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{"created":"2022-01-31T13:31:01.882680+00:00","id":"lit29551","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Stumpf, C.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 8: 293-298","fulltext":[{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\nJames Mark Baldwin. Handbook of Psychology. New York, Henry Holt & Co. Bd. I. 2. Aufl. 1890. VII n. 343 S. Bd. II. 1891. IV u. 387 S.\nObschon die Anzeige dieses Werkes sieb durch \u00e4ufsere Umst\u00e4nde leider ungew\u00f6hnlich verz\u00f6gert hat und es inzwischen den deutschen Fachgenossen schon bekannt geworden sein wird, d\u00fcrfen wir eine Charakteristik seiner Anlage und seines Gedankenganges in dieser Zeitschrift nicht unterlassen.\nDer erste Band tr\u00e4gt den Spezialtitel : Senses and Intellect. Sein erster Teil handelt von der allgemeinen Charakteristik der psychischen Funktionen (Bewufstsein und Aufmerksamkeit), sein zweiter vom Intellekt, wobei die Sinnesempfindungen nicht, wie man nach dem Titel des Bandes erwarten sollte, dem Intellekt koordiniert, sondern mit darunter begriffen werden.\nIn der Lehre vom Bewufstsein wird besonders die Frage nach dem Unbewufsten und nach der Relativit\u00e4t besprochen und der Apperzeptionsbegriff erl\u00e4utert. Bewufstsein ist allgemeine Bedingung und Eigenschaft der geistigen Zust\u00e4nde, hat aber Stufen, namentlich die des passiven und aktiven Bewufstseins, unter letzterem verstanden das Bewufstsein mit Aufmerksamkeit. Der Prozefs, durch den die Aufmerksamkeit auf einen Inhalt (image) konzentriert wird, ist Apperzeption. Diese ist das Gemeinschaftliche aller intellektuellen Th\u00e4tigkeiten und findet sich \u00fcberall, wo durch Aufmerksamkeit Inhalte zu einem Beziehungsganzen vereinigt werden (mental data are unified into a related whole). Yon der W\u00fcNDTSchen unterscheidet B. seine Apperzeptionslehre durch sch\u00e4rfere Trennung der willk\u00fcrlichen und unwillk\u00fcrlichen Aufmerksamkeit.\nDie intellektuellen Funktionen werden gegliedert in apperzeptive und rationale Funktion (wobei wieder, wenn man das eben Vernommene in Acht beh\u00e4lt, die Inkonsequenz der Terminologie st\u00f6rt). Der weitaus gr\u00f6lste Teil der Darstellung entfallt auf die apperzeptive Funktion. Sie wird zerlegt in Presentation (Sensation, Perception) und Representation (Conservation = Memory, Combination = Association xm\u00e0. Imagination, endlich Elaboration = Thought = Begriff, Urteil und Schlufs).\nDie Sinnesempfindung besitzt vier Momente : Qualit\u00e4t, Quantit\u00e4t (Intensit\u00e4t und Ausdehnung umfassend, cfr. p. 109), Dauer, Ton. Bei der Dauer werden die Reaktionsversuche besprochen, die aber doch eigentlich nicht die Dauer der Empfindung messen. Am wenigsten","page":293},{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"294\nLitteraturbericht\ngeh\u00f6ren die Versuche \u00fcber Assoziationszeiten hierher. Auch die Einf\u00fcgung des kurzen Paragraphen \u00fcber G-ehirnlokalisation der psychischen Punktionen in die Empfindungslehre ist schwerlich zu rechtfertigen.