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{"created":"2022-01-31T13:54:45.705708+00:00","id":"lit29540","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Wreschner, Arthur","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 8: 151-154","fulltext":[{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"Litter aturbericht\n151\neine niedere, unbewufste Form, die organische, protoplasmatische Sensibilit\u00e4t. Bei letzterer kann man Anziehung und Abstofsnng unterscheiden. Anziehung ist Assimilation, sie f\u00e4llt zusammen mit der Ern\u00e4hrung. Die sexuelle Anziehung ist schon ein h\u00f6herer Grad. Die Abstofsung offenhart sich als Ausscheidung und Verteidigung. Aus dem* Umstande, dafs das Kind zu Anfang ein rein affektives Lehen f\u00fchrt und auch nach der Gehurt mehrere Wochen braucht, um seine Empfindungen zu lokalisieren, ist ersichtlich, dafs es ein rein affektives Lehen gieht, unabh\u00e4ngig vom intellektuellen Lehen.\nBibot besch\u00e4ftigt sich nun zun\u00e4chst mit den primitiven tierischen, hierauf mit den primitiven menschlichen, ferner mit den abstrakten Emotionen, endlich mit den Leidenschaften. Die Emotionen der ersten Klasse sind rein vital oder physiologisch und bezwecken die Erhaltung der Gattung und des Individuums. \u2014 Unter den Emotionen der zweiten Klasse entsteht zuerst die Furcht, womit Erstaunen, Verdacht und Schrecken Zusammenh\u00e4ngen, hierauf der Zorn, sodann die zarten Emotionen, z. B. Sympathie. Es erscheinen Freude und Kummer. Ein weiteres Stadium wird bezeichnet durch das Auftreten der an die Pers\u00f6nlichkeit gekn\u00fcpften Gef\u00fchle, durch die Selbstgef\u00fchle. Ein schwaches Kind wird sp\u00e4ter Furchtsamkeit, Feigheit, Designation zeigen. Ein kr\u00e4ftiges Kind dagegen wird sp\u00e4ter eine Vorliebe f\u00fcr physisches Handeln, f\u00fcr wissenschaftliche Besch\u00e4ftigung oder f\u00fcr sch\u00f6pferische Th\u00e4tigkeit besitzen. Ferner geh\u00f6ren hierher die sexuellen Emotionen. \u2014 Die dritte Klasse, die abstrakten Emotionen, sind nicht an Wahrnehmungen oder Bilder, sondern an Vorstellungen gebunden. Man begegnet ihnen in der Kunst, Moral und Beligion. Sie sind der Majorit\u00e4t der Menschen unerreichbar. Die F\u00e4higkeit, solche Empfindungen zu haben, erfordert zweierlei: erstens mufs man f\u00e4hig sein, allgemeine Ideen zu fassen und zu verstehen, zweitens m\u00fcssen diese Ideen bestimmte Gef\u00fchle erwecken k\u00f6nnen, bestimmte Tendenzen erregen. Ein organisches und tierisches Gef\u00fchl formt sich durch Grade um und wird schliefslich zu einem aussehliefslich intellektuellen Zustande. B. demonstriert dies an der sexuellen Liebe und an der Wahrheitsliebe. Die sexuelle Liebe ist zuerst nur sexuelle Erregung, sp\u00e4ter halten sich psychologische und physiologische Elemente das Gleichgewicht, hier findet eine Wahl statt, schliefslich verschwinden die physiologischen Elemente gradweise, das Psychologische gewinnt an Intensit\u00e4t. Wir finden nur noch ein vages Schema, die platonische Liebe. Die Wahrheitsliebe ist zur\u00fcckzuf\u00fchren auf die Selbsterhaltung. Das Bed\u00fcrfnis zu erkennen ist zuerst eine Notwendigkeit. In einem h\u00f6heren Stadium bekundet sich die eigentliche Neugierde. In einer dritten Periode findet eine Auswahl statt nach dem Interesse des einzelnen. \u2014 Im letzten Kapitel behandelt Bibot die Leidenschaften oder permanenten Emotionen.\tM. Giessler (Erfurt).\nFl\u00fcgel. \u201e\u00dcber Gef\u00fchl und Affekt\u201c. Zeitsehr. f\u00fcr exakte Philos. Bd. XIX. Heft 4. S. 349-371. (1893.)