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{"created":"2022-01-31T15:14:14.564806+00:00","id":"lit29630","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pelman","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 9: 46-48","fulltext":[{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturl) ericht.\ni\nDunan. Cours de philosophie. Psychologie. Paris, 1893. Delagrave. 336 S.\nReferent hat ;es in dieser Zeitschrift schon oft wiederholt, dafs ihm ein streng systematisch angelegtes Buch als zweckm\u00e4fsige erste Einf\u00fchrung in die Psychologie nicht gelten kann (Bd. V. S. 88, 403. Bd. VIII. S. 106 f.). Unter diesem Gesichtspunkte mufs er daher auch das vorliegende Werkchen abweisen, was ihn jedoch nicht hindert, es demjenigen aufs w\u00e4rmste zu empfehlen, der die Anf\u00e4nge bereits hinter sich hat. Hierzu wird er zun\u00e4chst durch den Umstand veranlafst, dafs der Verfasser das Hauptgewicht auf das legt, wor\u00fcber man in der neueren Psychologie im allgemeinen einig ist. Das darf jedoch nicht zu der Meinung verleiten, als handle es sich hei der Schrift um eine blofse Kompilation. Die in der Form durchaus selbst\u00e4ndige, geschickte und pr\u00e4zise Darstellung \u2014 der zweite Vorzug \u2014 l\u00e4fst ebensowohl wie das gelegentliche Eingehen auf Streitfragen in dem Verfasser einen Mann erkennen, der nach Goethes Ausdruck das fr\u00fcher von anderen schon Gedachte wirklich noch einmal nachgedacht hat, um so ein Buch zu schaffen, das hoch \u00fcber den gew\u00f6hnlichen Kompendien steht, die nur ein Examenwissen vermitteln, das nach seinem einmaligen Gebrauche in der Regel auf immer verschwindet. Der dritte Vorzug besteht in dem h\u00e4ufigen Zur\u00fcckgreifen in die Geschichte der Psychologie, wodurch das Buch auch noch f\u00fcr den Nutzen haben kann, der nicht mehr im engeren Sinne zu den Lernenden geh\u00f6rt.\tUfer (Altenburg).\nPaul Flechsig. Gehirn und Seele. Rektorrede am 31. Oktober 1894.\nL. Edelmann, Leipzig. 28 S.\n\u201eGehirn und Seele\u201c betitelt sich die Antrittsrede des neuen Rektors. Sie beansprucht eine Bedeutung, die weit \u00fcber die R\u00e4ume der Leipziger Aula hinausgeht, und dies selbst dann, wenn Flechsig bei der Erw\u00e4hnung der Fortschritte in der Kenntnis des Gehirnes nicht mit voller Berechtigung von sich h\u00e4tte sagen k\u00f6nnen, dafs sein Anteil daran nicht gering gewesen sei.\nDer Redner entwirft in grofsen Z\u00fcgen ein Bild unserer heutigen Kenntnisse von dem Zusammenh\u00e4nge zwischen Gehirn und Seele, und er schiebt diese Kenntnisse ein gutes St\u00fcck vorw\u00e4rts. Dafs von allen K\u00f6rperteilen das Gehirn die n\u00e4chsten Beziehungen zu den Seelenvorg\u00e4ngen habe, ja sie ausschliefslieh vermittle, wurde schon von der","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht\n47\nSchule des Hippokrates gelehrt, und wenn wir auch in unserem Wissen seit jenen Tagen bedeutend weiter gekommen sind, und uns die Ge-staltungsverh\u00e4ltnisse, die Form der Gewebselemente, an welche die geistigen Erscheinungen gebunden, und ihre Lokalisation im Gehirne gel\u00e4ufiger geworden sind, so harrt doch vieles andere noch der Ent-Scheidung, und die vorstellbaren Grenzen des Naturerkennens liegen nach wie vor in nebelhafter Ferne.