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{"created":"2022-01-31T14:09:28.288931+00:00","id":"lit29620","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pelman","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 8: 469-473","fulltext":[{"file":"p0469.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n469\nleichteren Durchsicht noch mehr durchf\u00fchren m\u00fcssen, wenn er nicht hie und da verwirrend wirken will. So hat die Durchf\u00fchrung des psychologischen Schematismus auch in dem klinischen Teile nicht gerade zu einer gr\u00f6fseren Klarheit in der Schilderung der Krankheitsbilder heigetragen, und wenn Ziehen die epileptischen, alkoholischen und hysterischen Geistesst\u00f6rungen nicht einheitlich behandelt, sondern auseinanderzieht und \u00fcberall ein St\u00fcck davon unterhringt, so d\u00fcrfte auch dies kaum im Interesse des Lernenden gelegen sein.\nDer Wichtigkeit der pathologischen Physiognomik ist durch besondere Kapitel im Texte und namentlich durch besondere physiognomi-sche Tafeln Rechnung getragen worden, deren Auswahl mit grofsem Geschick stattgefunden hat.\nDagegen k\u00f6nnen wir uns mit dem Forthleiben aller Litteratur-angaben nicht einverstanden erkl\u00e4ren, und wir geben zur Erw\u00e4gung anheim, oh nicht ein kurzer Hinweis auf die betreffenden Hauptquellen einem grofsen Teile der Leser erw\u00fcnscht und von Nutzen gewesen w\u00e4re.\nDie Ausstattung des Buches, dem wir eine gr\u00f6fsere Verbreitung w\u00fcnschen, ist eine recht gute.\tPelman.\nTh. Ribot. Die Pers\u00f6nlichkeit. Pathologisch-psychologische Studien.\n\u00dcbersetzt von Dr. Pabst. Berlin, G. Reimer. 1894. 179 S.\nMan mufs es den Franzosen lassen, dafs sie zu schreiben verstehen. Allerdings sind auch hei uns die Zeiten vor\u00fcber, wo es in wissenschaftlichen Werken eigentlich zum guten Ton geh\u00f6rte, einen schlechten Stil zu schreiben, aber wenn wir uns auch gebessert und mancherlei gelernt haben, so sind uns die Franzosen darin doch noch weit \u00fcber, und es ist oft ein wahrer Genufs, ein franz\u00f6sisches Buch zu lesen.\nDiese Klarheit des Stils und die leichte Wiedergabe der Gedanken treten uns auch hei Ribot entgegen, und wir k\u00f6nnen dem \u00dcbersetzer kein besseres Loh spenden, als dafs sich seine \u00dcbersetzung wie ein Original liest.\nRibot will die St\u00f6rungen und Ver\u00e4nderungen der Pers\u00f6nlichkeit untersuchen, und er w\u00e4hlt hierf\u00fcr die spontanen Ver\u00e4nderungen, da er gerade in ihnen und nicht in den k\u00fcnstlich hervorgerufenen St\u00f6rungen die sicherste Grundlage f\u00fcr das Studium der krankhaften Formen der Pers\u00f6nlichkeit erblickt. Er findet die Grundlage der seelischen Individualit\u00e4t in dem k\u00f6rperlichen Gemeingef\u00fchl, dem Tonus der Empfindungsnerven.\nIhren Ausdruck erhalten die verschiedenen \u00c4ufserungen des Gemeingef\u00fchles in den Temperamenten, die als ebensoviele Verschiedenheiten in dem Tonus der Empfindungs- und Bewegungsnerven aufzufassen sind. Je h\u00f6her sich indes das seelische Lehen entwickelt, um so mehr tritt die Rolle des zuerst allm\u00e4chtigen Gemeingef\u00fchles zur\u00fcck, bis es endlich heim Menschen nur mehr unter abnormen Bedingungen (Krankheit) zur Empfindung kommt. Insofern nun di\u00e8 physiologische Pers\u00f6nlichkeit die Summe der Organgef\u00fchle darstellt, mufs sie sie sich mit ihnen zugleich und in derselben Weise wie sie ver\u00e4ndern, und es m\u00fcssen alle m\u00f6glichen Grade solcher Ver\u00e4nderungen denkbar sein, von dem einfachen","page":469},{"file":"p0470.txt","language":"de","ocr_de":"470\nl\u00c2ttera iurb er ich t.