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{"created":"2022-01-31T16:39:37.365423+00:00","id":"lit20864","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Lifsch\u00fctz, I.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 110: 29-40","fulltext":[{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge rar Kenntnis des Wollfettes.\n(Die \u00bb\u00d6lige Sftire\u201c.)\n(VII. Mitteilung1.)\nVon\nI. LifscMtz.\n(Der Redaktion zugegsngen am 86. M\u00e4rz 1920.)\nDas Sekret der Schafwolle, das aus den Wollwaschw\u00e4ssern gewonnen und als sogenanntes \u201eWollfett\" in den Handel gebracht wird, ist seiner chemischen Natur und Zusammensetzung nach eine ausgesprochene Wachsart. Seine physikalischen Eigenschaften (Konsistenz, Schmelzbarkeit usw.) pr\u00e4gen ihm jedoch den Charakter eines Fettes auf. * Aber auch in der Klasse der Wachsarten nimmt das Wollfett eine durchaus isolierte Sonderstellung ein. W\u00e4hrend n\u00e4mlich fast alle Wachsarten mindestens zum \u00fcberwiegenden Teil einheitliche Zusammensetzungen aufweisen und aus ges\u00e4ttigten hoch-schmelzbaren Fetts\u00e4uren und Alkoholen der Fettreihe bestehende Esterkomplexe darstellen, so besteht das Wollfett aus einer vielgliedrigen Reihe von Estern zahlreicher ges\u00e4ttigter und unges\u00e4ttigter Alkohole und \u2014 den bisherigen Ansichten nach >7 auch aus unges\u00e4ttigten Fetts\u00e4uren der Fettreihe. Die Schmelzbarkeit bewegt sich beim sauren Teil zwischen ca. 20\u2014104\u00b0 C. und beim unverseifbaren Teil zwischen schmelzartiger Konsistenz bis zum bei 1459 C. schmelzenden Cholesterin. Da\u00df die von dem physikalischen Mehlt11\u00bb aufgedr\u00e4ngte Anschauung von diesem merkw\u00fcrdigen K\u00fcrperkomplex als eines eigentlichen Fettes auch die Erkenntnis von seiner chemischen Natur bei einem etwaigen Untersucher\nl) Vorhergehende Mitteilungen siehe \u00abBerichte* Bdd. 1895 bis 1899.","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nI. Lifschtttz,\nzu beeinflussen, ja zu beeintr\u00e4chtigen und zu verwirren geeignet ist, liegt auf der Hand. Hierzu kommt noch die au\u00dferordentliche Kompliziertheit dieses Komplexes und die h\u00e4ufig fast un\u00fcberwindlichen Schwierigkeiten, die sich den exakten Trennungen der zahlreichen einzelnen Substanzen in den Weg stellen. Es ist daher nur zu nat\u00fcrlich, wenn man in der \u00e4lteren Literatur Angaben begegnet \u00fcber Bestandteile des Wollfettes, die zu dem Begriffe eines eigentlichen Fettes wohl stimmen, die aber mit manchen Reaktionen'beim chemischen Eingreifen damit nicht in Einklang zu bringen sind. So sind von \u00e4lteren Autoren Stearins\u00e4ure, Palmitins\u00e4ure und \u00d6ls\u00e4ure, ja selbst Glyzerin im Wollfett festgestellt worden, die aber bei n\u00e4herer Untersuchung eines eigentlichen Naturwollfettes, wie man es etwa durch Extraktion der Wolle\n\u2022\u2022\nmit \u00c4ther erh\u00e4lt, gar nicht angetroffen werden. Jene problematischen Angaben m\u00f6gen ihre Erkl\u00e4rung darin finden, da\u00df so manchem Untersucher Pr\u00e4parate in die H\u00e4nde kamen, worin jene Bestandteile tats\u00e4chlich enthalten sein konnten, die aber nicht dem eigentlichen Naturobjekt angeh\u00f6rten, sondern von der zur Wollw\u00e4sche verwendeten Seife herr\u00fchrten, deren wirkliche Fettbestandteile bei der Abscheidung des Wollfettes aus den Waschlaugen mit Minerals\u00e4uren ja in die Fettmasse geraten m\u00fcssen.