\nDie moderne Hirnlehre stellt den Satz auf, dafs nicht alle Teile des Gehirnes von gleicher Bedeutung f\u00fcr das seelische Lehen seien, und .man ist im allgemeinen geneigt, nur der Rinde des Grofshirnes die F\u00e4higkeit zuzuschreiben, Bewufstsein zu vermitteln, ein Satz, der keineswegs endg\u00fcltig bewiesen ist.\nFlechsig weist hier auf die Verdienste des meist verkannten und verh\u00f6hnten Gall hin, dessen Lehre gegen\u00fcber den vor ihm herrschenden Ansichten von Cartesius und S\u00f6mmering \u00fcber den Sitz der Seele im Hirnwasser einen unzweifelhaften Fortschritt bedeutet und mit den neueren Anschauungen manches gemein hat. Seit Dax und Broca wissen wir, dafs nicht alle Regionen des Gehirnes geistig gleichwertig sind, und die Versuche von Goltz durch Entfernung des Grofshirnes lehrten uns die Macht und Selbst\u00e4ndigkeit der k\u00f6rperlichen Triebe kennen, wie auch ein seines Grofshirnes beraubtes Tier deshalb nicht seelenlos sei, da ein grofser Teil seiner Handlungen ausschliefslich durch k\u00f6rperliche Einfl\u00fcsse ausgel\u00f6st werde und mit dem Geiste absolut nichts zu schaffen habe. Dafs f\u00fcr den Menschen \u00e4hnliche Verh\u00e4ltnisse vorauszusetzen sind, lehren mannigfaltige Beobachtungen, und zwar zun\u00e4chst an neugeborenen Kindern.\nHier setzen die Untersuchungen Flechsigs ein, und wir sehen an der Hand der neuen Untersuchungsarten, wie eine Sinnesleitung nach der anderen, der f\u00fcr die zweckm\u00e4fsige Auswahl der Nahrung besonders wichtige Geruchssinn an der Spitze, der Geh\u00f6rssinn zuletzt, von der K\u00f6rperoberfl\u00e4che her gegen die Rinde vordringt, und erst wenn die Sinnesleitungen fertig sind, sich von da aus neue Bahnen in umgekehrter Richtung zu entwickeln beginnen. Es sind dies die geistigen Zentren, die Denkorgane, die sich \u00fcber die verschiedensten Gebiete der Hirnoberfl\u00e4che ausbreiten und die etwa zwei Drittel der Grofshirnrinde einnehmen. Diese Assoziations- oder Koagitations-Zentren bilden das eigentliche Stirnhirn, ferner einen grofsen Teil der Schl\u00e4fenlappen, einen grofsen Bezirk im hinteren Scheitelteil und endlich die REiLLSche Insel. Ihre Erkrankung ist es vornehmlich, was geisteskrank macht, und sie sind das eigentliche Objekt der Psychiatrie.\nDie Bedeutung jedes einzelnen dieser vier Zentren schon jetzt darzulegen, dazu ist die Lehre noch zu neu. Bei den kompliziertesten geistigen Leistungen wirken sie vermutlich alle vier zusammen, da sie durch zahllose Nervenfasern miteinander verbunden sind, und ebenso haben wir in ihnen einen grofsen Teil der nerv\u00f6sen Elemente zu suchen, an welche die Erinnerungsf\u00e4higkeit f\u00fcr Sinneseindr\u00fccke gebunden ist.\nWir verlegen die Ged\u00e4chtnisspuren haupts\u00e4chlich in die Ganglienzellen, und wir wissen, dafs die in die geistigen Zentren niedergelegten","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48\nhitter a turberich t.\nGed\u00e4chtnisspuren untereinander mehr oder weniger in festen Beziehungen stehen, und dies um so fester, je gesetzm\u00e4fsiger die Naturvorg\u00e4nge verlaufen und je h\u00e4ufiger die entsprechenden Sinneseindr\u00fccke vom Gehirn entgegengenommen werden.