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{"created":"2022-01-31T13:20:17.664737+00:00","id":"lit29603","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Meumann","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 8: 444-449","fulltext":[{"file":"p0444.txt","language":"de","ocr_de":"444\nLitteraturbericht\nPikrins\u00e4ure leichtes Gelbsehen, das etwa zwei Stunden andauerte. Die Untersuchung mit dem Heidelberger Farbenbuch ergab, dafs s\u00e4mtliche Nuancen von Gr\u00fcn gelbgr\u00fcn erschienen, dafs aber die Empfindung der anderen Farben nicht merklich alteriert war. Nur helles, ziemlich reines Hot imponierte als Orange. Das Spektrum erschien durchaus unver\u00e4ndert.\nBei so geringer Dosis ist nat\u00fcrlich an eine merkliche Gelbf\u00e4rbung der brechenden Medien des Auges nicht zu denken, sondern man mufs, wie auch bei den anderen besprochenen K\u00f6rpern, den Prozefs als direkt durch zentrale Erregung bedingt ansehen. Vielleicht entstehen \u00e4hnliche Erscheinungen nach dem Gebrauche von Toluilendiamin, wonach Gelbf\u00e4rbung der Haut und der Skleren auftritt.\nMan beobachtete ferner Gelbsehen nach Einpinselungen der F\u00fcfse mit Ohroms\u00e4ure (5%) und Violettsehen bei Pilzvergiftung.\nHose und Hirschberg beschrieben toxisches Gelbsehen bei Ikte-rischen.\nVerfasser beobachtete schliefslich Hotsehen bei einem 35j\u00e4hrigen M\u00e4dchen nach Instillation von 5\u20146 Tropfen einer L\u00f6sung von Duboisin. sulfuric. (0,05 : 10,0). Der Zustand dauerte eine halbe Stunde. Bei einem sechsj\u00e4hrigen M\u00e4dchen trat nach einer Dosis von 0,12 g Santonin Gr\u00fcnsehen ein. Alle Gegenst\u00e4nde erschienen grasgr\u00fcn.\nHilbert empfiehlt, die gewifs \u00f6fters von den \u00c4rzten beobachteten Intoxikations-Chromatopien zu ver\u00f6ffentlichen, da die Kenntnis dieser subjektiven Farbenempfindungen noch sehr mangelhaft ist.\nH. Greeff (Berlin).\nL. Daraszkiewicz. \u00dcber eine subjektive Geh\u00f6rsempfindung im hypna-gogischen Zustande. Neurol. Centra\u00efbl. 1894. No. 10. S. 360\u2014362.\nIm Anschlufs an die Mitteilung von Prof. Fuchs (Neurol. Centralbl-1893. No. 22) teilt Verf. mit, dafs er h\u00e4ufig im Moment des Einschlafens ein knallendes Ger\u00e4usch wahrnimmt. Anfangs f\u00fcr objektiver Natur gehalten, erwies sich dasselbe bald als eine Geh\u00f6rst\u00e4uschung. Wie man nun, namentlich als Neurastheniker, im Augenblicke des Einschlafens \u00f6fter ein pl\u00f6tzliches Erschlaffen der K\u00f6rpermuskulatur oder (wahrscheinlich als unmittelbare Folge einer solchen) ein momentanes Zusammenzucken empfindet, so mag auch das beschriebene Ger\u00e4usch einer pl\u00f6tzlichen Erschlaffung oder Kontraktion des Trommelfellspanners seine Entstehung verdanken. Analoge Sinnest\u00e4uschungen, auch in der optischen Sph\u00e4re, k\u00f6nnen auch beim Wiederaufwachen auftreten und allerlei Illusionen hervorrufen.\tSchaefer (Bostock).\nF. B. Dresslar. Studies in the psychology of touch. Americ. Journ. of Psychology. (1894.) Vol. VI. No. 3. S. 313-368.