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{"created":"2022-01-31T14:20:55.244438+00:00","id":"lit29696","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Greeff, R.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 9: 275-282","fulltext":[{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n275\nist, wo Schwierigkeiten zu \u00fcberwinden sind, ein Motiv gegen ein anderes sich durchsetzen mufs, wo sich das Kraftgef\u00fchl als ein Gef\u00fchl der Anstrengung \u00e4ufsert\u201c hat Referent schon einmal (diese Zeitschrift Bd. VIII. S. 81) Stellung genommen. Hier als einen Beleg, dafs der Gleichung Wille = Wahl das Sprachgef\u00fchl des Verfassers selbst nicht treu zu bleiben vermag, die Stelle: \u201eIst aber das Gute, das wir objektiv als den Dienst an der Wohlfahrt der Gesamtheit fassen k\u00f6nnen, im einzelnen zur herrschenden Macht geworden, so dafs er sich fraglos und wahllos, freudig und willig in diesen Dienst stellt, so kann es sich verschieden in ihm \u00e4ufsern\u201c u. s. f. (S. 176).\nNach dem kurzen Abschnitt VII. \u201eAbnormit\u00e4ten im Gef\u00fchlsleben\u201c (1. Geisteskrankheit, 2. Hypnotismus) gelangt im \u201eSchlufs\u201c (S. 320\u2014328) Verfasser zu einer Art Bewertung des Gef\u00fchles, wobei er es sich (aus nicht recht \u00fcberzeugenden Gr\u00fcnden) versagt, bis zu.einer Metaphysik des Gef\u00fchles vorzugehen. \u201eWas es (das Gef\u00fchl). . hier leistet . . l\u00e4fst sich mit einem Worte aussprechen, das wir bisher hinantgehalten haben und das doch alles in sich fafst: Das Gef\u00fchl schafft Werte\u201c (S. 322). Warum \u201ehintangehalten\u201c, wird nicht gesagt. Jedenfalls d\u00fcrfen wir aber Beitr\u00e4ge zu einer Theorie des Wertes als solchen in dem Buche, n\u00e4mlich in dem kurzen Schlufswort, nicht suchen. Ob z. B. der Verfasser auch nun die Frage: \u201eSchafft j edes Gef\u00fchl Werte?\u201c nach Meinongs Analyse der Wertgef\u00fchle als einer speziellen Gef\u00fchlsklasse (Existenzialgef\u00fchle) noch bejahen m\u00f6chte? \u2014 Die den obigen unmittelbar folgenden Worte: \u201eNur was Wert besitzt, wird von mir erkannt (?), nur was f\u00fcr mich Wert hat, wird von mir erstrebt, unternommen und gethan\u201c, klingen in ihrer ersten H\u00e4lfte jedenfalls nicht erkenntnis-theoretisch, was sie ja doch sein wollen. \u2014\nReferent schliefst wieder mit der Versicherung, dafs er sich wohl\nbewufst ist, durch die herausgegriffenen Einzelheiten zwar vielleicht\n\u2022 *\nAnregung zu deren sachlicher \u00dcberpr\u00fcfung seitens des Verfassers selbst, nicht aber ein angemessenes Bild von dem vielen Detail, das dem Leser das Buch lehrreich und angenehm macht, haben geben zu k\u00f6nnen. Wie Verfasser selbst einmal (S. 27) Wundt und H\u00f6ffding \u201edie zwei bedeutendsten Psychologen der Gegenwart\u201c nennt, so teilt auch sein vorliegender Beitrag zur Psychologie im ganzen die Vorz\u00fcge wie die Schw\u00e4chen der genannten Schriftsteller. \u00dcber \u201ebedeutend\u201c und \u201ebedeutendst\u201c wollen wir nicht streiten ; genug, wenn sich nur alles in allem zeigen wird, dafs ihre und Zieglers Art, Psychologie zu treiben, dem Gegenst\u00e4nde \u00fcberhaupt neue Interessenten zuf\u00fchrt.\tA. H\u00f6fler (Wien).\nRamon y Cajal und Richard Greeff. Die Retina der Wirbeltiere, nach Arbeiten von Ramon y Cajal. In Verbindung mit dem Verfasser zusammengestellt, \u00fcbersetzt und mit Einleitung versehen von R. Greefe. Wiesbaden, J. F. Bergmann. 1894. Gr.-Quart. 180 Seiten mit 7 Doppeltafeln und 3 Abbildungen im Text.