Open Access
{"created":"2022-01-31T13:47:19.868712+00:00","id":"lit29567","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"K\u00f6nig, Arthur","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 8: 375-380","fulltext":[{"file":"p0375.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Anzahl der unterscheidbaren Spektralfarben\nund Helligkeitsstufen.\nVon\nArthur K\u00f6nig.\n(Mit einer Figur im Text.)\nDie Anzahl der im Spektrum unterscheidbaren Nuancen sowohl wie der unterscheidbaren Helligkeitsstufen hat man, soweit mir bekannt ist, noch niemals genau zu bestimmen versucht, obschon doch seit mehreren Jahren das Beobachtungsmaterial vorliegt, aus dem diese Zahlen durch eine leichte Rechnung abzuleiten sind.\nI.\nDie spektralen Farbent\u00f6ne.\nBezeichnen X und X dX die Wellenl\u00e4ngen zweier in dem Farbenton eben merklich voneinander unterschiedener monochromatischer Lichter, so ist dX eine mit X sich \u00e4ndernde Gr\u00f6fse, die wir daher als Funktion von X auffassen k\u00f6nnen. Der reziproke Wert von \u00f6X giebt nun die Anzahl der Nuancen an, welche wir in einem Intervall des Spektrums unterscheiden k\u00f6nnen, in dem sich X um die f\u00fcr dasselbe gew\u00e4hlte Einheit \u00e4ndert, und die gesamte Anzahl der unterscheidbaren spektralen Nuancen ist daher gleich dem \u00fcber das ganze sichtbare Spektrum ausgedehnten Integral\n1. F\u00fcr sein normales tri chromatisches Farbensystem hat nun Hr. W. Uhthoff1 die Werte von \u00e4X experimentell\n1 W. Uhthoff, Gr\u00e4fes Arch. Bd. ,34. Abt. 4. S. 1.\t1888.","page":375},{"file":"p0376.txt","language":"de","ocr_de":"376\nArthur K\u00f6nig.\nbestimmt. Unter Ber\u00fccksichtigung der Thatsache, dafs bei einem normalen Trichromaten, am langwelligen Ende von X \u2014 655 pp an und am kurzwelligen von X = 430 pp an. keine\nNuancen\u00e4nderung mehr auftritt, wir hier also ~ = 0 setzen\nm\u00fcssen, kann man die Integration graphisch ausf\u00fchren, indem man die Kurve aufzeichnet und die von ihr und der Abscissen-axe (als welche hier das Interferenz-Spektrum dienen mufs) umschlossene Fl\u00e4che ausmifst.\nIn dieser Weise ergiebt sich, dafs Hr. Uhtho\u00eft im Spektrum 165 Nuancen unterscheiden kann. Nach mehreren nur teilweise durchgef\u00fchrten Beihen anderer Beobachter gilt diese Zahl mit grofser Ann\u00e4herung f\u00fcr alle normalen Trichromaten, welche einigermafsen in optischen Versuchen geschult sind, und man kann daher sagen, dafs normale Trichromaten ungef\u00e4hr 160 Farbent\u00f6ne im Spektrum unterscheiden k\u00f6nnen.\n2.\tBei anomalen trichromatischen Farbensystemen liegen keine derartigen Messungen von vor, und man mufs daher hier auf die Berechnung der unterscheidbaren Nuancen einstweilen noch verzichten.\n3.\tDieselbe L\u00fccke besteht zwar auch bei di chromatisch en Far ben Systemen, aber man kann auf einem kleinenUm-wege aus dem f\u00fcr sie vorhandenen anderweitigen Beobachtungsmaterial dieselbe Berechnung machen. Vergleicht man n\u00e4mlich die Versuche von Hrn.J Uhthoff, welche sich auf eben merkliche Unterschiede beziehen, mit den Versuchen, welche ich vor l\u00e4ngerer Zeit \u00fcber den bei Einstellungen auf Gleichheit begangenen mittleren Fehler gemacht habe und die dann sp\u00e4ter Hr. E. Bbodhun1 