\nDa es au\u00dfer diesen Widerspr\u00fcchen vor etwa 25 Jahren eine systematische Untersuchung des Wollfettes noch nicht gab, so haben es L. Darmstaedter und ich damals schon f\u00fcr der M\u00fche wert gehalten, sich an der Lanolinfabrik des ersteren der schwierigen Aufgabe zu unterziehen, jene Anschauungen vom Wesen des Wollfettes und die \u00e4lteren Angaben \u00fcber seine Bestandteile zu revidieren und wom\u00f6glich seine Zusammensetzung endg\u00fcltig aufzukl\u00e4ren. Wesentlich erleichtert wurden unsere Untersuchungen dadurch, da\u00df wir das Wollfett erstens in der Form von Lanolin in beliebig gro\u00dfen Mengen vor tins hatten, wo ja die freien Fetts\u00e4uren, also die nat\u00fcrlichen wie die k\u00fcnstlich beigemengten, v\u00f6llig beseitigt sind. Sodann waren wir in der Lage, den neutralen Fettk\u00f6rper nach dem Darmstaedtersehen Verfahren mit","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00fcge zur Kenntnis des Wollfettes. VII.\n31\nFusel\u00f6l1), in dem die wachsigen Teile in der K\u00e4lte unl\u00f6slich, die \u00f6ligen dagegen leicht l\u00f6slich sind, in zwei total verschiedene Fraktionen, und zwar in ein regelrechtes Wachs (Lano-cerin) von ca. 65\u00b0 C. Schmelzpunkt, das etwa 10% vom Fett betr\u00e4gt, und ein dickfl\u00fcssiges \u201eWeichfett* zu zerlegen, um beide Fraktionen, jede f\u00fcr sich, zu untersuchen. Es gelang uns auch in den Jahren 1895\u20141899, eine stattliche Reihe teils neuer, teils von anderen Wachs- und Fettk\u00f6rpem her bekannter Fetts\u00e4uren und Alkohole (der Fettreihe) zutage zu f\u00f6rdern, die wir auch analytisch belegen und sorgf\u00e4ltig identifizieren konnten. Diese Arbeiten sind in den genannten Jahrg\u00e4ngen [der \u201eBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft\u201c niedergelegt.\nSolange es sich um die Aufkl\u00e4rung der Ziisamwifl^t^tzung des Lanocerins handelte, gingen die Untersuchungen flott ven-stafcten und konnten mit Sicherheit abgeschlossen und verabschiedet werden. Die einzelnen Substanzen sind hochschmeiz-bar und durchaus wachsartiger Natur. Diese aufgedeckten Substanzen konnten sogar so gut charakterisiert werden,\nsie mit denen, die \u2014 wenn auch in geringeren Mengen '_________\nauch in der Weichfettfraktion enthalten waren, sicher identifiziert werden konnten.\nDer weit \u00fcberwiegende Teil der Weichfettfraktion besteht jedoch aus erheblichen Mengen freier Alkohole und \u2014 der Haupt-menge nach \u2014 aus Estern schmelzartig-weicher Fetts\u00e4uren und ebensolchen Alkoholen. Diese bestehen aus den unges\u00e4ttigten Neutralstoffen wie Isocholesterin, Cholesterin, Oxy-cholesterin und dessen weiteren Oxydaten, sowie aus neutralen Oxydaten der \u00d6ls\u00e4ure und kleinen Mengen Kohlenwasserstoffe. Die ges\u00e4ttigten Alkohole des Lanocerins sind im \u00abWeich-fett* \u2014 namentlich, wenn das amylalkoholische Filtrat des festen Lanocerins durch starke Abk\u00fchlung von diesem ganz befreit worden ist \u2014 nicht enthalten.\n\u2019) Siehe deutsches Patent Nr. 76613.","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nI. Lifschfttz,\nI* Die \u201eWifi Siiire\u201c.