\nDas vorliegende, von der Verlagsbuchhandlung J. F. Bergmann pr\u00e4chtig ausgestattete Werk enth\u00e4lt eine ausf\u00fchrliche Zusammenstellung der Ergebnisse aus den Arbeiten Ramon y Cajals, welche vom Jahre\n18*","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276\nBesprechungen.\n1888 bis 1893 \u00fcber den Bau der Betina der Wirbeltiere erschienen sind. Diese Arbeiten erschienen zum Teil in franz\u00f6sischer, zum Teil in spanischer Sprache. Dem vorliegenden Werke sind aufserdem neue, bisher noch nicht ver\u00f6ffentlichte Befunde des spanischen Anatomen hinzugef\u00fcgt worden, so dafs das Werk zum Teil als eine neue Originalarbeit Cajals anzusehen ist.\nDurch den italienischen Anatomen Golgi und den spanischen Anatomen Cajal ist in den letzten Jahren ein v\u00f6lliger Umschwung in der Auffassung \u00fcber den feineren Bau des Nervensystems herbeigef\u00fchrt worden. In einer l\u00e4ngeren Einleitung hat Greeff versucht, darzustellen, wie und wodurch dieser Umschwung vor sich gegangen ist. Nur auf dieser Basis konnten sich die neuen Anschauungen \u00fcber den Bau der Betina entwickeln und nur auf ihr verstanden werden. Wir erfahren sodann in der Einleitung, wie die Ergebnisse der allgemeinen Nerven-anatomie auf eine neue Durchforschung der nerv\u00f6sen Elemente der Betina hinwiesen, und welche Autoren sich an der Entwickelung der neuen Epoche beteiligt haben.\nDie neue Epoche datiert von der Auffindung zweier neuer F\u00e4rbemethoden an, welche wir Camillo Golgi in Pavia und P. Ehrlich in Berlin verdanken; diesen beiden gesellt sich als dritter Bamon y Cajal in Madrid zu, welcher die Anwendung der GoLGischen Methode bedeutend erweiterte, die Methode verbesserte und sie zu der grofsen Bedeutung und Verbreitung brachte, welche sie heutzutage in der ganzen wissenschaftlichen Welt besitzt. Die beiden Methoden sind die GoLGi-CAJALSche Chrom-Osmium-Silherf\u00e4rbung und die EHRLiCHSche Methylenblauf\u00e4rbung des lebenden Gewebes. So verschieden sie in ihrer Anwendung und Technik sind, so besitzen sie beide die einzige, bis dahin bei allen anderen Methoden fehlende Eigenschaft, dafs sie nicht in gleicher Weise alle auf einem Schnitt befindlichen Zellen f\u00e4rben, sondern dafs sie aus einem verwickelten, dichten Gewirr nur ganz vereinzelte Zellen darstellen, scheinbar wie willk\u00fcrlich, und alle umherliegenden Zellen vollst\u00e4ndig verschonen, und zwar wird die einmal betroffene Zelle bis in die feinsten Ausl\u00e4ufer hinein gef\u00e4rbt. Nur auf diese Weise ist es m\u00f6glich geworden, die Morphologie der dicht hei einander liegenden Nervenzellen zu erkennen, die, wenn alle Zellen mit ihren Ausl\u00e4ufern sich in gleicher Vollst\u00e4ndigkeit zeigen w\u00fcrden, in einem ungeheuren Wirrwarr verschwinden w\u00fcrden.\nAus der \u00dcbersicht von Greeff geht hervor, dafs Tartuferi der erste war, welcher in der neuen Periode die Untersuchung der Betina mit der GoLGischen Methode begann. Es folgten dann die zahlreichen Arbeiten des russischen Gelehrten Dogiel, welcher sich der Methylenblaumethode bediente. Derjenige Forscher, welchem es gelungen ist, den Zusammenhang der nerv\u00f6sen Elemente der Betina am vollst\u00e4ndigsten und klarsten nachzuweisen, ist B. y Cajal, dem schon so wertvolle, bahnbrechende Entdeckungen im Gebiete des Zentralnervensystems zu danken waren. Er bediente sich haupts\u00e4chlich der GoLGischen Versilberungsmethode, welche er wesentlich verbesserte, und benutzte daneben sowohl die alten F\u00e4rbungsmethoden als auch die