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{"created":"2022-01-31T14:17:10.368261+00:00","id":"lit29674","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Kiesow, F.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 9: 132-133","fulltext":[{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nLitter a turberi c h t.\nDurch die genannten Bewegungen der Endolymphe w\u00fcrden reflektorisch Muskelbewegungen angeregt und so Bewegungen des K\u00f6rpers,Kopfes und der Aug\u00e4pfel entstehen.\tR. Greeff (Berlin).\nMax G-iessler. Wegweiser zu einer Psychologie des Geruches. Hamburg und Leipzig, Leopold Voss. 1894. 79 Seiten.\nVerfasser versucht, \u201eeinen neuen Zweig der Psychologie zu er\u00f6ffnen\u201c. Die sich einem solchen Unternehmen entgegensetzenden Schwierigkeiten sind innerer wie \u00e4ufserer Natur, das Beobachtungsmaterial nicht minder als das beobachtende Organ betreffend. W\u00e4hrend Physiker und Chemiker ihre Untersuchungen in ihren Laboratorien vornehmen k\u00f6nnen, befindet sich der Geruchspsychologe in der weniger vorteilhaften Lage, \u201edie ihm begegnenden Ger\u00fcche gleich an Ort und Stelle zu untersuchen\u201c. Auch \u201eNebenumst\u00e4nde\u201c d\u00fcrfen nicht aufser acht gelassen werden, \u201ez. B. die Ver\u00e4nderung der geruchlichen Wirkungen infolge der ver\u00e4nderten Konzentration, die Einwirkungen von kurz zuvor wahrgenommenen oder gleichzeitig bestehenden Ger\u00fcchen, der Zustand gewisser Organe u. s. w.\u201c\nIn Kapitel 1 erfolgt die Einteilung der Ger\u00fcche. Nachdem zun\u00e4chst wiederum die Schwierigkeiten aufgez\u00e4hlt werden, die einer Klassifizierung der G-er\u00fcche im Wege stehen, als welche aufser der Unm\u00f6glichkeit, durch die chemische Analyse zum Ziele zu gelangen, insonderheit die den verschiedenen Konzentrationen anhaftende ungleiche Gef\u00fchlsbetonung, die Nachwirkung mancher G-er\u00fcche und der apathische Zustand der zur Beurteilung geruchlicher Wirkung heranzuziehenden K\u00f6rperorgane namhaft gemacht werden, sieht Verfasser sich gen\u00f6tigt, den objektiven Standpunkt mit dem subjektiven zu vertauschen, d. h. das Gemeinschaftliche einzelner Geruchsgruppen ausschliefslich mittelst einer Relation zum Menschen anzugeben. I. Oberabteilung: Es treten Tastempfindungen und heftige Organreize, wie Niesen, Thr\u00e4nen, Husten, W\u00fcrgen, Urinieren u. s. w., auf, \u201edie psychischen Begleiterscheinungen treten in den Hintergrund\u201c, n. Oberabteilung: \u201eDie psychischen Begleiterscheinungen haben die Oberhand, w\u00e4hrend das Physische mehr oder weniger zur\u00fccktritt.\u201c Als I. Unterabteilung ergeben sich hier die durch eine Erregung des Nerven- und Muskelsystems hervorgerufenen identifizierenden und sozialisierenden Ger\u00fcche. Bei der II. Unterabteilung werden a) das Atmungs- und Gef\u00e4fssystem erregtr Es resultieren hieraus die idealisierenden und die disidealisierenden Ger\u00fcche. Erstere zerfallen wieder in die \u00e4sthetisierenden, ethisierenden und logisierenden Ger\u00fcche. Aus einer Erregung des Verdauungs- und Portpflanzungssystems ergeben sich b) die gastralen und c) die erotischen Ger\u00fcche. Die von Linn\u00e9, Fr\u00f6hlich und Alexander Bain versuchte Einteilung der Ger\u00fcche erw\u00e4hnt Verfasser nur als \u201ehistorisch bemerkenswert\u201c.