\nWas nun den sauren Teil der Weichfettfraktion betrifft, so konnten wir zwar auch darin, wie gesagt, kleinere Mengen der mehr oder minder hochschmelzbaren Fetts\u00e4uren des La-nocenns isolieren; die n\u00e4here Untersuchung des weit gr\u00f6\u00dferen Teils dieser Fraktion mu\u00dften wir jedoch damals f\u00fcr eine sp\u00e4tere Zukunft Zur\u00fcckstellung da die Trennungen seiner Bestandteile nicht so sicher zu bewerkstelligen waren wie beim Lanocerin. So viel konnten wir jedoch vorderhand feststellen, da\u00df der allergr\u00f6\u00dfte Teil der Fetts\u00e4uren dieser Fraktion aus einer zwischen 15 und 20\u00b0 C. schmelzenden, also bei gew\u00f6hnlicher Zimmertemperatur, fl\u00fcssigen Fetts\u00e4ure besteht, die wir vorl\u00e4ufig als \u00ab\u00f6lige S\u00e4ure* bezeichnten, und von der wir annahmen, da\u00df sie \u201ewahrscheinlich* mit der Oleins\u00e4ure identisch sei. Auch hier war also die physikalische Beschaffenheit das suggerierende Moment; das Fragezeichen war daher vonn\u00f6ten.\nDieses Fragezeichen an der Erkenntnis der chemischen Natur eines der wichtigsten und quantitativ bedeutendsten Anteile des Wollfettes, blieb leider bis auf den heutigen Tag bestehen. Allein, konnte auch Darmstaedter aus \u00e4u\u00dferen Gr\u00fcnden an der Fortsetzung dieser Untersuchungen nicht mehr mitarbeiten, so habe ich doch im Laufe der vielen Jahre den Gegenstand aufmerksam im Auge behalten.\nWas ich bis jetzt \u2014 neben der technischen Bearbeitung des Wollfettes \u2014 f\u00fcr die wissenschaftliche Erkenntnis der chemischen Natur dieser \u201e\u00f6ligen S\u00e4ure* in Erfahrung bringen konnte, ist zwar bislang von mehr oder minder negativer Art; aber auch solche Daten sind h\u00e4ufig nicht zu untersch\u00e4tzen, wenn sie geeignet erscheinen, Irrt\u00fcmer zu beseitigen, um so den Weg zu positiven Ergebnissen frei zu machen. In diesem Sinne sei folgendes festgestellt:\n1. Im Jahre 1908 fand ich eine recht empfindliche \u201eSpektral-Reaktion auf Oleins\u00e4ure*, die ich in dieser Zeitschrift Bd. 50, S, 446 ff., eingehend beschrieben und mit einigen Beispielen belegt habe. Sie wird durch Einwirkung von Chromschwefels\u00e4ure auf eine Eisessigl\u00f6sung der","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Kenntnis des Wollfettes. VII.\t38\nOleins\u00e4ure hervorgeiufen. Wie dort dargetan, ist diese Reaktion hinreichend empfindlich, um selbst Bruchteile eines Prozentes der Oleins\u00e4ure in komplizierten Gemischen nachzuweisen, wo selbst \u2014 wie z. B. bei reinen Handelsstearins\u00e4uren \u2014 anderweitige Konstanten, wie Schmelzpunkt, Jodzahl u. dergl, versagen. Bereits in dieser Arbeit habe ich darauf hingewiesen, da\u00df \u201e,die \u00f6lige1 S\u00e4ure des von fremden Seifenfetten der WollW\u00e4sche gereinigten, oder mit \u00c4ther direkt aus der Rohwolle extrahierten Wollfettes diese Reaktion nicht zeigt. Dies d\u00fcrfte wohl auf der Tatsache beruhen, da\u00df das Wollfett an allen seinen Bestandteilen, vorz\u00fcglich aber an den unges\u00e4ttigten, die unverkennbaren Merkmale eines \u00e4u\u00dferst intensiven Oxydationsprozesses aufweist, welcher sich an der Oberfl\u00e4che des Schafvlieses unter dem Einflu\u00df von Licht und Luft vollzieht. Eine hinreichende St\u00fctze findet diese Anschauung in dem Umstande, da\u00df auch das von mir seinerzeit erw\u00e4hnte, nach der Oxydation der Oleins\u00e4ure mit Permanganat wiedergewonnene, schmalzartige Fetts\u00e4uremenge * *), das ja sehr reich an \u00f6liger S\u00e4ure ist, die obige Oleins\u00e4ure-Reaktion \u2014- je nach der Stufe der Oxydation \u2014 entweder gar nicht, oder \u00e4u\u00dferst schwach gibt\u201c2).