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{"created":"2022-01-31T13:31:43.904250+00:00","id":"lit29621","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Liebmann","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 8: 473-475","fulltext":[{"file":"p0473.txt","language":"de","ocr_de":"Litter a turbericht.\n473\nlogischen Sinne ist demnach nichts anderes, als der w\u00e4hrend einer gegebenen Zeit zu beobachtende wechselseitige Zusammenhang einer gewissen Zahl klarer Bewufstseinszust\u00e4nde, welche von anderen weniger klaren Geisteszust\u00e4nden und zahlreichen physiologischen Zust\u00e4nden begleitet werden, von denen die letzteren, obwohl sie nicht mit Be-wurstseinserscheinungen verkn\u00fcpft sind, doch den bewufsten Zust\u00e4nden an Wirksamkeit nicht nachstehen, ja dieselben darin sogar oft \u00fcbertreffen. Einheit bedeutet hier Koordination, und da der Consensus des Bewufst-seins dem Consensus des Organismus untergeordnet ist, ergiebt sich die weitere Folgerung, dafs das Problem der Einheit des Ichs in letzter Linie als ein biologisches Problem aufgefafst werden mufs. Die Biologie hat, wenn sie dazu im st\u00e4nde ist, die Entstehung und die innere Einheit der Organismen zu erkl\u00e4ren, und die Psychologie kann nur in ihren Fufsstapfen wandeln. Dies nachzuweisen, haben wir im einzelnen bei der Darstellung und Besprechung der krankhaften F\u00e4lle versucht. Unsere Arbeit ist somit an ihrem Ende angelangt.\u201c\tPelman.\nFriedmann. \u00dcber den Wahn. Eine klinisch-psychologische Untersuchung.\nNebst einer Darstellung der normalen Intelligenzvorg\u00e4nge. Wiesbaden,\nJ. F. Bergmann. 1894.\nDie umfangreiche Abhandlung Friedmanns versucht eine psychologische Zergliederung der Wahnbildung, also jenes krankhaften psychischen Vorganges, welcher als wesentliches Symptom der Paranoia theoretisch und praktisch das allergr\u00f6fste Interesse in Anspruch nehmen darf.\nDen ersten Teil bildet eine Darstellung der normalen Intelligenzvorg\u00e4nge auf dem Boden der Assoziationslehre, an deren Schlufs F. den Satz stellt: \u201eSubjektiv real ist jede festgekn\u00fcpfte Assoziation, sobald und solange sie formiert ist.\u201c\nDie ganze bisherige Richtung der Psychiatrie wird einer herben Kritik unterzogen. F. wirft ihr psychologischen Dilettantismus und Systemlosigkeit vor; ihre Methode sei im wesentlichen eine Habitusbeschreibung, es fehle an gen\u00fcgender Zergliederung der beschriebenen Krankheitssymptome. Besonders deutlich treten diese M\u00e4ngel in der Unklarheit zu Tage, welche in der Paranoiafrage herrscht.\nF. stellt f\u00fcr die allgemeine Psychopathologie zwei empirische Grundgesetze auf: 1. Jede psychische Erkrankung ist nur eine St\u00f6rung quantitativer Art. 2. Jede psychische St\u00f6rung ist eine kompakte und ergreift ganze funktionelle Verb\u00e4nde der psychischen Aktion. Solcher Verb\u00e4nde giebt es drei, die Erinnerungsassoziation, d. h. die komplete Einzelvorstellung, die einfach fortschreitende Assoziation ohne Wahl, zu welcher die Phantasieaktion geh\u00f6rt, und endlich die etappenf\u00f6rmige oder zentralisierte Assoziation, wo sich um die Ursprungsvorstellung unter dem Gef\u00fchl der Willensanspannung ein ganzer Kreis assoziativ verwandter und bewufstwerdender Vorstellungen allm\u00e4hlich schart, und unter diesen eine Konkurrenz f\u00fcr die neu zu bildende (als logisch bezeichnete) Assoziation mit der zentralen Ursprungsvorstellung stattfindet; dabei wird in der Norm die am n\u00e4chsten verwandte \u201egew\u00e4hlt\u201c","page":473},{"file":"p0474.txt","language":"de","ocr_de":"474\nLittei'a turberic h t.