\nEs sind f\u00fcnf Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Hautsinnes, die den Inhalt der vorliegenden Abhandlung ausmachen. In der ersten Studie \u201ePsychology of touch in general\u201c wird \u2014 vornehmlich durch anatomische und ent-","page":444},{"file":"p0445.txt","language":"de","ocr_de":"i\u00c0tteraturbericht.\n445\nwickelungsgeschichtliche Betrachtungen \u2014 die fundamentale Bedeutung des Hautsinnes f\u00fcr die Sinneswahrnehmung \u00fcberhaupt, seine Kontrolle der T\u00e4uschungen aller \u00fcbrigen Sinne, die Bolle, welche derselbe bei der Entwickelung der Ich-Vorstellung, beim Ausdrucke der G-em\u00fctshewegungen spielt, und \u00c4hnliches er\u00f6rtert.\nIm zweiten Abschnitt \u201eEducation of the Skin with the Aesthe-\nsiometer\u201c werden Erscheinungen des Hautged\u00e4chtnisses und der Mit-\n\u00fcbung symmetrischer Hautstellen untersucht. Vier Fragen stellt sich\nder Verfasser: Mit welcher Schnelligkeit w\u00e4chst die Hautempfindlichkeit \u2022 \u2022\ndurch \u00dcbung? Bis zu welchem Grade findet symmetrische Mit\u00fcbung statt? Wird die Empfindlichkeit der umgebenden Hautpartien mit er-\n\u00bb t\nh\u00f6ht? Mit welcher Schnelligkeit nimmt die durch \u00dcbung gesteigerte Empfindlichkeit einer Hautstelle nach dem Aufh\u00f6ren der Versuche wieder ab? Zwei Beobachter werden verwendet, ein Herr und eine Dame. Als \u00c4sthesiometer dient ein einfaches, frei aufgesetztes Instrument mit Elfenbeinspitzen, die einzige Garantie f\u00fcr die Gleichm\u00e4fsigkeit des Druckes und die gleichzeitige Applikation der beiden Beize lag also in der Ein\u00fcbung und Sorgfalt des Experimentators! Die Ber\u00fchrungen wurden ausgef\u00fchrt auf einem etwa 7 qcm grofsen Felde an der Beugefl\u00e4che des linken Unterarmes ungef\u00e4hr 5 cm distal \u201evom Ellenbogen\u201c beginnend bei dem m\u00e4nnlichen Beobachter, bei dem weiblichen an einer n\u00e4her nach der Hand zu, aber im \u00fcbrigen analog gelegenen Hautstrecke. Die Methode entsprach ungef\u00e4hr derjenigen der r- und f- F\u00e4lle. Als sicher erkennbar wird immer diejenige Zirkeldistanz notiert, die in 75% der F\u00e4lle richtig gesch\u00e4tzt wurde. Das Verfahren war streng unwissentlich, der Einflufs der Nachbilder wurde durch langsames Arbeiten vermieden. Mit jedem Beobachter wurden t\u00e4glich zwei Sitzungen gemacht, immer zu derselben Tagesstunde, und dieselben ausgedehnt \u00fcber einen Monat. Eine Tabelle erm\u00f6glicht, den Fortschritt der Sch\u00e4tzungen von Tag zu Tag zu verfolgen. Das Ergebnis ist, dafs im allgemeinen die Zunahme der Sch\u00e4tzungssicherheit anfangs rasch erfolgt, sie erreicht ein Maximum (womit st\u00e4rkerer Blutzuflufs zu der gepr\u00fcften Stelle verbunden ist), nimmt dann aber infolge einer gewissen Abstumpfung (des Interesses? Bef.) wieder etwas ab. Bei der Frau herrscht anfangs gr\u00f6fsere Empfindlichkeit (zufolge der Lage der Hautstelle), aber bei dem m\u00e4nnlichen Beobachter wirkt die \u00dcbung mehr, so dafs die minimale erkennbare Strecke bei der Frau zuletzt 4 mm betr\u00e4gt, beim Manne 3 mm (gegen 24, bezw. 29 mm beim Beginn der Versuche!), der Mann scheint also die gr\u00f6fsere Hautempfindlichkeit zu besitzen.