\n2. Geht schon aus dem Obigen hervor, da\u00df die \u201e\u00d6lige S\u00e4ure\" des Wollfettes keine eigentliche Oleins\u00e4ure sein kann, sondern ein Oxydationsprodukt der letzteren sein m\u00fc\u00dfte, so gewinnt man einen noch sichereren Einblick in die chemische Beschaffenheit dieser Fetts\u00e4ure, wenn man ihr Jodadditionsverm\u00f6gen in Erw\u00e4gung zieht. In dieser Beziehung mu\u00df es auffallen, da\u00df schon die Jodzahlen, die am Gesamtfett von verschiedenen Autoren beobachtet wurden, viel zu gering sind, um in der in gro\u00dfen Mengen im Wollfett enthaltenen \u201e\u00f6ligen S\u00e4ure* eine eigentliche Oleins\u00e4ure, also eine unges\u00e4ttigte Fetts\u00e4ure, zu erblicken. So fand Lewkowitsch am Lanolin folgende Jodadditionen8):\n*) Diese Zeitschr. iid. 55, S. 6 (1908).\n*) Zitiert aus dieser Zeitschr. Bd. 56, S. 449 u. 450 (1908).\n') Chera. Technol. und Analysen der \u00f6le, Fette und Wachsarten Bd. Il, S. 467 (1905).\nHoppe-Seyler's Zeitschrift f. physiol. Chemie. CX.\tq","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nI. Lifsch\u00fctz,\nGesamtjodzahl des Fettes = 17,1\u201417,6 Teile, Jodzahl der Alkohole desselben Fettes . . . . = 26,4 Teile Jod\nf\u00fcr je 100 Teile dieser Substanzen. Die Alkohole betrugen vom Lanolin. Bezieht man die Jodzahl der Alkohole auf das Gesamtlanolin, so reduziert sich die Jodzahl der darin enthaltenen Alkohole auf 13,7. Wird diese Zahl der Alkohole von der Jodzahl des Gesamtlanolins abgezogen, so erh\u00e4lt man als Restjodzahl f\u00fcr die Lanolinfetts\u00e4uren des Gesamtfettes nur M 3,9. Nun enth\u00e4lt das Lanolin, nach den Ermittlungen von Darmstaedter und Lifsch\u00fctz, 40-45% der in Rede stehenden \u201e\u00f6ligen S\u00e4ure* ; da aber die Jodzahl der eigentlichen Oleins\u00e4ure 90 betr\u00e4gt, so m\u00fc\u00dfte, wenn hier eine solche Fetts\u00e4ure vorliegt, die Jodzahl der Lanolinfetts\u00e4uren mindestens 36 betragen, also das lOfache von der von Lewkowitsch gefundenen Zahl. Aus den Angaben dieses Autors ist zwar nicht ganz klar, ob er seine Zahlen auf das wasserhaltige1) oder wasserfreie Lanolin bezog. Aber selbst im ersteren Falle w\u00fcrde sich seine Gesamtjodzahl (17,1-17,6), auf das Fett selbst umgerechnet, h\u00f6chstens auf 22,0 erh\u00f6hen. Also ergibt sich auch in diesem Falle \u2014 nach Abzug der Jodzahl der Alkohole \u2014 f\u00fcr den sauren Teil des Fettes eine immer noch viel zu geringe Jodzahl, um die \u201e\u00f6lige S\u00e4ure\u201c als eine unges\u00e4ttigte Oleins\u00e4ure anzusprechen. Ganz analoge, aber direkte Zahlen ergaben auch von mir untersuchte, vielfach gereinigte \u201e\u00f6lige S\u00e4uren\u201c aus den rohen, aber neutralen Wollfettsorten des Handels.