ver\u00f6ffentlicht hat, so ergiebt sich, dafs mit grofser Ann\u00e4herung f\u00fcr jede beliebige Wellenl\u00e4nge die zu\neinem eben merklichen Unterschied der Nuance erforder-\u2022\u2022\nliehe \u00c4nderung der Wellenl\u00e4nge doppelt so grofs ist, wie der mittlere Fehler bei Einstellung auf Gleichheit. F\u00fcr Hrn. E. Brodhtjn liegt nun eine das ganze Spektrum umfassende Beobachtungsreihe der letzteren Art vor; man braucht demnach diese mittleren Fehler nur mit 2 zu multiplizieren, um f\u00fcr Hrn. Beodhuns dichromatisches Farbensystem (gr\u00fcnblind) die Werte von SX zu erhalten. Bei der Bildung des oben erw\u00e4hnten\n1 E. Brodhun, Diese Zeitschrift. Bd. III. S. 97.\t1892.","page":376},{"file":"p0377.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Anzahl der unterscheidbaren Spektralfarben und Helligkeitsstufen. 377\nIntegrals ist zu beachten, dafs f\u00fcr Hrn. Brodhun die Integrationsgrenzen ungef\u00e4hr bei 550 gg und 430 gg liegen. Eine in der oben geschilderten Weise ausgef\u00fchrte Integration ergiebt 140 verschiedene Earbennuancen im Spektrum. Dafs diese Zahl nur wenig kleiner als die f\u00fcr trichromatische Farbensysteme geltende ist, trotzdem das Integrationsintervall doch viel enger, erkl\u00e4rt sich daraus, dafs die Dichromaten in der zwischen den FRAUNHOFERschen Linien b und F liegenden Spektralregion eine weit gr\u00f6fsere Empfindlichkeit f\u00fcr Nuancenverschiedenheit besitzen, als die normalen Trichromaten. Genau und vollst\u00e4ndig durchgef\u00fchrte Beobachtungsreihen liegen zwar f\u00fcr die andere Gruppe der Dichromaten, die \u201eRotblinden\u201c, nicht vor; doch l\u00e4fst sich aus vorl\u00e4ufigen Versuchen, welche ein \u201eRotblinder\u201c auf meine Veranlassung angestellt hat, schliefsen, dafs die von ihnen im Spektrum unterscheidbare Anzahl von Farbennuancen jedenfalls ann\u00e4hernd so grofs ist, wie bei den \u201eGr\u00fcnblinden\u201c.\n4.\tDer von mir neuerdings beschriebene \u201ePseudomonochromat\u201c1 kann nur zwei Nuancen unterscheiden.\n5.\tTotal-Farbenblinde sehen nat\u00fcrlich im ganzen Spektrum nur eine Nuance.\nII.\nDie Melligkeitsstufen.\nAnalog den im vorigen Abschnitt benutzten Bezeichnungen nennen wir jetzt h und h -f- \u00f6h die Intensit\u00e4ten zweier eben merklich voneinander unterscheidbarer Helligkeitsstufen; dann\ngiebt wieder das Integral \\\t. dh die Anzahl der zwischen\ncJ\nht und h2 unterscheidbaren Helligkeitsstufen an. Gew\u00f6hnlich\ndh .\nwird nun aber nicht \u00f6h, sondern experimentell bestimmt. Setzen wir nun\n1 A. K\u00f6nig, Diese Zeitschrift. Bd. VII. S. 161.\t1894.","page":377},{"file":"p0378.txt","language":"de","ocr_de":"378\nArthur K\u00f6nig.\nso verwandelt sich obiges Integral in\nlog nat hi\n\u2014\u2014 . d (log nat h), A h\nlog nat h\nF\u00fcr die Ausf\u00fchrung einer graphischen Integration ist es aber bequemer, die BEiGGschen Logarithmen zu benutzen. Dazu m\u00fcssen wir das Integral weiter umformen in\n.log H\nAf. A*\nlog hl\ndM=\\04S\u00e9AV.dOogh)\nlog h\nDie umfangreichsten Beobachtungsreihen, welche zur Zeit \u00fcber die Werte von Ah vorliegen, sind bei einer von Hrn. E. Brodhun und mir1 \u00fcber die psychophysische Fundamentalformel ausgef\u00fchrten Untersuchung gemacht