\nNach Beendigung dieser einmonatlichen \u00dcbung wurde die zweite Frage in Angriff genommen: Wie weit existiert eine Mit\u00fcbung der symmetrischen Hautstelle? Dabei waren zwei Schwierigkeiten zu \u00fcberwinden: die symmetrisch gelegene Hautstelle mufste richtig aufgefunden und es mufste eine Ein\u00fcbung derselben durch die Versuche vermieden werden. Das erstere geschah, indem die Handfl\u00e4chen zusammengelegt und die Arme aneinandergedr\u00fcckt wurden, wobei sich das mit Tinte umzogene Versuchsfeld des einen Armes auf dem anderen abdr\u00fcckte. Sodann wurde eine Distanz von 5 mm gepr\u00fcft, wobei","page":445},{"file":"p0446.txt","language":"de","ocr_de":"446\nIA I teraturberich t.\nder Mann 75%, die Frau 80% richtige Urteile abgaben, es batte also hochgradige Mit\u00fcbung stattgefunden. Es versteht sich von selbst, dafs Verfasser vor Beginn aller Versuche die symmetrische Stelle einmal gepr\u00fcft hatte. Sodann wirft Verfasser die Frage auf:\tSind diese \u00dcbungs-\nerscheinungen zentral oder peripher verursacht? Eine Pr\u00fcfung der benachbarten Hautstellen wird zu ihrer Beantwortung unternommen: es zeigt sich, dafs die Empfindlichkeit bei diesen eine \u201eweit geringere\u201c ist, als auf den ge\u00fcbten Stellen, was den Verfasser veranlafst, auf wesentlich periphere Ver\u00e4nderungen durch die \u00dcbung zu schliefsen.\nDas dritte oben erw\u00e4hnte Problem: Mit welcher Schnelligkeit tritt der Verlust der einge\u00fcbten Sch\u00e4tzungsfertigkeit ein? kann nur schwer eine exakte experimentelle Beantwortung finden, weil jede Pr\u00fcfung eine erneute Ein\u00fcbung ist. Aufs Geratewohl versuchen die beiden Versuchsteilnehmer, nach siebent\u00e4giger Pause mit 5 mm Distanz zu arbeiten, aber es zeigt sich, dafs die Pause schon zu grofs war, die 5mm liefern 25 r- und 25 /-F\u00e4lle. Der Verlust k\u00fcnstlich gesteigerter Sch\u00e4tzungsfertigkeit vollzieht sich also beim Hautsinn sehr rasch.\nMit einer Anzahl gelegentlicher Beobachtungen schliefst der Verfasser diesen Abschnitt, von denen erw\u00e4hnt sein m\u00f6ge, dafs derselbe Druck an manchen Stellen der Haut rein als Ber\u00fchrung, an anderen ganz als Schmerz gef\u00fchlt wurde.\nDer dritte Abschnitt enth\u00e4lt Versuche \u00fcber die Vergleichung leerer und erf\u00fcllter Baumstrecken mittelst des Tastsinnes. Zwei \"V ersuchs-reihen, die eine mit aktiver, die andere mit passiver Ber\u00fchrung werden mitgeteilt. Nach einer eingehenden Kritik der sehr mangelhaften \\ ersuche von James \u00fcber die gleiche Frage schildert Verfasser sein eigenes Verfahren. Auf 18 Karten von glattem, steifem Papier werden Strecken von 2 \u201416 cm durch erhabene Punkte markiert, die beiden zu vergleichenden Strecken stofsen unmittelbar aneinander, die eine der beiden, \u201edie erf\u00fcllte\", ist mit 4 \u2014 19 Punkten ausgef\u00fcllt, die je untereinander in gleicher Distanz gehalten