\nDiese geringen Jodzahlen der \u201e\u00f6ligen S\u00e4ure\u201c k\u00f6nnen aber auch nicht als die von einer eigentlichen Oleins\u00e4ure herr\u00fchrenden betrachtet werden, wonach die erstere S\u00e4ure etwa 10% von der letzteren enthalten w\u00fcrde. Hiergegen spricht schon deutlich genug der obige Befund, da\u00df sie die Oleinreaktion mit Chromschwefels\u00e4ure nicht gibt. Demnach k\u00f6nnen diese Jodzahlen nur von einer Beimengung einer S\u00e4ure herr\u00fchren, die keine eigentliche Fetts\u00e4ure ist. Denn die\n*) Bas Lanolin des Handels enthalt bekanntlich 20% Wasser.","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Kenntnis des Wollfettes. VII.\t35\nanderen eigentlichen Wachs- und Fetts\u00e4uren des Wollfettes sind \u2014 soweit sie bis jetzt bekannt geworden sind \u2014 durchweg ges\u00e4ttigte K\u00f6rper.\n3. Einen ferneren Beweis daf\u00fcr, da\u00df die \u201e\u00f6lige S\u00e4ure\u201c des Wollfettes keine eigentliche Oleins\u00e4ure ist, scheint auch eine charakteristische Reaktion anzudeuten, welche die von den Alkoholen des Wollfettes, also auch von dessen Cholesterinen v\u00f6llig befreite, wenn auch noch nicht ganz reine S\u00e4ure mit Acetanhydridschwefels\u00e4ure gibt. L\u00f6st man sie n\u00e4mlich in etwas Chloroform, verd\u00fcnnt die L\u00f6sung mit etwa dem gleichen Volumen Acetanhydrid und setzt 2\u20143 Tropfen konzentrierte H2S04 zu, so f\u00e4rbt sich das Gemisch gr\u00fcnlichgelb mit sch\u00f6ner gr\u00fcngelber Fluoreszenz, wie sie unter den Bestandteilen des Wollfettes nur beim Isocholesterin unter den gleichen Reaktionsbedingungen in Erscheinung zu treten pflegt. Bemerkenswerterweise entspricht auch das Absorptionsspektrum des Reaktionsgemisches einem Teil des Spektrums des Isocholesterins. Selbst in sehr verd\u00fcnnten L\u00f6sungen des Gemisches l\u00e4\u00dft sich n\u00e4mlich im Blau des Spektrums nahe dem Violett ein ziemlich breites Absorptionsband mit etwas verschwommenen R\u00e4ndern wahrnehmen. Eine Erscheinung, die sich beim Isocholesterin selbst in einer Verd\u00fcnnung von l : 125000 deutlich erkennen l\u00e4\u00dft. (Vgl. D. Holde*s \u201eUntersuchungen der Kohlenwasserstoff\u00f6le und Fette*, 5. Aufl.[1918], S. 691 Anm.) Die mannigfachen Schwierigkeiten, diese Fetts\u00e4ure in v\u00f6llig reinem Zustande zu erhalten, lassen zwar immerhin noch bezweifeln, ob ihr diese Reaktion auch im v\u00f6llig reinen Zustande zukommt. Denn bei den vielfachen Reinigungsversuchen dieser letzten Fraktion der Wollfetts\u00e4uren konnte ich feststellen, da\u00df sie stets von einer anderen festen, spr\u00f6den und harzartigen S\u00e4ure begleitet wird, die in Petrol\u00e4ther sehr schwer l\u00f6slich ist. Sie konnte zwar durch wiederholtes L\u00f6sen in diesem Mittel von der darin fast unl\u00f6slichen fremden S\u00e4ure \u2014 anscheinend quantitativ \u2014 getrennt werden. Nach Beseitigung des L\u00f6sungsmittels konnte aber jene Spektralreaktion bei dem \u00f6ligen R\u00fcckstand immer wieder hervorgerufen werden. Freilich gibt auch die abgetrennte, in","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"36\n1. Lifschtttz,\nPetrol\u00e4ther unl\u00f6sliche harzartige S\u00e4ure dieselbe Reaktion mit aller Sch\u00e4rfe. Ob hier eine gegenseitige Verunreinigung oder ein gemeinsamer Ursprung der beiden S\u00e4uren zugrunde liegt, mu\u00df der ferneren Untersuchung Vorbehalten bleiben. So viel haben die bisherigen Untersuchungen jedoch bereits feststellen k\u00f6nnen, da\u00df mit der Trennung der beiden S\u00e4uren die ohnehin schon geringe Jodzahl der rohen \u00f6ligen Fetts\u00e4ure von 18 auf 14 gesunken war, w\u00e4hrend die harzige feste S\u00e4ure eine Jodzahl von 30 auf wies. Dies d\u00fcrfte wiederum deutlich daf\u00fcr sprechen, da\u00df selbst die geringe Jodzahl der \u201e\u00f6ligen S\u00e4ure\u201c von einer Beimengung einer eigentlichen Oleins\u00e4ure nicht herr\u00fchren d\u00fcrfte.