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{"created":"2022-01-31T14:28:58.377591+00:00","id":"lit29658","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Liebmann","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 9: 71-72","fulltext":[{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"Litter aturbericht.\n71\nsetzen, und f\u00fchrt hierdurch das zu gewissen Lebensprozessen notwendige Schmerzquantum auf ein Mindestmafs zur\u00fcck.\nW. Stern (Berlin).\nE. B. Titchener. Affective Attention. Philos. Bev. Bd. III. S. 429\u2014433. (Juli 1894.)\nEine \u201eaffektive Aufmerksamkeit\u201c, d. h. eine Aufmerksamkeit, welche sich lediglich auf den Gef\u00fchlston als solchen richtet, ist undenkbar. Wo ein G-ef\u00fchl Gegenstand der Aufmerksamkeit zu sein scheint, bezieht sich letztere in Wirklichkeit nur auf den Empfindungs- oder Yorstellungs-anteil des Gef\u00fchls.\tW. Stern (Berlin).\nP. J. M\u00f6bius. \u00dcber Akinesia algera. Zur Lehre von der Nervosit\u00e4t. \u00dcber Seelenst\u00f6rungen bei Chorea. Neurologische Beitr\u00e4ge. Heft II.\nLeipzig 1894.\nMit dem Namen Akinesia algera bezeichnet M\u00f6bius ein eigent\u00fcmliches, vorher kaum bekanntes Krankheitsbild, das, allerdings selten, bei erblich belasteten, von vornherein neuropathisch beanlagten Individuen auftritt. Zugleich mit anderen Zeichen nerv\u00f6ser Schw\u00e4che entwickelt sich bei ihnen eine zunehmende Schmerzhaftigkeit aller, oder fast aller Bewegungen, die so grofs ist, dafs die Kranken veranlafst werden, sich jeder Bewegung zu enthalten. Es kann zu vollkommener Begungs-losigkeit kommen. Wesentlich ist, dafs sich durchaus keine greifbare Ursache der Schmerzen auffinden l\u00e4fst. Dieser Zustand ist chronisch; die Aussichten auf Heilung sind schlecht; namentlich erweist sich die suggestive Behandlung, sei es als hypnotische, sei es als Wachsuggestion irgend welcher Art, als machtlos. Nur in einem, von Erb beobachteten Falle soll v\u00f6llige Heilung eingetreten sein. Im ^weiten Aufsatz f\u00fchrt M\u00f6bius aus, dafs eine solche \u201eunmotivierte\u201c Schmerzhaftigkeit nicht nur bei Bewegungen vorkomme, sondern auch andere Funktionen gewisser Organe begleiten und die gewollte Aufhebung oder Unterlassung der Funktion der betreffenden Organe verursachen k\u00f6nne. Es wird die Leser dieser Zeitschrift besonders interessieren, dafs es die Krankengeschichte Fechners war, welche M\u00f6bius zu dieser Ausdehnung seines Krankheitsbildes bestimmte. Bei F. handelte es sich im wesentlichen um eine aufserordentliche Empfindlichkeit und Lichtscheu der (NB. gesunden) Augen, die ihn zu monatelangem Verharren in k\u00fcnstlicher Finsternis zwang. Die in mehr als einer Beziehung h\u00f6chst merkw\u00fcrdigen Aufzeichnungen Fechners \u00fcber seine Krankheit m\u00f6gen bei M\u00f6bius oder in der Biographie Fechners von Kuntze nachgelesen werden. \u2014 Es vermischen sich bei der Akinesia algera neurasthenische, hypochondrische und hysterische Erscheinungen. Alle Patienten geh\u00f6ren zu der Klasse der Desequilibrierten, Entarteten im Sinne Magnans, d. h. sie stehen von vornherein auf jenem \u201eGrenzgebiet zwischen geistiger Gesundheit und Krankheit\u201c, das wissenschaftlich zweifellos schon zum Bereiche der Krankheit gerechnet werden mufs. Aufserdem aber sind bei einem","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\nLitteraturbericht.