\nDie Perzeption definiert B. als die apperzeptive oder synthetische Aktivit\u00e4t des Geistes, wodurch die Empfindungsdata die Form der Vorstellungen in Baum und Zeit annehmen, oder als den Prozefs der Konstruktion unserer Vorstellung von der Aufsenwelt. In der Baumtheorie n\u00e4hert er sich dem Nativismus und scheint im wesentlichen Lotzes (und damit Kants) Standpunkt zu teilen. Baum und Zeit sind Formen der Anschauung, Zeit speziell Form der inneren Anschauung (cfr. 180). Es handelt sich in beiden F\u00e4llen nur um die Lokalisation im einzelnen. Die Zeittheorie giebt B. \u00fcbrigens erst im folgenden Abschnitt.\nDie erste repr\u00e4sentative Th\u00e4tigkeit, Conservation, bewirkt die Wiederkehr von Vorstellungen. Vier Stadien werden unterschieden: Betention, Beproduction, Becognition, Localisation (in der Zeit). Verfasser entscheidet sich f\u00fcr eine physiologische Auffassung des Ged\u00e4chtnisses,\nBei der zweiten repr\u00e4sentativen Th\u00e4tigkeit, Combination^ wird zuerst die Assoziation betrachtet und diese Betrachtung in einer mir nicht ganz verst\u00e4ndlichen Weise gegen die vorangehende abgegrenzt. Ged\u00e4chtnis gehe der Assoziation voraus, da die Bilder zur\u00fcckbehalten werden m\u00fcssen, um assoziiert zu werden. Immerhin seien nur beide zusammen als eine vollst\u00e4ndige Form geistiger Th\u00e4tigkeit zu betrachten, indem das Ged\u00e4chtnis den Inhalt und die Assoziation die Form gebe. Die Assoziationsgesetze werden in einer beachtenswerten Untersuchung unter die allgemeinste Formel der \u201eCorrelation\u201c gebracht. Unter der zweiten kombinierenden Th\u00e4tigkeit, Imaginationversteht B. die Gestalt, die der Ideenlauf (abgesehen von der Beteiligung des Willens) annimmt* Die Gesetze dieser Anordnung sind die Assoziationsgesetze (cfr. 81)-Hier werden die verschiedenen Formen der passiven und aktiven Imagination untersucht (Tr\u00e4ume gegen\u00fcber k\u00fcnstlerischer oder wissenschaftlicher Konstruktion).\nDie dritte repr\u00e4sentative Th\u00e4tigkeit, Elaboration oder Thought, ist der \u201ekr\u00f6nende Akt der Apperzeption\u201c. Das Verh\u00e4ltnis zu den niederen Th\u00e4tigkeiten wird so beschrieben: \u201eIn der Perzeption und Imagination halten die Gesetze der Assoziation die Apperzeptionskraft nieder zu einer mechanischen Bekonstruktion der Empfindungsdata. Beim Denken \u00fcberschreitet die Energie der Apperzeption diese Schranken und verwirklicht sich, vorschreitend auf Grund der Vorstellungsdata, gem\u00e4fs ihren eigenen Gesetzen. Denken ist bewufst und willk\u00fcrlich. Es ist deshalb, von der subjektiven Seite betrachtet, die Beapperzeption des apperzeptiven Produktes auf einem aktiven, bewufsten Wege; von der objektiven Seite ist es die Entwickelung des Geistes in seiner wesentlichen Natur als Organ der Verwirklichung der Wahrheit.\u201c\nVerfasser zitiert hier, wie vorher bei \u00e4hnlicher Gelegenheit, Wundt,\n1 Sie wird so eingef\u00fchrt: the crowning phase of the imaging power of mind is the imagination. Es soll jedenfalls heifsen: of the combining power.","page":294},{"file":"p0295.txt","language":"de","ocr_de":"Li ttera tiirb wicht.\n295\nund allerdings machen sich, hier starke Nachwirkungen der WuNDTSchen, aber auch der KANTschen und der alten Verm\u00f6gens-Psychologie geltend. Besonders exakt kann ich diese Darstellung wieder nicht finden.\nDieser Abschnitt f\u00fchrt B. nun in das Detail der Logik. Bemerkenswert erscheint mir in der Urteilslehre (weniger allerdings der Ausf\u00fchrung als des Gedankens halber) der Versuch einer Tafel der Pr\u00e4-dikamente (Kategorien).