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{"created":"2022-01-31T13:32:35.505713+00:00","id":"lit29533","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Offner, M.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 8: 140-142","fulltext":[{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nLitteraturberich t.\nM. W. Calkins. Statistics of dreams. Amer. Journ. of Psych. V. No 3 S. 311-343. (1893.)\nDas exakter Beobachtung so schwer zug\u00e4ngliche Gebiet der Tr\u00e4ume hat die Verfasserin, eine Lehrerin f\u00fcr Psychologie, in Verbindung mit Dr. Sa\u00ee>tdford zum Gegenstand einer recht dankenswerten Studie gemacht. Die Bedeutung der Arbeit liegt nicht sowohl in der Gewinnung neuer Ergebnisse, als vielmehr in dem Beitrag, den sie zur sicheren Fundamentierung bestehender Ansichten liefert.\nSechs bis acht Wochen lang hat die Verfasserin wie ihr Mitarbeiter alle Tr\u00e4ume sorglichst notiert und zwar derart, dafs sie, so oft sie nachts aufwachten, was allerdings nur anfangs durch einen Wecker herbeigef\u00fchrt wurde, sofort den Traum skizzierten und tags darauf aus der Erinnerung erg\u00e4nzten. Die zahlreichen Tabellen, welche meist mit Geschick angelegt sind, freilich wiederholt die B\u00fcckf\u00fchrung auf Prozente vermissen lassen, ergeben zun\u00e4chst, dafs in die erste H\u00e4lfte des Schlafes viel weniger Tr\u00e4ume fallen als in die zweite, und dafs sich die sehr betr\u00e4chtlichen Nachwirkungen des vorausgehenden Wachlebens in einem \u00e4hnlichen Verh\u00e4ltnis \u00fcber die Schlafzeit1 verteilen. Eine weitere Tabelle zeigt, dafs die vier Grade der Lebhaftigkeit der Tr\u00e4ume, nach dem Vorg\u00e4nge Nelsons bestimmt durch die Zahl der Zeilen des m\u00f6glichst genauen Berichtes, \u2014 eine freilich h\u00f6chst unsichere Methode, die sich einerseits auf den keineswegs durchg\u00e4ngig erwiesenen Parallelismus der Intensit\u00e4t der Empfindung und derjenigen der Erinnerung st\u00fctzt, andererseits die Differenzen der Zeitdistanz zwischen dem jedesmaligen Tr\u00e4umen und Aufzeichnen zu ignorieren scheint \u2014 ziemlich gleichm\u00e4fsig vertreten sind bei der Verfasserin, w\u00e4hrend Dr. Sandfords Tr\u00e4ume mit Vorliebe mittlere Grade der Lebhaftigkeit aufwiesen. Doch sind die lebhaften Tr\u00e4ume, wie man gew\u00f6hnlich glaubt, nicht auf den Morgen beschr\u00e4nkt, wenngleich sie hier vorwiegen. Die von peripheren Beizen veranlafsten Tr\u00e4ume (presentation dreams = Nervenreiztr\u00e4ume nach Spitta) sind verh\u00e4ltnis-m\u00e4fsig selten und treten meist in den \u00dcbergangsstadien zwischen Schlaf und Wachen auf. Die meisten derartigen Einwirkungen werden leicht begreiflich vermittelt durch das Geh\u00f6r und den Tastsinn. Nebenbei sei bemerkt, dafs wir Deutsche kein \u201eAlpendr\u00fccken\u201c kennen, sondern ein \u201eAlpdr\u00fccken\u201c, von \u201eder Alp, Alb\u201c = Elfe. Weit h\u00e4ufiger sind die lediglich auf Assoziation beruhenden Tr\u00e4ume (representation dreams = psychische Tr\u00e4ume nach Spitta), und hier spielen, wie schon Bonnet beobachtete und richtig erkl\u00e4rte (vgl. meine Studie \u00fcber Bonnets Psychologie in den Schrift, d. Ges. f. psych. Forschg. I. S. 608), entsprechend der gr\u00f6fseren Mannigfaltigkeit der Gesichts- und dann der Geh\u00f6rsvorstellungen, nicht auffallenderweise, wie die Verfasserin meint, eben diese Vorstellungen die gr\u00f6fste Bolle. Interessant \u00fcbrigens ist es, aber leicht begreiflich, dafs die Tr\u00e4ume der Verfasserin einen weit gr\u00f6fseren Prozentsatz an Wortelementen enthielten, als die ihres Mitarbeiters, und dafs ferner die Dame in weitaus mehr F\u00e4llen als der Herr (66,4% gegen 45,4% der Worttr\u00e4ume) selbst sprechend aufgetreten ist. Die genaue Erinnerung dagegen an die Worte gelang der Verfasserin nur in 4,5%, dem Mit-","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Littet'a turberich t.