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{"created":"2022-01-31T14:19:55.496690+00:00","id":"lit29678","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Offner, M.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 9: 138-140","fulltext":[{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nIdttei'CL turberieh t.\nEifer verteidigt. Warum die Abhandlung gerade mit \u201eGed\u00e4chtnis\u201c \u00fcberschrieben wurde, ist Referenten, wie alles andere, dunkel geblieben.\nAlbrecht Rau (M\u00fcnchen).\nJ, Ward. Assimilation and Association. (II.) Mind. N. S. Yol. III. No. 12. S. 509-532. (1894.)\nIn diesem Artikel untersucht der gelehrte und scharfsinnige Verfasser die sog. \u201eAssoziation durch vollst\u00e4ndige Gleichheit\u201c, welche als Assimilation bei der Assoziation, beim unmittelbaren Erkennen und schon bei der Wahrnehmung als H\u00fclfsprozefs zu Grunde liegt. Manche glauben, dafs hier der Sinneseindruck die fr\u00fcher ihm gleichartigen erwecke und mit ihnen zusammenfliefse. Aber genau besehen, ist der neue Sinneseindruck gar nicht ganz gleichartig den fr\u00fcher aufgenommenen ; auch ist eine derartige Assoziation sog. gleichartiger Vorstellungen gar nicht nachgewiesen. Beim einfachen Erkennen z. B. treten durchaus keine Erinnerungsbilder (freie Vorstellungen nach H\u00f6ffding) neben dem Sinneseindruck auf. Nun k\u00f6nnte vielleicht gerade dieser einfache H\u00fclfsprozefs die Quelle sein, aus der die Erinnerungsbilder als gesonderte Vorstellungselemente ihren Ausgang nehmen.\nEin Hindernis f\u00fcr die richtige Erkenntnis ist aber die von Hume ausgehende Ansicht, dafs die Erinnerungsbilder nur schwache Wiederholungen der Sinneseindr\u00fccke sind, im Gehirn also den gleichen Sitz wie diese einnehmen m\u00fcssen. Die Pathologie, besonders die Seelenblindheit, zeigt aber, dafs man, um Munks freilich nicht gl\u00fccklicher Terminologie zu folgen, zwei Arten zentraler St\u00f6rung zu unterscheiden habe, psychische und kortikale. W. glaubt sich dadurch berechtigt, f\u00fcr die Sinnesein dr\u00fccke und f\u00fcr die entsprechenden Erinnerungsbilder in der Cortex zwei verschiedene, wenn auch einander naheliegende und verbundene, Stellen anzunehmen, \u00e4hnlich wie Nothnagel und Vialet, in scharfem Gegensatz zu Bain, James u. a., welche den Sinneseindruck und sein Erinnerungsbild in dieselbe Rindenstelle verlegen. Das von W. beigezogene Material f\u00fchrt indes meines Erachtens, wenigstens soweit es hier mitgeteilt ist, nicht notwendig zu den Schl\u00fcssen des Verfassers, da die einzelnen F\u00e4lle auch andere Erkl\u00e4rungen zuzulassen scheinen. Den Einwurf, dafs besonders die Halluzination die Kontinuit\u00e4t von Sinnesempfindung und Einbildungskraft beweise, erkl\u00e4rt \u00fcbrigens W. f\u00fcr hinf\u00e4llig, weil ja auch durch seine Theorie dieser Zusammenhang nicht in\nAbrede gestellt werde, sondern bestehen bleibe, wie zwischen Stamm\n\u2022\u2022\nund Asten.\nEine Best\u00e4tigung f\u00fcr seine Ansichten findet W. in den Ergebnissen der vergleichenden Psychologie, und zwar zun\u00e4chst hinsichtlich der Bewegungserscheinungen. Wenn man freiwillige Bewegungen als Kennzeichen psychischen Lebens betrachtet, so scheinen die Bewegungen der meisten Fische geleitet zu sein durch die Reize, welche ihnen einzelne Sinne zuf\u00fchren, nicht eine Mehrheit solcher. So nimmt z. B. der Hundshai seine Beute lediglich durch den Geruch wahr ; das Gesicht dagegen dient ihm nur, um sich gegen Angriffe zu sichern. Es werden also zwischen seinen Geruchsvorstellungen und seinen Gesichts-","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Litter aturbericht.