\nNur auf wenigen Seiten wird endlich die zweite Hauptfunktion des Intellekts, Reason, behandelt. \u201eApperzeption ist ein Prozefs, durch welchen das Material f\u00fcr den h\u00f6heren Gebrauch zubereitet wird. Reason (Vernunft) ist kein Prozefs. . . Sie liegt allen geistigen Prozessen zu Grunde. Sie ist die Natur des Geistes selbst, wie er sich im Bewufstsein offenbart. Es ist also darunter zu verstehen: das konstruktive, regulative Prinzip des Geistes, soweit es im Bewufstsein durch die pr\u00e4sentativen und die diskursiven Operationen erfafst wird.\" S. 81, in der \u00dcbersicht, ist angegeben, dafs der Grundsatz der Identit\u00e4t und \u00e4hnliche nicht aus der Erfahrung abgeleitete Prinzipien, die sich durch alle Erkenntnis hindurchziehen, die Vernunft ausmachen. Auch hier mufs ich leider sagen, dafs ich zum vollen Verst\u00e4ndnis des Verfassers nicht habe durchdringen k\u00f6nnen ; wenigstens nicht in Bezug auf das Gemeinsame, das die Einzelbetrachtungen dieses Abschnittes verkn\u00fcpfen soll. Auff\u00e4llig ist wieder, besonders zum Schlufs, der Anklang an die Kritik der reinen Vernunft (Idee des Weltganzen, des Ich und Gottes als letzte Produkte der Vernunft).\nDer zweite Band bringt als dritten Teil des Ganzen die Lehre vom F\u00fchlen und Wollen. Man ist \u00fcberrascht, hier als Einleitung der Gef\u00fchlslehre eine Darstellung des Nervensystems und seiner Beziehung zum Bewufstsein zu finden. Sie macht hier den Eindruck eines nachtr\u00e4glichen Einschiebsels, das bei einer neuen Auflage in die einleitenden Kapitel des Ganzen verwiesen werden m\u00fcfste.\nUnter Gef\u00fchl (feeling) versteht B. nach S. 85 die subjektive Seite jeder Bewufstseinsmodifikation. Das allgemeinste Kennzeichen des Gef\u00fchls oder der Sensibilit\u00e4t ist Lust und Unlust.\nEs wird unterschieden sensuous und ideal feeling, d. h. Gef\u00fchle, die an Empfindungen und die an Vorstellungen oder an die Aus\u00fcbung der apperzeptiven Funktionen gekn\u00fcpft sind.\nBei der Lehre von den sinnlichen Gef\u00fchlen begegnen wir einer erneuerten Darlegung \u00fcber die Sinnesempfindungen selbst, die wiederum den Eindruck eines Einschiebsels macht. Dabei wird aber auch nicht immer zwischen Empfindung und Gef\u00fchl konsequent unterschieden, wie z. B. S. 98 unter dem Ausdruck LJxtensity of feeling Ausdehnung oder etwas Analoges als allgemeine Eigenschaft der Empfindungen beschrieben wird. Besonders finden wir hier eine erweiterte Analyse der Muskelempfindungen, die aber auch wieder bald als muscular feelings, bald als sensations bezeichnet werden. Hierauf folgt die Lehre von sinnlicher Lust und Unlust, ein Kapitel, das bekanntlich bei W. James ganz fehlt.\nDie Vorstellungsgef\u00fchle scheidet B. in spezielle, die an eine bestimmte Ged\u00e4chtnis- oder EinbildungsVorstellung gekn\u00fcpft sind (emotions),","page":295},{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296\nBitter aturbericht.\nund in allgemeine, die den Hintergrund bilden und mit dem sinnlichen Gemeingef\u00fchl verglichen werden. Zu den letzteren geh\u00f6rt Interesse, Realit\u00e4tsgef\u00fchl und 'Belief. Auf die Unterscheidung der beiden letztgenannten legt Verfasser besonderen Nachdruck. Belief entwickele sich aus dem Realit\u00e4tsgef\u00fchl, wenn erst der Zweifel vorausgegangen ist, und beziehe sich auf die Unterscheidung zweier Vorstellungen, von denen die eine als Phantasievorstellung, die andere als G-ed\u00e4chtnisbild eines Wirklichen betrachtet wird.