\n141\narbeiter aber in 24,7% der F\u00e4lle. Die Frauen \u2014 Verfasserin m\u00f6ge es mir nicht \u00fcbel nehmen \u2014 bleiben sich eben auch im Traume gleich.\nNach einem Hinweis auf den engen Zusammenhang zwischen Wach-und Traumleben zeigt die Verfasserin, dafs genaue Erinnerungen von Erlebnissen sehr selten sind, um so h\u00e4ufiger aber Paramnesien, nat\u00fcrlich meist ohne das Bewufsbsein, dafs es nur Erinnerungen sind, weshalb nicht einzusehen ist, warum die Verfasserin gegen Maubys Bezeichnung \u201esouvenir ignor\u00e9\u201c oder \u201em\u00e9moire non consciente\u201c polemisiert; sagt man doch auch \u201eunbewufste Vorstellungen\u201c. Dafs auch h\u00f6here logische Operationen im Traume Vorkommen, zeigen ein paar Beispiele, die freilich nicht ganz frei sind von dem Verdachte, eigentlich doch nur Erinnerungen logischer Operationen zu bieten. Freilich ganz leugnen lassen sich letztere nicht. Ich sah ungef\u00e4hr ein halbes Jahr nach dem Tode eines Onkels sein Bild im Traume. \u201eGesichtshalluzination,\u201c sagte ich mir und redete ihn an. Er antwortet. \u201eNun, so habe ich auch eine Geh\u00f6rshalluzination,\u201c kalkuliere ich weiter und mache die Probe mit dem Tasten. Er h\u00e4lt wieder Stand. Damit war endlich mein methodischer Zweifel besiegt und ich schlofs: \u201eNun dann ist er eben doch nicht gestorben!\u201c Auffallender ist das Ergebnis, dafs die Mehrzahl der Tr\u00e4ume entschiedene Formen des Unlustgef\u00fchles trugen. Der Wille tritt mit wenig Ausnahmen zur\u00fcck; dadurch und durch das fast v\u00f6llige Fehlen von leitenden Gedanken und objektiven Wahrnehmungen, worauf schon Bonnet hinwies, verlieren die Assoziationen das Regulativ, ergeben sich jene Ideenspr\u00fcnge, welche Bonnet zutreffend momentane Narrheit nennt. Den Hauptstoff dazu liefert die pers\u00f6nliche Umgebung in der letzten Zeit u. s. w. Auch bei Scenen aus seinem fr\u00fcheren Leben sieht sich der Tr\u00e4umer meist in seinem jetzigen Alter und seinen jetzigen Verh\u00e4ltnissen. Auff\u00e4llig erscheint es, dafs gerade diejenigen Ideen, die unser Wachleben am intensivsten besch\u00e4ftigen, sich selten in unsere Tr\u00e4ume eindr\u00e4ngen. Delage erkl\u00e4rt dies aus dem v\u00f6lligen Auf brauch der jeder Vorstellung zur Verf\u00fcgung stehenden Energie durch jene untertags uns besch\u00e4ftigenden Ideen, w\u00e4hrend bei den \u00fcbrigen noch etwas f\u00fcr den Traum \u00fcbrig bleibe. Dieser auf einer bedenklichen Lokalisationstheorie fufsenden Auffassung gegen\u00fcber macht die Verfasserin mit Recht geltend, dafs die Tr\u00e4ume in erster Linie Sinneswahrnehmungen reproduzieren, jene uns \u2014 sc. Erwachsene \u2014 interessierenden Ideen aber viel zu komplex sind und der Sinnlichkeit oft entbehrend, ferner dafs auch aus diesen Komplexen die sinnlichen Elemente doch im Traume auftreten, so unsere Angeh\u00f6rigen u. s. f.\nVon den spezifischen Eigenschaften des Traumes, als Willensschw\u00e4che, Absurdit\u00e4t in verschiedenem Grade, Paramnesien, Zusammenhanglosigkeit, bespricht die Verfasserin besonders die Illusion und stellt daf\u00fcr drei\n\u2666 9\nStufen auf: 1. VerObjektivierung der Traumbilder; 2. \u00dcbertragen der eigenen Gedanken auf Fremde; 3. Ver\u00e4nderung, oft Verdoppelung, aber nicht Verlust (Spitta) des Selbstbewufstseins als Folge eines verschieden-gradigen Vergessens der fr\u00fcheren Zust\u00e4nde, Verbindung fremder mit eigenen und umgekehrt.","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nLitteraturbericht.