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{"created":"2022-01-31T14:17:13.788639+00:00","id":"lit29690","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Peretti","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 9: 157-158","fulltext":[{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n157\nauf Grund des Gesetzes der Synthese, deren Assoziation eine unbewufste ist. Es ist der Zwang der Logik, der den Melancholiker zwingt, einen Grund daf\u00fcr anzugehen, warum er weint, und er thut dies mit derselben Unbewufstheit wie im Traume, wo der Traum zur Erkl\u00e4rung einer Empfindung oder eines Ger\u00e4usches wird. Daher auch die gleiche Unm\u00f6glichkeit, \u00fcber den Wert der Erkl\u00e4rung zu urteilen und das Unzul\u00e4ngliche oder Unwahre derselben einzusehen.\nDumas entwickelt seinen Ideengang an der Hand einiger bestimmten Beispiele. So einfach aber, wie er sich die Sache zurechtgelegt hat, ist sie am Ende doch nicht, und jedenfalls reicht die Annahme einer Hirnan\u00e4mie zur Erkl\u00e4rung der Erscheinungen in der Melancholie nicht \u00fcberall und in allen F\u00e4llen aus.\tPelman.\nLiepmann. \u00dcber die Delirien der Alkoholisten und \u00fcber k\u00fcnstlich bei ihnen hervorgerufene Visionen.\tArch. f. Psychiatr. u. NervenJcranJch.\nXXVII. Bd. S. 172-232. 1895.\nDas reichhaltige Material der K\u00f6niglichen Charite in Berlin hot dem Verfasser Gelegenheit, die Alkoholdelirien eingehend zu beobachten, und er hat die Gelegenheit in fruchtbringender Weise wahrgenommen und so zur Aufkl\u00e4rung des noch immer nicht ausstudierten Krankheitsbildes des Delirium tremens beigetragen. Einige seiner Schlufs-folgerungen m\u00f6gen hier Platz finden: Der vorherrschende Affekt im Delirium tremens ist die Angst, und zwar ist ihr prim\u00e4rer Charakter wahrscheinlich, sie f\u00fchrt nicht zur Selhstbezichtigung, sondern zu Handlungen der Selbsterhaltung. Elementare Empfindungsanomalien wurden in mehr als der H\u00e4lfte der F\u00e4lle beobachtet, meistens Gesichts-, Geh\u00f6rsund Gef\u00fchlsempfindungen: Flimmern, Flocken, Streifen, Nebel, Feuer vor den Augen, Sausen und Klingen in den Ohren, Gef\u00fchl von Brennen und Kitzeln am K\u00f6rper. F\u00fcr das Zustandekommen von eigentlichen Illusionen wirkt alles beg\u00fcnstigend, was ein unscharfes Netzhautbild bedingt, Entfernung des Gegenstandes, verschwommene Formen und unzureichende Refraktion des Auges; der D\u00e9lirant ermangelt der Aufmerksamkeit, durch welche ein Gesunder sich vor falscher Auffassung der unscharfen Netzhautbilder sichert, und so kommt es zur Illusion. Die Illusionen haben meistens Schreckliches zum Inhalt; Tiervisionen konnten hei 70% der Untersuchten nachgewiesen werden, Geh\u00f6rt\u00e4uschungen hei 40%, besonders hei solchen, die schon in halluzinationsfreien Zeiten an subjektiven Geh\u00f6rsempfindungen gelitten hatten.\nIm zweiten Teile seiner Arbeit berichtet Verfasser von seinen Versuchen \u00fcber k\u00fcnstlich ausgel\u00f6ste Sinnest\u00e4uschungen, Druckvisionen bei Deliranten; bei 40 von 52 Untersuchten liefsen sich durch einen anhaltenden sanften Druck auf die Aug\u00e4pfel (mit oder ohne Augenschlufs) Visionen erzeugen ; es traten an erster Stelle, offenbar in krankhafter Deutung der bekannten PuRKiNJESchen Druckfigur, \u201emeteorische\u201c Erscheinungen, Himmel, Sonne, Mond, Sterne, Blitze, auf, an zweiter Stelle Erscheinungen von Gedrucktem oder Geschriebenem in grofsen Buchstaben, an dritter Stelle menschliche Gestalten, Geb\u00e4ude und Gebrauchsgegenst\u00e4nde. Das Gesehene war plastisch, nicht fl\u00e4chenhaft, es fehlte","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158\nLitter aturbericht.