werden. Die Strecken werden in den beiden horizontalen Baum- (und damit auch Zeit-)lagen gepr\u00fcft. Sieben Beobachter, unter denen ein \u201ev\u00f6llig naiver\". Die Beobachter fuhren mit der Fingerspitze \u00fcber die Punktdistanzen unter m\u00f6glichst gleichm\u00e4fsigem Andr\u00fccken hin. Die allgemeinen Ergebnisse sind: In beiden Baumlagen erscheint die erf\u00fcllte Strecke gr\u00f6fser, als die objektiv gleich lange leere, sie wird auch dann f\u00fcr gr\u00f6fser gehalten, wenn die leere Strecke objektiv betr\u00e4chtlich gr\u00f6fser ist (z. B. 31/* gegen 3 cm, 41/* gegen 4 cm). Diese Illusion w\u00e4chst mit der Zahl der Punkte, aber, wie es scheint, nur so lange, wie diese als distinkte wahrgenommen werden. Der Einflufs der Baumlage zeigt sich gar nicht bei kleinsten Strecken (unter 5 cm), bei gr\u00f6fseren Strecken nimmt bei vorausgehender erf\u00fcllter Strecke die \u00dcbersch\u00e4tzung derselben ab. Die absolute E\u00e4nge der Strecken wirkt so, dafs bei den gr\u00f6fseren Strecken der Einflufs der Ausf\u00fcllung abnimmt. Beferent kann nur bedauern, dafs der Verfasser f\u00fcr seine psychologische Deutung der Ergebnisse nicht die Besultate der bisherigen Versuche \u00fcber Sch\u00e4tzung ausgef\u00fcllter und leerer Zeitstrecken verwertet hat, die hier in der That eine \u00fcberraschende Analogie darbieten. Die Ver-","page":446},{"file":"p0447.txt","language":"de","ocr_de":"Li tteraturbericht.\n447\nmutung liegt nahe, dafs die Sch\u00e4tzungen zu einem geringen Teile wirkliche Zeitsch\u00e4tzungen waren. Bei den Versuchen mit passiver Ber\u00fchrung wird dieselbe Art von Papierkarten benutzt. Indem Verfasser den Arm des Beobachters auf einer schweren Drehscheibe eines Metallpolierapparates, die durch Dampfkraft gedreht wurde, befestigt und die Kartenbl\u00e4tter auf einem Stativ der Fingerspitze nahe bringt, glaubt er drei Bedingungen zu erf\u00fcllen: gleichf\u00f6rmige, v\u00f6llig passive Bewegung des tastenden Gliedes, Unabh\u00e4ngigkeit der Drehung von Reibungswiderst\u00e4nden, gleichm\u00e4fsiger Druck des Papiers (der Punkte). Da die Raumlage in den vorigen Versuchen nichts auszumachen schien, so geht jetzt immer die leere Strecke voran. Das Resultat ist eine allgemeine starke \u00dcbersch\u00e4tzung der erf\u00fcllten Strecke, dieselbe wird sogar bei betr\u00e4chtlicher Vergr\u00f6fserung der leeren Strecke noch meist f\u00fcr gr\u00f6fser gehalten. Eine genaue Bestimmung des Mafses der \u00dcbersch\u00e4tzung hat Verfasser nicht gegeben. Soweit sich die Ergebnisse mit denen bei aktiver Ber\u00fchrung vergleichen lassen, ist die \u00dcbersch\u00e4tzung bei passiver Ber\u00fchrung st\u00e4rker. Der Verfasser teilt sodann noch einige Kontrollversuche mit, die dem Einwande begegnen sollen, dafs die leere Strecke etwa deshalb f\u00fcr kleiner gehalten wird, weil ja immer ein breites St\u00fcck der Fingerspitze den Karton ber\u00fchrt und infolgedessen, wie leicht ersichtlich, ein St\u00fcck der leeren Strecke f\u00fcr die Sch\u00e4tzung in Wegfall kommen k\u00f6nnte. Die Kontrollversuche best\u00e4tigen die fr\u00fcheren Ergebnisse durchaus.