\nDafs in den Tr\u00e4umen der Vorstellungsablauf so beschleunigt erscheint, erkl\u00e4rt die Verfasserin daraus, dafs bei der nachtr\u00e4glichen Erinnerung eine Beihe dem Traume fehlender Mittelglieder eingeschoben und so der zeitlich sehr kurze Traum hinterher mit einer F\u00fclle von Vorstellungen ausgestattet w\u00fcrde, deren normaler Ablauf freilich weit l\u00e4nger brauchte als der Traum. Doch scheint das keineswegs f\u00fcr alle derartigen Tr\u00e4ume zu passen. Nach Verweisung der Frage, ob wir im Schlafe immer tr\u00e4umen, an die Metaphysik, bespricht die Verfasserin die prophetischen Tr\u00e4ume und f\u00fchrt sie wie Spitta unter Ausschlufs der von Gurney und Myers angenommenen Telepathie teils auf unbewufste Wahrnehmung der ersten Spuren kommender Ereignisse (pathologische Tr\u00e4ume), teils auf zuf\u00e4lliges Zusammentreffen zur\u00fcck.\nM. Offner (Aschaffenburg).\nE. Loewenton. Versuche \u00fcber das Ged\u00e4chtnis im Bereiche des Raumsinnes der Haut. Inaug.-Diss. Dorpat 1893.\nNach kurzer Besprechung der in Betracht kommenden Fehlerquellen (Verschiedenheiten in der Qualit\u00e4t und Intensit\u00e4t des Beizes, in der Aufmerksamkeit, in der Temperatur, in den gereizten Hautstellen, Bichtung des reizenden Instruments zur Haut etc.) und nach Mitteilung \u00e4hnlicher Versuche von Weber, Ebbinghaus, Wolfe und Paneth behandelt Verfasser seine eigenen Versuche. Ihr Eigent\u00fcmliches findet er in dem Ungewohnten, Baumdistanzen durch den Hautsinn zu beurteilen. Die Fehlerquellen suchte er durch m\u00f6glichst gleiche Temperatur und vor allem durch einen Apparat, dessen lithographische Abbildung der Abhandlung beigegeben ist, und durch den zwei gleichseitige und gleichstarke Beize dem unterst\u00fctzten rechten Vorderarme appliziert werden konnten, zu vermeiden. Als Versuchspersonen dienten Verfasser und seine Frau. Das Verfahren war unwissentlich, d. h. das objektive Verhalten der zu vergleichenden Distanzen war den Versuchspersonen unbekannt. Die Methode war die der richtigen und falschen F\u00e4lle. Trotz all dieser Vorsich tsniafsregeln d\u00fcrfte an der Exaktheit der Methode, soweit sie wenigstens mitgeteilt ist, gar mancherlei auszusetzen sein :\n1. Wie grofs war der Zeitintervall zwischen den Einzelsch\u00e4tzungen, d. h. zwischen je zwei Vergleichsdistanzen? Mit B\u00fccksicht auf die Nachwirkungen ist dies von hoher Bedeutung, zumal da die Versuche anscheinend sehr schnell aufeinanderfolgten und dieselbe Hautstelle trafen. 2. Wie konnte Verfasser mit derselben Fehldistanz immer 8 mal hintereinander experimentieren? Wenn auch das Verfahren unwissentlich war, so wufste doch die Versuchsperson, die offenbar auch in der H\u00e4lfte der Versuche protokollierte, von der Thatsache, dafs die einmal angewandte Fehldistanz noch 7 mal hintereinander folgen wird, und zwar, da der Zeitfehler nicht ber\u00fccksichtigt wurde, jedes Mal als zweiter Beiz. Nach eigenen Erfahrungen in \u00e4hnlichen Experimenten bei Gewichten w\u00fcrde ich deshalb 7/s aller Versuche keine besondere Beweiskraft zuschreiben. Selbst wenn die Versuchsperson nichts von einer derartigen Anordnung der Versuche w\u00fcfste, w\u00fcrde ich ein schweres Bedenken in der achtmaligen Wiederholung derselben Fehldistanz finden. Es giebt wohl","page":142}],"identifier":"lit29533","issued":"1895","language":"de","pages":"140-142","startpages":"140","title":"M. W. Calkins: Statistics of dreams. Amer. Journ. of Psych. V. No 3 S. 311-343. 1893","type":"Journal Article","volume":"8"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:32:35.505718+00:00"}