\nII. Die Isolierung der \u201e\u00f6ligen S\u00e4ure\u201c\nwurde urspr\u00fcnglich von Darmstaedter und mir aus dem nach dem oben angedeuteten Verfahren des ersteren hergestellten Wollfettwachs (Lanocerin) bewerkstelligt. Im Laufe der Jahre habe ich die Heraussch\u00e4lung jener tiefschmelzbaren Fetts\u00e4ure in nachstehender Weise modifiziert. Ist auch dieser Weg m\u00fchsam und weitl\u00e4ufig genug, so erm\u00f6glicht er doch die Herstellung der gesuchten Fetts\u00e4ure in weit gr\u00f6\u00dferen Mengen, als sie im Wollwachs \u00fcberhaupt enthalten ist, und macht auch dadurch eine gr\u00fcndlichere Untersuchung dieser Substanz erst m\u00f6glich.\nDas Verfahren ist folgendes:\n100 Teile rohen, aber v\u00f6llig s\u00e4urefreien Wollfettes werden mit 200 Teilen 7\u20148%iger alkoholischer Kalilauge 3\u20144 Stunden in m\u00e4\u00dfigem Sieden erhallten. Hierauf wird die Seifenl\u00f6sung mit so viel Wasser vermischt, da\u00df sie nur ca. 70%igen Alkohol enth\u00e4lt. Das Saponifikat wird dann einige Stunden an einem k\u00fchlen Orte bei ca. 15\u00b0 C. erkalten gelassen. Dabei scheidet sich der gr\u00f6\u00dfte Teil der eigentlichen festen Wachs-und Fetts\u00e4uren als Seifen neben den festen Wollfettalkoholen aus. Der dicke Brei wird auf eine Filterplatte geworfen, gut abgesaugt und mit 70o/oigem Spiritus nachgewaschen. Die dunkelbraune Lauge enth\u00e4lt noch kleinere Mengen mehr","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Kenntnis des Wollfettes. VII.\t37\n\u2022 i\noder minder hochschmelzbare S\u00e4uren (Seifen) und Alkohole neben dem weichen und \u00f6ligen Teil des Wollfettes.\nDie kalten Laugen werden mit einer Magnesiumsalzl\u00f6sung versetzt. Dabei f\u00e4llt ein weiterer Teil der h\u00f6her schmelzenden Fetts\u00e4uren als Magnesiumseifen aus, w\u00e4hrend die Seifen jener Weichfetteile, solange der amorphe weiche Teil der Alkohole noch zugegen ist, in L\u00f6sung gehalten werden. Der Niederschlag wird abfiltriert, der Alkohol vom Filtrat beseitigt, mit Salzs\u00e4ure ausges\u00e4uert und die abgeschiedene und ausgeschmolzene Fettmasse durch wiederholtes Auskochen mit Wasser von den darin l\u00f6slichen Fetts\u00e4uren (Butters\u00e4ure, Kaprons\u00e4ure u. dergl.) befreit. Die in der Fettmasse enthaltenen Fetts\u00e4uren werden in die Natronseifen fibergef\u00fchrt und das m\u00f6glichst neutrale trockene Gemisch entweder mit der etwa 10 fachen Menge entw\u00e4sserten Natrum-sulfats verrieben, gut eingetrocknet und mit reinem \u00c4ther ersch\u00f6pfend extrahiert, oder in Wasser gel\u00f6st, die Emulsion mit CaCl, gef\u00e4llt und die abfiltrierte und gut getrocknete Ca-Seife mit reinem Aceton ausgezogen. In beiden F\u00e4llen wird die Seifenmasse so- lange extrahiert, bis eine Probe des durch das Extraktionsgut gegangenen L\u00f6sungsmittels nach dem Verdunsten \u2014 mit etwas Chloroform aufgenommen und mit dem gleichen Volumen Acetanhydrid verd\u00fcnnt \u2014 auf Zusatz von 2\u20143 Tropfen konzentrierter Schwefels\u00e4ure keine Cholestolreaktion (nach Liebermann) gibt.