EHRLiCHSche","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n277\nMethylenblauf\u00e4rbung zu Kontrollversuchen. \u2014 An die Spitze seiner Untersuchungen stellt Cajal den Satz von der Unabh\u00e4ngigkeit der nerv\u00f6sen Elemente voneinander. Die Zellen verbinden sich mit ihren Ausl\u00e4ufern nicht untereinander, sie bilden keine Netze (alte Netztheorie), sondern eine wirksame \u00dcbertragung der Nervenreize von Zelle zu Zelle findet schon dadurch und nur dadurch statt, dafs die Forts\u00e4tze und Ver\u00e4stelungen einer Zelle sich denen der benachbarten Zelle mit ihren Spitzen oder ihren Seitenfl\u00e4chen anlegen (neue Kontakttheorie). Nur durch innigen Kontakt ihrer Forts\u00e4tze treten die Zellen zu einander in Beziehungen. Die Nervenzellen sind miteinander in keinerlei Verbindung stehende \u201eIndividuen\u201c (Edinger) oder Neurone (Waldeyer). Cajal konnte diesen Satz vor einigen Jahren nach Befunden im Kleinhirn und im Bulbus olfactorius aufstellen, er best\u00e4tigt sich aber ganz besonders nach den Befunden in der Betina. Wir m\u00fcssen also zuerst die Ansicht von dem Bestehen eines nerv\u00f6sen Netzes in der Betina fallen lassen.\nEs ist die Frage nach dem Zusammenh\u00e4nge der nerv\u00f6sen Elemente von grofser allgemeiner prinzipieller Bedeutung f\u00fcr die ganze Anatomie und Physiologie des Nervensystems. Die meisten Anatomen haben sich der neuen CAJALSchen Kontakttheorie angeschlossen, und es ist an ihrer Dichtigkeit kaum noch zu zweifeln. Allerdings giebt es auch noch heftige Gegner derselben, welche an der alten Netztheorie festhalten. Es sind das haupts\u00e4chlich solche Forscher, welche nur mit der Methylenblaumethode gearbeitet haben; der eifrigste Gegner ist Dogiel, dem wir \u00fcbrigens auch viele neue Thatsachen verdanken.\nNach den Arbeiten von B. y Cajal darf man den schon von H. M\u00fcller und seinen Nachfolgern so eifrig gesuchten Zusammenhang der St\u00e4bchen und Zapfen mit den Sehnervenfasern nunmehr als aufgefunden und festgestellt betrachten. Allerdings ist der Zusammenhang nicht so, wie man immer geglaubt hatte, l\u00fcckenlos, sondern es finden sich Unterbrechungen in der Nervenbahn oder \u00dcbertragungsVorrichtungen durch Kontakt.\nDie St\u00e4bchenfaser endet in der \u00e4ufseren granulierten (plexiformen) Schicht frei mit einem Kn\u00f6tchen ; dieses Kn\u00f6tchen wird umsponnen von den Endfasern der oberen Forts\u00e4tze bestimmter bipolarer Zellen, welche nur f\u00fcr die St\u00e4bchen bestimmt sind und sich von den Bipolaren, welche f\u00fcr die Zapfen bestimmt sind, unterscheiden lassen. Unten setzt sich dann diese bipolare Zelle mit einem absteigenden Fortsatz direkt auf eine Ganglienzelle auf, umklammert sie mit fingerf\u00f6rmigen Zweigen und leitet ihr (durch Kontakt) den empfangenen Lichtreiz von den St\u00e4bchen zu. Die Ganglienzelle sendet dann den empfangenen Impuls durch eine Sehnervenfaser den optischen Zentren zu.\nDer Weg, den ein Beiz durch die Zapfen nimmt, ist anders. Die Zapfenfaser endet in der \u00e4ufseren granulierten (plexiformen) Schicht mit einer breiten Basis, von der basil\u00e4re kurze F\u00e4dchen ausgehen. Mit diesen treten die F\u00e4dchen von den Enden der f\u00fcr die Zapfen bestimmten bipolaren Zellen in Kontakt. Der untere Fortsatz dieser Bipolaren endet in verschiedener H\u00f6he in der inneren plexiformen Schicht mit einer Endver\u00e4stelung. Diese \u00c4stchen treffen zusammen","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278\nBesprechungen.