\nder schreckhafte Inhalt, die Eigenbeziehung und jeder Zusammenhang der Visionen unter sich und mit dem sonstigen Vorstellungsleben des Deliranten. Auffallenderweise wurden Tiere selten, Ratten und M\u00e4use gar nicht gesehen; diese Verschiedenheit gegen\u00fcber dem Vorherrschen spontan auftretender Tieryisionen erkl\u00e4rt sich nach Verfassers Ansicht dadurch, dafs beim spontanen Delirium der Kranke infolge des bestehenden schreckhaften Affektes auf die Vision von Tieren heftiger als auf das Sehen anderer Gegenst\u00e4nde reagiert und diese affektbetonten Vorstellungen nat\u00fcrlich fester im Ged\u00e4chtnis beh\u00e4lt und durch sein Verhalten oder seine Angaben zum Ausdruck bringt.\nPeretti (Grafenberg).\nCesare Lombroso. Die Anarchisten. Eine kriminal-psychologische und soziologische Studie. Deutsch von Dr. Ktjrella. Mit einer Tafel und f\u00fcnf Textabbildungen. Hamburg, 1895. Verlagsanstalt und Druckerei A.-G. (vormals J. F. Richter). 139 S.\nWenn Lombroso in seinen Werken oft genug die Kritik herausgefordert und sie geradezu gezwungen hat, ihm recht harte Dinge zu sagen, so sind wir diesem neuesten Werke gegen\u00fcber in der weit angenehmeren Lage, unsere Anerkennung und Bewunderung durch kein \u201eaber\u201c einschr\u00e4nken zu m\u00fcssen.\nIn grofsen, gewaltigen Z\u00fcgen entwirft Lombroso ein Bild des Anarchismus, und was er \u00fcber dessen Wesen und Ursachen sagt, geh\u00f6rt mit zu dem Besten, was er je geschrieben. Er geht scharf, sehr scharf mit den staatlichen und gesellschaftlichen Zust\u00e4nden ins Gericht, und wenn er auch die ganze F\u00fclle seines Zornes \u00fcber sein eigenes Vaterland ausgiefst, und ich mich wohl h\u00fcten werde, die b\u00f6sen Dinge, die er dem Unterrichte, dem Parlamentarismus und mehr noch den Parlamentariern, den herrschenden Klassen und ihren Gesetzen nachsagt, von italienischem auf deutschen Boden zu \u00fcbertragen, so l\u00e4fst sich doch andererseits nicht leugnen, dafs auch bei uns nicht alles vollkommen ist, und dafs hier wie dort die Bedingungen f\u00fcr eine Unzufriedenheit gegeben sind, die sich in einem tollen, aber naiven Geiste als Protest gegen alles Bestehende und in der Form der anarchistischen Ideen \u00e4ufsern k\u00f6nnen.\nWie Krapotkin bemerkt, bleibt der beherrschten Masse, wenn sie unzufrieden ist, nur der Appell an die Gewalt, und gerade dieser Teil der Lehre ist es, der die gr\u00f6fste Anziehungskraft auf alle antisozialen und verkommenen Elemente aus\u00fcbt und sie zu gemeinen Verbrechern macht, indem sie jedes Mittel anwenden, das zur Erreichung ihres Zweckes f\u00fchrt, und in der Abschlachtung einiger v\u00f6llig harmloser Opfer die Erf\u00fcllung einer Pflicht erblicken.\nAls Werk einer Minderheit mufs der Anarchismus durch seine ungeordneten Fortschrittsbestrebungen, die sich in Gewaltthaten \u00e4ufsern, die Entr\u00fcstung und den Widerstand der Majorit\u00e4t erwecken, die ihrer ungeheuren Mehrheit nach neuerungsfeindlich und allem abgeneigt ist, was eine tiefgreifende St\u00f6rung bedingt. Dem Anarchismus neigen sich","page":158}],"identifier":"lit29690","issued":"1896","language":"de","pages":"157-158","startpages":"157","title":"Liepmann: \u00dcber die Delirien der Alkoholisten und \u00fcber k\u00fcnstlich bei ihnen hervorgerufene Visionen. Arch. f. Psychiatr. u. Nervenkrankh. XXVII. Bd. S. 172-232. 1895","type":"Journal Article","volume":"9"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:17:13.788644+00:00"}