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{"created":"2022-01-31T13:49:36.098597+00:00","id":"lit29522","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Cohn, J.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 8: 128-130","fulltext":[{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\nLitteraturbericht.\ndas zweite mit 8A\" breiten Streifen in '/z\u201c Abstand vergittert, das dritte durch eine Holztafel und das vierte durch ein Drahtgitter geschlossen war. Von der Decke in Gesichtsh\u00f6he aufgeh\u00e4ngt, liefs sich das Instrument aus einer Entfernung von 10' ger\u00e4uschlos in L\u00e4ngsschwingungen versetzen. Die drei Versuchspersonen safsen 2\u20143\" von der Schwingungsbahn und gaben die Antwort durch verabredete Zeichen, um St\u00f6rungen durch den Mundhauch zu vermeiden. Es wurden immer zwei F\u00e4cher im Wechsel zum Bestimmen vorgef\u00fchrt; dabei ergaben sich, besonders bei Paar 2 und 3 und Paar 3 und 4, auffallend viel Treffer, bei drei Versuchsreihen sogar kein einziger Mifsgriff.\nInteressant waren die Angaben der Versuchspersonen \u00fcber ihre Empfindungen. W\u00e4hrend alle das ger\u00e4uschlose Funktionieren des Apparates anerkannten, f\u00fchrten zwei die Unterscheidung auf anderweitige, am Apparate reflektierte Ger\u00e4usche zur\u00fcck, zwei glaubten auch Gesichts-<empfindungen zu haben, alle drei nahmen Temperaturunterschiede wahr und hatten ein deutliches Gef\u00fchl der Eingeschlossenheit, Beengtheit u. dergl. Um die Temperaturempfindung auszuschliefsen, verh\u00fcllte Da. Gesicht, Nacken und Ohr mit einem weichen Tuche, das aber gegen\u00fcber dem Ohrgange ein Loch hatte. Die Versuche ergaben keine wesentliche Minderung der Unterscheidungsf\u00e4higkeit. Zur Gegenprobe wurden die Ohren verstopft, alles \u00dcbrige freigelassen, und jetzt ergab sich eine auff\u00e4llige Zahl von Mifsgriffen, ein klarer Beweis, dafs f\u00fcr die in Bede stehenden Urteile nur die Schallunterschiede mafsgeb.end sind.\nEs w\u00e4re von grofsem Interesse, diese verdienstvollen Experimente des Verfassers nun auch an Blinden zu wiederholen und zu untersuchen, ob nicht doch auch Temperaturempfindungen mithereinspielen und wie weit.\tM. Offner (Aschaffenburg).\nTh. Flournoy. Les ph\u00e9nom\u00e8nes de synopsie. Paris, Alcan. Gen\u00e8ve, Eggimann. 1893.\t259 S.\nDie Arbeit Flournoys behandelt wesentlich die Besultate einer von Clapar\u00e8de im Jahre 1892 durch einen im Anhang mitgeteilten Fragebogen aufgenommenen Statistik und zahlreicher, durch pers\u00f6nliche .Befragung von Flournoy seit 1882 gesammelter Beobachtungen.\nFlournoy gebraucht f\u00fcr den gesamten Umkreis der Thatsachen, welche man wohl als Doppelempfindungen zusammenfafst, den Ausdruck \u201eSyn\u00e4sthesie\u201c. Diejenige Empfindung oder Vorstellung, welche die sekund\u00e4re Mitempfindung gewissermafsen ausl\u00f6st, nennt er \u201einducteur\u201c, die ausgel\u00f6ste sekund\u00e4re Empfindung \u201einduit\u201c. Unter \u201eSynopsie\u201c versteht er diejenigen \u201eSyn\u00e4sthesien\u201c, deren \u201einduit\u201c dem Bereiche des Gesichtssinnes angeh\u00f6rt.