\nIm Kapitel 2 teilt Verfasser die Ger\u00fcche weiter in Ur- oder Elementarger\u00fcche und in Kombinationsger\u00fcche ein. Erstere zerfallen 1. in attrahierende (z. B. der Geruch von Milch, rohem Fleisch, Mehl, Fischen, Obst, getvissen Speise\u00f6len, ferner der Geruch von sauerstoffhaltiger Luft, von gewissen Feldblumen und wenig kultivierten Garten-","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n133\nblumen, endlich der Geruch von Geschlechtsstoffen als Anziehungsmittel bei gewissen Tierfamilien), 2. in repellierende, \u201ewelche bewirken, dafs der Organismus sich vom Tr\u00e4ger der Ger\u00fcche entfernt\u201c (Ger\u00fcche von Exkrementen, Chlorgas u. s. w.), 3. in id entifzier en de Ger\u00fcche. \u201eDieselben affizieren das Ich weder in g\u00fcnstiger noch ung\u00fcnstiger Weise, weshalb ein intensiveres Interesse f\u00fcr sie fehlt\u201c (Ger\u00fcche von Pflanzen, Holz, gewissen Tuchstoffen und vielen Gebrauchsgegenst\u00e4nden). Die Kombinationsger\u00fcche zerfallen in Summations-, Kontrast- und unentwickelte Kombinationsger\u00fcche. \u201eEine summatorische Wirkung ist z. B. auch bei dem Geruch einer Havanna-Cigarre zu versp\u00fcren. Die letztere bringt n\u00e4mlich zugleich eine logisierende und \u00e4sthetisierende Tendenz hervor. Die logisierende Tendenz hat als physiologisches Substrat das Gef\u00fchl einer Kl\u00e4rung des Gehirns, wobei die Vorstellungen sich deutlicher voneinander abheben, die Begriffe sch\u00e4rfer gefafst, die Urteilsund Schlufsfunktion zu gr\u00f6fserer Bereitschaft aufgeboten werden. Der \u00e4sthetisierenden Tendenz dagegen liegt das Gef\u00fchl des Erhabenen zu Grunde. Beide Tendenzen summieren sich zu einer gl\u00fccklichen Totalwirkung, welche, indem sie dem Geiste eine geniale Dichtung verleiht, in besonders hohem Mafse geeignet ist, dem Manne der Wissenschaft die L\u00f6sung seiner Probleme zu erleichtern, wie sie andererseits das Gedankenspiel des Unbesch\u00e4ftigten in angenehme Bahnen leitet.\u201c\nIn Kapitel 3\u20148 bespricht Verfasser die einzelnen Ger\u00fcche ausf\u00fchrlicher. Kapitel 9 behandelt die durch Ger\u00fcche verursachte Ver\u00e4nderung der Vorstellungen und Begriffe. Nach der Wertsch\u00e4tzung, welche die einzelnen Geruchsklassen von den verschiedenen Lebewesen erfahren, sucht Verfasser in Kapitel 10 eine Skala der Ger\u00fcche zu gewinnen. Er findet hierbei, \u201edafs die \u00e4sthetisierenden und ethisierenden Ger\u00fcche fast nur auf die Gebildeten, geistig h\u00f6her Stehenden Eindruck machen, im \u00fcbrigen nur auf die Frauen, auf Tiere dagegen im allgemeinen gar nicht, und dafs umgekehrt f\u00fcr die erotischen Ger\u00fcche fast nur in der Tierwelt Empfindung vorhanden ist\u201c. \u201eDem Ungebildeten dienen als Ersatz f\u00fcr die \u00e4sthetisierenden und ethisierenden Ger\u00fcche die logi-sierenden und andere kr\u00e4ftige Ger\u00fcche, welche das Lebensgef\u00fchl anregen; so ist ihm z. B. der Geruch einer wilden Bose angenehmer, als der Geruch der Gartenrose.\u201c\nNachdem uns in Kapitel 11 noch ein fl\u00fcchtiger Blick in das Seelenleben des Hundes gew\u00e4hrt wird, erfolgen in Kapitel 12 Illustrationen zu den vorgetragenen Theorien aus Gust. J\u00e4gers Entdeckung der Seele (3. Abt. 1880). Endlich entdeckt Verfasser noch im biblischen Sch\u00f6pfungsberichte eine bedeutsame Hervorkehrung des Geruchssinnes in seiner Beziehung zum geistigen Leben. \u201eDenn 1. Mose 2, 7, steht geschrieben, dafs unser Herrgott dem Menschen den lebendigen Odem in die Nase blies, also nicht in den Mund, obwohl doch dieser Weg geeigneter gewesen w\u00e4re, Atmung und Leben im Organismus hervorzurufen.\u201c\nF. Kiesow (Leipzig).","page":133}],"identifier":"lit29674","issued":"1896","language":"de","pages":"132-133","startpages":"132","title":"Max Giessler: Wegweiser zu einer Psychologie des Geruches. Hamburg und Leipzig, Leopold Voss. 1894. 79 Seiten","type":"Journal Article","volume":"9"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:17:10.368266+00:00"}