\nIst das Extraktionsgut vom Unverseifbaren v\u00f6llig befreit, so ist es in Wasser klar l\u00f6slich.\nDiese nunmehr vom Unverseifbaren befreite Seife wird in Wasser gel\u00f6st, mit Salzs\u00e4ure anges\u00e4uert, die ausgeschiedene Fetts\u00e4ure ausgeschmolzen, gut ausgewaschen und durch wiederholtes Befeuchten mit absolutem Alkohol auf dem Wasserbade getrocknet.\nDie so gewonnene Fetts\u00e4ure ist schmalzartig weich und geschmeidig. Ihre S\u00e4urezahl liegt um 200 herum, also ungef\u00e4hr wie bei einer wirklichen Oleins\u00e4ure, ihre Jodzahl betr\u00e4gt jedoch nur ca. 18. Indes ist sie noch von fremden, teils fettigen, teils harzartigen S\u00e4urek\u00f6rpem stark verunreinigt.","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38\nI. Lifschtttz,\nBehufs weiterer Reinigung wird diese Fetts\u00e4ure zu etwa 10% in hei\u00dfem Methylalkohol gel\u00f6st und an einem k\u00fchlen Orte f\u00fcr einige Stunden stehen gelassen. Es scheidet sicli dabei eine erhebliche Menge einer Fetts\u00e4ure in wei\u00dfen Kri-stallen ab, die abfiltriert wird. Das Filtrat wird hei\u00df mit m\u00f6glichst wenig Wasser (bis zur Opaleszenz) versetzt, wodurch \u2014 beim Erkalten der L\u00f6sung \u2014 sich eine weitere kleine Menge Kristalle abscheidet; die aber bereits mit hellgelben Oltr\u00f6pfchen durchsetzt ist. Hiervon abfiltriert, wird das Filtrat auf dem Wasserbade vom L\u00f6sungsmittel befreit und mit Alkohol daselbst gut getrocknet.\nDie zur\u00fcckgebliebene Fetts\u00e4ure wird nach dem Erkalten mit kaltem Petrol\u00e4ther aufgenommen, worin sie sich zun\u00e4chst zum gro\u00dfen Teil aufl\u00f6st, aber beim weiteren starken Verd\u00fcnnen mit demselben Mittel in hellgelben Flocken zum Teil wieder ausfillt. Man setzt die Verd\u00fcnnung so lange fort, bis eine kleine Probe \u2014 abfiltriert \u2014 bei weiterer Verd\u00fcnnung sich nicht mehr tr\u00fcbt. Nach l\u00e4ngerem Stehen backen die Flocken harzartig fest zusammen und haften fest an Wandung und Boden des Glasgef\u00e4\u00dfes, so da\u00df die L\u00f6sung h\u00e4ufig ganz klar abgegossen werden kann.\nNach Beseitigung des L\u00f6sungsmittels wird das zur\u00fcckgebliebene \u00d6l noch einmal mit Petrol\u00e4ther behandelt. Man wiederholt diese Manipulation, bis die Fetts\u00e4ure in diesem Mittel v\u00f6llig klar und leicht l\u00f6slich ist, und die L\u00f6sung auch beim Verd\u00fcnnen sich nicht mehr tr\u00fcbt.\nDie so erhaltene Fetts\u00e4ure stellt dann ein hellgelbes \u00d6l dar, das bei ca. 20\u00b0 C. zwar ziemlich lange fl\u00fcssig bleibt; e* erstarrt aber nach und nach zu einer kristallinischen, schmalzartig weichen, schl\u00fcpferigen und wei\u00dflichen Masse. Im Schmelzr\u00f6hrchen l\u00e4ngere Zeit gelagert, schmilzt sie zwischen 15 und 20\u00b0 C. Trotz der vielfachen Reinigung bin ich bislang zu einer konstanten Siurezahl noch nicht gekommen. Ist die Jodzahl durch die Trennung von der harzigen festen S\u00e4ure mit Petrol\u00e4ther auch wesentlich gesunken, so betr\u00e4gt sie immer noch 14% \u00bb die offenbar nur von einem gewissen Gehalt an jener harzigen S\u00e4ure herr\u00fchren d\u00fcrfte. Diese letztere","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Kenntnis des Wollfettes. VII.