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{"created":"2022-01-31T14:28:17.504736+00:00","id":"lit29655","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Cohn, J.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 9: 69-70","fulltext":[{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Litter aturbericht.\n69\n\u201eSind die hedonistischen Bed\u00fcrfnisse die wichtigsten f\u00fcr die Erhaltung des Individuums, so sind die sympathischen von nicht geringerer Bedeutung f\u00fcr die Erhaltung der Gattung.\u201c\n\u201eJeder Wille, gerichtet auf Verwirklichung oder Bewahrung der Erkenntnis oder auf Vernichtung oder Abwehr des Irrtums, ist ein effektives Bed\u00fcrfnis.\u201c Dies sind die idealen Bed\u00fcrfnisse. Sie sind genetisch die sp\u00e4testen und \u00fcberhaupt die seltensten. Sie setzen Abstraktionsverm\u00f6gen voraus, und soweit unsere Erfahrung reicht, vermag daher unter allen lebenden Wesen der Mensch allein sie zu empfinden. Unter den idealen Bed\u00fcrfnissen sind die auf Vervollkommnung der eigenen Individualit\u00e4t gerichteten wiederum \u00e4lter und verbreiteter, als die auf universelle Verwirklichung der Ideale gerichteten Bestrebungen.\nEs folgen die gewohnheitsm\u00e4fsigen Bed\u00fcrfnisse, welche ohne Bewufstsein des urspr\u00fcnglichen Zweckes existieren, z. B. die Geldgier des Geizigen. Diese Bed\u00fcrfnisse geh\u00f6ren zu den egoistischen.\nAufser den hedonistischen und gewohnheitsm\u00e4fsigen, den sympathischen und idealen Bed\u00fcrfnissen giebt es keine. Alles, was sonst den Schein erweckt, ein Bed\u00fcrfnis zu sein, ist eine Instinkthandlung, n\u00e4mlich eine solche Handlung, bei welcher nichts Gewolltes vorgestellt wird. Von einem effektiven Bed\u00fcrfnisse unterscheidet sich ein latentes Bed\u00fcrfnis dadurch, dafs letzteres vorliegt, \u201ewo ein Wunsch unbedingt zum Willen w\u00fcrde, falls der Glaube an die Verwirklichung des Geliebten durch die Liebe selbst hinzutreten w\u00fcrde\u201c.\tM. Giessler (Erfurt).\nP. Soleier. Recherches sur les rapports de la sensibilit\u00e9 et de l\u2019\u00e9motion\nRev, philos. Bd. 37. S. 241\u2014266. (M\u00e4rz 1894).\nSollier sucht die Gef\u00fchlstheorie von Lange und James experimentell zu begr\u00fcnden. Er sagt sich: Wenn die Gef\u00fchle sich aus den Empfindungen zusammensetzen, welche die Ausdrucks be wegungen (besonders auch die vasomotorischen) begleiten, so mufs bei Aufhebung der Empfindlichkeit auch die Gef\u00fchlserregbarkeit schwinden.\nEin Kranker mit ungew\u00f6hnlich ausgedehnter An\u00e4sthesie, den er in Bic\u00eatre beobachten konnte, sagt, dafs er niemanden liebe oder hasse, selbst die Aussicht auf Heilung erregt ihm keine Gef\u00fchle, nur der Besuch seiner Frau scheint ihn einigermafsen aufzur\u00fctteln. Nach dieser interessanten, aber in ihrer Vereinzelung nichts beweisenden pathologischen Beobachtung (Verfasser verspricht eine ausf\u00fchrlichere pathologische Arbeit) beschreibt er eine Anzahl an zwei Hysterischen in der Hypnose angestellter Versuche. Er suggeriert denselben An\u00e4sthesie, bald totale, bald periphere, d. h. der Haut, Muskeln, Gelenke und der spezifischen Sinne exkl. des Ohres, bald viscerale, d. h. aller anderen K\u00f6rperteile. Bei totaler oder visceraler An\u00e4sthesie wirken nun Eindr\u00fccke, die sonst starke Lust oder Unlust erregen, fast gar nicht auf das Gef\u00fchl, was sich auch bei Vergleichung der Atemkurven mit und ohne An\u00e4sthesie unter sonst gleichen Bedingungen zeigt. Es