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{"created":"2022-01-31T13:58:24.504839+00:00","id":"lit29535","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Offner, M.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 8: 147-149","fulltext":[{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"Li tteraturberi ch t\n147\nzur\u00fcckzuf\u00fchren sei, immer noch leichter \u00fcber die Schwierigkeiten hinwegzuhelfen.\tM. Offner (Aschaffenburg).\nJosepha Kodis. Zur Analyse des Apperzeptionsbegriffes. Eine historischkritische Untersuchung. Berlin, 1893. S. Calvary & Co. 202 S..\nDas Buch, das uns die gelehrte Verfasserin hier bietet, z\u00e4hlt keineswegs zur angenehmen Lekt\u00fcre. Teilweise liegt das ja am Stoffe, teilweise aber wohl auch an der Behandlung, die manchmal die Sicherheit und Knappheit vermissen l\u00e4fst.\nAusgehend von der Ansicht, dafs unter den Begriffen von Apperzeption und Wille alle jene Ansichten, die sich gegen eine mechanische Betrachtung psychischer Erscheinungen kehren, eine Zuflucht fanden (S. 3), verfolgt Verfasserin den sehr schwankenden Begriff der Apperzeption, wie er hei verschiedenen Denkern, unter denen allerdings manche bedeutende fehlen, so W. James, K. Lange, der speciell \u00fcber die Apperzeption schrieb (1879, Plauen), u. a., zur Darstellung gelangt ist. Ihre Arbeit teilt sich in zwei Teile, einen historischen (S. 7\u2014152) und einen systematischen (S. 153\u2014202).\nDas erste Kapitel besch\u00e4ftigt sich mit Descartes, der zwischen Perzeption und Apperzeption noch nicht unterschied. Hier h\u00e4tte sich\n9 9\nzur besseren \u00dcbersicht sehr empfohlen, Falckenbergs Beispiel zu folgen, der in seiner Gesch. d. neuer. Philos., S. 72, das Verh\u00e4ltnis der verschiedenen Seelenverm\u00f6gen und -zustande durch eine einfache Tabelle veranschaulicht. Ganz unpraktisch war es, Descartes nach Seiten zu eitleren, nachdem uns doch die von Descartes selbst gegebene Einteilung nach Paragraphen und Artikeln \u2014 wenigstens in den Princ. phil. und den Pass, an., die allein hier beigezogen worden waren \u2014 von den verschiedenen Ausgaben unabh\u00e4ngig macht. \u00dcberdies scheint nach den wenigen Proben die von der Verfasserin benutzte franz\u00f6sische \u00dcbersetzung der Princ. phil. von Aim\u00e9-Martin ziemlich fehlerhaft und oberfl\u00e4chlich angefertigt zu sein. Es folgen dann die Ansichten von Leibniz,. der die Apperzeption schliefslich definierte als reflexive Kenntnis der Perzeptionen (nicht des inneren Zustandes der Perzeption, S. 24) und damit in die Psychologie einf\u00fchrte, und von Wolff, der, an Leibniz sich anlehnend, die Apperzeption als Trennung der einzelnen Perzeptionsakte und weiterhin des Subjekts vom Objekte auffafste. Wie Verfasserin hieraus eine Dreiteilung (S. 35) gew\u00e4nnen will, ist nicht recht begreiflich. Auch bei Wolff h\u00e4tte sich \u00fcbrigens das Citieren nach Paragraphen empfohlen. Mit Kant, der von den L. und W. ausgehend, das wandelbare Bewufstsein seiner selbst als empirische Apperzeption bezeichnet *\nund als deren unerl\u00e4fsliche Bedingung die transcendentale Apperzeption, d. h. die blofse Ichvorstellung in Beziehung auf alles andere voraussetzt und gelegentlich auch die Apperzeption ganz allgemein bestimmt als einheitliches Verm\u00f6gen zu allen logischen Formen, schliefst die Gruppe der \u00e4lteren Philosophen, die ein besonderes Gewicht auf die subjektiv charakterisierten Momente im Apperzeptionsvorgange gelegthaben, indem sie in diesem immer zugleich einen Selbstbewufstseinsakt sahen (S. 43), eine Beziehung des gedachten Objekts zum denkenden Subjekt (S. 152)\n10*","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148\nLitteraturbericM.