\nVerfasser sucht weniger eine eigene Theorie \u00fcber Gef\u00fchle und Affekte aufzustellen, als die HERBARTSche gegen die haupts\u00e4chlichsten","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nLitteraturberich t.\nAngriffe zu verteidigen und dadurch zugleich zu kommentieren und weiter durchzuf\u00fchren.\nIn dem Abschnitte \u00fcber G-ef\u00fchle wird vor allem Wundts Artikel : \u201eZur Lehre von den Gem\u00fctsbewegungen\u201c (Philos. Stud. Bd. VI. S. 335 bis 393) ber\u00fccksichtigt und der Einwand erhoben, dafs nach Hekbart aus der Pressung von Vorstellungen nur Unlustgef\u00fchle entstehen, f\u00fcr die Lustgef\u00fchle dagegen eine Verschmelzung der Vorstellungen, \u201eein Ablauf mehrerer gleichzeitiger und sich gegenseitig unterst\u00fctzender Reihen\u201c anzunehmen sei. Auf diese Erkl\u00e4rung der Lustgef\u00fchle habe Wundt in seiner Polemik gegen Herbart keine R\u00fccksicht genommen. Hierbei scheint Verfasser jedoch \u00fcbersehen zu haben, dafs Wundt (a. a. O. S. 347) auch von \u201ederBefreiung von vorhandenen Spannungen\u201c spricht.\nPressungen und gegenseitige Unterst\u00fctzungen von Vorstellungen aber glaubt Verfasser als eine blofse Folge des Vorhandenseins vieler Vorstellungen oder, wie er es h\u00f6chst ungeschickt nennt, \u201erein synthetisch\u201c annehmen zu m\u00fcssen und auf sie die Gef\u00fchle mit gr\u00f6fserem Rechte zur\u00fcckf\u00fchren zu k\u00f6nnen, als auf den einen Willen. Hierzu k\u00e4me noch die Analyse der Gef\u00fchle, welche in dem Zweifel, Widerspruch, in der leicht gelingenden Th\u00e4tigkeit bei den intellektuellen, in der Notwendigkeit des Zusammenfassens mehrerer Vorstellungen bei den \u00e4sthetischen Gef\u00fchlen derartige Pressungen resp. Unterst\u00fctzungen von Vorstellungen unzweifelhaft macht und so den Weg f\u00fcr die Erkl\u00e4rung der anderen Gef\u00fchle zeigt. Was schliefslich die von Wundt betonte Einfachheit der Gef\u00fchle anlangt, so nimmt sie Verfasser trotz obiger Theorie f\u00fcr Herbart in Anspruch, insofern das F\u00fchlen weder ein Vorstellen noch ein Begehren, also etwas Eigent\u00fcmliches, Undefinierbares sei. Ja selbst die Urspr\u00fcnglichkeit der Gef\u00fchle glaubt er noch behaupten zu k\u00f6nnen, da es sich um einen eigent\u00fcmlichen, selbst\u00e4ndigen Akt handelt, der nur gewisse Bedingungen voraussetzt und einer genaueren Analyse zug\u00e4nglich ist. Nur die sinnlichen Gef\u00fchle oder die betonten Empfindungen machen dem Verfasser einige Bedenken. Um jedoch auch diese zu beseitigen, weist er auf die durch die moderne Sinnesphysiologie voll und ganz best\u00e4tigte Annahme Herbarts hin, nach der alle Sinnesempfindungen aus dem Zusammenwirken mehrerer Bedingungen entstehen, deren Verhalten dem der Vorstellungen analog ist.\nAlle diese Ausf\u00fchrungen des Verfassers leiden zun\u00e4chst an einem Grundfehler, an der Annahme, dafs die Vorstellungen Kr\u00e4fte sind, die einander selbst\u00e4ndig f\u00f6rdern oder hemmen k\u00f6nnten. Diese Petitio principii macht Verfasser namentlich bei der sog. synthetischen Begr\u00fcndung der HERBARTSchen Theorie, wo er ein derartiges Verhalten der Vorstellungen f\u00fcr so ausgemacht h\u00e4lt, dafs nach ihm auch Wundt eine Pressung unter den Vorstellungen a priori erwartet. Eine n\u00e4here Begr\u00fcndung f\u00fcr diese sonderbare Behauptung erhalten wir nicht. Sodann aber sollte Verfasser doch nach obigen Ausf\u00fchrungen wenigstens zugeben, dafs er vielleicht die Bedingungen f\u00fcr das Zustandekommen der Gef\u00fchle angiebt, aber keineswegs eine Erkl\u00e4rung ihrer psycho-","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"Litter aturbericht.