\naufserordentlich grofsen Teil der bisher beschriebenen F\u00e4lle auch Geisteskrankheiten im gew\u00f6hnlichen, engeren Sinne des Wortes aufgetreten, und besonders h\u00e4ufig erscheint unter diesen die Paranoia. (Auch der Fall Frau S. im 3. Aufsatz scheint uns, obwohl M\u00f6bius sich nicht dar\u00fcber \u00e4ufsert, der Paranoia anzugeh\u00f6ren.) Dieses Verh\u00e4ltnis zur Paranoia darf deshalb besonderes Interesse namentlich auch der Irren\u00e4rzte beanspruchen, weil \u00e4hnliche \u201eSchmerzhalluzinationen\u201c, wie M\u00f6bius sie nennt, bei der Paranoia eine sehr h\u00e4ufige und l\u00e4ngst bekannte Erscheinung sind und bei der Pathogenese mancher Formen eine wesentliche Polle spielen (Dysphrenia neuralgica !), und auch Zust\u00e4nde von Bewegungslosigkeitr vor\u00fcbergehende und dauernde, die durch solche abnormen Sensationen bedingt werden, in den Irrenanstalten gerade bei Paranoikern in allen Stadien der Erkrankung nicht allzu selten beobachtet werden. Die von M\u00f6bius gegebene Anregung wird hoffentlich zu genauerem Studium gerade dieser vielfach noch dunklen Zust\u00e4nde den Anstofs geben.\nVon den Aufs\u00e4tzen \u201eZur Lehre von der Nervosit\u00e4t\u201c sei besonders der erste: \u201eBemerkungen \u00fcber Neurasthenie\u201c hervorgehoben, der in der f\u00fcr den Autor charakteristischen klaren und eindringlichen Weise die historische Entwickelung des Begriffes der Neurasthenie schildert und eine kritische Besprechung ihrer Symptomatologie und Therapie enth\u00e4lt.\nIn dem letzten Teil des Heftes endlich konstatiert der Verfasser zun\u00e4chst die grofse Unklarheit, die in der Litteratur \u00fcber den Begriff der Chorea herrscht, und verlangt mit Pecht, dafs man als Chorea schlechtweg nur die bekannte, hier nicht n\u00e4her zu schildernde vor\u00fcbergehende, bei Kindern und j uge ndlichen Individuen auftretende Erkrankung bezeichnen solle. Diese ist nach ihm eine infekti\u00f6se Krankheit, und als Beweis hierf\u00fcr zieht er u. a. den Charakter der sie hin und wieder begleitenden Geistesst\u00f6rung an. Wie alle toxischen Delirien bestehen auch sie in einem traumhaften Zustande, welcher sich durch Verwirrung, Neigung zu T\u00e4uschungen mehrerer Sinne, Wahngedanken und Aufregung kundgebe.\tLiebmaxn (Bonn).\nS. Heller. \u00dcber psychische Taubheit im Kindesaiter. Vortrag, gehalten\nin der Sektion f\u00fcr Kinderheilkunde der 66. Versammlung deutscher\n\u00bb \u00bb ______________________________\nNaturforscher und Arzte in Wien. Dresden, B. F. Teubner. 1894.\n8 S.\nDie vorliegende Schrift erscheint f\u00fcr die Heilp\u00e4dagogik, welche Verfasser als die Psychiatrie des Kindesalters bezeichnet, von gr\u00f6fster Bedeutung, sofern durch die in derselben vorgetragenen Heil- und Erziehungsmethoden, falls sich diese bew\u00e4hren, vielleicht viele Ungl\u00fcckliche, die in der Kindheit gemeinhin als Taubstumme erkannt, werden, dem schrecklichen Geschicke entrissen und in den Besitz der H\u00f6r- und Sprechf\u00e4higkeit zur\u00fcckgef\u00fchrt werden k\u00f6nnen.\nAuf Grund eingehender Beobachtungen unterscheidet Verfasser die eigentliche, durch periphere St\u00f6rungen bedingte Taubheit von der psychischen, der zentrale Defekte zu Grunde liegen. Im ersteren Falle ist keine Heilung m\u00f6glich, im letzteren aber, wo ebenfalls alle Merkmale der spezifischen Taubstummheit, obwohl nur scheinbar, vorhanden sind,","page":72}],"identifier":"lit29658","issued":"1896","language":"de","pages":"71-72","startpages":"71","title":"P. J. M\u00f6bius: \u00dcber Akinesia algera. Zur Lehre von der Nervosit\u00e4t. \u00dcber Seelenst\u00f6rungen bei Chorea. Neurologische Beitr\u00e4ge. Heft II. Leipzig 1894","type":"Journal Article","volume":"9"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:28:58.377597+00:00"}