\nDie zweite Gruppe, welche die Apperzeption als Bewegung zweier Vorstellungsmassen zur Erzeugung einer Erkenntnis auffafst (S. 152), beginnt mit Herbart, der bekanntlich unter Apperzeption den Anschlufs einer frisch aufsteigenden oder von aufsen verursachten Vorstellung an die schon bestehende \u00e4ltere Vorstellungsmasse (apperzipierende Vorstellung) versteht. Da nun das Ich sich als eine derartige feste Gruppe darstellt und eine neue Vorstellung erst nach Verbindung mit jener als dem Ich zugeh\u00f6rig betrachtet werden darf, so kann Herbart die Apperzeption im allgemeinen bezeichnen als das Wissen von dem, was in uns vorgeht (S. 61). An Herbart schliefsen sich an Steinthal und Lazarus.\nAuch Wundt verwendet nach Ansicht der Verfasserin die durch Herbart gewonnenen Eesultate f\u00fcr seine Assoziationsgesetze, bringt sie aber dann in Beziehung zum Apperzeptionsbegriff der \u00e4lteren Philosophen Leibniz und Kant (S. 141). F\u00fcr ihn ist im grofsen und ganzen die Apperzeption dieselbe Funktion, die man in Bezug auf unsere Handlungen Willen nennt (S. 124). Ja diese innere Willensth\u00e4tigkeit ist ihm die urspr\u00fcnglichste Willensform, der primitive Willensakt (S. 123). So kann die Apperzeption auch bezeichnet werden als Erfassung einer Vorstellung durch die Aufmerksamkeit. Je nach dem Mafse nun, in welchem wir unsere spontane Th\u00e4tigkeit f\u00fchlen, unterscheidetWundt passive (Assoziation) und aktive Apperzeption (apperzeptive Verbindungen = h\u00f6heres Denken), die er aber nur als Entwickelungsstufen ein und desselben Grundverm\u00f6gens, des die Vorstellungen verbindenden Willens betrachtet (S. 119), wie ihm denn \u00fcberhaupt die letzte psychische Einheit nicht die Vorstellung, sondern der Wille, die stets bewufste spontane Th\u00e4tigkeit\nist (S. 106).\nMit seinem aktuellen Seelen begriff und seiner Annahme einer durchg\u00e4ngigen Abh\u00e4ngigkeit zwischen physischen und psychischen Erscheinungsreihen schafft Wundt die Vermittelung zwischen der vorausgehenden rationalistischen Schule in der Psychologie und der funktionalistischen Ansicht (S. 145), welche Verfasserin durch Ayenarius vertreten sieht. In seiner Philosophie als denkend. ~Welt gem\u00e4fs d. Prinzip d. kleinsten Kraft-mafses betrachtet er jeden Apperzeptionsvorgang als eine Beharrungserscheinung (S. 147) und sieht die Wurzel davon in dem Streben der Seele nach Kraftersparnis. So durchdringen sich im Apperzeptionsakt zwei Vorstellungsgruppen gegenseitig zum Zweck einer inhaltlichen Bestimmung, und zwar in zwei Formen, als begreifende, d. h. das Allgemeine herausstellende Apperzeption und als identifizierende, d. h. das Unbekannte auf das Bekannte zur\u00fcckf\u00fchrende Apperzeption (S. 150f.). In dieser dritten Auffassung erscheint die Apperzeption als ein Vorgang, der den Vorstellungen die Klarheit oder die Bewufstheit mitteilt (S. 152).\nDamit verl\u00e4fst Verfasserin, wie sie glaubt, die historische Betrachtungsweise und geht zum systematischen Teile \u00fcber, indem sie an der Hand von Ayenarius\u2019 Kritik d. rein. Erfahrung die verschiedenen psychischen Erscheinungen, welche als Wille und Apperzeption bezeichnet werden, vorf\u00fchrt. Aber in Wirklichkeit bleibt die Behandlung doch so historisch, wie in den vorausgehenden Kapiteln, insofern sie ja in diesem zweiten Teil lediglich die zweite Entwickelungsphase des AYENARiusschen","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n149\nDenkens bietet. Und dabei in einer