\nSehr \u00fcberraschende Ergebnisse enth\u00e4lt die vierte Mitteilung des Verfassers: \u201e\u00dcber T\u00e4uschungen- bei Gewichtshebungen; eine Studie \u00fcber Assoziation urd Apperzeption.\u201c Die Fragestellung ist hier diese: Welche T\u00e4uschungen treten bei der Vergleichung gehobener Gewichte ein, wenn 1. Gestalt und Schwere gleich sind, aber die Gr\u00f6fse verschieden; und wenn 2. Gr\u00f6fse und Schwere gleich sind, aber die Gestalten verschieden? Mit Recht meint Verfasser, dafs hierbei der EinfLufs einer der festesten Assoziationen auf unsere Urteilsbildung gepr\u00fcft werde, indem durch zahllose Erfahrungen die Assoziation volF kommen fest ist, dafs von zwei Gewichten von augenscheinlieh gleichem Material das gr\u00f6fsere auch das schwerere ist. Die gr\u00f6fsere Zahl der Versuche wurden an Schulkindern gemacht. Ein Messingzylinder (1 engl. Zoll Durchmesser) wurde in acht St\u00fccke geschnitten, die je IV2, 2, 2lA, 3 \u2014 5 Zoll lang waren. Durch F\u00fcllung mit verschiedenen Substanzen wurden sie genau auf das gleiche Gewicht gebracht (132 g). Es sollte nun die Wirkung einer solchen Reihe gleichm\u00e4fsig an Gr\u00f6fse zu-r nehmender Zylinder gleichen Gewichts auf die Urteilsver\u00e4nderung gepr\u00fcft werden. Die Instruktion des Beobachters lautete: \u201eOrdne die Zylinder in der Reihenfolge ihres Gewichts, den schwersten voran.\u201c In einem zweiten Versuche sollten das erste und letzte Gewicht der Reihe ver^ glichen werden, und zwar einmal so, dafs der Beobachter nur diese beiden, das andere Mal so, dafs er auch die Zwischengewichte vor\nsich hatte.\nDie Ergebnisse sind die folgenden: Im allgemeinen entsteht eine sehr starke T\u00e4uschung betr\u00e4chtlicher Gewichtsverschiedenheit der Zylinder,","page":447},{"file":"p0448.txt","language":"de","ocr_de":"448\nIdtteraturbericht.\nso stark, dafs die erwachsenen Beobachter oft erst mittelst Wiegens der Zylinder von ihrer G-ewichtsgleichheit \u00fcberzeugt werden konnten. Unter den Kindern ordneten 92 von 178 die Gewichte genau in der umgekehrten Folge ihrer Gr\u00f6fse (das kleinste als das schwerste voran u. s. w.). Die Vergleichung des ersten und letzten (also scheinbar schwersten und leichtesten) Zylinders der Beihe geschah mit Absch\u00e4tzung des Gewichtsunterschiedes in Zahlen. Das Mittel aus 172 Urteilen zeigt, dafs das kleinste Gewicht f\u00fcr 3 Mal so schwer gehalten wird, wie das gr\u00f6fste, wenn die Zwischengewichte vor Augen des Beobachters waren; nahm man diese weg, so betrug die Illusion im Mittel nur 2,4. Da die Kinder nach Alter, Intelligenz und Geschlecht in Klassen geordnet waren, so liefs sich der Einflufs dieser Faktoren auf die Festigkeit der Gewichtsassoziation feststellen. Bei den \u00e4lteren und intelligenteren Kindern ist die\u00abIllusion st\u00e4rker, bei den Knaben st\u00e4rker, als bei den (gleichalterigen) M\u00e4dchen, bei den Erwachsenen st\u00e4rker, als bei den Kindern. Wiederholte Gewichtssch\u00e4tzungen zerst\u00f6ren die Illusion nicht, sondern befestigen sie eher. Der Unterschied in der Vergleichung der Endgewichte mit und ohne Anblick der Zwischengewichte ist bei Erwachsenen st\u00e4rker, als bei Kindern (2,6 gegen 1,5 bei Abwesenheit der Zwischengewichte).