\n139\nVorstellungen keine\" Verbindungen entstehen, d. h. er hat keine komplexen Vorstellungen. Es fehlt dem Fisch also die F\u00e4higkeit der Assoziation daf\u00fcr, die des Erinnerns \u2014 eine Ansicht, durch die W. freilich in entschiedenen Widerspruch ger\u00e4t mit Darwin (Abst. d. Mensch. I. Kap. 3) und Schneider (D. tier. Wille. S. 78). Nun ist bekannt, dafs diese tieferstehenden Tiere ein auffallend kleines Grofshirn haben, aber auch ein ebenso auffallend grofses Mittelhirn, zugleich als Zentrum f\u00fcr Geruchsund Gesichtsempfindungen, besitzen, im Vergleich zum S\u00e4ugetier, bei dem das Mittelhirn (speziell die Oorp. quadrigem.) schliefslich zum Zentrum der optischen Reflexe herabgesunken ist, wie denn ganz allgemein das Mittelhirn seine h\u00f6heren Funktionen und auch die Oberleitung der Bewegungen allm\u00e4hlich an das Grofshirn abgiebt, entsprechend dessen Entwickelungsstufe, und f\u00fcr sich nur die Reflexe beh\u00e4lt. Hierin liegt der Fortschritt.\nW\u00e4hrend nun z. B. beim Fisch auf die Wahrnehmung der Beute sofort der Angriff erfolgt, nimmt dieses aktive Element bei h\u00f6heren Lebewesen andere Formen an, erscheint oft auch als blofse Aufmerksamkeit ohne andere \u00e4ufsere Bewegung, als h\u00f6chstens Ausrufe, Gesten u. dergl. Und zwar steht diese Erscheinung in enger Beziehung zu der Stufe, auf welcher das Grofshirn steht. Ebenfalls parallel damit geht die Zunahme der Sicherheit und Bestimmtheit des Erkennens und der daraus folgenden Vervollkommnung der freiwilligen Bewegungen.\nBeim einzelnen Menschen spiegelt sich dieses Verh\u00e4ltnis, das die Stufenfolge der Lebewesen beherrscht, wieder im Entwickelungsprozefs seines Gehirnes. Flechsigs Beobachtungen haben gezeigt, dafs die Fibern der Corona radiata, welche die Cortex verbinden mit den niederen Zentren, zur Zeit der Geburt ohne die f\u00fcr das Funktionieren unerl\u00e4fs-lichen Markscheiden sind, w\u00e4hrend die Fibern, welche nur subkortikalen Reflexen dienen, schon im f\u00f6talen Leben ihre Markscheiden gewinnen, ebenso wie die ihnen sogar vorauseilenden Fasern des R\u00fcckenmarks und der Medulla oblongata \u2014 eine stetige Entwickelung in der Richtung auf feinere Differenziierung, welche erst nach der Geburt ihr Ende erreicht, bei den Fibrae propriae (Assoziationsfasern) der Cortex sogar noch jahrelang nach der Geburt andauert. Die in diesen langsam sich entwickelnden Rindengebieten lokalisierten BewegungsVorstellungen entsprechen aber nicht der Kontraktion eines Einzelmuskels, sondern einer koordinierten Gruppe derartiger Einzelbewegungen, Sie werden nach und nach erworben, wie u. a. die Thatsache zeigt, dafs die Reizung kortikaler Bewegungszentren bei Neugeborenen noch keine Bewegung herbeif\u00fchrt. So haben also unsere bewufsten Bewegungen zwei Zentren, von denen das zweite, oberleitende erst allm\u00e4hlich in Th\u00e4tigkeit tritt und dann auf Grund der hier sich ablagernden Bewegungs Vorstellungen die Bewegungen selbst beeinflufst, vervollkommnet, also eine Art Assimilation derselben herbeif\u00fchrt.\nDieser motorischen Assimilation entspricht die sensorische Assimilation oder die Apperzeption und l\u00e4fst daf\u00fcr \u00e4hnliche anatomische Verh\u00e4ltnisse vermuten. So unterscheidet W. analog kortikale Sinnesvorstellung (cortical sensory presentation) und subkortikale, mehr","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nLitteraturbericht.