Open Access
{"created":"2022-01-31T13:31:14.594444+00:00","id":"lit29511","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Giessler, Max","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 8: 107-108","fulltext":[{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbe?'icht.\n107\nk\u00fcmmerliches Pl\u00e4tzchen habe, dafs auch in \u00d6sterreich der Psychologie in der Schule ein gleiches Schicksal drohe, obwohl sie \u201eeine humanistische Wissenschaft im allereigentlichsten Sinne\u201c sei. Hierin mufs ihm der Referent v\u00f6llig beistimmen und noch darauf hinweisen, dafs unter diesen Verh\u00e4ltnissen auch die Ausbildung f\u00fcr nicht p\u00e4dagogische Berufe (Theologie, Medizin, Rechtswissenschaft) in einem wesentlichen Punkte nur unzureichend sein kann, Ausnahmen nat\u00fcrlich abgerechnet.\nVielleicht ist an dem bedauerlichen R\u00fcckg\u00e4nge auch die herk\u00f6mmliche Unterrichtsmethodik nicht ohne Schuld, insofern die Ergebnisse wenig befriedigende gewesen sein m\u00f6gen. Den Vorschl\u00e4gen, welche H\u00f6fler in dieser Beziehung macht, stimmen wir im allgemeinen zu (vergl. unsere oben namhaft gemachten Ausf\u00fchrungen in dieser Zeitschrift').\nDer ganze H\u00f6FLERSche Vortrag bietet des Beherzigenswerten und Anregenden so viel, dafs es zu bedauern w\u00e4re, wenn er eine Stimme in der W\u00fcste bliebe.\tUfer (Altenburg).\nA. Brodbeck. Leib und Seele. Hannover-Linden. Manz & Lange. 1894. 45 S.\nDie im Feuilletonstil gehaltene, interessante Schrift setzt es sich zur Aufgabe, das \u201epsycho-physiologische Grundgesetz der Doppelbewegung von Innen nach Aufsen und von Aufsen nach Innen\u201c zu erl\u00e4utern. W\u00e4hrend das zweite Kapitel, welches die Wirkung von Innen nach Aufsen bespricht, sein Thema nicht umfassend genug behandelt, ist im dritten Kapitel die Wirkung des \u00c4ufseren auf das Innere genauer durchgef\u00fchrt: Das Annehmen einer bestimmten Geberde, Haltung, Bewegung zieht auch eine entsprechende Ver\u00e4nderung des psychischen Gesamthabitus nach sich. Auch die \u00e4ufsere Umgebung, die Familie, Dorf, Land wirken bestimmend auf das Innere. Die Menschenkenntnis besteht in der F\u00e4higkeit, fremde Z\u00fcge, Bewegungen und dergl. irgendwie an sich selbst zu kopieren und dadurch zu lernen, welches Innere solchem Aufseren entspricht. Alles, was man Sehergabe, Gedankenlesen nennt, ist auf diesen Vorgang zur\u00fcckzu f\u00fchr en. Ein fein angelegter Mensch braucht einen anderen nur einen Moment lang zu sehen, um das Gesicht und Wesen des Anderen innerlich selbst zu erfassen, physiologisch zu mimen und von da aus genau auf dieselben Gedanken, Gef\u00fchle und Zust\u00e4nde zu kommen, wie das Original sie hatte. Solche sensible Menschen werden Medien genannt, Durch Fixieren und sonstiges Imponieren kann man seine Gedanken und damit seinen eigenen Willen auf Andere mit Sicherheit \u00fcbertragen, sofern Andere gen\u00f6tigt werden, unwillk\u00fcrlich dieselbe Haltung, dieselben Mienen anzunehmen, was dann auf deren Inneres mit Notwendigkeit wirkt.\nDie Behauptung des Verfassers, dafs die Sch\u00e4fer dadurch, dafs sie die Tiere tausendf\u00e4ltig anschauen und sich dabei in deren Wesen und Eigenheiten versenken, schafsn\u00e4sig, die Fleischer schweins\u00e4ugig u. s. w. w\u00fcrden, ist unrichtig. Dieser Vorgang scheint mir \u00fcberhaupt nur dann m\u00f6glich zu sein, falls es erbliche Sch\u00e4fer- und Fleischergeschlechter g\u00e4be. Ferner wird behauptet, dafs der metaphysische Glaube durch h\u00f6here Gesamtkultur \u201eheilbar\u201c sei. Auch das halte ich f\u00fcr unrichtig.","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108\nLitteraturbericht\nDenn