\n39\nS\u00e4ure zeigte die ziemlich hohe Jodzahl 30 und eine S\u00e4urezahl von 127,4. Sie ist keine eigentliche Fetts\u00e4ure und scheint ihrem ganzen Habitus und Verhalten nach \u2014 durch Oxydation des Cholesterins oder des Isocholesterins auf der Oberfl\u00e4che des Schafvlieses entstanden zu sein.\nDer obige umst\u00e4ndliche Weg der Isolierung der Weichfetts\u00e4ure l\u00e4\u00dft sich \u2014 nach vorl\u00e4ufigen, im Gange befindlichen Untersuchungen \u2014 einigerma\u00dfen erleichtern, wenn man, anstatt aus dem rohen neutralen Wollfett, aus dem oben erw\u00e4hnten Darmstaedterschen \u201eWeichfett* ausgeht, nach dessen Verseifung die Fetts\u00e4ure isoliert und nach den oben er\u00f6rterten Regeln reinigt. Das .Weichfett\u201c l\u00e4\u00dft sich auch vom Lanocerinwachs durch F\u00e4llung des letzteren aus einer \u00e4therischen L\u00f6sung des Wollfettes mit Alkohol trennen, wobei das Weichfett in L\u00f6sung bleibt. Nach Beseitigung der L\u00f6sungsmittel erh\u00e4lt man das Weichfett als bei gew\u00f6hnlicher Femperatur dickfl\u00fcssiges \u00d61-. Nach E. Schulze (\u201eBerichte\u201c 1872) l\u00e4\u00dft sich dem Wollfett ein Teil mit Weingeist u. dergl. entziehen. Vielleicht l\u00e4\u00dft sich auf diesem k\u00fcrzeren Wege die in Rede stehende Frage von der Natur der \u201e\u00f6ligen S\u00e4ure\u201c am besten entscheiden. Auch dieses Verfahren ist in das Bereich dieser Untersuchungen gezogen worden. Die meist fremden freien Fetts\u00e4uren, wenn man etwa von dem sauren Handelswollfett ausgeht, lassen sich durch F\u00e4llung derselben aus dem alkoholischen Extrakt mit Ca CI* u. dergl. abscheiden.\nSchlussbemerkungen.\n1.\tAus den obigen Ausf\u00fchrungen geht mit einer an Gewi\u00dfheit grenzenden Wahrscheinlichkeit hervor, da\u00df der saure Teil des Wollfettes eine eigentliche Oleins\u00e4ure, oder unges\u00e4ttigte eigentliche Fetts\u00e4uren \u00fcberhaupt nicht enthalten kann.\n2.\tDas dem sauren Teil des Wollfettes zukommende geringe Jodadditionsverm\u00f6gen von 3,6-3,9% kann ebensowenig von einer eigentlichen Fetts\u00e4ure herr\u00fchren, da selbst der am tiefsten schmelzbare Teil der Wollfett-Fetts\u00e4uren, die sogen, \u201e\u00f6lige S\u00e4ure*, nach ihrer wiederholten Reinigung, mit","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"I\n40 I. Lifschttt*. Beitr\u00e4ge zur Kenntnis des Wollfettes. VU.\nChromschwefels\u00e4ure auf Oleins\u00e4ure gar nicht reagiert. Es kann daher kaum einem Zweifel unterliegen, da\u00df die geringe Jodzahl von 14%, die die bisher isolierte \u201e\u00f6lige S\u00e4ure\u2018* noch zeigt, h\u00f6chstwahrscheinlich von einer Oxydationss\u00e4urt' des Cholesterins oder (dem Absorptionsspektrum nach) des Isocholesterins, jedenfalls aber von keiner eigentlichen Fetts\u00e4ure herr\u00e4hren d\u00fcrfte.\nHamburg, im Februar 1920.","page":40}],"identifier":"lit20864","issued":"1920","language":"de","pages":"29-40","startpages":"29","title":"Beitr\u00e4ge zur Kenntnis des Wollfettes (Die \"\u00f6lige S\u00e4ure\"), VII. Mitteilung","type":"Journal Article","volume":"110"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:39:37.365429+00:00"}