\nUnbehagen und vor\u00fcbergehenden Unwohlsein an bis zu der v\u00f6lligen Umwandlung des Individuums.\nDafs die fortw\u00e4hrende Ver\u00e4nderung eine Bedingung f\u00fcr die Existenz des Ichs ist, mufs als eine feststehende Thatsache gelten. Die Identit\u00e4t des Ichs ist lediglich eine Frage der Zahl: sie besteht so lange, als die Summe der Zust\u00e4nde, welche verh\u00e4ltnism\u00e4fsig fest bleiben, gr\u00f6fser ist als die Summe derjenigen Zust\u00e4nde, welche zu dieser best\u00e4ndigen Gruppe hinzukommen oder sich von ihr abl\u00f6sen.\nJede \u00f6rtliche St\u00f6rung in Brust und Bauch, in Herz und Nieren mufs demnach ihren Ausdruck in einer entsprechenden Ver\u00e4nderung der Pers\u00f6nlichkeit finden, und wir lernen auf diese Weise verschiedene St\u00f6rungen verstehen, die uns ohne jede \u00e4ufsere Veranlassung \u00fcberfallen und die von dem h\u00f6chsten Kraftgef\u00fchle bis zur tiefsten Niedergeschlagenheit wechseln k\u00f6nnen. So wird das Ich in der Pubert\u00e4t ein ganz anderes, entsprechend der Entwickelung der Geschlechtsorgane, und die Verirrungen des Geschlechtstriebes sind nichts anderes als eine Abweichung in der geschlechtlichen Entwickelung, deren Grund wir entweder in den Geschlechtsorganen selber oder in den entsprechenden Teilen des Gehirnes zu suchen haben.\nEin weiterer Beweis f\u00fcr den Anteil des physischen Ichs an der gesamten Pers\u00f6nlichkeit findet Bibot in dem Verhalten der doppelten Mifsgeburten, wo jedes Individuum etwas weniger als ein Individuum sein mufs, ein Schlufs, der von der Erfahrung best\u00e4tigt wird. Auch das Leben und Wesen der Zwillinge kann hierf\u00fcr herangezogen werden, da den beiden Organismen ein einziges Ei zur Grundlage und als Ausgangspunkt der Entwickelung dient, und die k\u00f6rperliche und infolgedessen auch die geistige Beanlagung der beiden Individuen eine auf-fallende Gleichf\u00f6rmigkeit zeigen wird.\nDiese geistige \u00c4hnlichkeit ist der psychische Ausdruck der k\u00f6rperlichen \u00dcbereinstimmung. Der Einflufs des K\u00f6rpers auf den Geist ist demnach so aufzufassen, dafs der letztere einfach die logische Folgerung des ersteren ist. Die k\u00f6rperliche Pers\u00f6nlichkeit mufs als die organisierte und koordinierte Summe der n\u00e4mlichen Elemente in ihrer psychischen Bedeutung angesehen werden, die auch den K\u00f6rper zusammensetzen.\nDaher macht sich auch jede \u00c4nderung in der Ern\u00e4hrungsth\u00e4tigkeit sofort im Gem\u00fctsleben bemerkbar, und sie \u00e4ufsert sich als Ver\u00e4nderung des Selbstbewufstseins, die wir als Hypochondrie und als Melancholie bezeichnen. Die Ver\u00e4nderung ist eine innerliche, durch das Schwinden der alten und das Hinzutreten neuer Elemente bedingte, und es ist nichts als ein Trugschlufs, wenn man die innerliche Umwandlung als einen \u00e4ufserlichen Hergang auffafst, ein Trugschlufs, der in der Idee wurzelt, als ob das Ich eine keiner Ver\u00e4nderung unterworfene Wesenheit sei.\nIm Gegenteil, unser Ich ist nichts weniger als eine bestimmte Gr\u00f6fse, es besteht vielmehr a\u00fcs widerstrebenden Trieben, aus Tugend und Laster, die sich f\u00fcr gew\u00f6hnlich die Wage halten, sich aber unter Umst\u00e4nden einseitig entwickeln k\u00f6nnen, wie dies u. a. bei dem zirkul\u00e4ren Irresein der Fall ist.","page":470},{"file":"p0471.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturberichl.\n471\nSo kann dieses Ich zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden sein, je nachdem sich die auf physischen Grundlagen beruhenden Gef\u00fchle und Triebe gegenseitig verst\u00e4rken oder auf heben. Weniger bedeutend ist der Einflufs der Sinne, da sich ihre Th\u00e4tigkeit mit Ausnahme des Gef\u00fchles mehr auf die Vermittelung des Verkehrs der Pers\u00f6nlichkeit mit der Aufsenwelt erstreckt.\nAngeborene Sinnesdefekte lassen daher die Pers\u00f6nlichkeit fast unber\u00fchrt, und auch die erworbenen beeinflussen sie mehr durch die ihnen zu Grunde liegende k\u00f6rperliche St\u00f6rung.\nEtwas \u00c4hnliches gilt von den Ideen, die, ihrem objektiven Charakter entsprechend, das Individuum nicht in gleicher Weise angreifen, wie dies die Gef\u00fchle und Leidenschaften thun. Ver\u00e4nderungen der Pers\u00f6nlichkeit lediglich auf Grund von Ideen kommen daher nicht gerade h\u00e4ufig zur Beobachtung. Das charakteristische Kennzeichen der Pers\u00f6nlichkeit ist jene Kontinuit\u00e4t in der Zeit, jene Fortdauer, die man Identit\u00e4t nennt. Sie entspricht der Identit\u00e4t des K\u00f6rpers, die ihre Daseinsbedingungen in dem Gemeingef\u00fchle hat, und auf derselben physischen Grundlage, welche der Organismus gew\u00e4hrt, beruht auch die sogenannte Einheit des Ichs, d. h. der zwischen den einzelnen Bewufstseinszust\u00e4nden bestehende feste Zusammenhang.\nWollte man, wie man es vielfach gethan, das Wesen des Ichs in das Bewufstsein verlegen, so w\u00fcrde man sich mit den einfachsten That-sachen in einen Widerspruch setzen, da das Bewufstsein mindestens w\u00e4hrend eines Dritteiles des Lebens nicht vorhanden ist. Das Bewufstsein ist vielmehr als ein einfaches, die Gehirnth\u00e4tigkeit begleitendes Ph\u00e4nomen aufzufassen, als ein Vorgang, der seine eigenen Existenzbedingungen besitzt und der je nach Umst\u00e4nden stattfinden oder unterbleiben kann. Seine Haupteigenschaft ist der intermittierende Charakter, und es giebt Zust\u00e4nde wirklicher Bewufstlosigkeit, die sich durch die Annahme des Vergessens nicht erkl\u00e4ren lassen. Man denkt und tr\u00e4umt nicht immer, und im Zustande der Ohnmacht, des epileptischen Anfalles und in anderen krankhaften Zust\u00e4nden findet kein Bewufstsein statt.\nDas Unbewulste ist ein physiologischer Zustand, der zuweilen, und zwar in der Kegel, von Bewufstseinserscheinungen begleitet ist, in dem gerade vorliegenden Falle aber ohne sie verl\u00e4uft. Da nun bei jedem seelischen Vorg\u00e4nge das Wesentliche und eigentlich Wirksame der Nerven-prozefs ist, w\u00e4hrend das Bewufstsein lediglich als eine Begleiterscheinung angesehen werden mufs, so kann es ebensogut fehlen, und alle Bet\u00e4tigungen des Seelenlebens k\u00f6nnen abwechselnd unbewufst und bewufst sein. Weshalb einzelne Nervenprozesse mit Bewufstsein verbunden sind und andere nicht, wissen wir nicht, wohl aber sehen wir, dafs ein gewisser Zusammenhang zwischen ihnen besteht, der den letzten Grund ihrer Kontinuit\u00e4t bildet.\nZu den unbewufsten Vorg\u00e4ngen gesellt sich im Verlaufe der Entwickelung noch etwas hinzu, eine Mehrleistung, die sie zu bewufsten macht. Nur die bewufsten Vorg\u00e4nge haben die Eigenschaft, eine Erinnerung zu hinterlassen, die dem Seelenleben einen neuen Faktor hinzuf\u00fcgt, der seinerseits Ausgangspunkt einer anderen bewufsten Arbeit werden kann.","page":471},{"file":"p0472.txt","language":"de","ocr_de":"472\nLitteraturbericht.