nichts weniger als mundgerechten Form. Verfasserin kann doch nicht voraussetzen, dafs sich ihre Leser in das Heer der von Avenarius gebildeten Termini und Formeln l\u00e4ngst hineingelebt haben. Wenn sie denselben vielmehr einen Dienst erweisen wollte, so w\u00e4re ihre Aufgabe gewesen, denjenigen, welche der AvE\u00ee\u00eeARi\u00fcsschen Denkweise ferner stehen, dieselbe n\u00e4her zu bringen durch m\u00f6glichste Vermeidung dieser abweichenden Terminologie, durch Veranschaulichung der abstrakten Formeln mittelst geeigneter Beispiele u. s. f. Bei Darlegung der HERBARTSchen und der STEiNTHALSchen Gedanken hat die Verfasserin mit richtigem Gef\u00fchl diese Forderung von selber erf\u00fcllt; freilich hatte diese Umformung bereits Herbart selbst vorgenommen. Und auch Avenarius geschieht damit kein Gefallen ; denn in dieser Form gebotene Proben schrecken eher ab, als dafs sie Interesse wecken f\u00fcr seine eigenartige Theorie. So bekommt man den Eindruck, als ob die Verfasserin vorerst nur in dem Stoffe stehe, nicht \u00fcber dem Stoffe, und das Verdienst dieser mit namhaftem Fleifs und anerkennenswertem Interesse gef\u00fchrten Untersuchung scheint mehr darin zu liegen, dafs sie die Bedeutung und die Schwierigkeiten des Apperzeptionsproblems wieder einmal klar vor Augen stellt, als in der thats\u00e4chlichen Entwickelung und L\u00f6sung des Problems\nM. Offner (Aschaffenburg).\nMax Diez. Theorie des Gef\u00fchls zur Begr\u00fcndung der \u00c4sthetik. Stuttgart. Frommann. 1892.\t172 S.\nO\ti\t/\nDie vorliegende Schrift ist nicht geeignet, dem physiologischen Psychologen irgend etwas Neues zur Psychologie des Gef\u00fchls zu sagen, und der \u00c4sthetiker kann nichts aus ihr entnehmen, als spekulative Gemeinpl\u00e4tze.\nNach der Meinung des Verfassers ist die Philosophie, wenn sie \u00fcberhaupt etwas sein soll, \u201eapriorische Wissenschaft\u201c, _ \u201eund wenn ihre Resultate vollkommene Gewifsheit haben sollen, so m\u00fcssen sie ein System bilden, welches das Ganze der reinen Vernunft ausf\u00fcllt\u201c. Die Psychologie ist ihm zwar \u201edie sichere Erfahrungsbasis aller Philosophie\u201c, \u201eaber sie giebt keinen notwendigen Fortschritt von einem Begriff zum anderen\u201c. Um diesen f\u00fcr die \u00c4sthetik zu erreichen, mufs nun der Verfasser etwas weit ausholen, und er giebt uns ad hoc auf den 172 Seiten seiner Schrift einen allgemeinen Begriff der Philosophie \u00fcberhaupt, allgemeine Er\u00f6rterungen \u00fcber die \u201eMethode der Philosophie\u201c (wobei der Begriff der Philosophie von den Joniern und Eleaten bis zu Hegel verfolgt und endlich die HEGELSche Methode durch die Postulierung einer \u201estrengen\u201c philosophischen Grundlage in modernisierter Form wieder aufgefrischt wird); sodann folgt eine Diskussion \u201eder verschiedenen m\u00f6glichen Ausgangspunkte in der Er\u00f6rterung des \u00e4sthetischen Subjekts\u201c, bis wir endlich auf S. 145 zu der \u201eTheorie des Gef\u00fchls\u201c gelangen, der dann 13 Seiten gewidmet werden. Und diese \u201eTheorie des Gef\u00fchls\u201c bewegt sich ganz und gar in allgemeinen und altherk\u00f6mmlichen Redensarten. \u201eGef\u00fchl \u00fcberhaupt\u201c ist \u201edas Bewufstwerden einer F\u00f6rderung","page":149}],"identifier":"lit29535","issued":"1895","language":"de","pages":"147-149","startpages":"147","title":"Josepha Kodis: Zur Analyse des Apperzeptionsbegriffes. Eine historisch-kritische Untersuchung. Berlin, 1893. S. Calvary & Co. 202 S.","type":"Journal Article","volume":"8"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:58:24.504845+00:00"}