\nmit den nacli oben ziehenden \u00c4stchen bestimmter Granglienzellen (schichtenbildenden, mono\u00ebstratificadas) und verflechten sich gegenseitig, indem sie so mit den in gleicher H\u00f6he endigenden Nachbar zellen einen schmalen horizontalen Plexus bilden. Auf diese Weise entstehen in dieser Schicht f\u00fcnf von mir sogenannte Unterschichten, welche also f\u00fcnf \u00fcbereinanderliegende Plexus bilden.\nEs ist hiermit zum ersten Male in deutlicher Weise ein verschiedenes, charakteristisches Verhalten der St\u00e4bchen- und der Zapfenleitung nachgewiesen. Beide Fasern erleiden also zweimal eine Unterbrechung, die wohl einem elektrischen Ausschaltungsapparat vergleichbar ist. Die erste Unterbrechung ist zwischen dem End\u00e4stchen der St\u00e4bchen und Zapfen einerseits und den oberen End\u00e4stchen der bipolaren Zellen (\u00e4ufseren K\u00f6rner) andererseits in der \u00e4ufseren granulierten (plexiformen) Schicht; die zweite Unterbrechung ist zwischen den unteren End\u00e4stchen der bipolaren Zellen und den ihnen entgegenkommenden \u00c4stchen der Ganglienzellen in der inneren granulierten (plexiformen) Schicht.\nDie aufserhalb der direkten Leitungsbahn liegenden Gebilde wollen wir bei einer Betrachtung der Schichten der Retina, so wie sie jetzt nach den neuen Entdeckungen genannt werden m\u00fcssen, besprechen.\nR. y Cajal unterscheidet folgende Schichten in der Retina:\n1.\tPigmentepithelschicht der Retina.\n2.\tSehzellenschicht (St\u00e4bchen und Zapfen).\n3.\tSchicht der K\u00f6rner der Sehzellen (\u00e4ufsere K\u00f6rnerschicht der Autoren).\n4.\t\u00c4ufsere plexiforme Schicht (Zwischenk\u00f6rner \u2014 \u00e4ufsere molekulare oder granulierte Schicht).\n5.\tSchicht der horizontalen Zellen (sternf\u00f6rmige oder konzentrische Zellen).\n6.\tSchicht der bipolaren Zellen (Ganglion retinae, innere K\u00f6rnerschicht).\n7.\tSchicht der amakrinen Zellen (Spongioblasten M\u00fcllers).\n8.\tInnere plexiforme Schicht (innere retikul\u00e4re oder innere mole-kul\u00e4re Schicht).\n9.\tGanglienzellenschicht.\n10.\tOpticusfas er Schicht.\nDazu kommen noch die M\u00fcLLERschen Zellen oder das St\u00fctzgewebe der Retina, welches durch alle Schichten der Retina hindurchgeht, und ferner in den inneren Schichten der Retina die Neuroglia- oder Spinnenzellen. Die Membrana limitans externa und interna k\u00f6nnen nicht als gesonderte Schichten angesehen werden, da sie nur die Grenzen der M\u00fcLLERschen St\u00fctzfasern darstellen.\nDie Untersuchungen Cajals beziehen sich auf mehrere Tiergattungen der Wirbeltiere, n\u00e4mlich auf:\nI. die Knochenfische,\nII.\tdie Batrachien (Fr\u00f6sche),\nIII.\tdie Reptilien,\nIV.\tdie V\u00f6gel,\nV.\tdie S\u00e4ugetiere.","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n279\nEs kann bier nickt anf die kleinen Unterschiede, welche sich im Aufbau der verschiedenen Netzh\u00e4ute ergeben, eingegangen werden, doch ist der Ausspruch Cajals von Wichtigkeit, \u201edafs im allgemeinen eine merkw\u00fcrdige \u00dcbereinstimmung in dem Bau der Retina hei allen f\u00fcnf untersuchten Tierklassen herrscht. Man kann behaupten, dafs die einzigen anatomischen Abweichungen, welche sich auffinden lassen, sich auf die relative Dicke der einzelnen Schichten der Retina und auf die Form und die Dichtigkeit der St\u00e4bchen und Zapfen beziehen. Haupts\u00e4chlich die St\u00e4bchen bewirken durch ihre mehr oder weniger grofse Dichtigkeit und durch die Form und die Ausdehnung ihrer unteren Endigungen in der \u00e4ufseren retikul\u00e4ren Schicht bemerkenswerte Unterschiede. Die Unterschiede sind so