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{"created":"2022-01-31T14:38:13.366683+00:00","id":"lit29699","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schaefer","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 9: 284-285","fulltext":[{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284\nLitteraturbericht.\nVon dem Begriff der Dressur auf den Begriff der Erziehung, im besonderen der Erziehung des Menschen \u00fcbergehend, kommt Verfasser zu dem Resultat, dafs auch diese mutatis mutandis auf denselben Prinzipien beruhe, mag es sich nun um Erziehung zu milit\u00e4rischer Disziplin oder etwa um die Erlernung gesellschaftlicher Manieren handeln. Immer kommt es darauf an, bestimmte Assoziationen uns so fest einzupr\u00e4gen, dafs wir auch ohne, ja gegen unseren Willen auf bestimmte Veranlassungen von aufsen mit bestimmten Handlungen reagieren.\nSchaefer (Rostock).\nGr. Heydxer. Beitr\u00e4ge zur Kenntnis des kindlichen Seelenlebens. Leipzig, Richter. 1894. 96 S.\nDer erste Abschnitt dieses f\u00fcr die Kinderpsychologen beachtenswerten Buches behandelt den Leseunterricht. Jeder Leser, nicht zum wenigsten der kindliche, vermag das Gelesene nur dann mit bleibendem Vorteil geistig zu verarbeiten, wenn er mit Interesse liest und eine zum Verst\u00e4ndnis der Lekt\u00fcre gen\u00fcgende psychische Grundlage besitzt. Soll daher der Leseunterricht wahrhaft fruchtbar sein, so m\u00fcssen die Kinder mit Lust und mit Vertrauen zum Lehrer ihre eigenen Gedanken \u00fcber das Gelesene mitteilen. Verfasser giebt eine grofse Zahl besonders charakteristischer Ausspr\u00fcche dieser Art wieder und fordert dringend dazu auf, dafs dies auch von anderen geschehe. Solche Sammlungen w\u00fcrden einen doppelten Zweck haben. Einmal liefsen sie sich zu einer sehr beachtenswerten Kritik f\u00fcr die Brauchbarkeit oder Unbrauchbarkeit von Leseb\u00fcchern verwerten, welche noch allzu oft ohne gen\u00fcgendes Verst\u00e4ndnis der kindlichen Psyche geschrieben werden. Zweitens w\u00fcrde dadurch ein wichtiges Material zu einer Psychologie des Kindes geschaffen werden : und es w\u00e4re an der Zeit, dafs auch Lehrer endlich die von Preyer und anderen gezeigten Wege der experimentellen Forschung einschl\u00fcgen.\nDem ersten Abschnitt \u201eWie Kinder lesen\u201c folgt ein Abschnitt dar\u00fcber, \u201eWas Kinder sehen\u201c. Auch hier stellt Verfasser dieselben Forderungen bez\u00fcglich des Anschauungsunterrichtes, der Heimatkunde. Die jetzt \u00fcblichen Lehrpl\u00e4ne und Leitf\u00e4den f\u00fcr den Unterricht ermangeln in ihrer Disposition einer gen\u00fcgenden Kenntnis dessen, was dem Kinde notthut, und zwingen den kindlichen Geist oft genug in eine ihm g\u00e4nzlich inad\u00e4quate Schablone des Unterrichts. Zu einer wissenschaftlichen Basis f\u00fcr den Lehrplan der Heimatskunde in den unteren Volksschulklassen wird man nur durch eine Statistik eigner Offenbarungen der Kinder \u00fcber das, was im Vordergr\u00fcnde ihres Interesses steht, gelangen. Auf dieser Entwickelungsstufe des Geistes mufs sich der Unterricht durchaus nach der nat\u00fcrlichen Wifsbegier der Kinder richten. Deswegen ist Verfasser auch f\u00fcr den (an den Stoff der gerade durchgenommenen Lesest\u00fccke oder an zuf\u00e4llig gegebene Situationen, wie st\u00fcrmische Witterung, Schneetreiben u. dergl.) angelehnten Unterricht.