\nIn dem Ged\u00e4chtnis besitzen wir die Bef\u00e4higung, Erfahrungen der Vergangenheit aufzuspeichern zum Nutzen und Frommen der Zukunft.\nWenn das Bewufstsein f\u00fcr die Identit\u00e4t des Ichs ohne Belang ist, so tr\u00e4gt es andererseits dazu hei, Ged\u00e4chtnis und Pers\u00f6nlichkeit zu vervollst\u00e4ndigen und sie zur h\u00f6chsten Entwickelung zu bringen. F\u00fcr gew\u00f6hnlich tritt eine \u00c4nderung der Pers\u00f6nlichkeit nur allm\u00e4hlich ein, und die neuen Elemente haben hinl\u00e4nglich Zeit, sich den alten zu assimilieren. So assimilieren wir auf dem Wege der Gewohnheit zu jeder Zeit neue Momente in die alte Pers\u00f6nlichkeit, die sich unter normalen Verh\u00e4ltnissen trotz fortw\u00e4hrender Ver\u00e4nderungen und partieller St\u00f6rungen als eine m\u00f6glichst vollkommene psychophysische Koordination erh\u00e4lt. Tritt eine solche \u00c4nderung jedoch pl\u00f6tzlich ein, so geht mit der Koordinationsf\u00e4higkeit auch die Einheit der Pers\u00f6nlichkeit zu Grunde, wie wir dies hei der Paralyse, dem Altersbl\u00f6dsinn und anderen Psychosen sehen.\nIn der Mehrzahl der F\u00e4lle vollzieht sich dieser Bruch mit der Ver-gangenheit nicht auf einmal, sondern erst nach einer Periode der Verwirrung und des Schwankens.\nDer krankhafte Zustand, der sich nach dieser \u00dcbergangszeit endg\u00fcltig befestigt hat, ist dreifacher Art, je nachdem entweder das k\u00f6rperliche Gemeingef\u00fchl eine vollst\u00e4ndige Ver\u00e4nderung erfahren hat und es zu einer ganz neuen Pers\u00f6nlichkeit gekommen ist, w\u00e4hrend die alte vergessen und entfremdet wird, oder neben der alten eine neue abwechselnd auftritt, oder es endlich zu einer Vertauschung der Pers\u00f6nlichkeit kommt. Dieser dritte Typus ist mehr oberfl\u00e4chlicher Natur, nach der Art der Hypnotisierten, und die Ver\u00e4nderung betrifft mehr die Psyche als den Organismus, w\u00e4hrend die ersten beiden Krankheitsformen auf einer tiefgehenden Ver\u00e4nderung des k\u00f6rperlichen Gemeingef\u00fchles beruhen, durch welche das Selbstbewufstsein vollst\u00e4ndig umgewandelt wird. In den Schlufsbemerkungen geht Kibot die Entstehung der Individualit\u00e4t an der Hand der Entwickelungsgeschichte durch.\nDer eigentliche Tr\u00e4ger der Koordination ist das Nervensystem. Im Laufe der Entwickelung scheidet sich aus der allgemeinen Funktion ein einzelnes Organ f\u00fcr die einzelne Funktion ah, das sich des Bewufst-seins bem\u00e4chtigt und von nun an jene Funktion f\u00fcr den ganzen Organismus aus\u00fcht (Geschlechtsorgan, Gehirn etc.). Indem es dies thut, entsagt es seinerseits allen anderweitigen Funktionen, und auf diesem Wege ist das Gehirn nach und nach zum alleinigen Vertreter der seelischen Individualit\u00e4t f\u00fcr den ganzen Organismus geworden, und der Organismus und seine h\u00f6chste Vertretung, das Gehirn, bilden fortan die wahre Pers\u00f6nlichkeit. Es enth\u00e4lt in sich die \u00dcberreste von allem, was wir gewesen sind, und die M\u00f6glichkeiten alles dessen, was wir sein werden.\nWas davon an die Oberfl\u00e4che des Bewufstseins kommt, ist wenig im Vergleich zu dem, was verborgen bleibt, obwohl es in der Stille mitwirkt. Die bewufste Pers\u00f6nlichkeit ist immer nur ein geringer Teil der physischen Individualit\u00e4t.\nKibot schliefst seine inhaltsreiche und, wie schon bemerkt, vorz\u00fcglich geschriebene Arbeit mit den Worten: \u201eDie Einheit des Ichs im psycho-","page":472},{"file":"p0473.txt","language":"de","ocr_de":"Litter a turbericht.