\nNach der besonderen Natur des \u201einduit\u201c teilt er dann die Synopsie weiter ein in Photismen, in welchen Farbe oder Helligkeit, und Schemata, in welchen die Form vorherrscht. Diese Schemata wieder gliedern sich in \u201eSymbole\u201c, welche durch eine einzelne Empfindung oder Vorstellung erzeugt werden, und Diagramme, welche einer ganzen Beihe von Vorstellungen, z. B. der der Monate oder der Zahlen, einen r\u00e4umlichen Ausdruck geben. Endlich f\u00fcgt er den beiden Hauptklassen als dritte die der","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht\n129\nPersonifikationen hinzu,bei denen die optischen Farben- und Formelemente durch Hinzunahme anderer Sinnesqualit\u00e4ten zu konkreten Wesen erg\u00e4nzt werden. Als m\u00f6gliche Erki\u00e4rungsprinzipien dieser ganzen Klasse von Erscheinungen hebt Flournoy drei hervor : einmal die sogenannte Gef\u00fchlsassoziation oder Gef\u00fchlsanalogie, nach welcher zwei Vorstellungen durch die \u00c4hnlichkeit ihres Gef\u00fch] stones verbunden sind, zweitens die gewohnheitsm\u00e4fsige Assoziation, hervorgerufen z. B. f\u00fcr Photismen der Vokale durch die Farbe, welche dieselben in einem A-B-C.-Buch haben, und endlich die privilegierte Assoziation, hervorgerufen durch gleichzeitige Eindr\u00fccke, die den Geist besonders in der Kindheit, vielleicht nur einmal, aber unter besonders g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden trafen. Aus ihnen erkl\u00e4ren sich, meint Flournoy, die vielen Willk\u00fcrlichkeiten der Synopsie. Das Zusammenwirken dieser Faktoren im einzelnen ist bei dem fast stets unbekannten Urspr\u00fcnge der Erscheinungen nur sehr hypothetisch und unsicher zu ermitteln.\nUnter den Photismen sind die durch Vokale hervorgerufenen infolge ihrer H\u00e4ufigkeit besonders interessant. Flournoy vergleicht die drei bisher \u00fcber diese Erscheinungen vorhandenen Statistiken von Fechner, Bleuler-Lehmann und Clapar\u00e8de und findet bei einer Anordnung der Besultate nach der Helligkeit ziemlich \u00fcbereinstimmend, dafs i und etwas weniger e hell, a und o mittelhell, u (das franz\u00f6sische) und ou, sowie im deutschen u dunkel sind. In Bezug auf die Farbe der Vokale ist die Gesetzm\u00e4fsig-keit viel geringer. Zwischen den deutschen und franz\u00f6sischen Erhebungen finden sich hier Differenzen, die nur sehr teilweise, wie z. B. die gr\u00f6fsere H\u00e4ufigkeit von e gelb im Deutschen, durch die in den Farbennamen vorkommenden Vokale erkl\u00e4rlich sind. Mit Becht weist Flournoy darauf hin, dafs der induzierende \u201eVokal\u201c etwas sehr Komplexes ist, bei welchem aufser dem akustischen und kin\u00e4sthetischen Sprachelement sicher auch das visuelle und motorische Schriftbild mit-wirken. Beweisend daf\u00fcr ist unter anderem, dafs u im Franz\u00f6sischen viel h\u00e4ufiger induziert als ow, im Deutschen dagegen u viel h\u00e4ufiger als \u00fc, wie ja \u00fcberhaupt die einfachen Vokale st\u00e4rkere induzierende Kraft besitzen, als die Diphthonge oder Umlaute.\nSeltener als von Vokalen finden sich Photismen von Konsonanten, Worten, musikalischen T\u00f6nen, Ger\u00fcchen, Geschm\u00e4cken, Eigennamen, Tagen, Monaten, Zahlen etc.\nDie Schemata und die weit h\u00e4ufigeren Diagramme, welche Flournoy in zahlreichen Abbildungen wiedergiebt, liefern einen interessanten Beitrag zu der Lehre von den Bepr\u00e4sentativvorstellungen f\u00fcr abstrakte Begriffe. Am h\u00e4ufigsten stellen diese Diagramme den Verlauf des Jahres, der Woche, des Monats, der Zahlenreihe oder des Alphabetes dar. F\u00fcr den Zeitverlauf des Jahres etc. werden oft geschlossene Kurven verwendet, w\u00e4hrend die Zahlenreihe nat\u00fcrlich fast nur durch offene Linien dargestellt wird. In ihren Einzelheiten sind die Diagramme h\u00f6chst wechselnd. Dafs auch bei ihnen das Gef\u00fchlselement eine Bolle spielt, zeigt die hervorragende Stellung, welche \u2014 sei es durch Gr\u00f6fse, Helligkeit oder r\u00e4umliche Sonderstellung \u2014 der Sonntag fast stets in den Diagrammen der Woche einnimmt.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie VIII.