\nund bleibt siegreich im Bewufstsein. Zwischen den h\u00f6heren Verb\u00e4nden findet ein Antagonismus statt: Erh\u00f6hung des einen hemmt den anderen.\nDie Steigerung des ersten Verbandes, der Vorstellungsth\u00e4tigkeit,\nzeigt zwei Grundformen. Sie kann anschaulicher, plastischer werden:\nHalluzinationen, Gedankenlautwerden, Illusionen etc. Oder die Intensit\u00e4t\n\u2022 \u00bb\nist gesteigert: \u00dcberwertige Ideen (Wernicke), und zwar 1. Zwangsideen in ihren verschiedenen Formen, 2. fixe Ideen (gewisse hypochondrische Ideen, Querulanten wahn), 3. Wahnideen, die sich von den fixen Ideen durch ihren komplexen Charakter unterscheiden.\nDie zweite und letzte Abteilung des klinischen Teiles besch\u00e4ftigt sich mit der speziellen psychologischen Analyse der Wahnidee einschliefslich der Zwangsidee.\nF. gelangt schliefslich zu folgender Definition der Zwangsvorstellung. Sie ist \u201eeine pathologisch der Intensit\u00e4t nach gesteigerte, unanschauliche Vorstellung, welche w\u00e4hrend der Dauer dieser Steigerung gew\u00f6hnlich eine Assoziation (zumeist mit der zeitlich n\u00e4ehstliegenden Vorstellung) erzwingt, die sp\u00e4ter wieder gel\u00f6st wird. Solange diese besteht, erscheint sie subjektiv real.\u201c\n\u201eVon der Wahnidee und der fixen Idee sondert sie nur das eine und einzige Kriterium ihres paroxysmellen Auftretens.\u201c Damit sie zur Wahnidee werde, braucht nur die lockere Assoziation zu einer festen zu werden. F. behauptet denn auch das h\u00e4ufige Vorkommen dieses \u00dcberganges. Bei den einfachen Psychosen \u2014 abgesehen von der Neurasthenie und Hysterie \u2014 sollen sich Zwangsideen und Wahnideen \u00fcberhaupt kaum von einander sondern lassen.\nWie der Zwangsvorstellung, so liegt auch der Wahnidee als Fundamentalst\u00f6rung eine Steigerung der Vorstellungsth\u00e4tigkeit zu Grunde, die allein gen\u00fcgt, um ein Bealit\u00e4tsurteil zu st\u00e4nde zu bringen. F. unterscheidet zwei Bildungsweisen:\n1.\tdie Wahnidee von einfacher Bildung, beruhend auf der gesteigerten Vorstellungsth\u00e4tigkeit allein und Eingew\u00f6hnung bei fortw\u00e4hrendem einseitigen Affekte verm\u00f6ge der Charakteranlage (Schema der Zwangsidee) ;\n2.\tdie Wahnidee von komplexer Bildung, wobei unterst\u00fctzend wirken prim\u00e4re affektive geistige St\u00f6rung, Lockerung und Eind\u00e4mmung des assoziativen Flusses, endlich, auf indirektem Wege, Verwirrtheit durch Halluzinationen (d\u00e9lirante Form).\nDie Definition der paranoischen Wahnidee lautet:\n\u201eEchte Wahnideen sind unverr\u00fcckbare Urteilsassoziationen in logischer Form, bei deren Bildung durch pathologische Vorg\u00e4nge die assoziativ n\u00e4her verwandten Vorstellungen von der logischen Verkn\u00fcpfung ausgeschlossen bleiben. F\u00fcr ihre Konsolidierung ist immer eine durch die pr\u00e4existente spezifische geistige Veranlagung des Individuums bewirkte Gedankenrichtung von einseitig affektiver Form mafsgebend. Die K onzeption erfolgt entweder allein durch eine Steigerung der Vorstellungsth\u00e4tigkeit, welche \u00fcberwertige Ideen hervorruft (Schema der Zwangsassoziation resp. der fixen Idee) oder aber nebstdem wirken ein prim\u00e4rer, anhaltender starker und einseitiger Affekt, oder, resp. ver-","page":474},{"file":"p0475.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n475\nbunden damit eine Einschr\u00e4nkung des assoziativen Gedankenflusses (d\u00e9lirante Form der Konzeption).