geh\u00f6rt nicht viel \u00dcberlegung dazu, um einzusehen, wie v\u00f6llig un-","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\nLitteraturberich i,\nbeweisend diese Versuche sind. Man sehe nur einmal das S. 252 wiedergegebene Gespr\u00e4ch. Der Autor fragt die Hysterische, welcher inzwischen ihre Empfindlichkeit wiedergegeben ist, ob sie nichts empfunden hat, als er ihr den Tod ihrer Mutter ank\u00fcndigte: Non, me r\u00e9pond-elle, je ne l\u2019aimais plus. \u2014 Alors, quand je t\u2019enl\u00e8ve ta sensibilit\u00e9, tu n\u2019aimes plus personne? Non. pas m\u00eame moi. puisque je ne sens plus rien.\nEs ist v\u00f6llig deutlich, dafs die Gefragte nur der Suggestion gehorcht. Sie empfindet nichts, weil sie nichts empfinden soll. Sollier aber mutet seiner Patientin zu, dafs sie den Unterschied zwischen Gef\u00fchl und Empfindung, den bekanntlich die Psychologie erst seit hundert Jahren klar erkannt hat, mache, obwohl doch der Sprachgebrauch beides fortw\u00e4hrend durcheinanderwirft.\nSolliers Versuche sind also nicht danach angethan, die schwerwiegenden Gr\u00fcnde, welche W4jndt, Lipps, Lehmann etc. gegen Dange und James ins Feld gef\u00fchrt haben, irgendwie zu ersch\u00fcttern. Zum Schlufs giebt der Verfasser einige Spekulationen \u00fcber Gehirnlokalisation der Muskelempfindungen und Gef\u00fchle.\tJ. Cohn (Berlin).\nF. Batth. Le sentiment et l\u2019analyse. Rev. philos. Bd. 37. S. 499\u2014513.\n(Mai 1894).\nVerfasser er\u00f6rtert das Verh\u00e4ltnis der analysierenden Verstandes-th\u00e4tigkeit zur St\u00e4rke einer Leidenschaft. Je nach den begleitenden Umst\u00e4nden kann dieselbe die Gem\u00fctsbewegung schw\u00e4chen, verst\u00e4rken oder verwirren.\nLetzteres findet \u00f6fters bei den modernen dilettantisch psycho-logisierenden Schriftstellern statt und wird vom Verfasser auf einen Mangel an Koordination unter den sonst gut entwickelten geistigen F\u00e4higkeiten zur\u00fcckgef\u00fchrt.\nBauh versucht dann f\u00fcr die Verschiedenartigkeit der Wirkungen der verstandesm\u00e4fsigen Analyse auf das Gef\u00fchl eine Erkl\u00e4rung zu geben, welche indessen kaum mehr ist, als eine Umschreibung des Thatbestandes.\nJ. Cohn (Berlin).\nHiram M. Stanley. A Study of Fear as Primitive Emotion. Psychol. Rev.\nVol. I. No. 3. S. 241\u2014256. (1894.)\nWie Verfasser aus evolutionistischen Gr\u00fcnden die Unlust als das urspr\u00fcngliche Gef\u00fchl ansieht (Philos. Rev. Bd. I. S. 433), so stellt er hier die Furcht als die urspr\u00fcnglichste Emotion hin. Furcht besteht nicht in dem Wiederaufleben fr\u00fcherer Unlustgef\u00fchle, sondern in der Verkn\u00fcpfung derselben mit einem Objekte. Auch hat der eigene Unlustcharakter der Furcht nichts mit dem der gef\u00fcrchteten Schmerzen zu thun (sonst m\u00fcfste n\u00e4mlich die Furcht vor K\u00e4lte sich von der Furcht vor Bestrafung in ihrer Unannehmlichkeit qualitativ ebenso unterscheiden, wie K\u00e4lte von der Bestrafung), vielmehr enth\u00e4lt die Furcht eine Unlust sui generis. Die Funktion der Furcht in der Entwickelung des organischen Lebens ist eine \u00f6konomische: sie erm\u00f6glicht, einer gr\u00f6sseren direkten Unlust zu entgehen und daf\u00fcr eine geringere indirekte zu","page":70}],"identifier":"lit29655","issued":"1896","language":"de","pages":"69-70","startpages":"69","title":"P. Sollier: Recherches sur les rapports de la sensibilit\u00e9 et de l'\u00e9motion Rev. philos. Bd. 37. S. 241-266. 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