\nDie zweite Versuchsreihe mit Bleiplatten von gleicher Schwere, gleichem Fl\u00e4cheninhalt, aber sehr verschiedener Gestalt hat ein den vorigen Versuchsresultaten analoges Ergebnis. Je kompakter die Masse und je gedrungener die Form der Platte ist, desto schwerer erscheint sie (Kreis, Quadrat u. s. w.), je gestreckter und gegliederter die Form, desto leichter scheinbar die Platte (schmales Bechteck, Kreisausschnitt, Kreisabschnitt).\nIn dem letzten Abschnitt: \u201eKleinere Beobachtungen\u201c sind drei erw\u00e4hnenswerte Mitteilungen enthalten. Die erste gilt der Frage: Giebt es f\u00fcr den Hautsinn etwas \u00c4hnliches wie die \u201eWasserfallillusion\u201c f\u00fcr den Gesichtssinn? Entsteht bei Beibung der Haut in bestimmter Bichtung als Nachempfindung eine scheinbar umgekehrt verlaufende Beizung? Die mit H\u00fclfe einer mit Sammetfalten bedeckten Bolle an-gestellten Versuche, bei welchen durch Drehung der Bolle mittelst einer Kurbel die Haut gleichm\u00e4fsig und sanft gestrichen wird, ergaben an vier Beobachtern eine Bejahung der obigen Frage. Immer aber ist diese Nachempfindung schwach. Weiter werden die GoLDscHEiDERschen Versuche \u00fcber die sekund\u00e4re Druckempfindung wieder aufgenommen und best\u00e4tigt. Verfasser meint, dafs die kitzelartigen Beize ganz besonders deutliche Nachempfindungen haben, ferner, dafs die Blutf\u00fclle der Haut von Einflufs ist. Dies veranlafst ihn zu der Hypothese, dafs die innere Beizung durch Zur\u00fcckstr\u00f6men des kapillaren Blutes veranlafst werde, eine Erkl\u00e4rung, die doch wohl an dem ziemlich punktuellen Charakter der Nachempfindung scheitert und auch sonst nicht zu den Thatsachen passen d\u00fcrfte.\nEndlich wird die Erscheinung der Dermographie, die in der Begel als Krankheitssymptom angesehen zu werden pflegt, auch an zehn gesunden Beobachtern hervorgerufen.\nDie sehr inhaltreiche, \u00fcberall von grofser Sorgfalt zeugende Arbeit","page":448},{"file":"p0449.txt","language":"de","ocr_de":"Litterakirberich t.\n449\ndes Verfassers veranlafst den Referenten doch zu einigen kritischen Bemerkungen. Die hei den Versuchen \u00fcber erf\u00fcllte und leere Zeit \u00f6fter wiederkehrende Behauptung Dr.\u2019s, dafs die T\u00e4uschung aufh\u00f6re, wenn die Punkte nicht mehr distinkt erscheinen, h\u00e4tte doch einmal experimentell gepr\u00fcft werden m\u00fcssen.