jede harmonische Ausbildung des menschlichen Geistes schliefst auch die Kultivierung des dem Menschen fest eingewurzelten, religi\u00f6sen Gef\u00fchles in sich, welches im Glauben an das G\u00f6ttliche seine St\u00fctze findet. Je weiter aber die Kultur fortschreitet, um so bestimmter und gekl\u00e4rter mufs auch dieses Gef\u00fchl werden, falls die Entwickelung eine harmonische ist. Der Glaube an Gott kann daher wohl die mit h\u00f6herer Kultur verbundenen sittlichen Sch\u00e4den heilen, aber nicht umgekehrt eine h\u00f6here Gesamtkultur den metaphysischen Glauben.\nZum Schlufs giebt der Verfasser auf Grund des Gesagten noch einige beherzigenswerte Kegeln.\tMax Giessler (Erfurt).\nAlfred Fouill\u00e9e. La psychologie des id\u00e9es-forces. I. 365 u. XL, II. 415.\nParis, F\u00e9lix Alcan, 1893.\nW\u00e4hrend die psychophysische Behandlung der Psychologie, gest\u00e4rkt durch das tr\u00f6stliche Ideal der Exaktheit, m\u00fchsam nach den Wurzeln der Erkenntnis sucht und sich nicht selten, wie der Mikroskopiker, mit einem kleinen Gebiete der Forschung begn\u00fcgt, geh\u00f6rt F. zu den Psychologen, die den Menschen in der F\u00fclle seines Wesens f\u00fcr die psychologische Erkenntnis verwerten woollen. Freilich ist kein geistiger Vorgang ohne Nervenvorgang denkbar, aber umgekehrt stehen alle physiologischen Prozesse in einem, wenn auch nicht immer klar gef\u00fchlten, Zusammenh\u00e4nge mit dem Kerne unseres Wesens, der als Streben, Wille (zum Leben), Hinwendung zur Lust und Abwendung von Unlust sich darstellt (z. B. I. 251). Die psychologischen Vorg\u00e4nge sind daher, je primitiver, desto mehr, aus jener Wurzel unseres Wesens abzuleiten (I. 126, II. 15, 242). In Struktur und Farbe, k\u00f6nnte man sagen, erinnern sie an jene, statt wie abstrakte Fr\u00fcchte am Baume des Lebens zu erscheinen, denen man ihre Verwandtschaft mit der Wurzel nicht mehr anmerkt. Daher hat die Psychologie'\u00fcberall, in niederen wie h\u00f6heren Erscheinungen (I. 228), mindestens nach jener Beimischung des Ursprungs zu fragen, wo m\u00f6glich sogar in den h\u00f6chsten Ideen ein sinnliches Kesiduum aufzusp\u00fcren (I. 244, 298, II. 37, 57). Wie sich die Sitten als organisch bedingte, stabil gewordene, der Gesamtheit n\u00fctzliche Instinkte darstellen, so sind die Empfindungen, Vorstellungen u. s. w. ein Ergebnis aus der Keaktion (1. 73) subjektiven Strebens und den Forderungen des Lebens, eine Kesultante der Anpassung, wie sie f\u00fcr die Existenz erforderlich und in ihr wirksam (force) ist. Somit haben wir die Wirksamkeit des Gedankens in und aufser uns zu erkennen, denn die geistigen Zust\u00e4nde haben, wegen der radikalen Einheit des Physischen und Psychischen (II. 6, 245), eine innere und davon unzertrennliche \u00e4ufsere Wirkung. Die geistigen Ph\u00e4nomene sind urspr\u00fcnglich nicht Vorstellungen, sondern Strebungen, welche, gef\u00f6rdert oder gehemmt, von Lust- oder Unlustempfindungen begleitet sind. Denken und Wollen sind unzertrennlich. Unterscheidung, Gef\u00fchl und Keaktion, urspr\u00fcnglich eins, entwickeln sich zu Intelligenz und zum Willen im engeren Sinne (II. 223, I. 132, 301). Jeder Bewufstseinszustand ist id\u00e9e, insofern er eine Unterscheidung, Kraft aber, insofern er eine Wahl (pr\u00e9f\u00e9rence) enth\u00e4lt, so dafs die Welt der Vorstellungen auch eine Welt bewegender Bilder ist (II. 19). Ohne","page":108}],"identifier":"lit29511","issued":"1895","language":"de","pages":"107-108","startpages":"107","title":"A. Brodbeck: Leib und Seele. Hannover-Linden. Manz & Lange. 1894. 45 S.","type":"Journal Article","volume":"8"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:31:14.594450+00:00"}