\norganische Sinnesempfindung (subcortical sensation). Letztere findet er in den sog. instinktiven Wahrnehmungen der niederen Tiere, w\u00e4hrend erstere nicht mehr den Namen Sinnesempfindung (sensation) verdient, sondern Wahrnehmung im eigentlichen Sinne ist, zu welcher aber stets von den subkortikalen Zentren das beigeliefert wird, was den Eindruck der Wirklichkeit hervorruft, von der z. B. die Intensit\u00e4t ein Merkmal ist neben anderen. Wie im Gebiete der Bewegungen die Entwickelung zu gr\u00f6fserer Sicherheit f\u00fchrt, so hier zur Bekanntheit und sch\u00e4rferen Bestimmtheit der Vorstellungen. Auf \u00e4hnlichem Wege erkl\u00e4rt H\u00f6ffding das unmittelbare Wiederkennen. W\u00e4hrend hier, bei der Assimilation, die alten Eindr\u00fccke mitwirken, freilich ohne recht bewufst zu werden (gebundene Vorstellungen, H\u00f6ffding), gelangt man zu freien Ideen, wirklichen Erinnerungsbildern durch Kontiguit\u00e4tsassoziation. Wohl zu beachten aber ist, dafs Assoziation nicht stattfinden kann zwischen reinen Sinneseindr\u00fccken, noch zwischen Sinneseindr\u00fccken und Vorstellungen (Erinnerungsbildern, Ideen), sondern nur zwischen Erinnerungsvorstellungen, d. h. nur in der Cortex, welche ja allein Assoziationsfasern besitzt und deren Struktur beim Menschen durch Gebrauch sich langsam vervollkommnet, w\u00e4hrend sie beim niederen Tier, z. B. beim Eisch, ganz zur\u00fccktritt (wozu man allerdings unseres obigen Einwandes sich erinnere). Die Untersuchung giebt weiterhin W. Anlafs, das Gebiet der Assoziation einzuschr\u00e4nken auf reine Ideen, sie ganz zu leugnen bei vollst\u00e4ndiger Gleichheit derselben, in welchem Falle nur Assimilation stattfinde, ui^d die wesentlich h\u00f6here Stufe des Ged\u00e4chtnisses und der Ideenbildung zu betonen gegen\u00fcber der blofsen Sinnesempfindung und Bewegung.\nWenn auch die von W. hier vorgetragenen Ansichten manchen Widerspruch zu erwarten haben und keineswegs noch zu voller \u00dcbersicht und Klarheit gelangen lassen, besonders infolge der ein lebhaftes Gef\u00fchl der Unsicherheit erzeugenden, nicht scharf genug ausgepr\u00e4gten Terminologie, so verdienen sie doch die sorgf\u00e4ltigste Beachtung und eingehendste Ber\u00fccksichtigung von seiten eines jeden, der sich mit dem Assoziationsproblem besch\u00e4ftigt. M. Offner (Aschaffenburg).\nRibot. Les \u00e9tats affectifs et la m\u00e9moire, Rev. neurolog. 2e ann\u00e9e. No. 2. S. 33\u201439. (1894.)\nAusgehend von seinen fr\u00fcheren Untersuchungen, in welchen R. festgestellt hat, dafs es nicht ein Ged\u00e4chtnis, sondern Ged\u00e4chtnisse gebe, und zwar in vier Grundtypen, f\u00fcr Gesichts Vorstellungen, Geh\u00f6rsvorstellungen, Tastvorstellungen und Bewegungsvorstellungen nebst Sprach Vorstellungen, wobei sich wieder eine Reihe von Unterarten und pers\u00f6nlichen Variationen erkennen lasse (objektives Ged\u00e4chtnis), legt er sich die Frage vor, ob wir auch ein Ged\u00e4chtnis besitzen f\u00fcr Ger\u00fcche, Geschm\u00e4cke, innere Empfindungen, Lust und Unlust, Gem\u00fctserregungen und Leidenschaften (subjektives Ged\u00e4chtnis). Alle diese Ph\u00e4nomene fafst R. zusammen unter der Bezeichnung Affektzust\u00e4nde, eine meines Erachtens ungl\u00fcckliche Bezeichnung, er m\u00fcfste denn mit Lange und James in den Gef\u00fchlen nur bewufstgewordene Reaktionen","page":140}],"identifier":"lit29678","issued":"1896","language":"de","pages":"138-140","startpages":"138","title":"J. Ward: Assimilation and Association. (II.) Mind. N. S. Vol. III. No. 12. S. 509-532. 1894","type":"Journal Article","volume":"9"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:19:55.496695+00:00"}