charakteristich, dafs man meist hieraus allein die Klasse der Wirbeltiere, um die es sich handelt, bestimmen kann. Die Zapfen dagegen bieten, abgesehen von feinsten Abweichungen, fast \u00fcberall das gleiche morphologische Bild dar. Es hat nicht den Anschein, als ob der Aufbau der Retina, wenn man in der Tierreihe der Vertebraten nach oben geht, vollkommener w\u00fcrde, es kommen nur einige Modifikationen vor, die sich haupts\u00e4chlich auf die St\u00e4bchen und Zapfen beziehen und der Eigenartigkeit des G-esichtssinnes eines jeden Tieres entsprechen.\nDie Retina des Menschen ist bisher nicht untersucht worden; es liegt das daran, dafs es sehr schwer ist, lebensfrische normale Retina des Menschen zu erhalten, doch ist anzunehmen, dafs sie sich im Prinzip in ihrem Aufbau nicht von der Retina der \u00fcbrigen S\u00e4ugetiere unterscheiden wird. Bekanntlich sind beim Menschen die St\u00e4bchen sehr d\u00fcnn und dichtstehend, und infolgedessen ist die K\u00f6rnerschicht der St\u00e4bchen sehr m\u00e4chtig.\n\u00dcber die einzelnen Schichten, so wie sie nach den neuen Befunden benannt werden, m\u00f6gen noch folgende S\u00e4tze Cajals hervorgehoben werden.\nDie St\u00e4bchen und Zapfen der Retina sind bei allen Wirbeltieren vollst\u00e4ndig unabh\u00e4ngige Elemente, echte Neurone im Sinne Waldeyers.\nDie St\u00e4bchen der Knochenfische, der Nachtv\u00f6gel und der S\u00e4ugetiere besitzen einen gemeinschaftlichen Charakter. Sie endigen mit einer mehr oder weniger rundlichen Anschwellung in der \u00e4ufseren Lage der \u00e4ufseren plexiformen Schicht. Die St\u00e4bchen der Tagv\u00f6gel und der Fische endigen dagegen mit einem konischen \u201eFufs\u201c, der mit horizontalen F\u00e4dchen besetzt ist.\nNeben den geraden oder den gew\u00f6hnlichen Zapfen findet man bei den Fr\u00f6schen, Reptilien und V\u00f6geln Sehzellen mit schr\u00e4g absteigenden Fasern, deren Basalanschwellung in einer tieferen Zone liegt, als die F\u00fcfse der anderen Zellen.\nStellen die schr\u00e4gen Zapfen Sehzellen dar, welche von den geraden Zapfen physiologisch verschieden sind, oder haben wir es nur mit einer topographischen Verschiedenheit zu thun? Es ist zur Zeit unm\u00f6glich, diese Frage wissenschaftlich genau zu beantworten. Es giebt aber eine Thatsache, welche daf\u00fcr spricht, dafs diesen Gebilden eine spezifische Funktion zukommt. Man findet n\u00e4mlich in der Retina der Fr\u00f6sche, dafs die schr\u00e4gen Zapfen sich fast alle mit ganz speziellen St\u00e4bchen ver- .","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280\nBesprechungen.\nMnden, welche gr\u00fcn gef\u00e4rbt sind und die von den gew\u00f6hnlichen St\u00e4bchen fon roter Farbe sich vollst\u00e4ndig unterscheiden lassen. Wenn man nun hei den schr\u00e4gen K\u00f6rnern der Reptilien nnd V\u00f6gel eine \u00e4hnliche Eigenschaft vermutet, so l\u00e4fst sich annehmen, dafs bei diesen Tieren die schr\u00e4gen Zapfen die Bestimmung haben, zu solchen St\u00e4bchen hinzuziehen, welche Kugeln von einer bestimmten Farbe besitzen.