\n\u201eDie Konsolidierung erfolgt aussehliefslich nur innerhalb des geordneten logischen Denkens und schliefst sich entweder direkt an die Konzeption an (fixe Idee) oder sie vollzieht sich ganz allm\u00e4hlich und chronisch (chronische Paranoia mit oder ohne Halluzinationen), oder drittens sie ergiebt sich in der dem akuten Prim\u00e4rstadium folgenden ruhigen Periode (akute Parnaoia und Paranoia mit affektivem oder delirantem Vorstadium).\u201c\nEs folgt schliefslich ein Kapitel \u00fcber die \u00fcberwertigen Ideen bei affektiven Psychosen und beim Schwachsinn. Liebmann (Bonn).\nE. Parish. \u00dcber die Trugwahrnehmung (Halluzination und Illusion) mit besonderer Ber\u00fccksichtigung der internationalen Enquete \u00fcber Wachhalluzination bei Gesunden. Sammlung 2 d. Schriften d. Gesettsch. f. psychol. Forschung. Heft 7/8. Ambr. Abel, Leipzig 1894.\t246 S.\nDie zahlreichen Fragen, welche das Gebiet der Sinnest\u00e4uschungen enth\u00e4lt, werden in dieser Schrift in anregender, klarer Weise besprochen. Interessant sind namentlich die Ergebnisse der von Gurney angeregten internationalen Statistik \u00fcber das Vorkommen von Wachhalluzinationen. Danach sind im ganzen 27 329 Antworten eingegangen, und unter diesen lauteten 3271 (= ca. 12%) auf Ja, d. h. die betreffenden Personen gaben an, im Wachen halluziniert zu haben. Parish, welcher \u00fcbrigens selbst mit Hecht betont, wie vorsichtig man bei Verwertung einer solchen Statistik sein m\u00fcsse, nimmt an, dafs diese Prozentziffer im allgemeinen zu hoch sei, dafs sie jedoch noch zu niedrig sei, wenn man alle die kurzen Sinnest\u00e4uschungen, f\u00fcr welche die Erinnerung alsbald schwindet, mit einrechnen k\u00f6nnte. Nicht vermag Beferent dem Verfasser darin beizustimmen, dafs er eine \u201eDissoziation des Bewufstseins\u201c f\u00fcr das allgemeine Charakteristikum aller halluzinatorischen Zust\u00e4nde ausgiebt. Die psychiatrische Beobachtung lehrt, dafs Halluzinationen oft ohne jede Dissoziation Vorkommen, und dafs auch in den F\u00e4llen, wo eine solche Dissoziation vorliegt, diese sehr oft nur ein Folgezustand der Halluzinationen ist (halluzinatorische Inkoh\u00e4renz). \u2014 Die Theorie, welche P. f\u00fcr das Zustandekommen der Sinnest\u00e4uschungen aufstellt, ist derjenigen von W. James nahe verwandt. Er betrachtet die Halluzination als einen \u201eAkt cerebrostatisch erzwungener Assoziation\u201c: infolge einer Ver\u00e4nderung der relativen Spannungsverh\u00e4ltnisse in den kortikalen Elementen fliefst ein Heiz A auf Elemente \u00fcber, welche normalerweise nicht von ihm, sondern von einem anderen Beize N erregt werden. Die Illusion sieht Verfasser hingegen als ein reines \u201eAusfallsergebnis\u201c an: einzelne der von einem bestimmten Beize A normalerweise erregten Elemente bleiben infolge Herabsetzung ihrer Erregbarkeit unerregt. Meines Erachtens l\u00e4fst die erste Erkl\u00e4rung im Stich, sobald rein-zentrale Halluzinationen vorliegen; die zweite wird dem transformierenden Charakter der Illusion nicht gerecht. Die Er\u00f6rterung der sog. negativen Halluzinationen bietet manches Bemerkenswerte.\nDie Litteratur ist ziemlich vollst\u00e4ndig und zumeist auch mit ge-","page":475}],"identifier":"lit29621","issued":"1895","language":"de","pages":"473-475","startpages":"473","title":"Friedmann: \u00dcber den Wahn. Eine klinisch-psychologische Untersuchung. Nebst einer Darstellung der normalen Intelligenzvorg\u00e4nge. Wiesbaden, J. F. Bergmann. 1894","type":"Journal Article","volume":"8"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:31:43.904256+00:00"}