\n153\nlogischen Eigent\u00fcmlichkeit. Dafs dieses durch jenes nicht geleistet isty bemerkt Verfasser so wenig, dafs er sogar mit dem Entstehen der Empfindungen aus mehreren physiologischen Bedingungen die zusammengesetzte Natur der sinnlichen Gef\u00fchle bewiesen haben will. Die Empfindungen als psychologische Prozesse sind doch jedenfalls einfach, und diese sind angenehm oder unangenehm. Ebenso unbefriedigt lassen die Ausf\u00fchrungen \u00fcber die Einfachheit und Urspr\u00fcnglichkeit der Gef\u00fchle. Ja man wird in ihnen geradezu einen Missbrauch mit diesen Worten erblicken m\u00fcssen, der nur verwirrend wirken kann. Was man analysieren kann, ist weder einfach noch urspr\u00fcnglich. Bei einem derartigen Spiele mit dem Worte \u201eeinfach\u201c d\u00fcrfte es daher auch nicht mehr Wunder nehmen, wenn Verfasser an einer anderen Stelle (S. 369) die Gef\u00fchle auch wieder einmal \u201ezusammengesetztere Vorg\u00e4nge\u201c im Gegens\u00e4tze zu den \u201eeinfacheren\u201c Vorstellungen nennt. Abgesehen von dem Widerspruche, in den sich Verfasser hierdurch mit seiner Behauptung der Einfachheit der Gef\u00fchle verwickelt, m\u00f6chte ich nur auf die Worte einfacher\u201c und \u201ezusammengesetzter\u201c verweisen. Im gew\u00f6hnlichen Sprachgebrauch m\u00f6gen sie wohl am Platze sein. Aber es f\u00e4llt doch dem Chemiker nie ein, von \u201eeinfacheren\u201c oder gar \u201ezusammengesetzteren\u201c Elementen zu sprechen. Und hier handelt es sich gerade um die Elemente des Seelenlebens. Dafs Wundt die Gef\u00fchle \u201eeinfachere\u201c Vorg\u00e4nge im Vergleiche zu den \u201eAffekten\u201c, den \u201ezusammengesetzteren\u201c Prozessen, nennt, weil jene stets in diesen, aber nicht diese immer in jenen enthalten sind, entschuldigt den Verfasser nicht, selbst wenn man zugeben wollte, dafs in \u00e4hnlicher Weise Vorstellungen stets in den Gef\u00fchlen, aber letztere nicht immer in ersteren Vorkommen. Denn erstens wird man auch Wundts Ausdrucks weise nicht billigen k\u00f6nnen, zweitens behauptete auch Wundt nicht wiederum auf anderer Seite die Einfachheit und Urspr\u00fcnglichkeit der Affekte, drittens sind nach Wundt die Gef\u00fchle nicht blofs die Bedingungen, sondern auch Bestandteile der Affekte, zu denen aber noch andere Erscheinungen hinzutreten, so dafs man schon eher von \u201ezusammengesetzteren\u201c Vorg\u00e4ngen sprechen k\u00f6nnte.\nIn der Lehre von den Affekten wendet sich Verfasser vor allem gegen die physiologische Theorie Langes, verwirft mir Anlehnung an Henle die Annahme besonderer Hirnregionen f\u00fcr Intelligenz und Gef\u00fchl,8 die scharfe Trennung von Verstand und Gef\u00fchl und die Gleichsetzung von Gef\u00fchl und Affekt. Lange spreche eigentlich nur von Affekten, und nur diese seien durch Erziehung zu beseitigen, w\u00e4hrend die Verdr\u00e4ngung aller Gef\u00fchle durch den Verstand ein \u201eungeheuerlicher Gedanke\u201c sei. Mit letzterem hat Verfasser ohne Zweifel Pecht, \u00fcber die Verachtung der Affekte liefse sich jedoch noch streiten. F\u00fcr die Theorie der Affekte ist diese Frage jedoch ohne Bedeutung. Dafs hierf\u00fcr die Angabe der physiologischen Begleiterscheinungen, auf die sich Lange beschr\u00e4nkt, nicht ausreichend ist, bemerkt Verfasser, wie viele andere schon vor ihm, mit Pecht. Ebenso wird man ihm beistimmen k\u00f6nnen, wenn er in den von Lange besonders betonten Affekten, die anscheinend nur durch k\u00f6rperliche Vorg\u00e4nge bedingt sind, wie durch Wirkungen gewisser Gifte oder durch Erkrankungen des vasomotorischen Apparates, nur Aus-","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nLi ttera tu rberich t.