\nDie \u00e4ufsere plexiforme Schicht ist der \u00e4ufsere Abschnitt der fr\u00fchen sog. \u00e4ufseren granulierten oder molekul\u00e4ren Schicht. Hier treffen sich die Endverzweigungen der Sehzellen und die Endverzweigungen der aufsteigenden \u00c4ste der bipolaren Zellen. Unmittelbar unter dieser Schicht (nach innen zu) liegen die horizontalen Zellen (\u00e4ufsere H\u00e4lfte der inneren K\u00f6rnerschicht der Autoren). Sie entsprechen der Membrana fenestrata von Krause und den konzentrischen Zellen von Schiefperdecker, sind aber als wirkliche nerv\u00f6se Zellen zu betrachten. Nach ihrem anatomischen Verhalten ist die Vermutung zul\u00e4ssig, dafs die horizontalen Zellen dazu bestimmt sind, um die transversale Verbindung der Sehzellen zu vermitteln. Sie sind in drei Reihen angeordnet. Es w\u00fcrde z. B. eine jede horizontale Zelle aus der ersten Reihe eine kleine Gruppe von St\u00e4bchen und Zapfen mit einer anderen solchen Gruppe in mehr oder geringer grofser Entfernung verbinden. Die Zellen in den zwei folgenden Lagen besitzen einen l\u00e4ngeren Achseneylinder, sie w\u00fcrden also die Verbindung zweier Gruppen von St\u00e4bchen und Zapfen \u00fcber eine weit gr\u00f6fsere Strecke hin \u00fcbermitteln.\nDie mittlere Schicht der fr\u00fcheren inneren K\u00f6rner besteht aus bipolaren Zellen mit einem nach oben und einem nach unten ziehenden Fortsatz, die beide eine Endver\u00e4stelung eingehen. Es ist h\u00f6chst interessant, dafs sich meist mit Sicherheit solche bipolare Zellen, welche zu Zapfen geh\u00f6ren, von solchen, welche zu St\u00e4bchen geh\u00f6ren, unterscheiden lassen. Sie vermitteln die \u00dcbertragung der Lichtreize von den St\u00e4bchen und Zapfen zu den Ganglienzellen.\nDie unterste Lage der \u00e4ufseren K\u00f6rner hebt sich schon auf mit Karmin gef\u00e4rbten Schnitten als besondere Schicht ab, es sind die von M\u00fcller sog. Spongioblasten. Sie besitzen einen kurzen, nach unten (ihnen) absteigenden Fortsatz, der sich in der inneren plexiformen Schicht verzweigt und sich mit der aufsteigenden Ver\u00e4stelung einer Ganglienzelle verschlingt. Cajal nennt die Schicht amakrine Zellen (a = priv., pax\u00e7o\u00e7 = lang und ivog = Faser). \u00dcber ihre physiologische Bedeutung l\u00e4fst sich noch nichts Bestimmtes sagen.\nIn der inneren plexiformen Schicht liegen eine Anzahl, meist f\u00fcnf, horizontaler Plexus \u00fcbereinander. In jedem dieser Plexus findet die \u00dcbertragung der Lichtreize von den St\u00e4bchen und Zapfen her durch die bipolaren Zellen zu den Ganglienzellen durch Kontakt statt. In jedem dieser Plexus finden sich dreierlei Verzweigungen : 1. die Protoplasmaverzweigungen der aufsteigenden \u00c4ste der Ganglienzellen, 2. die unteren B\u00fcschel der bipolaren Zellen, 3. die End Verzweigungen der amakrinen Zellen.\nDie Ganglienzellen besitzen alle einen aufsteigenden Ast, welcher in der inneren plexiformen Schicht in verschiedener H\u00f6he in einem der f\u00fcnf horizontalen Plexus in eine End Verzweigung zerf\u00e4llt.","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n281\nDie Spinnenzellen (Neurogliazellen) liegen zwischen den Sehnerv en-fasern im Nervus opticus, in der Sehnervenschicht der Retina und zwischen den Ganglienzellen. Sie bilden wahrscheinlich einen schlecht leitenden Apparat f\u00fcr die Nervenstr\u00f6mungen in der Retina, denn sie finden sich immer reichlich mitten zwischen den Nervenfasern, isolieren dieselben voneinander und verhindern eine longitudinale Ber\u00fchrung der einzelnen Fasern.\nEs ist in physiologischer Beziehung bemerkenswert, dafs sich ein Lichtreiz um so^mehr konzentriert, je weiter er durch die Retina durchschreitet. Die obere Verzweigung einer bipolaren Zelle umgreift stets die Endk\u00fcgelchen mehrerer St\u00e4bchen, und wiederum pflegen mehrere bipolare Zellen mit ihrer unteren Verzweigung mit einer Ganglienzelle in Beziehung zu treten. W\u00e4hrend also die St\u00e4bchen vielleicht nur punktf\u00f6rmige Eindr\u00fccke aufnehmen, sind dieselben in den bipolaren Zellen und noch mehr in den Ganglienzellen zu bildf\u00f6rmigen Eindr\u00fccken gesammelt. Die horizontalen Zellen sammeln die Eindr\u00fccke wohl in transversaler Richtung unterhalb der Endigungen der Sehzellen.