\n473\nlogischen Sinne ist demnach nichts anderes, als der w\u00e4hrend einer gegebenen Zeit zu beobachtende wechselseitige Zusammenhang einer gewissen Zahl klarer Bewufstseinszust\u00e4nde, welche von anderen weniger klaren Geisteszust\u00e4nden und zahlreichen physiologischen Zust\u00e4nden begleitet werden, von denen die letzteren, obwohl sie nicht mit Be-wurstseinserscheinungen verkn\u00fcpft sind, doch den bewufsten Zust\u00e4nden an Wirksamkeit nicht nachstehen, ja dieselben darin sogar oft \u00fcbertreffen. Einheit bedeutet hier Koordination, und da der Consensus des Bewufst-seins dem Consensus des Organismus untergeordnet ist, ergiebt sich die weitere Folgerung, dafs das Problem der Einheit des Ichs in letzter Linie als ein biologisches Problem aufgefafst werden mufs. Die Biologie hat, wenn sie dazu im st\u00e4nde ist, die Entstehung und die innere Einheit der Organismen zu erkl\u00e4ren, und die Psychologie kann nur in ihren Fufsstapfen wandeln. Dies nachzuweisen, haben wir im einzelnen bei der Darstellung und Besprechung der krankhaften F\u00e4lle versucht. Unsere Arbeit ist somit an ihrem Ende angelangt.\u201c\tPelman.\nFriedmann. \u00dcber den Wahn. Eine klinisch-psychologische Untersuchung.\nNebst einer Darstellung der normalen Intelligenzvorg\u00e4nge. Wiesbaden,\nJ. F. Bergmann. 1894.\nDie umfangreiche Abhandlung Friedmanns versucht eine psychologische Zergliederung der Wahnbildung, also jenes krankhaften psychischen Vorganges, welcher als wesentliches Symptom der Paranoia theoretisch und praktisch das allergr\u00f6fste Interesse in Anspruch nehmen darf.\nDen ersten Teil bildet eine Darstellung der normalen Intelligenzvorg\u00e4nge auf dem Boden der Assoziationslehre, an deren Schlufs F. den Satz stellt: \u201eSubjektiv real ist jede festgekn\u00fcpfte Assoziation, sobald und solange sie formiert ist.\u201c\nDie ganze bisherige Richtung der Psychiatrie wird einer herben Kritik unterzogen. F. wirft ihr psychologischen Dilettantismus und Systemlosigkeit vor; ihre Methode sei im wesentlichen eine Habitusbeschreibung, es fehle an gen\u00fcgender Zergliederung der beschriebenen Krankheitssymptome. Besonders deutlich treten diese M\u00e4ngel in der Unklarheit zu Tage, welche in der Paranoiafrage herrscht.\nF. stellt f\u00fcr die allgemeine Psychopathologie zwei empirische Grundgesetze auf: 1. Jede psychische Erkrankung ist nur eine St\u00f6rung quantitativer Art. 2. Jede psychische St\u00f6rung ist eine kompakte und ergreift ganze funktionelle Verb\u00e4nde der psychischen Aktion. Solcher Verb\u00e4nde giebt es drei, die Erinnerungsassoziation, d. h. die komplete Einzelvorstellung, die einfach fortschreitende Assoziation ohne Wahl, zu welcher die Phantasieaktion geh\u00f6rt, und endlich die etappenf\u00f6rmige oder zentralisierte Assoziation, wo sich um die Ursprungsvorstellung unter dem Gef\u00fchl der Willensanspannung ein ganzer Kreis assoziativ verwandter und bewufstwerdender Vorstellungen allm\u00e4hlich schart, und unter diesen eine Konkurrenz f\u00fcr die neu zu bildende (als logisch bezeichnete) Assoziation mit der zentralen Ursprungsvorstellung stattfindet; dabei wird in der Norm die am n\u00e4chsten verwandte \u201egew\u00e4hlt\u201c","page":473}],"identifier":"lit29620","issued":"1895","language":"de","pages":"469-473","startpages":"469","title":"Th. Ribot: Die Pers\u00f6nlichkeit. Pathologisch-psychologische Studien. \u00dcbersetzt von Dr. Pabst. Berlin, G. Reimer. 1894. 179 S.","type":"Journal Article","volume":"8"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:09:28.288936+00:00"}