\nnahmef\u00e4lle erblickt und selbst bei ihnen ein seelisches Mitwirken f\u00fcr n\u00f6tig h\u00e4lt. Auch die Thatsache, dafs derselbe Affekt von verschiedenen physiologischen Erscheinungen bei verschiedenen Personen oder bei derselben Person zu verschiedenen Zeiten begleitet sein kann, f\u00fchrt Verfasser mit Hecht gegen Lange \u00e4n. Ob er aber deshalb berechtigt ist, die Affekte als \u201epl\u00f6tzliche Abweichungen von der relativen Gleichgewichtslage der geistigen Th\u00e4tigkeiten\" zu definieren, d\u00fcrfte bei der hohen Bedeutung der physiologischen Begleiterscheinungen gerade bei den Affekten h\u00f6chst zweifelhaft erscheinen. Sicherlich aber hat Verfasser Unrecht, wenn er es noch als fraglich hinstellt, ob der Schnaps zuerst auf das vasomotorische Zentrum und durch dieses erst auf den Geist wirkt oder umgekehrt. Ebenso scheint mir die Behauptung, dafs ein pl\u00f6tzlicher Knall oder ein blendendes Licht nur eine Ersch\u00fctterung des K\u00f6rpers, keinen Affekt herbeif\u00fcren, nicht richtig. Denn zun\u00e4chst verst\u00f6fst sie gegen den psycho-physischen Parallelismus, dem Verfasser selbst S. 386 das Wort spricht, sodann beweist die Thatsache, dafs auch Taube durch einen pl\u00f6tzlichen Knall die Erscheinungen des Schreckens zeigen, in diesem Sinne gar nichts, da in dem Knall auch ad\u00e4quate Eeize f\u00fcr die anderen normal erhaltenen Sinnesorgane enthalten sind und diese auf die Seele wirken k\u00f6nnen. \u2014 Zum Schl\u00fcsse wendet sich Verfasser noch gegen den LiEBMANNSchen Einwurf, dafs etwa der rapide Ausbruch einer Geisteskrankheit nicht aus \u201edem phlegmatisch - indifferenten Vorstellungsmechanismus\" zu erkl\u00e4ren sei. Ohne die Berechtigung eines Vorstellungsmechanismus im HERBARTSchen Sinne auch nur im geringsten zuzugeben, wird man jedoch dem Verfasser beistimmen k\u00f6nnen, wenn er fragt, warum man jenen Mechanismus sich \u201ephlegmatisch-indifferent\" denken m\u00fcsse, und wenn er darauf hinweist, dafs auch die Gesetze der Statik und Mechanik durch einen Cyklon und Anticyklon keineswegs \u00fcber den Haufen geworfen werden.\nArthur Wreschner (Berlin).\nA. Pen Jon. Le rire et -la libert\u00e9. Bev. philos. 1893. No. 8. S. 1?3 bis 140.\nI.\tNach Ansicht des Verfassers dieser mit mehr Esprit als Exakt-1 heit geschriebenen Artikelreihe besteht die Freude, die Lust in dem\nGef\u00fchl einer Art von Ausdehnung, Erweiterung, gegen\u00fcber der zusammenziehenden Tendenz des Schmerzes. Dadurch ist sie untrennbar verbunden mit der Freiheit, eine Anschauung, die Verfasser auch in manchen franz\u00f6sischen Kedensarten findet. So ist die Lust weiter nichts als das Qef\u00fchl des unbehinderten Lebens und das Lachen der Peflex dieses sich anderen sehr leicht mitteilenden Gef\u00fchles.\nII.\tWesentlich uninteressiert dagegen ist das Lachen der Komik. Es schliefst jeden Gedanken an Verlust oder Gewinn aus und ber\u00fchrt sich dadurch mit dem Spiel, das Kant als eine lediglich um ihrer selbst willen existierende Th\u00e4tigkeit bezeichnet.\nDie nach den strengen Gesetzen der Logik fortschreitenden Gedankenreihen der Mathematik und anderer Wissenschaften geben ebensowenig Anlafs zum Lachen, wie das gleichm\u00e4fsig sich abrollende Alltags-","page":154}],"identifier":"lit29540","issued":"1895","language":"de","pages":"151-154","startpages":"151","title":"Fl\u00fcgel: \"\u00dcber Gef\u00fchl und Affekt\". Zeitschr. f\u00fcr exakte Philos. Bd. XIX. Heft 4. S. 349-371. 1893","type":"Journal Article","volume":"8"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:54:45.705714+00:00"}