\nAlle Ausf\u00fchrungen des Verfassers zeugen von einem bemerkenswerten, weil keineswegs allen Schulm\u00e4nnern durchweg eigenen, physiologischen Takt in der psychischen Behandlung seiner Sch\u00fcler. Es m\u00f6gen","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht\n285\ndeswegen noch einige Einzelbeobachtungen hier Platz finden. Siebentes achtj\u00e4hrigen Kindern geht noch das Verst\u00e4ndnis f\u00fcr die Form des Imperfekts ab; der Konjunktiv wird nur als Konditionalis aufgefafst. Am Ende des achten Jahres erwacht das Verst\u00e4ndnis f\u00fcr die Unwahrheiten der M\u00e4rchen. Bis ins zweite Schuljahr erz\u00e4hlen die Kinder alles Beobachtete in ungeordnetem Durcheinander, in regellosen Ge-dankenspr\u00fcngen, ohne Verst\u00e4ndnis f\u00fcr logische Disposition. Die Beobachtungen selbst sind scharf, die Bezeichnungen oft schlagend. Die gegenseitige Verst\u00e4ndigung der Kinder untereinander geht rasch und glatt von statten. Das Kind unterscheidet sich vom Erwachsenen eigentlich nur durch die gr\u00f6fsere Beschr\u00e4nktheit seines geistigen Horizontes, und \u00fcberhaupt kommt nach Ansicht des Verfassers der Mensch auch innerlich fertig auf die Welt, so dafs durch Erziehung wenig an seinem Charakter und sittlichen Wert zu \u00e4ndern ist. Schaefer (Bostock).\nF. Bleuler. Versuch einer naturwissenschaftlichen Betrachtung der psychologischen Grundbegriffe. Allg. Zeitschr. f. Psychiatrie. L. S. 133 bis 168. (1893.)\nEs ist nichts Geringes, was uns Verfasser in Aussicht stellt! Er will auf Grund \u201eneurologischer Kenntnisse nicht nur ein bewufstes \u201e\u201eIch\u201c\u201c aus bekannten Thatsachen konstruieren, sondern auch zeigen, dafs dieses bewufste \u201e\u201eIch\u201c\u201c ... auch wirklich existieren mufs.\u201c B. glaubt dabei so wenig die innere Erfahrung zu benutzen, dafs er offen l\u00e4fst, \u201eob dieses Ich dasjenige ist, welches wir in uns beobachten\u201c. Es sei bisher noch nicht nachgewiesen, dafs ein Komplex physischer Funktionen alle psychischen Ph\u00e4nomene inch Bewufstsein hervorbringen resp. erkl\u00e4ren k\u00f6nne. Wenigstens h\u00e4tten die Meisten \u201edas Bewufstsein als etwas Besonderes, Unerkl\u00e4rliches, einen \u201eParallelvorgang\u201c angef\u00fchrt\u201c.\nDie zu Grunde gelegten \u201eneurologischen Thatsachen\u201c sind neben einigen allgemeinen S\u00e4tzen aus der Nervenphysiologie vier S\u00e4tze, in denen von den \u201edynamischen Spuren\u201c, welche zentrale Vorg\u00e4nge zur\u00fccklassen, und ihren Verkn\u00fcpfungsweisen die Bede ist (in Wahrheit also nicht \u201eThatsachen\u201c, sondern Suppositionen zur Erkl\u00e4rung gewisser Leistungen von Mensch und Tieren).\nVon einigen wirklichen neurologischen Thatsachen, welche durch neuere Methoden (insbes. die von Golgi) ans Licht gebracht worden sind, von welchen nach des Beferenten Meinung in der That \u2014 wenn auch in viel anspruchsloserem Sinne des Wortes \u2014 eine \u201eErkl\u00e4rung\u201c mancher psychischen Ph\u00e4nomene erwartet werden darf, nimmt B. gar keine Notiz.\nZu der nun beginnenden Ableitung des \u201ebewufsten Ich\u201c schicke ich folgendes voraus : Alle naturwissenschaftlich Denkenden fordern heutzutage zu jeder Empfindung einen entsprechenden physischen Vorgang im Zentralorgan. Giebt man diesem Hypothetischen einen Namen, so steht dem nichts im Wege, Synthesen und Analysen, welche die Psychologen an den Empfindungen und ihren Komplexen vornehmen, mit ihren physischen Korrelaten auszuf\u00fchren. Diese billige Befriedigung verschafft sich B. ! Dafs, solange die k\u00f6rperlichen Prozesse nicht selbst\u00e4ndig","page":285}],"identifier":"lit29699","issued":"1896","language":"de","pages":"284-285","startpages":"284","title":"G. Heydner: Beitr\u00e4ge zur Kenntnis des kindlichen Seelenlebens. Leipzig, Richter. 1894. 96 S.","type":"Journal Article","volume":"9"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:38:13.366689+00:00"}