\nDie Spezialgef\u00fchle (Affekte nach unsrer Bezeichnung, w\u00e4hrend die \u201eaffects\u201c des Verfassers andere Bedeutung haben, s. u.) zerfallen in emotions of activity und emotions of content. Unter den letzteren werden die logischen, moralischen, \u00e4sthetischen Erregungen ausf\u00fchrlich zergliedert. Eine vielgliederige Tabelle der Gef\u00fchle giebt dann die \u00dcbersicht der Klassifikationsergebnisse. Darauf wird noch die Quantit\u00e4t (Intensit\u00e4t) und Dauer der Gef\u00fchle gesondert betrachtet; endlich der Ton, das Lust- und Unlustmoment, das B. nicht aus dem Ton der sinnlichen Gef\u00fchle allein herleitbar findet, wenigstens nicht bei den emotions of content. Er findet f\u00fcr diese den Gesichtspunkt der geistigen Gesundheit als brauchbare zusammenfassende Eormel.\nDie Behandlung des Willens nimmt ihren Ausgang von der motorischen Seite der sinnlichen Gef\u00fchle. Verfasser acceptiert hier das (in seiner Allgemeinheit doch keineswegs bewiesene) \u201eGesetz der mentalen Dynamogenesis\u201c, wonach jeder Bewufstseinszustand sich durch geeignete Muskelbewegung zu realisieren strebe. Weitere einleitende Betrachtungen gelten den unwillk\u00fcrlichen Bewegungen ohne und mit Beachtung der veranlassenden Empfindungen, dann dem Aktivit\u00e4tsgef\u00fchl bei der unwillk\u00fcrlichen Aufmerksamkeit (wo B. besonders die Frage auf wirft, ob wir beim unwillk\u00fcrlich-aufmerksamen Denken uns eines aktiven Be-ziehens oder nur der vorfindlichen Beziehungen bewufst werden, und diese Frage im letzteren Sinne beantwortet), weiterhin den Antrieben (Stimuli) zu unwillk\u00fcrlichen Bewegungen. Hier betont Verfasser (wie schon fr\u00fcher in einer Monographie), dafs den Nachahmungsbewegungen \u201ephysiologisch suggerierte\u201c, d. h. direkt dem \u00e4ufseren Reiz entspringende Bewegungen vorausgehen m\u00fcssen. Das klarste Beispiel solcher b\u00f6ten die Reaktionen im Schlaf, Beantwortung vorgelegter Fragen, Verteidigungsbewegungen u. dergl. Hiermit im Zusammenhang steht die Lehre, dafs Lust und Schmerz nicht die einzigen, wenn auch die vorz\u00fcglichsten Stimuli sind. Dann werden die Impulse und Instinkte untersucht (Impulse = Antriebe, die wesentlich aus dem Inneren des Organismus, Instinkte = solche, die wesentlich von aufs en kommen)-und wird die Lehre vertreten, dafs Vorstellungen niemals f\u00fcr sich als Vor Stellungen, sondern nur durch daran gekn\u00fcpfte Gef\u00fchlsmomente wirksam werden. Insofern nennt Verfasser die Stimuli auch Affects.\nDieser ganze Abschnitt w\u00fcrde wohl zweckm\u00e4fsiger der Willenslehre nicht eingef\u00fcgt, sondern selbst\u00e4ndig vorausgeschickt werden, da er eben ausdr\u00fccklich nur von unwillk\u00fcrlichen Bewegungen handelt. Direkt zur Willenslehre f\u00fchrt nun die Untersuchung der motorischen Seite der Vorstellungsgef\u00fchle. Hier geht Verfasser von der Behauptung aus, dafs","page":296},{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"Li tteraturbericht.