ameisens\u00e4ure. Im Gesamt-Tagesharn (515 ccm) sind demnach 0,0147 g enthalten.\nB verbraucht 4,60 ccm Vio-n-Jodl\u00f6sung, entsprechend 0,0106 g Ameisens\u00e4ure.\nVon der gesamten Ameisens\u00e4ure in B, 0,00432\t0,00675\n= 0,0111 g, sind demnach 0,0106 g wiedergefunden, was einem Fehler vo\u00bb* \u2014 0,5 mg oder 4,5 \u00b0/o entspricht.\nVersuch 8. Harn vom 16. 12. 15. 560 ccm. Davon 2 Portionen zu je 200 ccm verarbeitet.\nA ohne Zusatz ; B mit Zusatz von 0,0137 g Ameisens\u00e4ure als Formiat.\nA verbraucht 1,07 ccm Vio-n-Jodl\u00f6sung, entsprechend 0,0024 g Ameisens\u00e4ure. Im Gesamt-Tagesharn (560 ccm) sind also 0,0069 g ausgeschieden.\nB verbraucht 7,04 ccm Vio-n-Jodl\u00f6sung, entsprechend 0,0162 g Ameisens\u00e4ure.\nVon den insgesamt in B enthaltenen 0,0024'-f- 0,0137 = 0,0161 g sind demnach wiedergefunden0,0162 g. FehlerO,0\u00b0/o.","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"36H Otto R iesser, \u00dcber Ameisensiiurebildung und -Ausscheidung.\nAus den letzten Versuchen, die mit zunehmender Er-fahrung und Einarbeitung stetig sich bessernde Ergebnisse lieferten, geht somit hervor, da\u00df das von Dakin vorgeschlagene Verfahren auch in seiner Anwendung auf den Kaninchenharn exakte Zahlen liefert, jedoch nur dann, wenn die \u00c4therextraktion im rotierenden Apparat oder in ein\u00e8r \u00e4hnlich intensiven Weise vorgenommen wird. Einfaches 12 st\u00e4ndiges Extrahieren gen\u00fcgt nicht. \u2014 Versuche \u00fcber die Ameisens\u00e4ureausscheidung, unter besonderer Ber\u00fccksichtigung der Frage der endogenen Ameisens\u00e4urebildung, sind im Gange.\ni","page":366}],"identifier":"lit20862","issued":"1915-16","language":"de","pages":"355-366","startpages":"355","title":"Beitr\u00e4ge zur Frage der Ameisens\u00e4urebildung und -Ausscheidung, I: Die Bestimmung der Ameisens\u00e4ure in reinen L\u00f6sungen sowie im Harn, nebst einem neuen Verfahren zur Titration des Kalomels","type":"Journal Article","volume":"96"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:39:14.635099+00:00"}