\u2014 Der von Dr. selbst erw\u00e4hnte vermutliche Fehler dieser Sch\u00e4tzungen, dafs wir, wenn z. B. die erf\u00fcllte Strecke voran geht, die leere erst dann beginnend denken, wenn der mittlere Grenz-punkt von dem Finger verlassen wird, aber schon dann aufh\u00f6rend, wenn der die leere Strecke abschliefsende Punkt eben erreicht wird, kehrt in schw\u00e4cherer Form bei den Kontrollversuchen mit begrenzter Ber\u00fchrungsfl\u00e4che des Fingers wieder. Wir sind auch dann geneigt, den mittleren Punkt zur erf\u00fcllten Strecke zu rechnen und f\u00fcr die leere nur den leeren Zwischenraum in Anrechnung zu bringen. Die Versuche \u00fcber Gewichtshebungen fordern den Vergleich mit den bekannten Versuchen von M\u00fcller und Schumann heraus (Pfl\u00fcgers Arch. Bd. 45). Der k\u00fcnstlich erzielten \u201eEinstellung\u201c bei M. und Sch. entspricht hier die durch die Erfahrungen des Lebens bewirkte feste Assoziation zwischen einer durch den Anblick des Materials und der Gr\u00f6fse der \u201eGewichte\u201c erweckten Vorstellung von ihrer Schwere und dem dieser entsprechenden Hebungsimpulse. Die Versuche zeigen nun evident, dafs in diesem Falle nicht die Geschwindigkeit der Hebung (wie M. und Sch. bei ihren ruck-weisen Hebungen vermuteten) als Kriterium der Beurteilung benutzt wird, denn die T\u00e4uschung blieb beim Wiegen der Gewichte in der Hand; sodann scheinen die beiden Thatsachen, dafs die T\u00e4uschung w\u00e4chst mit Alter und Intelligenz der Personen, und dafs sie st\u00e4rker ist beim Anblick der Zwischengewichte, die assoziative Bedingtheit des ganzen Ph\u00e4nomens und die prim\u00e4re Bedeutung unserer vorstellenden Th\u00e4fcigkeit dabei zu beweisen, was der von M. und Sch. gegebenen Deutung der \u201eEinstellung\u201c als eines rein physischen Ph\u00e4nomens widerspricht. Endlich scheint ein Vergleich der ersten und zweiten Versuchsreihe zu beweisen, dafs unsere Vorstellungen von Material und Gr\u00f6fse f\u00fcr die T\u00e4uschung entscheidend sind, w\u00e4hrend die Verschiedenheit der Form als solche nicht viel zu bedeuten hat, sondern erst mittelst der Gr\u00f6fsen-vorstellung wirksam wird.\tMeumann (Leipzig).\nFriede. Kiesow. \u00dcber die Wirkung des Kokains und der Gymnemas\u00e4ure auf die Schleimhaut der Zunge und des Mundraumes. Wundt, Philos. Skid. IX. 4. S. 510\u2014527. (1894.)\nDie vorliegende Arbeit enth\u00e4lt eine Anzahl Vorstudien f\u00fcr \u201eumfangreichere Untersuchungen \u00fcber die Verh\u00e4ltnisse des Geschmackssinnes\u201c. Der Verfasser stellt in derselben fest, welchen Einflufs das Kokain und die Gymnemas\u00e4ure auf die Empfindlichkeit der Zunge und des Mundraumes f\u00fcr Temperatur-, Tast- und Geschmacksreize hat. Dabei wurde \u201eUmfang, Eintritt und Dauer\u201c des Einflusses der genannten Drogen, sowie die Abh\u00e4ngigkeit dieses Einflusses von dem Konzentrationsgrade der jeweils verabreichten L\u00f6sung festgestellt.\nBez\u00fcglich des Kokains stand nach den bisherigen Untersuchungen (insbesondere nach denen von Oehrwall und Shore) fest, dafs wahr-\n29\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie VIII.","page":449}],"identifier":"lit29603","issued":"1895","language":"de","pages":"444-449","startpages":"444","title":"F. B. Dresslar: Studies in the psychology of touch. Americ. Journ. of Psychology. 1894. Vol. VI. No. 3. S. 313-368","type":"Journal Article","volume":"8"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:20:17.664742+00:00"}