\n297\nder Wille sich immer durch Muskelreaktionen \u00e4ufsere, was dem obigen Gesetz der Dynamogenesis entspricht, mir aber wieder sehr bestreitbar scheint. Folgt wieder eine eingehende Diskussion der Antriebe, hier Motive genannt, wobei die Mitwirkung unbewufster Einfl\u00fcsse neben den bewufsten Zielen betont wird. Den Willen selbst scheidet B. in einen positiven und negativen, ein \u201eFiat\u201c und ein \u201eNeget\u201c. Die logische Rechtfertigung des letzteren Ausdruckes ist mir dunkel geblieben. (Chr. Wolff sagte: de Yoluntate et Noluntate). Beiderlei Zust\u00e4nde werden analysiert und im \u201eFiat\u201c nicht weniger als sieben Elemente gefunden, wobei freilich sogar die durch die Bewegung hervorgebrachten Muskelempfindungen mitgez\u00e4hlt werden. Verfasser hebt seine \u00dcbereinstimmung, aber auch seine Abweichung gegen\u00fcber James hervor. Unter dem Titel \u201ePhysiologie der willk\u00fcrlichen Bewegung\u201c stellt er dann die Alternative, ob der Wille (und entsprechend auch die \u00fcbrigen Zust\u00e4nde, die Bewegungen zur Folge haben) dualistisch in die k\u00f6rperlichen Prozesse eingeschaltet oder monistisch als eine, allerdings nicht n\u00e4her definierbare, Einheit mit diesen zu fassen sei. Er bescheidet sich aber mit der Formulierung der Alternative.\nEndlich wird der Wille noch f\u00fcr sich betrachtet (351 f., die Abgrenzung ist mir nicht klar, es handelt sich anscheinend um die Einf\u00fchrung gewisser allgemeinerer Gesichtspunkte). Es wird hervorgehoben, dafs im Wollen die ganze Pers\u00f6nlichkeit in. jedem Moment ihren Ausdruck finde, dafs man die Motive nicht hypostasieren d\u00fcrfe, gleich als wenn jedes als Kraft f\u00fcr sich auf den Willen ein wirkte, ferner, dafs der Wille eine Apperzeption sei, die von der Apperzeption im \u00fcbrigen sich nur durch ihre ausgesprochen motorische Seite unterscheide. Jedem Bewufstseinszustand sei zwar diese Seite eigen, aber wenn man eine Aktion im Auge habe, so werde \u201edie bewegende Eigenschaft der Elemente der Synthese in h\u00f6herem Mafse gef\u00fchlt und sei ein Grad emotioneller W\u00e4rme und Realit\u00e4t vorhanden, der den vorgestellten Zielen eine neue affektive F\u00e4rbung erteile\u201c.\nDie Begriffe der \u00dcberlegung, Wahl, des Charakters u. dergl. werden nun untersucht. Die Frage, ob die Einf\u00fchrung von Motiven durch die Aufmerksamkeit, oder, was dasselbe sei, die Verst\u00e4rkung der bez\u00fcglichen Vorstellungen ihrerseits unmotiviert erfolge, f\u00fchrt zur Diskussion der Willensfreiheit. Dem Verfasser erscheint der Zusammenhang des Willens mit den Motiven durchaus verschieden von dem Zusammenhang physischer Wirkungen mit ihren Ursachen. Die freie Wahl sei eine Synthesis, deren Ergebnis in jedem Fall durch ihre Elemente bedingt, aber nicht verursacht sei, ebenso wie ein logischer Schlufs durch die Pr\u00e4missen bedingt, aber nicht durch sie verursacht ist. Den Abschlufs des Ganzen bildet die Herleitung der Begriffe, die den Willenserscheinungen entnommen sind, Kraft, Pflicht etc. (Rational aspects of Volition, Erg\u00e4nzung zum Schlufsabschnitt des ersten Bandes). \u2014\nBaldwins Werk besitzt nicht die geistvolle Originalit\u00e4t, die Anmut und Frische der Darstellung, die F\u00fclle des thats\u00e4chlichen Materials, wodurch William James\u2019 Psychologie hervorragt, aber es ist systematischer, vollst\u00e4ndiger, und in vielen Gebieten, namentlich in der Gef\u00fchlslehre,","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"298\ni\u00c4tteraturbericli t.