worden. Es ergab sich damals, dafs in Bezug hierauf zwischen uns beiden, obschon der Eine Dichromat, der Andere normaler Trichromat ist, kein prinzipieller Unterschied besteht; alle Abweichungen lagen im Bereiche der Beobachtungsunsicherheit, und auch die verschiedenen Spektralfarben und weifses Licht zeigten untereinander nur Abweichungen, die \u2014 wenigstens sehr wahrscheinlich \u2014 ebenfalls innerhalb jener Grenzen liegen. Alle diese Beobachtungsreihen fangen an der unteren Reizschwelle an und erstrecken sich nach oben bis zu der jedesmal unter den vorhandenen experimentellen Bedingungen erreichbaren gr\u00f6fsten Helligkeit. Da diese obere Grenze nun bei Weifs am h\u00f6chsten liegt, so habe ich der nachfolgenden Berechnung die Mittel der von Hrn. E. Bbodhux und mir f\u00fcr Weifs erhaltenen Werte zu Grunde gelegt.\nUm die Integration graphisch auszuf\u00fchren, haben wir f\u00fcr\nzu\njede beobachtete Helligkeitsstufe den Wert q 4.34\nbilden und dann als Ordinate zur Abscisse log h einzuzeichnen. Die nebenstehende Figur ist in dieser Weise ausgef\u00fchrt. Die\n1 A. K\u00f6nig und E. Brodhun, Sitzungsberichte der Berliner Akademie. Sitzung vom 26. Juli 1888. S. 917, und Sitzung vom 27. Juni 1889. S. 641.","page":378},{"file":"p0379.txt","language":"de","ocr_de":"\u00bb \u2022\nUb&r die Anzahl der unterscheidbaren Spektralfarben und Helligkeitsstufen. 379\nIntensit\u00e4ten der Helligkeitsstufen sind an der Abscissenaxe als Potenzen von 10 eingetragen. Die Kurve beginnt bei der unteren Reizschwelle sieb von Null zu erbeben, steigt bis zu einem ungef\u00e4hr bei 6000 liegenden Maximum und f\u00e4llt dann, soweit die vorliegenden Beobachtungen reichen, wieder ziemlich symmetrisch herab. Bis zu der h\u00f6chsten erreichten Helligkeit.\n- 20\nmw io9 io8 io?\n708 108\t70* W3 10z\n10\u00b0 W1 7Q'Z KT3 m\nd. h. bis zu dem Ende der stark ausgezogenen Kurve, ergiebt nun die graphische Integration 572 unterscheidbare Helligkeitsstufen. \u2014 Man ist nun wohl einigermafsen berechtigt, da die Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr noch h\u00f6here Intensit\u00e4ten sicher stetig abnimmt, die Kurve in der Weise fortzuf\u00fchren, wie es in der Figur durch die punktierte Linie geschehen ist. Die Integration dieses Teiles ergiebt 88 unterscheidbare Helligkeitsstufen. Da der erg\u00e4nzte Teil der Kurve am Anf\u00e4nge sicher-","page":379},{"file":"p0380.txt","language":"de","ocr_de":"380\nArthur K\u00f6nig.\nlieh nur sehr wenig von der hier gew\u00e4hlten geradlinigen F\u00fchrung abweichen wird und das dann folgende letzte St\u00fcck f\u00fcr die gesamte Integration kaum ins Gewicht f\u00e4llt, so werden wir nicht weit von der Wahrheit abweichen, wenn wir die Gesamtzahl der \u00fcberhaupt unterscheidbaren Helligkeitsstufen von der Reizschwelle bis zu derjenigen Intensit\u00e4t, wo unser Unterscheidungsverm\u00f6gen wegen Blendung des Auges wieder auf h\u00f6rt, auf 660 annehmen.","page":380}],"identifier":"lit29567","issued":"1895","language":"de","pages":"375-380","startpages":"375","title":"\u00dcber die Anzahl der unterscheidbaren Spektralfarben und Helligkeitsstufen","type":"Journal Article","volume":"8"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:47:19.868717+00:00"}