\nDie Rolle der M\u00fcLLERSchen St\u00fctzfasern scheint nicht nur darin zu bestehen, die nerv\u00f6sen Elemente zu st\u00fctzen, sondern auch, die Zellforts\u00e4tze zu isolieren und eine \u00dcberleitung der Reize in horizontaler Richtung im Niveau der K\u00f6rnerschichten zu verhindern. Die seitlichen Ausbreitungen der M\u00fcLLERSchen Zellen fehlen oder werden sehr fein in den Schichten, wo ein nerv\u00f6ser Konnex der Zellen untereinander stattfindet (plexiforme Schichten).\nEs folgen schliefslich noch eigene Kapitel \u00fcber 3. die Fovea centralis; dieselbe unterscheidet sich von anderen Teilen der Retina haupts\u00e4chlich dadurch, dafs auf gleichem Raume hier eine gr\u00f6fsere Anzahl Zapfen vorhanden sind; die Zapfen in der Fovea sind weit zarter und d\u00fcnner, und ihre Basilaranschwellung setzt sich ausschliefslich mit dem B\u00fcschel einer bipolaren Zelle in Kontakt.\nAus dem Umstande, dafs f\u00fcr die beiden nerv\u00f6sen Kontaktoberfl\u00e4chen in der inneren plexiformen Schicht, den unteren B\u00fcscheln der Bipolaren einerseits und den oberen B\u00fcscheln der Ganglienzellen andererseits der Raum in der Fovea zu klein ist, und dafs die Zapfen in der Fovea in gr\u00f6fserer Anzahl vorhanden sind, als anderswo in der Retina, erkl\u00e4ren sich die Strukturver\u00e4nderungen in dem perifovealen Teil der Retina: die Schr\u00e4gheit der Zapfenfasern und der Forts\u00e4tze der bipolaren, die betr\u00e4chtliche Dicke der inneren und \u00e4ufseren K\u00f6rnerschicht etc.; 2. die Entwickelung der retinalen Zellen. Verfasser f\u00fchrt in sehr geistvollen Schl\u00fcssen aus, dafs das Entgegen wach sen der zusammengeh\u00f6rigen Zellen wohl haupts\u00e4chlich durch Chemotaxis geschehe.\nIm ganzen genommen, ist die Retina ihrem Bau nach als ein echtes nerv\u00f6ses Zentrum des Zentralnervensystems zu betrachten, das nur in die Peripherie vorgeschoben ist.\nIm vorstehenden habe ich versucht, die haupts\u00e4chlichsten Ergebnisse aus den Arbeiten Cajals hier etwas ausf\u00fchrlicher wiederzugeben. Ich mufs es mir jedoch versagen, auf die vielfachen scharfsinnigen \u00dcberlegungen und Kombinationen Cajals einzugehen, durch die er sich","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282\nBesprechungen.\nbem\u00fcht, die physiologische Bedeutung der zahlreichen neuen Zellformen in der Betina aufzufinden. Vieles ist hier noch hypothetisch, jedoch sind dadurch von dem Verfasser vielfache Anregungen zu weiterer Forschung gegeben. In den haupts\u00e4chlichsten Z\u00fcgen darf der anatomische Bau der Betina, so wie ihn Cajal beschreibt, nunmehr nach mehrfachen Nachuntersuchungen als sichergestellt betrachtet werden, und die Arbeiten Cajals werden eine Epoche in unserer Kenntnis von dem Bau der Betina auch f\u00fcr die Zukunft bedeuten.\tB. G-reeff (Berlin).","page":282}],"identifier":"lit29696","issued":"1896","language":"de","pages":"275-282","startpages":"275","title":"Ram\u00f3n y Cajal und Richard Greeff: Die Retina der Wirbeltiere, nach Arbeiten von Ram\u00f3n y Cajal. In Verbindung mit dem Verfasser zusammengestellt, \u00fcbersetzt und mit Einleitung versehen von R. Greeff. Wiesbaden, J. F. Bergmann. 1894. Gr.-Quart. 180 Seiten mit 7 Doppeltafeln und 3 Abbildungen im Text","type":"Journal Article","volume":"9"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:20:55.244444+00:00"}