\n9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nLitteraturbericht.\nIn viel h\u00f6herem Grade als die Photismen gew\u00e4hren die Diagramme ihrem Besitzer Nutzen als Ged\u00e4chtnish\u00fclfen.\nBei Photismen wie hei Diagrammen kann man verschiedene St\u00e4rkegrade unterscheiden. Flournoy hat niemals die Synopsie zur St\u00e4rke von Halluzinationen anwachsen sehen, wie Gruber in dem dem Londoner Psychologen-Kongrefs vorgelegten Falle, \u00fcber welchen Flournoy S. 249ff. berichtet. Dagegen findet er \u00f6fter die Bilder r\u00e4umlich bestimmt lokalisiert. H\u00e4ufiger freilich sind die F\u00e4lle, in welchen nur gleichsam ein geistiges Bild \u201evision mentale\u201c ohne Lokalisation im Baume vorhanden ist, oder wo gar nur an die Farbe oder das Diagramm \u201egedacht\u201c wird, ohne dafs sich ein deutliches Bild entwickelt. Endlich giebt es auch F\u00e4lle, in denen positive Photismen nicht bestehen, wohl aber ausgesagt wird, dafs etwa ein Vokal sich mit einer bestimmten Farbe jedenfalls nicht verbindet. Flournoy nennt dies negative Photismen. Ebenso giebt es bei den Diagrammen alle \u00dcberg\u00e4nge von den mehr oder minder zwangsm\u00e4fsig auftretenden Erscheinungen, welche den eigentlichen Gegenstand dieses Buches bilden, zu den freiwillig entworfenen Sche-maten, welche sich wohl jeder mit visuellem Ged\u00e4chtnis begabte Mensch zur Verdeutlichung und Festhaltung abstrakterer Verh\u00e4ltnisse entwirft.\nDie Ph\u00e4nomene der Sypnosie reichen am h\u00e4ufigsten bis in die fr\u00fche Kindheit zur\u00fcck, zuweilen jedoch entwickeln sie sich erst sp\u00e4ter bei bestimmten Gelegenheiten, z. B. dem Lesen des Fragebogens.\nErblichkeit scheint von grofsem Einflufs auf das Entstehen, von geringem auf die Einzelheiten der Erscheinungen zu sein. In \u00dcbereinstimmung mit Bleuler und Lehmann h\u00e4lt Flournoy die Erscheinungen der Synopsie nicht f\u00fcr pathologisch, (s. S. 245 ff.)\nJ. Cohn (Leipzig).\nMary Whiton Calkins. A statistical study of pseudo-chromesthesia and of mental forms. Amer. Journ. of Psych. Bd. V. S. 439\u2014464. (1893.)\nNach einer an s\u00e4mtlichen Mitgliedern des Wellesley-College vorgenommenen Statistik besafsen unter 525 befragten Personen 35 = 6,66 % Farbenh\u00f6ren, 65 = 12,38 % Formen, (d. h. Schemata im Sinne Flournoys) und 18 == 8,42 % beides zugleich. Bei einer sp\u00e4teren, an 203 neu eingetretenen Mitgliedern angestellten Befragung beliefen sich die entsprechenden Zahlen auf 15,7 %, bezw. 30,2 und 8,4 %.\nUnter den sonst noch wiedergegebenen statistischen Mitteilungen verdient hervorgehoben zu werden, dafs die Farben der Konsonanten hier im Vergleich zu der Gesamtzahl der F\u00e4lle eine viel gr\u00f6fsere Bolle spielen, als bei Flournoy, und dafs i in 11 unter 22 F\u00e4llen schwarz, o in 11 unter 22 F\u00e4llen weifs erscheint, was den Besultaten der bisherigen Aufnahmen, wie sie Flournoy zusammenstellt, widerspricht. Doch ist die Zahl der F\u00e4lle zu gering, um auch nur gegen die eine Statitistik Clapar\u00e8des, welche f\u00fcr i 196, f\u00fcr o 178 F\u00e4lle umfafst, ins Gewicht zu fallen. (Flournoy, Synopsie, S. 67.)\nIn Bezug auf die Entstehung der Erscheinungen ist der S. 448 abgebildete Fall eines Diagramms f\u00fcr die Zahlenreihe (number-form","page":130}],"identifier":"lit29522","issued":"1895","language":"de","pages":"128-130","startpages":"128","title":"Th. Flournoy: Les ph\u00e9nom\u00e8nes de synopsie. Paris, Alcan. Gen\u00e8ve, Eggimann. 1893. 259 S.","type":"Journal Article","volume":"8"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:49:36.098603+00:00"}