\nMit der Zerst\u00f6rung der geistigen Zentren geht ausnahmslos das Ged\u00e4chtnis in grofser Ausdehnung verloren.\nErst durch die Verkn\u00fcpfung von Sinneseindruck mit Erinnerung entstehen Vorstellungen und eine richtige Deutung der Sinne seindr\u00fccke, und unsere gesamte anschauliche Kenntnis der Aufsenwelt stammt lediglich aus den Sinneseindr\u00fccken und der unbewufsten Arbeit des, Ged\u00e4chtnisses.\nDiese unhewufste Arbeit wird besonders durch die k\u00f6rperlichen Gef\u00fchle, die Triebe, in lebhafte Bewegung gesetzt, und wehe, wenn die Kraft der Zentren erlahmt und nicht mehr im st\u00e4nde ist, dem schrankenlosen Walten von Phantasie und Leidenschaft Halt zu gebieten, wie es bei den Geistesst\u00f6rungen der Fall ist, wo alsdann die niederen Triebe unbeschr\u00e4nkt zur Herrschaft gelangen.\nSchon der gewohnheitsm\u00e4fsige Alkoholmifsbrauch zeigt uns dieses abschreckende Bild des enthirnten Menschen, noch mehr aber die tieferen allgemeinen Erkrankungen der geistigen Sph\u00e4re, und wir ersehen deutlich, wie unser Wissen und K\u00f6nnen in letzter Linie von einer vollkommenen und gesunden Hirnmechanik abh\u00e4ngt.\nWollte man hieraus aber den Schlufs ziehen, Flechsig liefse seine Rede in dieser materialistischen Wendung ausklingen, so w\u00fcrde dies nicht richtig sein, und ich m\u00f6chte mit meinem Referate \u00fcberhaupt nichts anderes bezwecken, als eine Anregung zu geben, das Original selber in die Hand zu nehmen und durchzulesen.\tPelman.\nGeorge Stuart F\u00fcllerton. The psychological standpoint. Psychol. Bev. Bd. I. S. 113\u2014133. (M\u00e4rz 1894.)\nVerfasser setzt auseinander, dafs der Standpunkt des Psychologen im wesentlichen derselbe sein m\u00fcsse, wie der des gew\u00f6hnlichen Lebens, n\u00e4mlich der, den wir als \u201enaiven Realismus\u201c zu bezeichnen gewohnt sind. Ein Verlassen dieses Standpunktes zu Gunsten erkenntnis-theoretischer oder metaphysischer Betrachtungen mufs Verwirrung in die psychologischen Begriffe bringen. Verfasser erweist dies durch einige Beispiele aus James\u2019 von ihm sonst hochgesch\u00e4tzter Psychologie.\nJ. Cohn (Berlin).\nBruno K\u00e4mpfe. Beitr\u00e4ge zur experimentellen Pr\u00fcfung der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle. Phil. Stud. VIII. Heft 4. S. 511\u2014591. 1893.\nVerfasser hat sich die Aufgabe gestellt, \u201edie Richtigkeit der Methode in ihren einzelnen Phasen durch ein m\u00f6glichst ersch\u00f6pfendes Versuchsmaterial zu pr\u00fcfen\u201c. Er geht von der Annahme aus, dafs das Pr\u00e4zisions-mafs h und die Unterschiedsschwelle S zun\u00e4chst gleichberechtigt seien, als Mafs der Unterschiedsempfindlichkeit zu dienen, und er will das Experiment entscheiden lassen, ob die eine oder die andere Gr\u00f6fse vorzuziehen sei.","page":48}],"identifier":"lit29630","issued":"1896","language":"de","pages":"46-48","startpages":"46","title":"Paul Flechsig: Gehirn und Seele. Rektorrede am 31. Oktober 1894. L. Edelmann, Leipzig. 28 S.","type":"Journal Article","volume":"9"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:14:14.564811+00:00"}