\ngr\u00fcndlicher gearbeitet. Man mnfs dem \u00fcberall ersichtlichen Streben nach eingehendster Analyse alle Anerkennung zollen und wird sich vielfach dadurch angeregt finden. Soll ich sagen, was mir durchg\u00e4ngig w\u00fcnschenswert erscheint, so w\u00e4re es, aufser der Beseitigung der Inkonsequenzen in der Anordnung, eine gr\u00f6fsere Vorsicht in den Verallgemeinerungen (wie noch zuletzt in der Willenslehre') und damit zusammenh\u00e4ngend eine gr\u00f6fsere Klarheit und Sch\u00e4rfe der Definitionen.\nC. Stumpf.\nMartinak (Graz). Einige neuere Ansichten \u00fcber Vererbung moralischer Eigenschaften und die p\u00e4dagogische Praxis. Verhandlungen der 42. (Wiener) Philologen-Versammlung. Teubner, Leipzig 1893. S. 208\u2014221.\nDer Verfasser begiebt sich hier auf ein noch sehr strittiges G-ebiet und braucht daher gewifs mit Recht die Vorsicht, mehr referierend zu verfahren. In erster Reihe werden die hierher geh\u00f6renden und zum Teile auch in dieser Zeitschrift besprochenen Arbeiten von Bibot, Wilser und \u00d6lzelt-Newin ber\u00fccksichtigt. Soweit sich die Stellung des Verfassers selbst erkennen l\u00e4fst, befindet sich dieselbe in unmittelbarer N\u00e4he des von Herbart und seinen Sch\u00fclern eingeschlagenen \u201evern\u00fcnftigen Mittelweges\u201c, wenigstens scheint sich das aus der Zustimmung zu den Ausf\u00fchrungen \u00d6lzelt-Newins \u00fcber sittliche Dispositionen zu ergeben, deren eingehende Vergleichung mit dem, was beispielsweise Ziller \u00fcber die Anlage gesagt hat, gezeigt haben w\u00fcrde, dafs \u00d6lzelt-Newin und Ziller in der Hauptsache einerlei Meinung sind. Diese \u00dcbereinstimmung hindert uns jedoch nicht, in der Analyse des Charakters, wie wir sie bei \u00d6lzelt-Newin finden, insofern einen Fortschritt \u00fcber Ziller hinaus zu erkennen, als sich daraus eine wertvolle Sonderung der einzelnen Fragepunkte f\u00fcr die Beobachtung von Kinderindividualit\u00e4ten ergiebt. In dieser Sonderung erkennen wir mit dem Verfasser, wie wir auch fr\u00fcher an dieser Stelle schon hervorgehoben haben, die erste Vorbedingung zur Erforschung der Individualit\u00e4ten in der Schule. Dem Verfasser geb\u00fchrt Dank daf\u00fcr, dafs er die wichtige Angelegenheit im Kreise seiner Fachgenossen nachdr\u00fccklich zur Sprache gebracht hat.\nUfer (Altenburg).\nE. W. Scripture. Studies from the Yale Psychological Laboratory. 1893. 100 S.\nDie vorliegende Schrift enth\u00e4lt die s\u00e4mtlichen Arbeiten des ersten Jahres des neubegr\u00fcndeten psychologischen Laboratoriums der Yale University (New Haven, Conn. 1892\u201493), wie sie unter Leitung von E. W. Scripture zu einem vorl\u00e4ufigen Abschlufs gebracht worden sind. Ein grofser Teil der Arbeiten ist dem Studium des Beaktionsvorganges gewidmet. Die erste von Ch. B. Bliss (\u201eUntersuchungen \u00fcber Reaktionszeit und Aufmerksamkeit\u201c) macht ausf\u00fchrliche Mitteilungen \u00fcber die neue Technik des Reaktionsverfahrens, wie sie f\u00fcr das Laboratorium ein f\u00fcr allemal festgesetzt werden sollte. Von den beiden m\u00f6glichen Methoden der graphischen und der Chronoskopmethode wurde die erstere gew\u00e4hlt, und diese Wahl wird von dem Verfasser mit ausf\u00fchrlichen","page":298}],"identifier":"lit29551","issued":"1895","language":"de","pages":"293-298","startpages":"293","title":"James Mark Baldwin: Handbook of Psychology. New York, Henry Holt & Co. Bd. I. 2. Aufl. 1890. VII u. 343 S. Bd. II. 1891. IV u. 387 S.","type":"Journal Article","volume":"8"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:31:01.882686+00:00"}